Einleitung
Im folgenden soll die These überprüft werden, dass die frühkindliche Sozialisation in der autoritären Familie, die von der Berkeley-Gruppe (Adorno 1973) als wichtigste Ursache der Herausbildung einer Autoritären Persönlichkeitsstruktur angesehen wurde, in der heutigen Autoritarismusforschung nach wie vor eine entscheidende Rolle spielt. Nach einer heute weitgehend akzeptierten Definition von Altemeyer (1988) kann Autoritarismus im wesentlichen anhand von drei Variablen festgemacht werden: unkritische Unterwerfung gegenüber anerkannten Autoritäten der Eigengruppe, autoritäre Aggression gegenüber Fremdgruppen (z.B. Andersdenkende, Minderheiten) sowie Konventionalismus (Gebundenheit an Normen der Eigengruppe). In den „Studien zum autoritären Charakter“ (Adorno 1973) wurde erstmals der starke Zusammenhang zwischen Autoritarismus und Ethnozentrismus herausgearbeitet. Ethnozentrismus wird in Analogie zum Antisemitismus als eine Ideologie über die Bewertung von Gruppen definiert. Fremdgruppen werden negativ, die Eigengruppe positiv bewertet. Die Theorie der Autoritären Persönlichkeit ist in der Erklärung abwertenden Verhaltens in die individualtheoretischen Erklärungen eingeordnet, die Verhalten vor allem als von Charakterzügen und weniger von strukturellen (z.B. Gruppeneinflüsse, Kontextvariablen wie sozioökonomischer Status) oder situativen Einflüssen bedingt ansehen (vgl. Marefka 1995).
Theodor W. Adorno und Mitarbeiter machten in der ersten umfassenden Studie zum Autoritarismus in den 40er Jahren, die zunächst darauf ausgelegt war, ethnozentrische Einstellungen ursächlich zu erklären, insbesondere die Erziehungsmethoden der deutschen patriarchalischen Familie der zwanziger Jahre (kontrollierend, furchterregend, bestrafend) und deren mangelhafte psychologische Verarbeitung durch das Kind für die Entstehung autoritärer Charakterzüge und Denkmuster verantwortlich. Die in der Sozialisation ausgebildete Einstellungs- und Persönlichkeitsstruktur hielten die Forscher für zeitlich hochresistent und in einer Vielzahl von sozialen Situationen für konstant verhaltensbestimmend. Angeregt von diesen umfangreichen Forschungsarbeit sind bis heute über 2000 Publikationen zum Thema Autoritarismus veröffentlicht worden.
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Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Die Entwicklung der Theorie der „Autoritären Persönlichkeit“ in den 30er Jahren
- 1.1 Die theoretischen Vorarbeiten der frühen Frankfurter Schule
- 1.2 Die ,,Studien zum Autoritären Charakter“ als explorative Studie
- 1.2.1 Anlage der Untersuchungen
- 1.2.2 Einige ausgewählte Ergebnisse
- 2. Christel Hopf et alt.: Die Bedeutung früher Bindungserfahrungen für die rechtsextremistischen Orientierungen junger Männer
- 3. Milton Rockeach: Geschlossenes Denken und Autoritäre Persönlichkeit
- 4. Detlef Oesterreich: „Autoritäre Reaktion“
- 5. Bob Altemeyer: Autoritarismus als Folge des sozialen Lernens
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert den Einfluss der frühkindlichen Sozialisation auf die Entstehung einer autoritären Persönlichkeit. Sie untersucht, ob die These der Berkeley-Gruppe, die die autoritäre Familie als primäre Ursache für die Entwicklung einer autoritären Persönlichkeitsstruktur sieht, auch in der heutigen Autoritarismusforschung relevant ist. Die Arbeit befasst sich dabei mit der Definition von Autoritarismus, den wichtigsten Variablen, die ihn prägen, und den Verbindungen zu Ethnozentrismus. Sie beleuchtet die Bedeutung von Erziehungsstilen, Familienverhältnissen und psychologischen Mechanismen für die Entstehung und Veränderung von autoritären Einstellungen.
- Der Einfluss der frühkindlichen Sozialisation auf die Entwicklung einer autoritären Persönlichkeit.
- Die Rolle der autoritären Familie in der Entstehung autoritärer Persönlichkeitsstrukturen.
- Die Definition von Autoritarismus und seine zentralen Variablen.
- Die Beziehung zwischen Autoritarismus und Ethnozentrismus.
- Die Relevanz von Erziehungsstilen, Familienverhältnissen und psychologischen Mechanismen für die Entstehung und Veränderung von autoritären Einstellungen.
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung stellt die Forschungsfrage und den theoretischen Rahmen der Arbeit dar. Sie definiert Autoritarismus und erklärt die zentralen Variablen, die ihn prägen. Die Einleitung beleuchtet auch die Bedeutung von Ethnozentrismus im Kontext der Autoritarismusforschung.
- Kapitel 1 beleuchtet die Entstehung der Theorie der Autoritären Persönlichkeit in den 1930er Jahren. Es behandelt die theoretischen Vorarbeiten der frühen Frankfurter Schule, insbesondere die "Studien über Autorität und Familie" von Max Horkheimer, Herbert Marcuse und Erich Fromm. Es beschreibt die Rolle der Familie als Schule für autoritäres Verhalten in der kapitalistischen Gesellschaft und die Verbindung von Familienstrukturen zu gesellschaftlichen Machtverhältnissen.
- Kapitel 2 untersucht die Forschungsarbeiten von Christel Hopf et al., die die Bedeutung der familiären Sozialisation für die rechtsextremen Orientierungen junger Männer beleuchten.
- Kapitel 3 stellt die Theorie des Dogmatismus von Milton Rockeach vor, eine Neuinterpretation des Autoritarismus-Konzeptes. Rockeach war ein Schüler der Berkeley-Gruppe.
- Kapitel 4 analysiert die Jugenduntersuchungen von Detlef Oesterreich, die den Stellenwert psychischer Faktoren für politische Einstellungen untersuchen.
- Kapitel 5 beleuchtet die lerntheoretischen Ansätze von Bob Altemeyer, der den rechtsgerichteten Autoritarismus untersucht.
Schlüsselwörter
Autoritäre Persönlichkeit, Sozialisation, Familie, Erziehungsstile, Ethnozentrismus, Dogmatismus, Rechtsextremismus, Autoritarismusforschung, frühe Frankfurter Schule, Berkeley-Gruppe.
- Arbeit zitieren
- Daniel Lois (Autor:in), 2002, Der Sozialisationsfaktor in der Erklärung der Autoritären Persönlichkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28096