Die Leiden des jungen Werther: Werthers Selbstmord als Flucht oder Lösung?

Lehrprobe Deutsch, Klasse 10, Gymnasium


Unterrichtsentwurf, 2014

12 Seiten, Note: 1


Leseprobe

Analyse des Lehr- und Lernfeldes

Die Klasse 10 c besteht aus 16 Schülerinnen und 8 Schülern. Seit Beginn der Unterrichtseinheit übernehme ich den Deutschunterricht in dieser Klasse (Leihklasse), einige Mädchen kenne ich bereits aus dem Musikunterricht. Den allgemeinen Leistungsstand der Klasse schätze ich als mittelmäßig und insgesamt heterogen ein. Der Unterricht wird hinsichtlich der mündlichen Beiträge von Stunde zu Stunde von unterschiedlichen Schülern getragen. Die Unterrichtsatmosphäre und das Klassenklima empfinde ich als sehr angenehm. Die technische Ausstattung im Klassenzimmer bietet einen Overheadprojektor, einen Computer mit Beamer und eine Tafel.

Sachanalyse

Der 1774 erschienene Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“ von Johann Wolfgang von Goethe handelt von Werther, welcher seine Erlebnisse, Gedanken und Gefühle in Briefen an seinen Freund Wilhelm festhält.

Werther flüchtet aus der Stadt und von der bürgerlichen Gesellschaft. Auf dem Land lernt er Lotte kennen, in die er sich sofort verliebt. Obwohl er um ihre Beziehung zu Albert weiß, verstärken sich Werthers Gefühle. Als ihm nach einiger Zeit bewusst wird, wie sehr er an der unerfüllten Liebe leidet, verlässt er das Dorf und nimmt eine Stelle als Gesandter an. Doch auch dort kann er sich nicht selbst verwirklichen, findet keine berufliche Erfüllung. Außerdem kommt es zu einer Demütigung in der Adelsgesellschaft. Er gibt seine Arbeit auf und kehrt wieder zurück zu Lotte, wo sich seine Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung zuspitzt und er am Ende des Romans Selbstmord begeht. Die zahlreichen Anzeichen für Werthers Selbstmord sind vielfältig (Erarbeitungsphase 1: Arbeitsblatt mit ausgewählten Textstellen). Die Unerfüllbarkeit seiner Liebe zu Lotte ist jedoch nicht der einzige Grund für Werthers Scheitern (Erarbeitungsphase 2: Textstelle S. 126f). Auch die Integration in die Gesellschaft gelingt ihm nicht͘ „Immer wieder stößt Werther auf gesellschaftliche Grenzen, die die Entfaltung seiner Persönlichkeit behinderten bzw. unmöglich machen (Erarbeitungsphase 2: Textstelle S. 10). Individualität, Spontanität und Gefühl sieht er stets dem Zwang von außen gesetzter Ansprüche unterworfen, wobei es keine Rolle spielt, mit welcher sozialen Schicht Werther jeweils konfrontiert wird͘“1 Beispiele dafür sind der Ausschluss aus der adligen Abendgesellschaft oder seine Kritik an den Anschauungen, Konventionen und Verhaltensweisen des Adels und des Bürgertums. Auch im Berufsleben fällt es im schwer, sich unterzuordnen, weshalb er seine Stelle am Hof kündigt (Erarbeitungsphase 2: Textstelle S. 121).

„Werther schwebt ein erfülltes Leben vor, das keine in ihm schlummernden Kräfte ungenutzt lässt͘“2 Er muss sich letztendlich zwischen einem Leben entscheiden, welches für ihn als Einschränkung und Beschränkung wahrgenommen wird und dem Tod, der für ihn Freiheit bedeutet. Aufgrund seiner Emotionalität kann er dieser Tat nicht ausweichen. Auch Wilhelm kann ihn davon nicht abhalten.3

Didaktische Analyse

Die Behandlung des Werthers begründet sich aus der Vorgabe des Lehrplans, „wesentliche epochentypische Themen in exemplarischen Werken beschreiben und erklären zu können“4. Laut Deutschfachschaftsbeschluss wird der Werther als exemplarisches Werk des Sturm und Drang lediglich in Auszügen gelesen. Durch die GFS einer Schülerin zum Thema Sturm und Drang, die vor der Unterrichtseinheit bei der Deutschlehrerin gehalten wurde, erhielten die Schüler einen Einblick in die Epoche.

Die heutige Stunde ist die achte und somit drittletzte Stunde der Unterrichtseinheit „Die Leiden des jungen Werther - Johann Wolfgang von Goethe“͘ Das Thema der heutigen Stunde steht gegen Ende der Unterrichtseinheit, da sich der Selbstmord auf den letzten Seiten des Buches ereignet und Vorarbeit in vorherigen Stunden notwendig ist, um die Komplexität des Themas zu begreifen.

Auch im Verlauf des Romans taucht die Selbtmordthematik in der Auseinandersetzung zwischen Werther und Albert auf und verdeutlicht die gegensätzlichen Charaktere der beiden. In der fünften Stunde der Unterrichtseinheit wurden Alberts und Werthers Charaktere durch diese Textstelle verglichen.

Während in den vorherigen Stunden eher isolierte Betrachtungen zu einzelnen Themen stattfanden, wird in dieser Stunde auf die vorausgegangene Stunden zurückgegriffen (Liebe, Gesellschaft, Einstellung Werthers zum Selbstmord) und zur Vertiefung unter dem Selbstmordaspekt zusammengeführt.

Die Gründe für Werthers Suizid scheinen auf den ersten Blick auf die unglückliche bzw. unerfüllte Liebe zur unerreichbaren Lotte zurückzuführen, doch es gibt wie oben beschrieben weitere Motive, die die Schüler in dieser Stunde erkennen sollen.

Das Thema Selbstmord (und Selbstverwirklichung) ist nicht nur im Werther von Bedeutung, sondern hat und wird zu jeder Zeit Gegenwartsbezug haben und ist Teil unserer Lebenswelt. Immer wieder hört man von Suizidfällen, sei es im privaten Bereich oder in den Medien. Bei diesem heiklen Thema muss jedoch auch sensibel und mit einer gewissen Vorsicht und Distanz vorgegangen werden, da es eventuell Schüler gibt, die selbst mit diesem Thema konfrontiert werden/wurden.

Ziele der Unterrichtsstunde

Im Vordergrund der Stunde steht die Förderung der Kompetenzen aus den Arbeitsbereichen Schreiben und Lesen, die miteinander verknüpft sind.

In der ersten Erarbeitungsphase erwerben die Schüler Wissen über Anzeichen von Suizidgefährdeten, indem sie einen nichtliterarischen Text (Flyer) nutzen und dessen Inhalt und ussage auf Textausschnitte des literarischen Textes übertragen („Inhalt und ussage eines Textes erfassen können“, „Wahrnehmungsfähigkeit erweitern, bestimmte Verhaltensweisen kennenlernen und deuten“  Persönlichkeitsbildung). Die Schüler erkennen die Bandbreite von Werthers Selbstmordanzeichen.

Durch das gestaltende Interpretieren in Form eines Briefes von Wilhelm an Werthers Mutter setzen sich die Schüler mit den Motiven von Werthers Selbstmord auseinander („Interpretation und produktiver Umgang mit Texten“, Charakterisierung Werthers unter dem Aspekt des Selbstmordes) und erkennen die Vielschichtigkeit (Scheitern in der Liebe, in der Gesellschaft und im Beruf). Dazu ist es nötig, dass die Schüler das bereits erworbene Wissen zu den Themen unter dem Aspekt des Selbstmordes zusammenführen, was zu einer Vertiefung führt.

Die Schüler beschäftigen sich auf der Grundlage ihrer Ergebnisse mit der Frage, ob sein Selbstmord unausweichlich war. Es soll deutlich werden, dass Werthers Selbstmord aufgrund seines Charakters unvermeidlich ist und von ihm als Stürmer und Dränger als Akt der Befreiung gesehen wird.

Methodische Analyse

Nach der Begrüßung und der Vorstellung des Stundenthemas lesen zwei Schüler zwei Zitate auf Plakaten vor, die gegensätzliche Meinungen zur Unumgänglichkeit von Werthers Selbstmord formulieren (Einstieg). Jeder Schüler entscheidet sich für ein Zitat, indem er einen Klebepunkt auf dem ausgewählten Plakat anbringt. Durch diese Methode, die eine Frage aufwirft und eine Entscheidung/Meinung fordert, werden alle Schüler aktiviert und zum Denken angeregt.

Im Anschluss daran (Erarbeitungsphase 1) erhalten die Schüler einen Flyer der Initiative Tabu Suizid e.V., welcher sich an Jugendliche richtet und durch seine moderne Aufmachung die Schüler ansprechen soll. Auf dem Flyer werden verschiedene Anzeichen einer Suizidgefährdung aufgelistet und anhand von schülerbezogenen Beispielen konkretisiert. Zunächst lesen sich die Schüler den Flyer durch und bearbeiten dann das Arbeitsblatt, auf welchem ausgewählte Textstellen des Werthers aufgeführt sind. Der Flyer wird vor dem Arbeitsblatt gelesen, damit ein gründliches Lesen der Anzeichen sichergestellt ist und somit die Aufgabe auf dem Arbeitsblatt keine Probleme bereitet. Die Bearbeitung der Aufgabe findet in Einzelarbeit statt, und sollte von jedem Schüler eigenständig zu lösen sein. Ein Schülerpaar bearbeitet die Aufgabe auf einer Overheadfolie und präsentiert ihre Ergebnisse vor der Klasse (Ergebnissicherung 1). Gegebenenfalls ergänzen andere Schüler die Resultate.

Die Textstelle zu Werthers Selbstmord an sich (S. 152ff.) wurde in einer vergangenen Stunde gelesen, sodass diese nicht mehr präsentiert werden muss.

In der Erarbeitungsphase 2 verfassen die Schüler einen Brief, in dem Wilhelm Werthers Mutter über den Tod ihres Sohnes und seine Gründe dafür informiert (gestaltendes Interpretieren). Es werden drei Textstellen angegeben, die die Schüler als Anregung nutzen sollen. Ihr bereits vorhandenes Wissen zu Werthers Charakter, Werthers Liebe zu Lotte und dem Verhältnis Werthers zur Gesellschaft soll aktiviert und als Transfer/Weiterführung unter dem Aspekt des Selbstmordes miteinander verknüpft werden, da die Bereiche bislang nur isoliert betrachtet wurden.

Durch diese Aufgabenstellung wird die Interpretationsfähigkeit sowie die kreative Schreibfähigkeit gefördert. Der Arbeitsauftrag wird auf dem Tageslichtprojektor präsentiert. In Partnerarbeit lesen die Schüler arbeitsteilig die Textauszüge, tauschen sich über ihr Textverständnis und Weiterführendes aus und verfassen zusammen einen Brief. Die Arbeitsteilung spart Zeit und fördert die Kommunikation. Außerdem fühlen sich einige Schüler im Gegensatz zur Einzelarbeit sicherer, da sie sich gegenseitig helfen und ergänzen können. Diese Sozialform bietet sich gerade für schwache Schüler an, die bei der Einzelarbeit eventuell Schwierigkeiten hätten.

[...]


1 Könnecke, Rainer: Stundenblätter Goethes „Die Leiden des jungen Werthers“, S͘ 125͘

2 Blessin, Stefan: Goethes Romane - Aufbruch in die Moderne, S. 84.

3 vgl. Blessin, Stefan: Goethes Romane - Aufbruch in die Moderne, S. 109.

4 Bildungsstandards für Deutsch, S. 86.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Die Leiden des jungen Werther: Werthers Selbstmord als Flucht oder Lösung?
Untertitel
Lehrprobe Deutsch, Klasse 10, Gymnasium
Hochschule
Staatliches Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (Gymnasien) in Karlsruhe
Note
1
Autor
Jahr
2014
Seiten
12
Katalognummer
V280957
ISBN (eBook)
9783656746843
ISBN (Buch)
9783656746836
Dateigröße
2445 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
leiden, werther, werthers, selbstmord, flucht, lösung, lehrprobe, deutsch, klasse, gymnasium
Arbeit zitieren
Anna Bregs (Autor:in), 2014, Die Leiden des jungen Werther: Werthers Selbstmord als Flucht oder Lösung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/280957

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Im eBook lesen
Titel: Die Leiden des jungen Werther: Werthers Selbstmord als Flucht oder Lösung?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden