Die Papstbulle Venerabilem (RNI 621) stellt eines der aussagekräftigsten, uns erhaltenen hochmittelalterlichen Zeugnisse über die päpstliche Auffassung des Verhältnisses zwischen „Imperium“ und „Sacerdotium“ dar. Papst Innozenz III., der sich in den staufisch-welfischen Thronstreit einmischte, spricht sich in „Venerabilem“ mit radikalen Worten eindeutig für den Welfen Otto IV. aus und begründet weiterhin sowohl seine Ablehnung des Staufers, Philipp v. Schwaben, als auch sein Recht, sich als Oberhaupt der Christenheit in die Belange des Reiches einzumischen. „Venerabilem“ stellt die päpstliche Antwort auf ein staufisches Protestschreiben (RNI 61) über die Einmischung eines päpstlichen Legaten in die deutsche Königswahl dar. Betrachtet man sowohl das staufische Protestschreiben, als auch „Venerabilem“, lassen sich uralte, nie bereinigte Gegensätze zwischen der staufischen und der päpstlichen Auffassung des Imperiums erkennen. Die z.T. ungewohnt aggressive Ausdrucksweise der Briefe lässt schon die Brisanz der Lage erahnen, da sowohl der staufischen, als auch der päpstlichen Seite klar sein musste, dass anhand des Präzedenzfalles der Doppelwahl von 1198 ein Stück Verfassungsgeschichte geschrieben wird, bei der sich nur eine Auffassung über das Verhältnis zwischen Imperium und Papsttum durchsetzen kann.
Diese Arbeit setzt sich zum Ziel, sowohl verschiedene Argumentationsstränge Innozenz III. in „Venerabilem“ kritisch zu beleuchten, da ihm von der Forschung oft strikte Parteinahme zu Gunsten Ottos IV. vorgeworfen wurde, als auch den Quellenwert von „Venerabilem“ im Hinblick auf die Frage der Entstehung des Kurfürstenkollegs zu erörtern. Methodologisch wird sich an eine historische Einordnung des Thronstreites eine knappe Quelleninterpretation von „Venerabilem“ anschließen. Zum besseren Verständnis folgt hierauf ein kurzer Exkurs zu den politischen Zielen Innozenz III. und eine Annäherung an die RNI, ehe die Argumente Innozenz III., so wie der Quellenwert von „Venerabilem“ hinsichtlich der Entstehung des Kurfürstenkollegs beleuchtet werden.
Inhaltsverzeichnis
- 1.1. Einleitung
- 1.2. Historische Einordnung
- 2. Quelleninterpretation
- 3.1. Politische Ziele Innozenz' III.
- 3.2. Annäherung an die RNI/ an das Thronstreitregister
- 4.1. Mehrheitsverhältnis und contemptus
- 4.2. Mehrheitsverhältnis und idoneitas
- 4.3. Innozenz III. Auffassung der translatio imperii
- 4.4. Innozenz III. und die Entscheidungsbefugnis der Reichsfürsten
- 4.5. Innozenz' III. Gründe gegen Philipp von Schwaben
- 5.,,Venerabilem“ als Hinweis für die Entstehung des Kurfürstenkollegs
- 6. Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Papstbulle Venerabilem und ihrer Bedeutung im staufisch-welfischen Thronstreit. Sie analysiert die Argumentationslinien von Papst Innozenz III. in der Bulle, die oft als strikte Parteinahme für Otto IV. interpretiert werden, und beleuchtet den Quellenwert von Venerabilem im Hinblick auf die Entstehung des Kurfürstenkollegs.
- Die päpstliche Auffassung des Verhältnisses zwischen Imperium und Sacerdotium
- Die politischen Ziele Innozenz' III. im Kontext des Thronstreits
- Die Argumentationsstrategie Innozenz' III. in Venerabilem
- Die Bedeutung von Venerabilem für die Entstehung des Kurfürstenkollegs
- Die Quellenkritik und Interpretation von Venerabilem
Zusammenfassung der Kapitel
- 1.1. Einleitung: Die Papstbulle Venerabilem wird als wichtiges Dokument für das Verständnis der päpstlichen Position im staufisch-welfischen Thronstreit eingeführt. Die Arbeit erläutert die Intentionen des Autors und die methodische Vorgehensweise.
- 1.2. Historische Einordnung: Der Abschnitt bietet einen kurzen Überblick über die politische und verfassungsrechtliche Situation im Heiligen Römischen Reich vor und während des Thronstreits. Der Fokus liegt auf dem Erbreichsplan Heinrichs VI., der Tod des Kaisers, die Wahl Philipps von Schwaben und die Gegenwahl Ottos IV.
- 2. Quelleninterpretation: Die Bulle Venerabilem wird inhaltlich analysiert. Innozenz' III. Argumente gegen die staufische Partei werden dargelegt, insbesondere die Behauptung, dass die Wahl Philipps von Schwaben ungültig sei und er nicht König werden könne. Der Quellenwert von Venerabilem im Hinblick auf die Entstehung des Kurfürstenkollegs wird ebenfalls erörtert.
- 3.1. Politische Ziele Innozenz' III.: Dieser Abschnitt beleuchtet die Ziele, die Innozenz III. mit seiner Einmischung in den deutschen Thronstreit verfolgte. Seine territorialen Ansprüche und seine strategische Nutzung des Streits für die Expansion des Kirchenstaats werden erläutert.
- 3.2. Annäherung an die RNI/ an das Thronstreitregister: Der Abschnitt beschäftigt sich mit den Quellen, die für die Interpretation von Venerabilem relevant sind. Die RNI (Regesta Imperii) und das Thronstreitregister werden kurz vorgestellt.
- 4.1. Mehrheitsverhältnis und contemptus: In diesem Kapitel wird die Argumentation von Innozenz III. hinsichtlich des Mehrheitsverhältnisses bei der Königswahl analysiert. Der Vorwurf des contemptus, der von der staufischen Partei gegen den päpstlichen Legaten erhoben wurde, wird beleuchtet.
- 4.2. Mehrheitsverhältnis und idoneitas: Innozenz' III. Position bezüglich der idoneitas (Eignung) des zu Wählenden wird im Kontext der translatio imperii und der päpstlichen Machtbefugnisse diskutiert.
- 4.3. Innozenz III. Auffassung der translatio imperii: Dieser Abschnitt untersucht die Rolle der translatio imperii in der Argumentation Innozenz' III. und die Verbindung dieser Theorie zur Königswahl und der päpstlichen Entscheidungsbefugnis.
- 4.4. Innozenz III. und die Entscheidungsbefugnis der Reichsfürsten: Die Frage der Entscheidungsbefugnis der Reichsfürsten bei der Königswahl im Kontext des Thronstreits und der päpstlichen Einmischung wird erörtert.
- 4.5. Innozenz' III. Gründe gegen Philipp von Schwaben: Die Argumente, die Innozenz III. in Venerabilem gegen Philipp von Schwaben vorbringt, werden im Detail analysiert. Der Abschnitt beleuchtet die Vorwürfe der Exkommunikation, des Meineids und der Zugehörigkeit zu einer "Sippe von Verfolgern".
- 5.,,Venerabilem“ als Hinweis für die Entstehung des Kurfürstenkollegs: Der Abschnitt untersucht die Frage, ob die Bulle Venerabilem als Hinweis auf die Entstehung des Kurfürstenkollegs interpretiert werden kann.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Themen wie dem staufisch-welfischen Thronstreit, der Papstbulle Venerabilem, der päpstlichen Auffassung von Imperium und Sacerdotium, der translatio imperii, der Königswahl und der Entstehung des Kurfürstenkollegs. Weitere relevante Begriffe sind contemptus, idoneitas, politische Ziele Innozenz' III. und Quellenkritik.
- Arbeit zitieren
- Martin Mühlenberg (Autor:in), 2010, Die Papstbulle "Venerabilem". Die politischen Ziele und Ansichten von Innozenz III., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279753