Die deutsche Einhaltung der UNSCR 1325

Eine kritische Analyse auf Grundlage von (Non-) Compliance-Ansätzen


Masterarbeit, 2013

104 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Die deutsche Einhaltung der UNSCR 1325 basierend auf (Non-) Compliance-Ansätzen
1.1 Deutschland und die UNSCR 1325: Fragestellung und Thesen
1.2 Die Besonderheit dieser Arbeit: Flexible Anwendung der (Non-) Compliance-Forschung
1.3 Die Relevanz des Themas und die Forschungslücke
1.4 Die Eingrenzung auf die BRD und die damit verfolgten Ziele
1.5 Die Methodik
1.5.1 (Non-) Compliance-Ansätze als theoretischer Unterbau: Flexible Anwendung und der Versuch einer Ergründung deutscher Motive
1.5.2 Ansprüche und Einordnung in politikwissenschaftliche Forschungsansätze
1.5.3 Der Aufbau der Arbeit und die dabei verwendete Literatur

2 Grundlagen: SCR 1325 und sonstige Vorgaben als Referenzpunkte
2.1 SCR 1325: Genese und Einbettung in die UN Agenda „Frieden Frauen,Sicherheit"
2.2 Inhalte der SCR 1325 mit Fokus auf den Vorgaben für die Mitgliedstaaten
2.2.1 Partizipation
2.2.2 Prävention
2.2.3 Protektion
2.3 Sonstige Dokumente
2.3.1 Die Forderungen der UN nach einem Nationalen Aktionsplan - oder anderen Strategien
2.3.2 CSO Position Paper on the Europe-wide Implementation of UNSCR
2.3.3 Bündnis 1325:10 Eckpunkte für einen deutschen NAP und deutsche Umsetzung
2.4 Begründung der Referenzpunkte
2.4.1 SCR 1325: Inhaltlich verpflichtend
2.4.2 Übrige Dokumente: Der Weg zum„spirit ofthe treaty"?
2.4.2.1 Präsidentielle Erklärungen und Berichte des Generalsekretärs: klare Leitlinien
2.4.2.2 Dokumente der Zivilgesellschaft
2.4.3 Zusammenfassung I: Unübliche Referenzpunkte

3 (Non-) Compliance: Der theoretische Unterbau
3.1 Eine Hinführung zur (Non-) Compliance-Forschung
3.1.1 Definition von (Non-) Compliance
3.1.2 Die Interdisziplinarität des Forschungsstrangs
3.1.3 Die Schwierigkeit der Messung
3.1.4 (Prozessuale) Kategorien von Compliance
3.2 Verschiedene Ansätze zur Erklärung von (Non-) Compliance
3.2.1 Gründe für (Non-) Compliance innerhalb instrumenteller Modelle (Enforcement)
3.2.1.1 (Non-) Compliance aus Zufall
3.2.1.2 (Non-) Compliance als Resultat einer Kosten-Nutzen-Kalkulation
3.2.1.3 (Non-) Compliance als Resultat innenpolitischer Prozesse
3.2.1.4 Non- Compliance als Resultat subtiler Opposition
3.2.2 Gründe für (Non) Compliance innerhalb normativer Modelle (Management)
3.2.2.1 (Non-) Compliance als Resultat der Regel selber und Moral
3.2.2.2 (Non-) Compliance als Resultat von (Un-) Eindeutigkeit und (mangelnder) Angebrachtheit
3.2.2.3(Non-) Compliance als Resultat von (fehlender) Legitimität
3.2.2.4 (Non-) Compliance als Resultat von (fehlender) Legalisierung
3.2.2.5 (Non-) Compliance als Resultat vorhandener/fehlender Ressourcen/Kapazitäten
3.2.3 Zusammenfassung II: Die (Non-) Compliance, ihre Erklärungsansätze und deren Besonderheiten

4 Die Einhaltung der SCR 1325 und der Verhaltensvorschriften: Eine kritische Bestandsaufnahme
4.1 Plausibilisierung und Ausdifferenzierung der ersten These
4.1.1 Das Vorgehen bei der Analyse
4.1.2 Generelle Informationen zur deutschen Regeleinhaltung
4.1.3 Gesetzliche und administrative Maßnahmen: Der Output-Bereich
4.1.3.1 Partizipation
4.1.3.2 Prävention
4.1.3.3 Protektion
4.1.3.4 Fazit Output-Bereich
4.1.4 Wirkung der Maßnahmen auf die Zielgruppe: Der Outcome-Bereich
4.1.4.1 Partizipation
4.1.4.2 Prävention
4.1.4.3 Protektion
4.1.5 Zusammenfassung III: Plausibilisierung der ersten These und Reflektion
4.2 Plausibilisierung und Ausdifferenzierung der zweiten These
4.2.1 Der output-Bereich: Bis Mitte
4.2.2 Der output-Bereich: Neueste Ereignisse Ende
4.2.2.1 Inhaltdes NAP
4.2.2.2 Der deutsche NAP und die Verhaltensvorschriftenn - ein Abgleich
4.2.3 Outcome: noch nicht bestimmbar
4.3 Zusammenfassung IV: Die Prozesshaftigkeit deutscher Compliance

5 Gründe für Stand der Regeleinhaltung
5.1 Gründe für die Compliance der SCR
5.1.1 Instrumentelle Erklärungsansätze
5.1.1.1 Compliance aus Zufall?
5.1.1.2 Compliance aus Reputationsgründen?
5.1.1.3 Compliance als Resultat innenpolitischer Prozesse?
5.1.2 Normative Erklärungsansätze
5.1.2.1 Compliance durch die Kraft der Regel und moralische Bedenken?
5.1.2.2 Compliance durch fehlende Präzision und Angebrachtheit?
5.1.2.3 Compliance als Resultat von Legitimität?
5.1.2.4 Compliance durch Legalisierung?
5.1.2.5 Compliance als Resultat ausreichender Kapazitäten und Ressourcen?
5.1.3 Zusammenfassung V: Akkumulation von Gründen statt Vorherrschaft eines Einzelnen
5.2 Gründe für die Non-Compliance der nicht verpflichtenden Verhaltensvorschriften bis
5.2.1 Instrumentelle Erklärungsansätze
5.2.1.1 Non-Compliance aus Zufall?
5.2.1.2 Non-Compliance als Resultat zu hoher Kosten?
5.2.1.3 Non-Compliance als Resultat innenpolitischer Prozesse
5.2.2 Normative Erklärungsansätze
5.2.2.1 Non-Compliance durch fehlende Kraft der Regel und moralische Bedenken?
5.2.2.2 Non-Compliance durch fehlende Präzision und Unangebrachtheit?
5.2.2.3 Non-Compliance durch fehlende Legitimität?
5.2.2.4 Non-Compliance als Resultat (fehlender) Legalisierung?
5.2.2.5 Non-Compliance aus Mangel an Kapazitäten und Ressourcen?
5.2.2.6 Non-Compliance als Resultat subtiler Opposition?
5.2.3 Zusammenfassung VI: Fehlender Rechtscharakter und mangelnder politische Wille als Haupterklärungen?
5.3 Gründe für den Wandel hin zu Compliance ab
5.3.1 Zu verwerfende Erklärungsansätze
5.3.2 Mögliche Erklärungen: Reputation und Angst vor Machtverlust,innenpolitische Prozesse und Moral

6 Wege zu besserer Regeleinhaltung? Lessons learnt

7 Schluss: Kritische Begleitung der Compliance-Prozesse nötig

Literaturverzeichnis

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Der systemtheoretische Ansatz und Compliance S. 21

(Quelle: Eigene Darstellung nach Börzel und Risse 2002,144 nach David Easton).

1 Die deutsche Einhaltung der UNSCR 1325 basierend auf (Non-) Compliance-Ansätzen

1.1 Deutschland und die UNSCR 1325: Fragestellung und Thesen

Vor nun mehr als 12 Jahren, am 31. Oktober 2000, verabschiedete der1 UN-Sicherheitsrat (SR) einstimmig die Security Council Resolution (SCR) 1325 und veränderte damit den Ge­schlechtscharakter (inter-) nationaler Sicherheitspolitik zumindest formal. Die SCR 1325 vermittelte der Weltgemeinschaft erstmalig, dass die Bedürfnisse von durchschnittlich der Hälfte der Weltbevölkerung in Zukunft eine gewichtige Rolle bei Fragen der Sicherheit und des Friedens spielen sollten, gleichberechtigt neben den Bedürfnissen der Männer. Somit ist die SCR 1325 als „Meilenstein" (Cook 2008, 1) zu betrachten, bedingt durch die inhaltli­che Veränderung der Qualität von Sicherheitspolitik durch die Einbeziehung weiblicher2 Anliegen und Bedürfnisse auf drei Ebenen: Partizipation, Prävention und Protektion (vgl. Hentschel 2011b, 25). Neben diesem ideellen Erfolg sind auch handfeste Erfolge nicht zu übersehen. Einige Mitgliedstaaten haben in den letzten 12 Jahren weitreichende Anstren­gungen unternommen, um die SCR 1325 umzusetzen. Dazu gehört die Entwicklung eines Nationalen Aktionsplans (NAP), welcher 2005 vom damaligen UN-Generalsekretär Kofi An­nan gefordert wurde. Er gilt als geeigneter Mechanismus zur Umsetzung, da nur ein solcher eine kohärente Gesamtstrategie bieten könne. Er wurde bisher von knapp 40 Staaten, da­von rund 20 EU-Staaten, entwickelt, wenn auch in unterschiedlicher Qualität (Peacewomen 2013).

Die Bundesrepublik Deutschland (BRD) hat im Zeitraum Oktober 2000 bis Dezember 2012, der in dieser Arbeit im Mittelpunkt steht, einige Wege beschritten, um die Einhaltung der SCR 1325 zu gewährleisten. Es sind drei Aktionspläne und mehrere Gesetze zu nennen. Ende 2012 hat die Bundesregierung zudem einen eigenen NAP verabschiedet. Die Arbeit der Bundesregierung scheint, vergleicht man den Text der SCR 1325 und deutsche Strate­gien, auf den ersten Blick makellos. Zu jeder Ziffer der SCR 1325 sind deutsche Maßnahmen zu finden. Zieht man jedoch Forderungen aus der deutschen und europäischen Zivilgesell­schaft sowie über die Resolutionen hinausreichende Bestimmungen der UN mit ein, so ge­winnt man den Eindruck, dass die deutschen Bemühungen über lange Jahre nicht ausreich­ten, um die Ziele von SCR 1325 gänzlich zu erfüllen. Die größte Beanstandung bezog sich lange Jahre auf das Fehlen eines NAP sowie auf unzureichende Maßnahmen zur Einhaltung der SCR. Ute Scheub, Mitglied im Frauensicherheitsrat3, bilanzierte 2010, Deutschland sei im internationalen Vergleich „Klassenletzter" (Scheub 2010), Bündnis 90/Die Grünen bilan­zierten eine „mangelhafte Umsetzung" (Deutscher Bundestag 2010a), Wissenschaftlerinnen des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr sahen die Umsetzungsarbeit eher skeptisch (Jonas und Kümmel 2011) und der von der UN 2005 geforderte NAP wurde erst 2012 verabschiedet - sieben Jahre nach der Veröffentlichung dieser Forderung und drei bis vier Jahre durchschnittlich nach den NAP vieler westeuropäischer Staaten (vgl. Peacewomen 2013). Diese Kritik an der deutschen Umsetzung bzw. Einhaltung der SCR 1325, welche im internationalen Vergleich schleppend verlaufe, gibt den Anlass, die Arbeit der Bundesregierung näher zu beleuchten. Bei dieser Untersuchung ist Folgendes zu präzi­sieren:

Erstens: Mit dem Begriff ,Regeleinhaltung' anstatt des in der Literatur geläufigeren Begriffes ,Umsetzung' wird eine Differenzierung vorgenommen: Die vorliegende Arbeit untersucht die Einhaltung der SCR 1325 - einerseits in Hinsicht auf den Resolutionstext und anderer­seits ausgeweitet auf noch zu benennende Folgedokumente. Regeleinhaltung geht weiter als Umsetzung, da nicht nur die Maßnahmen betrachtet werden, die die Regierung verab­schiedet hat, sondern auch deren Befolgung durch die Regierung bzw. durch die Zielgruppe der Resolution. Mit dieser Unterscheidung lege ich der Arbeit als theoretischen Unterbau (Non-) Compliance-Ansätze4 zu Grunde, welche ,Regeleinhaltung' in den Mittelpunkt stel­len. Compliance definiere ich in Anlehnung an Oran R. Young als konformes Verhalten mit Verhaltensvorschriften (vgl. Young 1979, 4) - seien sie bindend oder nicht. Compliance übersetze ich mit Regeleinhaltung, Non-Compliance mit Regelbruch.

Zweitens: Es ist zu hinterfragen, was Regeleinhaltung bedeutet, d.h. was der normative Bezugspunkt im Fall der SCR 1325 ist. Die deutsche und die europäische Zivilgesellschaft sowie die UN haben in den letzten Jahren Dokumente mit Verhaltensvorschriften veröffent­licht, die die SCR interpretieren und so die vagen Formulierungen der SCR 1325 präzisieren. Vor dem Hintergrund, dass Compliance schwer messbar ist, es im Fall der SCR 1325 kein „Ideal" gibt, das die Mitgliedstaaten erfüllen müssen, um „compliant" zu sein, da die Um­setzungsarbeit bei den Mitgliedstaaten liegt, gibt es im engen Sinne keinen anerkannten normativen Bezugspunkt. Die Messung von Compliance orientiert sich so, um subjektive Referenzpunkte zu generieren, an den Forderungen der SCR 13255 selber und den Bestim­mungen der anderen Dokumente6.

Die vorliegende Arbeit basiert auf den Thesen 1 und 2, dass die Bundesregierung sich seit der Verabschiedung der SCR 1325 im Jahr 2000 in Grundzügen an diese hielt und keinen groben Regelbruch beging, wählt man die SCR 1325 selber als normativen Bezugspunkt (These 1). Jedoch vollzog die Bundesregierung bis Mitte 2012 keine einwandfreie, perfekte Regeleinhaltung, wenn man die die SCR 1325 präzisierenden Verhaltensvorschriften der Zivilgesellschaft und der UN einbezieht. Hier erfolgten Regelbrüche, auf die sich die genann­te Kritik bezieht. Erst ab Mitte 2012 änderten die Regierungsfraktionen ihr Verhalten hin zu besserer Regeleinhaltung, indem sie einen NAP verabschiedeten und somit zu einem gro­ßen Teil den Verhaltensvorschriften nachkamen (These 2).

Vor dem Hintergrund dieser Thesen stellt die Arbeit folgende Fragen, welche auf Grundlage der (Non-) Compliance-Ansätze zumindest in Grundzügen beantwortet werden sollen.

1) Aus welchen Gründen hielt sich Deutschland an die SCR 1325? Diese Frage erfolgt vor dem Hintergrund, dass die Resolution für die Mitgliedstaaten lediglich als „in­haltlich verpflichtend" betrachtet wird und nicht als „völkerrechtlich verbindlich".
2) Aus welchen Gründen richtet(e) Deutschland bis Mitte 2012 seine Maßnahmen nicht an den Folgedokumenten der UN und der Zivilgesellschaft aus? Selbst wenn diese Dokumente keine rechtliche Bindungswirkung besitzen, haben sie zumindest hohen symbolischen Wert. Ein Ignorieren über Jahre erscheint vor dem Hinter­grund der Tatsache, dass auch die SCR 1325 kein Dokument mit Zwangscharakter darstellt, zunächst rätselhaft.
3) Wie kam es schließlich im Herbst/Winter 2012 zur Verabschiedung des NAP und damit zur Aufnahme des Weges hin zu (relativ) einwandfreier Regeleinhaltung?

1.2 Die Besonderheit dieserArbeit: Flexible Anwendung der (Non-) Compliance-Forschung

Die Eigenheit liegt in der Wahl der Bezugspunkte und der damit verbundenen flexiblen Handhabung der (Non-) Compliance-Theoreme.

Erstens untersuche ich (Non-) Compliance in Bezug auf eine UN-Resolution. Dies ist insofern außergewöhnlich, als dass Compliance im Regelfall in Hinsicht aufVerträge untersucht wird. Da die Forschung jedoch nicht festlegt, dass nur Verträge als Bezugspunkt verwendet wer­den dürfen, ich mich an Oran Youngs „softer"7 Definition von Compliance orientiere und die SCR 1325 zumindest als inhaltlich verpflichtend für die Mitgliedstaaten gilt, erachte ich es als wissenschaftlich zuträglich, auf die SCR 1325 Bezug zu nehmen.

Zweitens betrachte ich als weitere Referenzpunkte Dokumente der UN und der deutschen wie europäischen Zivilgesellschaft, was einer gesonderten Begründung bedarf, da diese im Gegensatz zur SCR nicht inhaltlich verpflichtend (geschweige denn völkerrechtlich verbind­lich) sind. Ich gehe davon aus, dass diese Dokumente den Weg zum Geist des Vertrages weisen. Zudem ermöglicht Youngs Definition die Referenz auf Bezugspunkte ohne rechtli­che Bindungswirkung. Nichtsdestotrotz werde ich alle Bezugspunkte intensiver begründen, da sich die (Non-) Compliance-Forschung üblicherweise mit bindenden Regeln beschäftigt.

1.3 Die Relevanz des Themas und die Forschungslücke

Die Relevanz des Themas ergibt sich zum einen daraus, dass sich Deutschland im internati­onalen Umfeld als Hüterin von Frauenrechten versteht. So rechtfertigte die Bundesregie­rung den Afghanistaneinsatz 2001 u.a. mit der Notwendigkeit, afghanische Frauen aus Ge­waltverhältnissen befreien zu müssen (Feth 2007). Zum anderen hofft sie auf einen dauer­haften Sitz im Sicherheitsrat, betont vor der internationalen Staatengemeinschaft die Ver­pflichtung zur Konfliktlösung und den Willen zur Findung nachhaltiger8 Lösungen für Frie­den und Sicherheit (Bundesregierung 2010b) und weist Frauenrechtspolitik innerhalb ihrer Menschenrechtspolitik einen hohen Stellenwert zu (Auswärtiges Amt 2012a). Zudem bringt sie in Statements vor dem Sicherheitsrat regelmäßig die „Gender-Komponente" mit ein (NGO Working Group on Women Peace and Security 2012).

Wie erläutert, erfolgt die Untersuchung der Gründe der (Non-) Compliance auf Grundlage von (Non-) Compliance-Ansätzen. Mit dieser Art der Untersuchung füllt die Arbeit eine For-7 8 schungslücke, da es derzeit keine Publikation gibt, die auch nur annähernd eine wissen­schaftlich theoretisch fundierte Analyse deutscher Compliance der SCR 1325 sowie der Folgedokumente bietet.9 Diese Forschungslücke liefert die zweite Begründung für die Wahl des Themas.

1.4 Die Eingrenzung auf die BRD und die damit verfolgten Ziele

Die Arbeit beschränkt sich auf die bundesdeutsche Behandlung der SCR 1325 samt den

Folgedokumenten und zieht nicht die (Non-) Compliance anderer Staaten mit ein. Zudem wird nicht die Einhaltung in einem spezifischen Bereich untersucht, sondern die Arbeit der Bundesregierung auf allen Gebieten, die die Artikel der SCR 1325 ausweisen. Dies liegt in mangelhafter Literatur- und Datenlage begründet. Die regierungseigenen Dokumente sind oft sehr oberflächlich gehalten und kritische Berichte rar.

Diese Eingrenzung offenbart die Ziele der Arbeit.

Zum einen soll, trotz aller methodischer Schwierigkeiten, der Grad der (Non-) Compliance eingeschätzt werden und, zum anderen, die Gründe dafür bereitgestellt werden, was in Hinblick auf BRD und die SCR 1325 noch nie geschehen ist. Die Schwierigkeit dieser Ein­schätzung liegt jedoch auf der Hand und bleibt subjektiv.

Zum anderen soll die Arbeit der Bundesrepublik Deutschland pointiert kritisiert werden können. Das Ergebnis, d.h. die erfolgreiche Analyse der Gründe der nicht einwandfreien Regeleinhaltung, soll schließlich, ambitioniert, Wege zu besserer Compliance aufweisen. Diese werden auf die UNO, die Zivilgesellschaft (als Produzenten der Vorgaben) und letzt­lich die Bundesrepublik Deutschland zugeschnitten. Erst wenn die Ursachen einer eventuel­len Non-Compliance geklärt sind, kann eine Verbesserung stattfinden. Da nicht ein Bereich akzentuiert beanstandet wird, sondern die Untersuchung oberflächlicher ausfällt, ist es möglich, auf verschiedenen Ebenen Kritik beizutragen. Dies erachte ich als Vorteil einer Gesamtbetrachtung.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Behandlung des Themas zielt in keinem Fall da­rauf ab, die Effektivität oder die Korrektheit der SCR 1325 aus verschiedenen Perspektiven zu untersuchen.10

1.5 Die Methodik

1.5.1 (Non-) Compliance-Ansätze als theoretischer Unterbau: Flexible Anwen­dung und der Versuch einer Ergründung deutscher Motive

Der Ergründung von (Non-) Compliance dient die Compliance-Forschung. Dies ist eine sehr junge Forschungsrichtung, in der sich Völkerrechtlerinnen sowie Politikwissenschaftlerinnen mit dem Phänomen auseinandergesetzt haben, dass sich Staaten zumeist an internationa­les Recht halten. Damit wurde jedoch in einem weiteren Schritt auch hinterfragt, aus wel­chen Gründen Staaten internationales Recht bzw. selbst geschlossene Verträge (nicht) ein­halten. Bemerkenswerterweise existiert nicht eine einzig gültige Compliance-Theorie im Sinne eines geschlossenen Denkmodells, sondern es liefern verschiedene Forschungssträn­ge, Denkansätze bzw. Schulen der Internationalen Beziehungen und der Rechtswissenschaft unterschiedliche Erklärungen für (Non-) Compliance.

Theorien bzw. einzelne Theoreme können die Wirklichkeit niemals gänzlich erklären. Je­doch dienen die Ansätze dazu, Realität in Ansätzen abzubilden, einen Rahmen vorzugeben und Denkanstößen Raum zu geben. In dieser Arbeit sollen die theoretischen Ansätze flexi­bel angewandt und Gründe für (Non-) Compliance gesammelt werden. Die (Non-) Comp­liance-Forschung dient somit als Ansatzpunkt, darf aber nicht als zu bindend verstanden werden, da schließlich nicht, wie üblich, die Einhaltung eines Vertrages untersucht wird. Zudem liegt auf der Hand, dass die Gründe für (Non-) Compliance nicht gänzlich herausge­arbeitet werden können. Die vorliegende Arbeit versucht, Motive zu finden, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Objektivität11, da dies den Rahmen einer Master­arbeit erstens überschreiten würde und es zweitens ohne empirische Forschung unmöglich ist, alle Gründe zu erkennen. Selbst auf Grundlage intensiver Forschung wäre es ein schwieriges Unterfangen, solch komplexe Entscheidungsprozesse zu durchschauen, wie sie in einem föderal-korporatistischen Staat wie der Bundesrepublik Deutschland vorherr­schen. Die Wertung der Vorherrschaft der Gründe ist außerdem höchst subjektiv. Gleichwohl diese Hindernisse und methodischen Schwierigkeiten vorhanden sind und daher die Analyse kritisch zu betrachten ist, schließe ich von der Theorie auf die Empirie und gehe damit deduktiv vor. Die einzelnen Theoreme geben Hinweise auf die Wirklichkeit, sprich das deutsche Umsetzungsverhalten, und ermöglichen zumindest in Ansätzen eine Erklärung dessen.

1.5.2 Ansprüche und Einordnung in politikwissenschaftliche Forschungsansätze

Die Arbeit hat einen empirisch-analytischen Kern, der zunächst soweit möglich das „Sein" vom „Soll" trennen wird. Mit dem Ziel der Verbesserung der gegenwärtigen Compliance hat sie jedoch auch einen normativ-praktischen Anspruch. Ich gehe davon aus, dass es ein ,Ideal der Regeleinhaltung gibt', an das sich angenähert und prinzipiell auch erreicht werden kann. Es findet ein klassischer Soll-Ist-Abgleich statt, um der politischen Elite Anweisungen für bessere Handlungen geben zu können (vgl. Nohlen und Schultze 2010, 217). Die Arbeit reiht sich in die Compliance-Forschung und damit am ehesten in den Strang dieser For­schung zur Regeleinhaltung von Menschenrechtsstandards ein. Aufgrund der Verknüpfung der Compliance-Ansätze mit Fragen von Frieden, Sicherheit und Frauen (-rechten) leistet sie daneben einen Beitrag im Feld der Friedens- und Konfliktforschung.

1.5.3 Der Aufbau der Arbeit und die dabei verwendete Literatur

Um die Grundlage der Analyse festzulegen, skizziere ich in einem ersten Schritt (2) zum einen die Vorgaben der SCR 1325 an die Mitgliedstaaten. Damit einher geht auch die Dar­stellung der wegweisenden Dokumente, die in den letzten Jahren durch die UN und die (inter-) nationale Zivilgesellschaft entwickelt wurden. Zum anderen begründe ich für jeden skizzierten Referenzpunkt, aus welchem Grund er als solcher gelten kann.

In einem zweiten Schritt (3) erfolgt die Darstellung der (Non-) Compliance-Ansätze. Dies stellt den theoretischen Unterbau der Arbeit dar und dient als Grundlage für die spätere Ergründung der Motive deutscher (Non-) Compliance. In einem einführenden Unterkapitel (3.1) gebe ich, zugegeben erneut, eine Arbeitsdefinition von (Non-) Compliance. Es folgen ein kurzer Abriss über die Forschungsrichtung und deren Besonderheiten. In einem zweiten Unterkapitel (3.2) arbeite ich, abgeleitet von übergeordneten Forschungssträngen, Erklä­rungen für (Non-) Compliance heraus. Hierfür konsultiere ich die maßgeblichen Publikatio­nen derjenigen Völkerrechtlerinnen und Politikwissenschaftlerinnen, die entweder a) über­blicksartige Werke über die verschiedenen Ansätze verfasst12, b) sich nur mit ausgewählten Perspektiven beschäftigt13, oder c) grundlegende Aspekte von (Non-) Compliance behan­delt haben14.

In einem dritten Schritt (4) untersuche ich die Compliance der SCR 1325 sowie der weiteren Vorgaben. Dazu analysiere ich als Primärquellen zum einen den aktuellsten Umsetzungsbe­richt der Bundesregierung sowie weitere regierungseigene Dokumente und zum anderen werte ich Dokumente der Oppositionsparteien aus. Als Sekundärquellen zählen zusammen­fassende wissenschaftliche Publikationen15 sowie Abhandlungen von Stimmen der Zivilge- sellschaft16. Die Informationslage seitens der Bundesregierung ist oberflächlich gehalten und teilweise sehr intransparent. Außer den recht groben Umsetzungsberichten und weni­gen sonstigen regierungseigenen Papieren ist wenig Präzises zur Umsetzungsarbeit zu fin­den.

In einem vierten Schritt (5) erfolgt die Analyse der Gründe von (Non-) Compliance auf Grundlage der theoretisch dargelegten Erklärungsansätze des Kapitels 3.

In einem sechsten Schritt (6) werden, ausgehend von der (Non-) Compliance-Literatur und der Analyse des Kapitels 5, zugeschnitten auf die BRD, Wege zur besseren Regeleinhaltung gesucht.

Das Abschlusskapitel (7) fasst die gewonnen Erkenntnisse kritisch zusammen und gibt Aus­blick auf die Regeleinhaltung in den nächsten Jahren.

2 Grundlagen: SCR1325 und sonstige Vorgaben als Referenz­punkte

Das folgende Kapitel beinhaltet grundlegende Informationen zur SCR 1325 an sich und eine Einordnung in die UN-Agenda „Frauen, Frieden, Sicherheit" (2.1). Unter 2.2 und 2.3 findet sich eine Darstellung der Vorgaben für Mitgliedstaaten, die sich aus SCR 1325 ergeben. Unter 2.4 erfolgt eine Auflistung sonstiger Vorgaben. Die Begründung für ihre Wahl als Be­zugspunkte erfolgt unter 2.5.

2.1 SCR 1325: Genese und Einbettung in die UN Agenda „Frieden Frauen, Sicherheit"

Am 31. Oktober 2000 verabschiedete der SR die SCR 1325 als erste Resolution, die die Gen- der-Perspektive17 in die (inter-) nationale Sicherheitspolitik integriert. Frauen wurden erstmalig in der Geschichte des Völkerrechts als „constructive agents of peace, security and conflict reconstruction" (Willett, 2010 S. 142) anerkannt, ihre spezifische Opferrolle durch Akte sexualisierter Gewalt herausgestellt und die Mitgliedstaaten zu expliziten Maßnahmen aufgefordert, Frauen stärkeres Gewicht in ihren Sicherheitspolitiken zu gewähren, in ihren Handlungen Geschlechterverhältnisse zu berücksichtigen und sexualisierte Gewalt zu be­strafen. Mit der Festschreibung der Genderperspektive gilt die SCR 1325 als „landmark" (Anderlini 2010, 13).

Die Beschäftigung der UN mit dem Themenfeld „Frauen, Frieden und Sicherheit" kam 2000 nicht überraschend. In den Jahren zuvor18 hatte „zähe [zivilgesellschaftliche; C.D.] Basisarbeit" (Hentschel 2011b, 25) den Weg dahin bereitet. 1979 wurde mit der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) der Grundstein für die Öffnung des Blicks für Frauenrechte und ihres Anteils an der Friedenssicherung gelegt. Auf der Pekinger Weltfrauenkonferenz 1995 wurde festgestellt, dass "[...] women's empower­ment and their full participation on the basis of equality in all spheres of society, including participation in the decision-making process and access to power, are fundamental for the achievement of equality, development and peace" (UN 1995, Ziffer 13 und 14) und so auf die Verabschiedung der SCR 1325 hingearbeitet. 2000 drängte dann, im Rückblick auf die Folgen bewaffneter Konflikte insbesondere für Frauen in Ruanda und im ehemaligen Jugo-slawien und vor dem Hintergrund starker Lobbyarbeit von Frauenrechtsorganisationen und einzelnen Frauenrechtlerinnen auf der ganzen Welt, ein Zusammenschluss internationaler Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf die Entwicklung einer UN-Resolution zum The­ma. Es folgte eine Zusammenarbeit mit einigen Staaten, u.a. federführend Bangladesch, welche sich für eine SCR einsetzten. Mit Verstärkung Namibias, welches den Vorsitz im SR innehatte, wurde die Arbeit an SCR 1325 vorangetrieben und die SCR schließlich einstimmig angenommen (vgl. Anderlini 2010, 14-16). Die SCR 1325 stellt die erste Resolution der UN­Agenda „Frauen, Frieden, Sicherheit" dar, welche mittlerweile2013 fünf Resolutionen19 beinhaltet.

Im Folgenden stelle ich die wesentlichen Inhalte der SCR 1325 dar, mit besonderem Fokus auf den Vorgaben, die sich an die Mitgliedstaaten richten, da diese die Hauptakteure der Regeleinhaltung sind. Trotz aller Kritik, die SCR 1325 sei zu vage und ungenau formuliert (vgl. Cook 2008, 17), lassen sich eindeutige Formulierungen finden, die Vorgaben an die Mitgliedstaaten ausdrücken.

2.2 Inhalte der SCR 1325 mit Fokus auf den Vorgaben für die Mit­gliedstaaten

Wie bereits unter 1. dargelegt, deckt die SCR 1325 die Ebenen „Partizipation", „Prävention" und „Protektion" ab (vgl. Cook 2008, 17 und Hentschel 2011b, 25).

Die SCR 1325 gliedert sich in zwei Teile.

Nach einer generellen Einführung (UN Security Council 2000a, Präambel), in der der SR unter anderem auf Verpflichtungen Bezug nimmt, die sich aus vorangegangenen Dokumen­ten ergeben, sich auf seine Rolle als Hüter des Weltfriedens und der internationalen Sicher­heit beruft, seine Besorgnis darüber äußert, dass Frauen zu Opfern bewaffneter Konflikte werden, erneut erklärt, welch wichtige Rolle Frauen bei der Prävention, Beilegung von Kon­flikten und der Friedenskonsolidierung spielen und betont, dass Frauen gleichberechtigte Teilnahme an der Wahrung und Förderung des Friedens zukommen muss, sowie zudem erklärt, dass das humanitäre Völkerrecht zu Gunsten von Frauen realisiert werden muss und dass in alle Bereiche von Friedenssicherungseinsätze eine Geschlechterperspektive integriert werden muss, folgt der Teil mit den Vorgaben für den Generalsekretär, den SR, die Mitgliedstaaten und alle beteiligten Parteien und Akteure bewaffneter Konflikte.

Im Folgenden20 werden nun die Vorschriften der SCR 1325 wiedergegeben, die sich an die „Mitgliedstaaten", die „Akteure in bewaffneten Konflikten" und die „Parteien" richten.21 Die Wiedergabe teilt die Vorschriften in die oben genannten drei Ebenen ein, um so einen besseren Überblick über die Art der Vorgabe geben zu können.

2.2.1 Partizipation

Unter Ziffer 1 werden die Mitgliedstaaten „[...] nachdrücklich auf[gefordert; C.D.], dafür zu sorgen, dass Frauen in den nationalen, regionalen und internationalen Institutionen und Mechanismen zur Verhütung, Bewältigung und Beilegung von Konflikten auf allen Entschei­dungsebenen stärker vertreten sind" (UN Security Council 2000a, Ziff. 1).

Unter Ziffer 3 wird von den Mitgliedstaaten gefordert, dem Generalsekretär eine Liste mit Kandidatinnen zu erstellen, die als Sonderbotschafterinnen in Frage kommen (ebd., Ziffer 3). Ziffer 15 legt nahe, „[...] dass bei Missionen des Sicherheitsrats die Geschlechterperspek­tive sowie die Rechte von Frauen berücksichtigt werden müssen, namentlich auch durch Konsultationen mit Frauengruppen auf lokaler wie internationaler Ebene" (ebd., Ziffer 15).

2.2.2 Prävention

Unter Ziffer 6 wird der Generalsekretär ersucht, „[...] den Mitgliedstaaten Leitlinien für die Aus- und Fortbildung sowie Material über den Schutz, die Rechte und die besonderen Be­dürfnisse von Frauen sowie über die Wichtigkeit der Beteiligung von Frauen an allen Frie- denssicherungs- und Friedenskonsolidierungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen, und die Mitgliedstaaten gebeten, „[...] diese Elemente sowie Aufklärungsmaßnahmen über HIV/Aids in ihre einzelstaatlichen Ausbildungsprogramme zur Vorbereitung von Militärpersonal und Zivilpolizisten auf ihren Einsatz aufzunehmen [...]" (ebd., Ziff. 6). Ferner werden unter Ziffer 7 die Mitgliedstaaten „[...] nachdrücklich auf[gefordert; C.D], ihre freiwillige finanzielle, technische und logistische Unterstützung von Trainingsmaßnahmen zur Sensibilisierung in Geschlechterfragen zu verstärken, namentlich Maßnahmen der einschlägigen Fonds und Programme [..] " (ebd., Ziffer 7).

Ziffer 8 „fordert alle beteiligten Akteure auf, bei der Aushandlung und Umsetzung von Frie­densübereinkünften eine Geschlechterperspektive zu berücksichtigen, die unter anderem auf Folgendes abstellt: a) die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Mädchen während der Rückführung und Neuansiedlung sowie bei der Normalisierung, der Wiedereingliede­rung und dem Wiederaufbau nach Konflikten; b) Maßnahmen zur Unterstützung lokaler Friedensinitiativen von Frauen und autochthoner Konfliktbeilegungsprozesse sowie zur Beteiligung von Frauen an allen Mechanismen zur Umsetzung der Friedensübereinkünfte; c) Maßnahmen zur Gewährleistung des Schutzes und der Achtung der Menschenrechte von Frauen und Mädchen, insbesondere im Zusammenhang mit der Verfassung, dem Wahlsys­tem, der Polizei und der rechtsprechenden Gewalt" (ebd., Ziff. 8).

2.2.3 Protektion

Unter Ziffer 9 werden alle Parteien aufgefordert „[...] das auf die Rechte und den Schutz von Frauen und Mädchen, insbesondere als Zivilpersonen, anwendbare Völkerrecht vollinhalt­lich zu achten []", und unter Ziffer 10 „[...] alle Parteien bewaffneter Konflikte [...], speziel­le Maßnahmen zum Schutz von Frauen und Mädchen vor geschlechtsspezifischer Gewalt zu ergreifen [...]". Damit einher geht Ziffer 10, in welcher der SR hervorhebt, „[...] dass alle Staaten dafür verantwortlich sind, der Straflosigkeit ein Ende zu setzen und die Verantwort­lichen für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, na­mentlich auch im Zusammenhang mit sexueller und sonstiger Gewalt gegen Frauen und Mädchen, strafrechtlich zu verfolgen, und betont in diesem Zusammenhang, dass diese Verbrechen soweit möglich von Amnestieregelungen ausgenommen werden müssen" (ebd., Ziffer 9-11).

Unter Ziffer 12 werden alle Parteien bewaffneter Konflikte aufgefordert, „ [...] den zivilen und humanitären Charakter von Flüchtlingslagern und -siedlungen zu achten und nament­lich auch bei ihrer Errichtung die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Mädchen zu be­rücksichtigen [...]" (ebd., Ziffer 12). Unter Ziffer 13 legt der SR „[...] allen an der Abrüstungs-, Demobilisierungs- und Wiedereingliederungsplanung Beteiligten nahe, die unterschiedli­chen Bedürfnisse weiblicher und männlicher ehemaliger Kombattanten sowie die Bedürf­nisse der von ihnen abhängigen Personen zu berücksichtigen" (ebd., Ziffer 13).

2.3 Sonstige Dokumente

2.3.1 Die Forderungen der UN nach einem Nationalen Aktionsplan - oder ande­ren Strategien

Am 28.10.2004 äußerte sich der SR in 22 einer Erklärung zur Umsetzung der SCR 1325. Er wie­derholte die Ziele und Einschätzungen, die sich bei SCR 1325 in der Präambel wiederfinden und betonte die Wichtigkeit der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft sowie die Erstel­lung Nationaler Aktionspläne zur Umsetzung:

,,[...]"The Security Council recognizes the important contribution of civil society to the implementation of resolution 1325 (2000) and encourages Member States to continue to collaborate with civil society, in particular with local women's networks and organizations, in order to strengthen implementation.

To that end, the Council welcomes the efforts of Member States in imple­menting resolution 1325 (2000) at the national level, including the develop­ment of national action plans, and encourages Member States to continue to pursue such implementation [...] " (UN Security Council 2004).

Am 27. Oktober 2005, fünf Jahre nach der Verabschiedung der SCR 1325, begrüßte der SR die Fortschritte, drängte aber auf stärkere Umsetzung. Er betonte die Wichtigkeit der Zu­sammenarbeit mit lokalen Frauenorganisationen:

"[...] The Security Council encourages Member States and the Secretary- General to maintain regular contacts with local women organizations and networks, to utilize their knowledge, expertise and resources and to ensure their involvement in reconstruction processes, particularly at the decisionmaking level [...] " (UN Security Council 2005).

Zudem fordert er die Mitgliedstaaten auf, NAP zu entwickeln, oder andere nationale Strate­gien durchzuführen. Hierbei ist zu betonen, dass der Aktionsplan als ein adäquates Mittel gilt, jedoch auch andere Strategien zugelassen sind:

"The Security Council reiterates its call to Member States to continue to im­plement resolution 1325 (2000), including through the development of na­tional action plans or other national level strategies" (ebd.).

In seinem Bericht über den Stand der Umsetzung vom 28.09.2010 benannte der Generalsekretär NAP als Schlüsselmomente:

"A particularly important contribution of Member States has been the development of national action plans to guide the implementation of resolution 1325 (2000). The implementation of national action plans has been recognized as a key strategy in ensuring the achievement of commitments in the area of women and peace and security. They provide for a comprehensive and systematic monitoring and evaluation of activities with respect to policy goals. [...]. The ultimate success of national action plans depends on their funding and the commitment to ensure their full implementation. The availability of adequate resources remains a great chal­lenge" (UN SecurityCouncil 2010, Ziffer 14).

2.3.2 CSO Position Paper on the Europe-wide Implementation of UNSCR 1325

Das European Peacebuilding Liaison Office (EPLO)23 fasste 2010 in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft 10 Punkte zusammen, die sie als empfehlende Vorgaben für die Umsetzung von SCR 1325 durch die EU und ihre Mitgliedstaaten benennt.

Die Mitgliedstaaten werden angeregt, „[to; C.D.] Include a minimum set of standards in all [.] action plans and strategies" (EPLO 2010, Ziffer 2). Dieses Set umfasst:

"specific and realistic goals, objectives and priority actions; timelines; a dedi­cated budget; indicators, benchmarks and targets; clear lines of responsibility to specific individuals, units or functions, both governmental and non­governmental; a results-oriented and transparent reporting and monitoring mechanism, including a high-level taskforce / review committee and a system for tracking funds allocated to implementation; and mechanisms for civil so­ciety participation in the implementation, monitoring and review of the plan or strategy. [...]" (ebd.).

Zudem sollen zivilgesellschaftliche Gruppen "[...] actively engaged throughout the devel­opment, implementation, monitoring and review of WPS [Women, Peace, Security; C.D] implementation plans or strategies and in other processes that can potentially target and address WPS (such as the development of Country Strategy Papers) - at the technical level but also in high-level political forums" (ebd., Ziffer 3). Somit sollen auch Mechanismen für die zivilgesellschaftliche Partizipation bei der Beobachtung der Umsetzung detailliert in Aktionsplänen oder Strategien ausformuliert und institutionalisiert werden. Die zivilgesell­schaftlichen Gruppen sollen ausreichend budgetiert werden. Ziffer 4 fordert, alle Aktions­pläne und Strategien auf bedeutungsvollen Indikatoren, Bezugswerten und Ziele zu basie­ren, die eine Einschätzung der Auswirkungen zulassen. Ziffer 5 weist den Mitgliedstaaten die Verantwortung für die Bereitstellung finanzieller Ressourcen zu, die für die Umsetzung der SCR 1325 notwendig sind (vgl. ebd., Ziffer 4-5).

2.3.3 Bündnis 1325:10 Eckpunkte für einen deutschen NAP und deutsche Umset­zung

Im April 2011 veröffentlichte das Bündnis 1325, ein Zusammenschluss aus zivilgesellschaft­lichen Gruppen und insbesondere dem Frauensicherheitsrat, ein Eckpunktepapier für einen geforderten deutschen NAP und eine deutsche Umsetzung im Allgemeinen.

Das Papier fordert einen deutschen NAP mit „[...] spezifischen Zielen, prioritären Aktionen, klarem Budget, festgelegten Strukturen, Verantwortlichkeiten, Zeitplänen, Berichtspflich­ten, Indikatoren und Überwachungsmechanismen [...]" (Bündnis 1325 2011, 1) sowie der Beteiligung von zivilgesellschaftlichen Gruppen, Expertinnen und der Bundesregierung bei der Entwicklung des NAP. Dieser müsse in einem transparenten Prozess entwickelt werden, „[...] seine Ziele, Zeitpläne, Quoten und Indikatoren müssen in einem öffentlichem Dialog diskutiert und festgelegt werden" (ebd., 2). Das Eckpunktepapier orientiert sich an den Vorgaben aus dem 10-Punkte-Papier des EPLO und kritisiert die derzeitige interministerielle Arbeitsgruppe, welche durch eine „[...] Taskforce Frauen, Frieden und Sicherheit als koordi­nierendes und öffentlich sichtbares Gremium der an der Umsetzung beteiligten Ministerien [...]" ersetzt werden sollte (vgl. ebd.).

Zudem empfiehlt das Papier der Bundesregierung eine Öffentlichkeitskampagne, um die breite Bevölkerung über die Anliegen der SCR 1325 aufzuklären. Das Papier kritisiert ferner, dass die Bundesregierung die drei Ebenen Partizipation, Prävention und Protektion falsch gewichte. Sie sollte sich an die Vorgaben der UN und der EU halten und der Partizipations­ebene eine höhere Gewichtung einräumen. Außerdem sollte der Prosekutionsebene mehr Bedeutung zugeschrieben und eine neue Ebene eingeführt werden: Die Präparationsebene, welche die Vorbereitung und das Training von militärischem und zivilem Personal in Gen- derfragen meint. Das Bündnis 1325 hält die bisher von der Bundeswehr durchgeführten Gendertrainings für ungenügend. Eine Einbeziehung der Aspekte „Männlichkeitsbilder" und „militarisierte Männlichkeit" sei obligatorisch, um den Genderaspekt, den die SCR 1325 fordert, wirklich zu treffen. Dazu müssten Trainingsunterlagen mit der Zivilgesellschaft er­arbeitet werden:

,,Die Bundeswehr und ihre Führungsakademie müssen die Resolution 1325 und ihre Folgeresolutionen in ihrem Ausbildungssystems systematisch verankern. Integrale Bestandteile müssen Männlichkeitsbilder und männliches Sexualverhalten sein" (ebd., 6).

Dies betreffe auch die Ausbildung deutschen Zivilpersonals. Ferner stellt es fest, dass es keine Militärmissionen ohne systematisch geförderten Kontakt zu Frauenorganisationen geben dürfe und dass die bundesdeutsche Sicherheitspolitik einem anderen Sicherheitsver­ständnis folgen sollte: dem Konzept der ,menschlichen Sicherheit'. Der NAP sollte mit ei-

nem Etat von 200 Millionen Euro budgetiert werden und ein transparentes Monitoring­System eingerichtet werden (vgl. ebd., 6).

2.4 Begründung der Referenzpunkte

Eigentliche Bezugspunkte von (Non-) Compliance-Ansätzen sind Verträge, die durch staatli­che Unterschrift bzw. eventuell Ratifikation völkerrechtliche Verbindlichkeit erlangen.

Die skizzierten Dokumente sind anderer Natur und werden in dieser Arbeit trotzdem als Referenzpunkte der Untersuchung betrachtet. Dies begründe ich im Folgenden, unter 2.4.1 für die SCR 1325 und unter 2.4.2 für die restlichen Dokumente.

2.4.1 SCR 1325: Inhaltlich verpflichtend

SCR stellen keine Verträge dar, sondern werden vom SR verabschiedet, ohne die Zustim­mung aller Mitgliedstaaten zu erfordern. Sie sind „ [...] of delegated nature, and, in most cases, not intended to create legal rights or obligations as having general application. The resolutions are unilateral and operational measure of the Security Council" (Nasu 2009, 112). In der Rechtswissenschaft herrscht bis heute eine lebhafte Debatte darüber, welche rechtlichen Konsequenzen SCR mit sich bringen. Einig ist man sich zumindest darüber, dass es immer auf die einzelne SCR ankommt und es bzgl. der rechtlichen Implikationen keine Pauschalisierungen geben dürfe (vgl. Wood 1998, 75).

Die SCR 1325 wird von NGOs als „völkerrechtlich verbindlich" bezeichnet, da sie vom SR verabschiedet wurde. Diese Einschätzung sei aber rechtlich nicht korrekt (vgl. Weinhardt 2007, 284). Zurzeit gebe es keine „[...] herrschende Meinung zum Rechtscharakter der 1325 [...]" (ebd.). Zumindest bestehen wenigstens für den Generalsekretär verbindliche Hand­lungsanweisungen, da er laut Art. 98 UN-Charta an die Bestimmungen des SR gebunden ist. Weinhardt konstatiert aber keine völkerrechtliche Verbindlichkeit für die Mitgliedstaaten, da die SCR nicht unter Kapitel VII der UN Charta falle, die Verben nicht stark genug seien und Sanktionsmaßnahmen fehlen. Sie bringt jedoch auch Argumente vor, die für die Ver­bindlichkeit sprechen und gesteht ein, dass andere Rechtswissenschaftlerinnen den rechtli­chen Charakter der SCR 1325 anders bewerten würden (vgl. Weinhardt 2007, 289). Worin sich die Wissenschaftlerinnen einig sind, ist jedoch die zumindest inhaltliche Verpflichtung, die sich für die Mitgliedstaaten ergibt (vgl. Arloth und Seidensticker 2011, 10). Damit fehlt der SCR 1325 aber weitgehende Effektivität.

Diese inhaltliche Verpflichtung müsste für die BRD als Staat, der zeitweise die Präsidentschaft im Sicherheitsrat übernimmt, auf einen ständigen Sitz im SR hofft und sich als drittgrößter Beitragszahler benennt, ausreichen, um die SCR korrekt umzusetzen. Die Bundesregierung bezeichnet die Vorgaben der SCR 1325 als politische Richtlinien::

„Mit der vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im Jahr 2000 verabschiede­ten Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit" haben die Vereinten Na­tionen politische Richtlinien für eine geschlechtersensible Friedens- und Sicher­heitspolitik vorgegeben,[...]" (Auswärtiges Amt 2010b).

Hinzu kommt das Wesen der SCR 1325 als „Zäsur" welche die BRD in ihrem 3. Umsetzungsbericht eingesteht (vgl. Auswärtiges Amt 2010a, 5). Zudem sieht sich die BRD als Hüterin von Frauenrechten, weist ihrer Frauenrechtspolitik hohen Stellenwert zu und gehört zudem der „Freundesgruppe der Resolution 1325" an (Auswärtiges Amt 2012b). Zudem betont die Bundesregierung, die drei auf SCR 1325 folgenden Resolutionen 1820, 1888 und 1889 „[...] als Miteinbringer unterstützt" (Auswärtiges Amt 2010a, 27) zu haben, was bedeutet, dass sie den politischen Wert der UN-Agenda „Frieden, Frauen und Sicherheit" zumindest formal wertschätzt.

Es ist besonders darauf hinzuweisen, dass Staaten der UN und deren Pflichten setzenden Akten nicht mehr einfach entziehen können: Die Bedeutung der Internationalen Gemeinschaft hat im 20. Jahrhundert so drastisch zugenommen, dass Regeln nicht immer Zustimmung bedürfen, um verpflichtend zu werden:

„[...] The world has moved beyond the nineteenth-century ideal of codification by scientific bodies: in modern times this process was taking place in the name of the international community, and even when states did not assume treaty obligations, as members ofthat community they were bound to the rules confirmed by it" (Milan Bartos, zitiert nach Fisher 1981,117).

2.4.2 Übrige Dokumente: Der Weg zum„spirit of the treaty"?

Alle anderen Dokumenten, die im Folgenden behandelt werden, präzisieren und interpretieren meines Erachtens nach die Vorgaben der SCR 1325. Sie zeigen Mittel und Wege auf, um die Ziele der SCR zu erreichen.

Beschäftigt man sich mit den Regeln der Vertragsauslegung, so wird in manchen Fällen vom „Geist des Vertrages" gesprochen, besonders häufig „In (politischen) Debatten über die Anwendung von Verträgen. [...]. Der „Geist des Vertrages" ist keine anerkannte Auslegungsregel, der „Geist des Vertrages" lässt sich nur „im Lichte seines Zieles und Zweckes" entdecken" (Schweisfurth 2006, 178). Jedoch ist den Völkerechtlern der „Geist" bekannt, stark debattiert, und meint die Ziele und die Philosophie des Vertrages (vgl. Bleckmann 1975). Ich meine, dass der „Geist" der SCR 1325 von der Präambel der SCR zutreffend wiedergegeben wird: So geht es darum, die Geschlechterqualität von Sicherheitspolitik zu verändern, d.h. eine Geschlechterperspektive zu integrieren. Jedoch fehlt der SCR der Weg hin zum „Geist des Vertrages". Es ist schwer zu erfassen, welche Maßnahmen die Mitgliedstaaten unternehmen sollten, um den Kern der Resolution zu treffen, d.h. die Ziele und Zwecke zu erfüllen. Allein eine Konzentration auf die SCR 1325 reicht daher nicht aus, was auch die Bundesregierung eingestanden hat (vgl. Auswärtiges Amt 2010a, 6).

Die soeben vorgestellten Dokumente sind in jedem Fall als Auslegungen der Resolution zu betrachten und kommen von so hoch beachteten Stellen, dass sie als Referenzpunkte angesehen werden könnnen. Für jedes einzelne genannte Dokument begründe ich nun tiefgehender die Wahl als Bezugspunkt.

2.4.2.1 Präsidentielle Erklärungen und Berichte des Generalsekretärs: klare Leit­linien

Auch wenn Erklärungen des Präsidenten des SR nicht völkerrechtlich verbindlich sind, ist ihnen Bedeutung beizumessen, da sie den Konsens der Mitglieder des SR bedürfen, gleich­wohl Mitglieder sich enthalten können. Sie drücken wegweisende Ideen der UN aus und "[...] are usually adopted when there are significant developments on the ground in a coun­try on the Council's agenda, or to reinforce important points following open debates or the release of key UN documents" (Peacewomen 2012). Die Erklärungen zur SCR 1325 "[...] acknowledged specific accomplishments of the agenda including women's participation and gender mainstreaming, while also recognizing the areas that still need improvement. Some statements made procedural requests while others made additions to the normative framework" (ebd.).

Berichte des Generalsekretärs sind Bezugspunkte, da der Generalsekretär als höchster Verwaltungsbeamte der UN mit der Macht, die Aufmerksamkeit des SR auf Anliegen seiner Wahl zu lenken (vgl. UN Charta, Ziffer 97, 99), als Synonym für die Werte der UN, ihre Idea­le und ihre moralische Autorität steht (vgl. UN 2012). Seinen Ausführungen zur SCR 1325 und ihrer Umsetzung ist daher Bedeutung zu schenken, so geben sie doch den Willen der UN seitens höchster Stelle wieder.

2.4.2.2 Dokumente der Zivilgesellschaft

Als Referenzpunkte gelten auch die Dokumente der europäischen und der deutschen Zivil­gesellschaft. Zum einen weist die SCR 1325 selber die Bedeutung der Zivilgesellschaft für die Umsetzung aus (UN Security Council 2000a, Ziffer 15) und zum anderen betont die Bun­desregierung die Notwendigkeit der Kooperation mit der Zivilgesellschaft zur korrekten Umsetzung der Resolutionsziele:

,,Resolution 1325 betont die Bedeutung der Zivilgesellschaft für die Umsetzung ihrer Ziele. Dies ist auch der Bundesregierung wichtig. Sie führt daher einen entsprechen­den Dialog mit der Zivilgesellschaft, insbesondere mit Frauenorganisationen" (Bun­desregierung 2010a, 6).

Kooperation' ist nicht gleichzusetzen mit der gänzlichen Akzeptanz der zivilgesellschaftli­chen Regeln. Jedoch vereinen die genannten Papiere den Konsens einer Vielzahl von Orga­nisationen, die sich nicht nur aus Frauenrechtsorganisationen zusammensetzen. Die Doku­mente weisen durch die hohe Zahl an Trägern beachtlichen Wert auf.

2.4.3 Zusammenfassung I: Unübliche Referenzpunkte

Ich überprüfe unüblicherweise die Compliance einer SCR. Dies erfolgt zum einen, da die SCR inhaltlich verpflichtend ist und in der Literatur für SCR ähnliche Auslegungsregeln genannt werden wie für Verträge. Zum anderen stellt die SCR einen Meilenstein dar und es ist nahe­liegend, dass die Bundesregierung als drittgrößter UN-Beitragszahler mit Hoffnung auf ei­nen ständigen Sitz im SR und der kriegslegitimierenden Einstellung, Frauen aus Gewaltver­hältnissen befreien zu wollen, großes Interesse an der korrekten Umsetzung einer Gender- Resolution haben sollte. Neben der inhaltlich verpflichtenden SCR 1325 gelten auch UN­Dokumente sowie Forderungen der Zivilgesellschaft als Referenzpunkte, da diese meiner Meinung nach den Weg aufweisen, die SCR zielführend, im Geist des Vertrages, umzuset­zen. Es handelt sich nicht um völkerrechtlich verbindliche Texte, denen die BRD ihre Zu­stimmung gegeben hat. Es wurde dennoch begründet, aus welchen Gründen sie als Bezugs­punkte gesehen werden können - stets vor dem Hintergrund der „soften" Compliance- Definition von Young.

3 (Non-) Compliance: Der theoretische Unterbau

Im Folgenden gebe ich eine Arbeitsdefinition von (Non-) Compliance und einen Einblick in die Non-Compliance-Forschung (3.1). Im Hauptteil lege ich ihre verschiedenen Ansätze dar (3.2-3.4). Die Hinführung zur (Non-) Compliance-Forschung erfolgt recht kurz, da der Fokus auf den verschiedenen Ansätzen der Erklärung von (Non-) Compliance liegt.

3.1 Eine Hinführung zur (Non-) Compliance-Forschung

3.1.1 Definition von (Non-) Compliance

Oran R. Young definiert Compliance in seiner "groundbreaking study on compliance" (Simmons 1998, 77) als „[...] all behaviour by subjects or actors that conforms to the re­quirements of behavioural prescriptions or compliance systems" (Young, 1979 S. 4). Für diese gängigste, da oft zitierte Definition ist Compliance als konformes Verhalten mit Ver­haltensvorschriften zu verstehen. Sie erleichtert die variable Wahl der Bezugspunkte, da unter „behavioural prescriptions" (ebd., 4) auch völkerrechtlich unverbindliche Vorgaben fallen können.

Young definiert die behavioural prescriptions als „[...] any well-defined standard setting forth actions (including prohibitions) that members of some specified subject group are expected to perform under appropriate circumstances" (2). Compliance systems erklärt er als "[...] a set of behavioral prescriptions designed to regulate an interdependent group of activities in a coherent fashion"( ebd.,3). Hinsichtlich der Forschungsthesen und -fragen dieser Arbeit ist festzustellen, dass die UN-Agenda zu Frieden, Frauen und Sicherheit samt den Folgedokumenten sowohl behavioural prescriptions als auch speziell in ihrer Gesamt­heit ein compliance system darstellen.

Non-Compliance betrachtet Young als „[...] behaviour that fails to conform with such re­quirements" (ebd., 4-5). Statt Verhaltensvorgabe können auch von Regel gesprochen wer­den, welche generell als „[...] guide for conduct or action [...]" (ebd., 3 nach Webster's Collegiate Dictionary) definiert werde. Non-Compliance ist damit das Verhalten, das den Regeln widerspricht und so als Regelverstoß zu verstehen.

Ich übersetze Compliance auf die in der in der Literatur gängigste Art und Weise mit ,Regel- einhaltung'. Damit soll jedoch keine Diskussion über die Bedeutungsinhalte von ,Regel' eröffnet werden. Youngs Definition von (Non-) Compliance erlaubt es, alle Verhaltensvor­schriften, egal welch rechtliche Bindungswirkung sie besitzen, als Bezugspunkte der Unter­suchung zu verwenden. Hierzu sei angemerkt, dass Raustiala und Slaughter, wegweisende Theoretiker dieser Forschungsrichtung, betonen, dass sich das (Non-) Compliance-Konzept nicht nur auf rechtliche Regeln bezieht: „Compliance is also not uniquely applicable to legal rules [...]" (Raustiala und Slaughter 2002, 539). Sie weisen auf den methodischen Unter­schied zwischen Ansätzen aus den Internationalen Beziehungen (IB) und dem Internationa­len Recht hin: Politikwissenschaftlerinnen hätten sich in ihrer Compliance-Forschung auf rechtlich unverbindlichere Regeln konzentriert, die Völkerrechtlerinnen dagegen eher auf klar verbindliche (vgl. ebd.).

Compliance ist abzugrenzen von Umsetzung und Effektivität. Umsetzung wird gemeinhin definiert als „[...] effort to administer authoritatively public policy directions and the chang­es they undergo during this administrative process [...]" (Neyer und Wolf 2005, 41). Effekti­vität fragt danach, ob die Regel das politische Problem überhaupt lösen kann, welches zu ihrer Formulierung geführt hat (vgl. ebd., 42).

In Anlehnung an den systemtheoretischen Ansatz von David Easton24 skizzieren Börzel und Risse drei Phasen bzw. Dimensionen des Umsetzungsprozesses und nennen sie „Output", „Outcome" und „Impact". Compliance sei die „Outcome"-Dimension vermengt mit der „Output"-Dimension und damit klar abgrenzbar von „Impact" (Effektivität). Sie differenzie­ren zudem zwischen Zielgruppe und Adressat. Adressat völkerrechtlicher Maßnahmen sei gemeinhin der Staat, Zielgruppe aber oft andere Akteure (wie im Fall der der SCR 1325 sicherheitspolitische Akteure bzw. Frauen).

TABELLE 1: DER SYSTEMTHEORETISCHE ANSATZ UND COMPLIANCE

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: Eigene Darstellung nach Börzel und Risse 2002,144 nach David Easton).

[...]


1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit und des feministischen Anspruches dieser Arbeit im weitesten Sinne verwende ich in dieser Arbeit durchgängig das generische Femininum, welches jedoch alle sozialen Geschlechter und Geschlechtsidentitäten einschließt.

2 Es ist darauf hinzuweisen, dass ich innerhalb der Arbeit von „Frauen" statt korrekter von „Frauen und Mädchen" sprechen werde. Dies soll „Mädchen" nicht exkludieren, sondern dient lediglich der Vereinfachung.

3 ”Der deutsche Frauensicherheitsrat (FSR) ist ein regierungs- und parteiunabhängiges Netzwerk, das zum Thema Gender, Frieden und Sicherheit sowie als Lobby für die Umsetzung der UN-Resolution 1325 arbeitet. Mehr als 50 Frauen, Einzelpersonen und Vertreterinnen von Forschungseinrichtungen und Hochschulen, Frauen-, Menschenrechts- und Entwicklungshilfeorganisationen, Friedensgruppen und politischen Stiftungen haben sich darin zusammengeschlossen" (Gunda Werner Institut 2013).

4 Der Begriff "(Non-) Compliance-Ansätze" ist ein selbstgewählter und bezeichnet all die Modelle, die Erklärungen für Regeleinhaltung und -bruch offerieren. Es wird bewusst von Ansätzen gesprochen, da es keine einheitliche Theorie gibt, sondern die Erklärungen für (Non-) Compliance aus verschiede­nen Theoriesträngen der IB und des internationalen Rechts abgeleitet werden.

5 Die Forderungen der SCR 1325 wurden in der SCR 1889, welche 2009 verabschiedet wurde, wie­derholt und verdeutlicht. Da aber an sich keine neuen Verhaltensvorschriften hinzugefügt wurden und der Rahmen dieser Arbeit begrenzt ist, wird die Analyse nicht auf die SCR 1889 ausgeweitet.

6 Die subjektiv gewählten Dokumente, die in Kapitel 2.3 vorgestellt werden, präzisieren die Forde­rungen der SCR 1325 und sind die gängigsten.

7 Soft in dem Sinne, als dass es seine Definition keine völkerrechtlich verbindlichen Vertragswerke voraussetzt, sondern „lediglich" Verhaltensvorschriften, welche keine rechtliche Bindungswirkung aufweisen.

8 Welche grundsätzlich genderorientierte Ansätze beinhalten, so die Bundesregierung: „Dabei ist inzwischen von Politik und Wissenschaft anerkannt, dass die Beteiligung von Frauen in der Konflikt­beilegung und Friedenssicherung unabdingbar ist, um Frieden nachhaltig zu sichern" (Bundesregierung 2013).

9 Es gibt durchaus wissenschaftliche Essays, die sich mit der Umsetzung der SCR 1325 in einigen Staa­ten beschäftigt, jedoch keinen aktuellen, der sich mit der deutschen Regeleinhaltung befasst (der Essay von Hertwig 2007 wird als aufschlussreich, jedoch veraltet betrachtet) und insbesondere nicht auf Grundlage von (Non-) Compliance-Ansätzen.

10 Kritik an der SR 1325 und den Folgeresolutionen existiert durchaus, beispielhaft die feministische Kritik der SCR 1325 durch Schulz 2012. Eine komprimierte Zusammenfassung allgemeiner und insbe­sondere feministischer Kritik findet sich bei Weinhardt 2007.

11 Welche es ohnehin nicht gibt.

Börzel, Hofmann und Panke 2009; Deutschbein 2006; Guzman 2002; List und Zangl 2003; Raustiala und Slaughter 2002; Simmons 1998; Tallberg 2002; Young 1979.

13 Chayes und Handler Chayes 1995; Franck 1995; Falkner et al. 2010; Koh 1997.

14 Börzel, Hofmann und Panke 2009; Fisher 1981; Jacobson und Weiss 1998; Guzman 2002; Neyer und Wolf 2005; Raustiala und Slaughter 2002; Zürn und Beck 1998.

Behmer und Kopper 2012; Hertwig 2007; Jonas und Kümmel 2011.

16 Arloth und Seidensticker 2011; EPLO 2010; Hentschel 2011a, 2012; Notten und Scheub 2010

17 Gender wird gemeinhin als die [...] kulturelle und institutionalisierte Form, mit der biologischen Geschlechterunterschieden innerhalb einer Gesellschaft und in einer bestimmten historischen Phase soziale Bedeutung verliehen wird. Kurz: Gender beschreibt das soziale Geschlecht" (Bublitz 2010, 95) und „[...] verweist auf die unterschiedliche soziale Bedeutung, die Geschlechtszugehörigkeit für Männer und Frauen hat: Die biologische Ungleichheit wird demnach sozial festgeschrieben und be­schreibt die Aufteilung der Tätigkeitsbereiche [...] von Mann und Frau" (ebd.).

18 Detailliert bei Weinhardt 2007, 269-271 und Anderlini 2010,15-17.

19 Einen Überblick über alle Resolutionen der Agenda gibt Otto 2010.

20 Bei der Paraphrasierung und Zusammenfassung bleiben die vom SR verwendeten Verben (ersu­chen, auffordern, etc.) erhalten. Dies geschieht um genau wiederzugeben, mit welcher Betonung der SR die Vorgaben macht. Zudem, alles was kursiv ist, ist auch kursiv im Originaltext.

21 Dass die Vorgaben für die Mitgliedstaaten herausgearbeitet werden müssen, ist bzgl. der Frage­stellung der Arbeit unverkennbar. Jedoch müssen auch die Formulierungen analysiert werden, die sich auf die „Akteure" und die „Parteien" beziehen, da die Bundesregierung zum einen selber die Ziffern derSCR 1325 umzusetzen versucht, die sich aufAkteure und Parteien beziehen (vgl. Auswär­tiges Amt 2010a) und zum anderen Deutschland als Akteur und auch Partei gesehen werden kann.

22 Ich habe hier die Dokumente ausgewählt, die die SCR 1325 interpretieren und präzisieren und die gängigsten darstellen. Ausgelassen wurde eine NATO-Richtlinie zur Umsetzung der SCR 1325, da diese zu sehr ins Detail geht und sich nur auf Militärmissionen bezieht. Die gewählten Verhaltensvorschriften sind breiter gefächert.

23 "EPLO is the platform of European NGOs, NGO networks and think tanks which are committed to peacebuilding and the prevention of violent conflict" (vgl. Eplo 2012).

24 „Easton defined political system as an interrelated set of activities, roles and institutions operating within an environment which provides input and translates into policy outcomes as outputs through the process of feedback mechanisms" (Kumar de 2012, 35).

Ende der Leseprobe aus 104 Seiten

Details

Titel
Die deutsche Einhaltung der UNSCR 1325
Untertitel
Eine kritische Analyse auf Grundlage von (Non-) Compliance-Ansätzen
Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
--
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
104
Katalognummer
V280828
ISBN (eBook)
9783656742999
ISBN (Buch)
9783656742982
Dateigröße
970 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
einhaltung, unscr, eine, analyse, grundlage, non-, compliance-ansätzen
Arbeit zitieren
M.A. Carolin Deitmer (Autor:in), 2013, Die deutsche Einhaltung der UNSCR 1325, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/280828

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