Die Transformationsprozesse im Ostblock. Welche Rolle spielten die Eliten?


Hausarbeit, 2012

16 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

I. Einleitung

II. Theoretischer Rahmen

III. Transformationsprozess in Estland und Turkmenistan

IV. Fazit

Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Der Zusammenbruch der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) zu Beginn der 1990er Jahre stellte die Erforschung von demokratischen Übergängen bzw. die Erforschung von Systemwechseln vor neue Herausforderungen. Stand die Forschung bis dato vor allem im Zeichen von Struktur- und Modernisierungstheorie so gewannen Ende der 1980er Jahre auch Akteurstheorien an Bedeutung. Der Zusammenbruch der UdSSR hatte zur Folge, dass von einem auf den anderen Tag 15 neue und unabhängige Staaten, welche nach über 70 Jahren Fremdherrschaft frei waren, entstanden. Was folgte, war eine Reihe von Systemtransformationen in Ost- und Mitteleuropa sowie in den asiatischen Teilrepubliken der ehemaligen UdSSR. Da dieser Prozess wie schon zuvor in Mittelamerika für viele Staaten galt, wird er von Huntington als dritte Welle der Demokratisierung beschrieben (Nohlen 2007: 569). Doch blickt man heute, über 20 Jahre nach dem Zusammenbruch auf die ehemaligen Sowjetrepubliken so fällt auf, dass sich nur wenige von ihnen nach den Transformationsprozessen zu konsolidierten Demokratien entwickelt haben und andere ehemalige Sowjetrepubliken, die zunächst ebenfalls einen Transformationsprozess mit demokratischen Reformen begonnen hatten, letztendlich doch zu Autokratien oder „defekten“ Demokratien geworden sind. Ein Blick auf den Freedom House Index von 2012 zeigt, dass von den 15 ehemaligen Sowjetrepubliken lediglich die baltischen Staaten Lettland, Litauen und Estland als „frei“ betitelt werden. Fünf weitere Staaten werden als „teilweise frei“ und sieben als „unfrei“ geführt (Freedom House 2012). Dies zeigt deutlich, dass die Transformationsprozesse in den Staaten nicht immer erfolgreiche Demokratisierungsprozesse waren und der Systemwechsel von der Autokratie der Sowjetunion hin zu einer freiheitlichen Demokratie in vielen ehemaligen Teilrepubliken der UdSSR misslang.

Interessant hierbei ist es, die Rolle der politischen Eliten genauer zu untersuchen und ihren Einfluss auf die Transformationsprozesse kritisch zu betrachten. In dem Standardwerk Systemtransformation von Wolfgang Merkel wird das Kapitel „Die Rolle der Massen und Eliten in der Transformationsliteratur“ folgend eingeleitet: „Es überrascht nur wenig, dass der Bedeutung von Akteuren im Verlaufe eines Systemwechsels von funktionalisitsch, strukturalistisch oder akteurstheoretisch inspirierten Ansätzen der Transformationsforschung unterschiedliches Gewicht beigemessen wird. Wo aber den Akteuren in der Transformationsforschung eine besondere Rolle zugeschrieben wird, gibt es eine klare herrschende Meinung: Die Eliten sind der überragenden Akteure, die Massen meist nur eine abhängige soziale Kategorie, die je nach Problemlage, Regimeart , Machtkontext und Transformationsphase von den Eliten mobilisiert oder demobilisiert werden“ (Merkel 2010: 89). In der hier vorliegenden Arbeit soll die Rolle der Eliten mit Hilfe der Akteurstheorie von Guillermo O’Donnell und Phillippe C. Schmitter untersucht werden. Inwieweit die Theorie zutrifft und welchen Einfluss führenden politischen Akteure auf Transformationsprozesse haben, soll an den Beispielen Estland und Turkmenistan aufgezeigt werden.

Im ersten Teil der Arbeit soll zunächst die Theorie zusammenfassend dargestellt werden, damit man im Anschluss daran die Transformationsprozesse in Estland und Turkmenistan analysieren kann. Ziel hierbei soll es sein, dass deutlich wird, welche Akteure welchen Einfluss auf den Prozess der Transformation bzw. der Umgestaltung in den beiden Ländern hatten und inwieweit die Theorie in der Praxis zutrifft.

II. Theoretischer Rahmen

Diese Arbeit lässt sich in den Bereich der Transitionsforschung eingliedern, die sich mit der Untersuchung von Ursachen für erfolgreiche bzw. misslungene Systemwechsel auseinandersetzt. Die theoretische Grundlage dieser Arbeit bildet die deskriptiv-empirische Akteurstheorie von Guillermo O’Donnell und Phillippe C. Schmitter. O’Donnell und Schmitter gehören zu den bekanntesten Vertretern der deskriptiv-empirischen Strömung und haben durch die Analyse unterschiedlicher Transitionsprozesse vor allem in Mittelamerika allgemeine Feststellungen über das Verhalten von Akteuren aufgestellt, die an einem Systemwechsel beteiligt sind.

Allgemein lässt sich zu Akteurstheorien sagen, dass sie im Gegensatz zu den Modernisierungstheorien „auf der Mikro- und Mesoebene der handelnden Akteure“ (Merkel 2010: 84) ansetzen. Die Theorien gehen davon aus, dass das Ergebnis von Transformationsprozessen von „subjektiven Einschätzungen, Strategien und Handlungen der relevanten Akteure“ (Merkel 2010: 84) abhängt.

Ausgangspunkt der Theorie von O’Donnell und Schmitter ist das Konzept der Unsicherheit, welches an zwei Sachverhalten festgemacht werden kann. Zum einen beschreiben sie Transitionsvorgänge als einen Übergang von einem bestimmten autoritären System zu einem unbestimmten anderen Regime und gehen darüber hinaus ebenfalls davon aus, dass unerwartete Ereignisse und Fähigkeiten der Einzelnen Akteure Einfluss auf den Prozess der Transition nehmen. Die Phase zwischen dem bestimmten Alten und dem unbestimmten Neuen ist also von Unsicherheit gekennzeichnet (Rüb 2007: 338).

Die Autoren definieren die Transition als Übergangsphase zwischen zwei politischen Regimen und schließen damit, dass der Prozess einer Transition dann abgeschlossen sei, wenn ein anderes, neues Regime installiert sei. Dieses neue System kann dann sowohl eine Demokratie als auch ein neues autokratisches Regime sein (O’Donnell/Schmitter 1991:65). Kennzeichnend für die Phase der Transition ist das Fehlen von eindeutigen und allgemein anerkannten Regeln und Institutionen. Transitionen stellen laut O’Donnell und Schmitt einen sehr unsicheren Prozess dar, der jederzeit durch einen Akteur unterbrochen werden kann bzw. zum erliegen gebracht werden kann.

Zu Beginn einer Transition steht immer zunächst die Liberalisierung des bestehenden Systems, d.h. der politische Raum wird durch die alten Machtinhaber geöffnet. Durch diese Öffnung entstehen Räume für soziale Gruppen und Individuen in denen sie nicht der Willkür der herrschenden Machthaber ausgesetzt sind. Ist dieser Prozess erst einmal in Gang gesetzt inspiriert er auch andere Individuen dazu sich politisch zu betätigen, da man nicht mehr um sein Leben fürchten muss. Die Phase der Liberalisierung kann, muss aber nicht zwingend eine Demokratie hervorbringen.

Demokratie ist für die beiden Autoren dann gegeben wenn freie, faire und geheime Wahlen, ein passives und aktives Wahlrecht, eine politische Konkurrenz unter den Parteien, freie Betätigung von Organisationen und Vereinen, freien Zugang zu Informationen und eine politische Verantwortlichkeit der Exekutive gegenüber dem Parlament bzw. den Wählern bindend zugesichert sind. Demokratisierung stellt für O’Donnell und Schmitter einen Prozess dar, in dem Regeln und Prinzipien institutionalisiert werden.

Eine Krise in einem autoritären Regime und ein Systemwechsel zur Demokratie erfolgt in der idealtypischen Modellierung von O’Donnell und Schmitter in etwa so: Das alte Regime verliert durch externe Gegebenheiten, oppositionellen Druck bzw. durch Misswirtschaft und Nachfolgestreits an Legitimität (Stykow 2007: 74). Diese Legitimitätskrise führt dazu, dass die autoritären Kräfte als „transitional powers“ sehen, die „Diktatur und Unterdrückung praktizieren, um künftig Demokratie, Freiheit und soziale Sicherheit zu garantieren“ (Rüb 2007: 340). Werden diese Ziele nicht erreicht kommt es innerhalb der autoritären Kräfte zu einer Abspaltung der Softliner und Hardliner. Die Softliner leiten dann die oben bereits erwähnte Liberalisierung ein, da sie sich durch die Integration neuer Gruppen in die Gruppe der Herrschenden eine Verbreiterung der Legitimation erhoffen. Darüber hinaus werden sie versuchen probeweise die Partizipationsmöglichkeiten für die Bevölkerung zu vergrößern. Die Theorie geht davon aus, dass erfolgreiche Transitionen ihren Anfang bei den führenden Eliten nehmen und nicht von unten erfolgen. Die Verhandlungen finden zwischen den Softlinern von Regierung und Opposition statt, die in der Lage sind die Hardliner zu kontrollieren.

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die Transformationsprozesse im Ostblock. Welche Rolle spielten die Eliten?
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Institut für Politikwissenschaften)
Veranstaltung
Anaylse und Vergleich politischer Systeme
Note
2,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
16
Katalognummer
V280093
ISBN (eBook)
9783656732419
ISBN (Buch)
9783656741633
Dateigröße
419 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
transformationsprozesse, ostblock, welche, rolle, eliten
Arbeit zitieren
B.Ed. Christoph Grave (Autor:in), 2012, Die Transformationsprozesse im Ostblock. Welche Rolle spielten die Eliten?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/280093

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