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Unscharfe Daten bei risikobehafteten
Unternehmensentscheidungen
Diplomarbeit
zum Abschluß des Diplomstudiums der Betriebswirtschaftslehre
zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra
der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften
Institut für Statistik
Sozial- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
eingereicht von
Frau Mag. Petra Comploj
September 2002
I
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ...I
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis...IV
1 Einleitung... 1
2 Entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre und Unbestimmtheiten... 5
2.1 Systementwurf der entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre ...5
2.2 Unbestimmtheiten in Modellen der entscheidungsorientierten
Betriebswirtschafslehre ...9
2.2.1 Unbestimmtheit aus Mangel an Information...9
2.2.2 Unbestimmtheit aus Mangel an begrifflicher Schärfe ...10
2.2.3 Wahrscheinlichkeits- und Fuzzy-Set-Theorie...11
3 Grundlagen der Fuzzy-Mengen-Theorie ... 13
3.1 Definition von Fuzzy-Mengen (Fuzzy-Sets) ...13
3.2 Die
-Schnitte von Fuzzy-Mengen ...15
3.3 Einige besondere Fuzzy-Mengen und wichtige Darstellungsformen ...16
3.4 Possibilistische Interpretation von Fuzzy-Mengen...19
4 Fuzzy-Mengen zur Beschreibung unscharfer betriebswirtschaftlicher
entscheidungsrelevanter Daten ... 22
4.1 Fuzzy-Daten in der Sozialwissenschaft ...22
4.1.1 Linguistische Variablen ...23
4.1.2 Mehrdimensionale unscharfe Merkmale...28
4.1.3 Fuzzy-Mengen auf sozialwissenschaftlichen Meßskalen ...29
4.2 Unschärfe in ausgewählten Bereichen des Rechnungswesens ...33
4.2.1 Unschärfe bei Bilanzansätzen ...33
4.2.2 Unscharfe Lebens- und Nutzungsdauern ...37
4.2.3 Unscharfe Börsenkurse von Finanzinstrumenten...39
4.2.4 Unscharfe Ertragswerte von Finanzinstrumenten ...43
4.2.5 Unscharfe Interpretation von Bilanzgrößen ...44
4.2.6 Unschärfe in Ausprägung und Interpretation von Bilanzkennzahlen ...49
4.2.7 Fuzzy-Methoden bei der Jahresabschlußprüfung...52
4.2.8 Unschärfe und Unsicherheit bei der Unternehmensbesteuerung ...55
5 Rechenoperationen mit Fuzzy-Mengen ... 66
5.1 Mengenoperationen mit Fuzzy-Mengen; t-Normen - t-Conormen...66
II
5.2 Mehrdimensionale Fuzzy-Mengen, kartesisches Produkt von Fuzzy-Mengen, Fuzzy-
Vektoren...69
5.3 Arithmetik mit Fuzzy-Mengen, das Extensionsprinzip...72
5.3.1 Das Extensionsprinzip und die vier Grundrechnungsarten...72
5.3.2 Arithmetische Operationen mit Hilfe der
-Schnitte...74
5.3.3 Folgen und Reihen von unscharfen Zahlen...77
5.4 Unscharfe Funktionen...79
5.4.1 Fuzzy-Extensionen von Funktionen...79
5.4.2 Fuzzifizierende Funktionen ...80
5.4.3 Unscharfe Funktionenscharen...83
5.4.4 Differentiation und Integration von fuzzifizierenden Funktionen ...84
5.5 Ordnungsrelationen und Rangordnungsverfahren für Fuzzy-Mengen ...88
5.5.1 Unscharfes Maximum und Minimum von unscharfen Zahlen: ...88
5.5.2 Ordnungsrelationen für reelle Fuzzy-Mengen ...89
5.5.3 Rangordnungsverfahren für Fuzzy-Mengen ...91
6 Kombinationen von Unschärfe und Wahrscheinlichkeit ... 93
6.1 Scharfe Wahrscheinlichkeiten von unscharfen Ereignissen ...94
6.2 Unscharfe Wahrscheinlichkeiten von unscharfen Ereignissen...99
6.3 Fuzzy-Wahrscheinlichkeiten ...107
7 Aspekte der Fuzzy-Statistik ... 113
7.1 Fuzzy-Zufallsvariablen und unscharfe deskriptive Statistik...113
7.1.1 Definition von Fuzzy-Zufallsvariablen ...113
7.1.2 Charakteristiken von unscharfen Zufallsvariablen...115
7.1.3 Wahrscheinlichkeitsverteilungen von Fuzzy-Zufallsvariablen...122
7.1.4 Folgen von Fuzzy-Zufallsvariablen ...126
7.2 Klassische Inferenzstatistik mit unscharfen Daten ...129
7.2.1 Nicht-parametrische Schätzung bei Unschärfe ...129
7.2.2 Schätzung unscharfer Verteilungsparameter...133
7.2.3 Unscharfe Konfidenzbereiche...142
7.2.4 Unscharfe statistische Tests mit unscharfen Daten...145
7.2.5 Scharfe statistische Tests für unscharfe Hypothesen ...151
7.3 Das Softwaretool SOLD ...155
8 Unschärfe im betriebswirtschaftlichen Entscheidungsmodell... 157
8.1 Das klassische Modell der normativ-präskriptiven Entscheidungstheorie...157
8.2 Unscharfe Handlungsalternativen...159
8.3 Unscharfe Umweltzustände...161
8.4 Unscharfe Ergebnisfunktion ...163
III
8.5 Unscharfe Ziele und unscharfe Nutzenerwartungen...166
8.6 Unscharfe Zustandswahrscheinlichkeiten ...170
8.7 Entscheidungsregeln bei Unschärfe...178
8.7.1 Fuzzy-Entscheidungsmatrix und Rangordnung der Fuzzy-Aktionen ...180
8.7.2 Fuzzy-statistische Schätzentscheidung und Fuzzy-Maximum...191
8.8 Spezielle unscharfe betriebswirtschaftliche Entscheidungsprobleme ...196
9 Schlußbemerkung ... 199
Literaturverzeichnis ... 203
IV
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abb. 2.1 Forschungsansatz der entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre...5
Abb. 2.2 Schema der Explikation...6
Abb. 2.3 Schema der Explanation...6
Abb. 3.1 Fuzzy-Menge und gewöhnliche Menge...14
Abb. 3.2 Zugehörigkeit der Batterie zur Menge der funktionierenden Batterien...14
Abb. 3.3
-Schnitte von A ...15
Abb. 3.4
-Schnitte von A zu verschiedenen -Niveaus...15
Abb. 3.5 Trapezförmiges Fuzzy-Intervall ...17
Abb. 3.6 Trianguläre Fuzzy-Zahl ...17
Abb. 4.1 Stellung der Daten im Forschungsprozeß...23
Abb. 4.2 Fuzzy-Intervall "reich" ...27
Abb. 4.3 Der Modifikator "sehr"...27
Abb. 4.4 Zugehörigkeitsfunktion des linguistischen Terms "mittleren Einkommens"...28
Abb. 4.5 Skala mit scharfen Intervallen und linguistischen Umschreibungen...31
Abb. 4.6 Individuelle Einstelung und linguistische Terme als Fuzzy-Mengen...31
Abb. 4.7 Individuelle Einstellung als Fuzzy-Menge auf der Skala ...32
Abb. 4.8 Schulnoten als Fuzzy-Mengen auf der Punkteskala ...32
Abb. 4.9 Linguistischer Term im Dienstzeugnis und im allgemeinen Sprachgebrauch ...33
Abb. 4.10 Zugehörigkeitsfunktion des "beizulegenden Wertes" ...35
Abb. 4.11 Spannungsabfall und unscharfe Lebensdauer einer Batterie ...38
Abb. 4.12 Treppenfunktion der Funktionsausfälle von Funktion 1 bis Funktion n ...39
Abb. 4.13 Terminpreise von Commodity und Currency Futures ...40
Abb. 4.14 Balkenchart DAX Frankfurt/Index 06.08.9601.08.97...42
Abb. 4.15 Unscharfe Zahlung ...44
Abb. 4.16 Eigenkapital laut HGB-Bilanz und mögliches Eigenkapital ...46
Abb. 4.17 Eigenkapital lt. IAS-Abschluß, lt. HGB-Abschluß und mögliches Eigenkapital48
Abb. 4.18 Unscharfe Kennzahl aus possibilistischen Bilanzgrößen ...50
Abb. 4.19 Unscharfe Kennzahl und scharfe Abgrenzung der möglichen Zuordnung...50
Abb. 4.20 Scharfe Kennzahl und unscharfe Umschreibungen der möglichen Ausprägung 51
Abb. 4.21 Linguistische Umschreibung aufgrund branchenspezifischer Häufigkeiten ...52
Tab. 4.22 Ausschnitt aus dem Fuzzy-Regelwerk des Fuzzy-Logik-Systems...54
Abb. 4.23 Ablaufschema des Inferenzprozesses mit Hilfe der Fuzzy-Logik ...55
Abb. 4.24 Verrechnungspreis als Fuzzy-Menge ...60
Abb. 4.25 Fuzzy-Menge der billigen und zweckmäßigen Ermessensentscheidungen...61
Abb. 4.26 Zugehörigkeitsfunktionen bei a) Erfüllung, b) starker Ausprägung, c)
annähernder Verwirklichung eines Merkmals ...65
V
Abb. 5.1 a) Durchschnitt und b) Vereinigung von Fuzzy-Mengen, c) Komplement und d)
Teilmenge einer Fuzzy-Menge...68
Abb. 5.2 Zylindrische Extension...69
Abb. 5.3 Zweidimensionale Fuzzy-Vektoren: pyramidenförmig bzw. kegelförmig...70
Abb. 5.4 Rechteckige bzw. ellipsenförmige
-Schnitte...70
Abb. 5.5 Grautonbilder, welche zweidimensionale Fuzzy-Mengen darstellen...71
Abb. 5.6 Fuzzy-Extension einer linearen Funktion mit triagulärem X
~
...79
Abb. 5.7 Fuzzifizierende lineare Funktion
b
x
x
f
= A
~
)
(
~
mit Fuzzy-Parameter A
~
:
Zugehörigkeitsfunktionen ihrer Fuzzy-Bilder bzw. ihre
-Niveaukurven...82
Abb. 5.8 Unscharfe Schar von linearen Funktionen ...83
Abb. 5.9 Fuzzy-Maximum (a)) und Fuzzy-Minimum (b)) von Fuzzy-Zahlen ...89
Abb. 5.10
-Präferenzrelation...89
Abb. 5.11 1-
-Fast-Positivität ...90
Abb. 5.12
-Präferenzrelation ...90
Abb. 6.1 Diskrete Wahrscheinlichkeiten der
-Niveaus...100
Abb. 6.2 Unscharfe Ereigniswahrscheinlichkeit ...101
Abb. 6.3 Spezialfall unscharfer Ereigniswahrscheinlichkeit...101
Abb. 6.4 Intervallwertige Wahrscheinlichkeiten von
-Niveaus...103
Abb. 6.5
-Schnitte der unscharfen Wahrscheinlichkeiten...103
Abb. 6.6 Unscharfe Wahrscheinlichkeit nach Klement ...104
Abb. 6.7 Unscharfe Wahrscheinlichkeit nach Yager (1)...105
Abb. 6.8 Unscharfe Wahrscheinlichkeit nach Yager (2)...105
Abb. 6.9 Subnormale Fuzzy-Wahrscheinlichkeitsverteilung...111
Abb. 7.1 Unscharfe empirische Verteilungsfunktion ...131
Abb. 7.2 a)-e)
-Nivaukurven der unscharfen empirischen Verteilungsfunktion...133
Abb. 7.3 Schätzung der erwarteten unscharfen Ausfallszeit von Batterien ...137
Tab. 7.4
-Niveaus der fuzzifizierenden Dichtefunktion und Dichten der Fuzzy-Schar...140
Abb. 7.5 a)
-Niveaukurven der fuzzifizierenden Dichtefunktion ...141
Abb. 7.5 b) Dichtefunktionen der Fuzzy-Schar...141
Abb. 7.6 Unscharfe Verteilungsfunktion ...141
Abb. 7.7 Unscharfes Konfidenzintervall...145
Abb. 7.8 Scharfer Test für unscharfe Hypothese...155
Abb. 8.1 Ergebnismatrix ...158
Abb. 8.2 Entscheidungsmatrix ...158
Abb. 8.3 Unscharfe Quantile und von ihnen begrenzte Fuzzy-Menge von Intervallen ...172
Abb. 8.4 Ergebnis- bzw. Entscheidungsmatrix des Fuzzy-Entscheidungsproblems...186
Tab. 8.5 Fuzzy-Konsequenzen der Fuzzy-Aktionen bei der den Fuzzy-Zuständen...186
Abb. 8.6 Fuzzy-Ergebniserwartungswerte der Fuzzy-Aktionen ...191
Abb. 8.7 Fuzzy-Ergebniserwartungswert der optimalen Fuzzy-Aktion...195
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
1
Einleitung
1 Einleitung
Ende der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts stellte Edmund Heinen
1
den entschei-
dungsorientierten Ansatz der Betriebswirtschaftslehre vor.
2
Die entscheidungsorientierte
Betriebswirtschaftslehre versucht nun ,,auf der Basis einer deskriptiven Theorie des
menschlichen Entscheidungsverhaltens, den Ablauf von Entscheidungsprozessen in
Unternehmungen zu erklären und Verhaltensempfehlungen für die Entscheidungsträger zu
geben"
3
. Das Wissenschaftsziel einer entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre ist
in der Erfüllung ihrer theoretischen Erklärungs- und praktischen Gestaltungsaufgabe zu
sehen.
4
Die Erklärungsaufgabe oder diagnostische Aufgabe ist der Gestaltungsaufgabe
vorgelagert und besteht darin, Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zwischen bestimmten
Bedingungen (Antezedenzbedingungen) und Wirkungen (Konsequenzen) durch generelle
Gesetzeshypothesen zu erklären. Diese Form der Erklärung heißt auch Explanation.
Die Gestaltungsaufgabe der Betriebswirtschaftslehre besteht darin, ,,den Menschen
in Betriebswirtschaften bei der Lösung ihrer ökonomischen Probleme unmittelbare
Hilfestellung zu geben"
5
. Unter Berücksichtigung der Ziele der Unternehmung sollen auf
Erklärungsmodellen, welche die Konsequenzen bestimmter alternativer Entscheidungen
beschreiben, basierende Entscheidungsmodelle entworfen werden, welche im Hinblick auf
die Zielvorstellungen zu optimalen Lösungen führen sollen.
Der Erklärungs- und Gestaltungsaufgabe vorgelagert sind explikative Probleme, die
sich damit beschäftigen, vage Ausdrücke aus der Umgangssprache für die wissenschaft-
liche Verwendung zu präzisieren.
6
In den klassischen (mathematisch orientierten) Modellen der entscheidungs-
orientierten Betriebswirtschaftslehre wird die angesprochene Vagheit bzw. Unschärfe im
allgemeinen gleich einem Schönheitsfehler weggelassen. Dies ist durchaus legitim, denn
ein Modell kann und soll niemals die Realität in ihrer Gesamtheit erfassen, ansonsten ist
das Modell sinnlos. In der Modelltheorie wird ein Problem so vereinfacht, daß es mit
vertretbarem Aufwand einfach zu lösen ist. In Modellen wird Komplexität reduziert: von
1
Vgl. Heinen (1971), S.
429 f., Heinen (1969), S. 208.
2
Vgl. Comploj (1996), S.
3 ff.
3
Heinen (1971), S.
430.
4
Vgl. Heinen (1969), S.
210 f.; Heinen (1982), S. 26 ff.; Heinen (1991), S. 4 ff.
5
Heinen (1991), S.
6.
6
In seinem ursprünglichen Wissenschaftsprogramm (vgl. Heinen (1969), S.
210 f.) subsumiert Heinen
explikative und explanatorische Fragestellungen unter die Erklärungsaufgabe, In späteren Schriften, sei es
von Heinen selbst (etwa Heinen (1982), S.
26 ff.; Heinen (1991), S. 4 f.) oder von anderen Autoren, die
den entscheidungsorientierten Ansatz aufgreifen, (etwa Hopfenbeck (1993), S.
49 f.) wird die explikative
Aufgabe nicht mehr der Erklärungsaufgabe der Betriebswirtschaftslehre zugeordnet. Die Erklärungs-
aufgabe umfaßt nur noch explanatorische Fragestellungen.
(Vgl. Comploj (1996), S.
4 f.)
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
2
Einleitung
allem, was vorerst nicht relevant ist, wird abstrahiert, um die relevanten Aspekte besser
analysieren zu können.
7
Dennoch kann diese Vernachlässigung von Unschärfe durchaus zu
ungenauen und unvollständigen Ergebnissen führen. ,,Vage Fakten", die sich aufgrund von
Unschärfe nur schwer fixieren lassen, können für die Lösung von Entscheidungsproblemen
aber oft von Bedeutung sein und dürfen daher im Modell nicht einfach weggelassen
werden.
8
Daher ist es wichtig, ein Modell bereitzustellen, welches die Modellannahme der
Exaktheit der Daten fallen läßt und das Verhalten der Modellvariablen unter der Prämisse
der Unschärfe untersucht.
Ein erster Schritt zu einer Distanzierung von der idealisierenden Sichtweise exakter
Daten ist die Intervallmodellierung. Geringfügige Abweichungen vom exakten Wert sind
hier zugelassen, d.h. anstatt eines exakten Wertes a wird ein Intervall [a +
, a -
]
angegeben. An diesem Modell läßt sich jedoch kritisieren, daß jeder Wert innerhalb der
scharfen Intervallgrenzen denselben Akzeptanzgrad besitzt. Wenn man schon von der
Prämisse der Exaktheit der Modelldaten abgeht, so sollte ein umfassenderes Modell zur
Erfassung von Unschärfe bereitgesellt werden.
Ein nächster Schritt zur Modellierung von Abweichungen von der Exaktheit erfolgt
durch einen Ansatz mittels stochastischer Variation. Die Variable, welche einen festen
Wert annimmt, wird ersetzt durch eine Zufallsvariable, welche auf der gegebenen Skala
eine bestimmte Wahrscheinlichkeitsverteilung besitzt und jeden Wert - mit einer
bestimmten Wahrscheinlichkeit - annehmen kann. Diese Modellierung stößt jedoch auf
Probleme: Einerseits lassen sich einige Erscheinungsformen von Unschärfe nicht mittels
statistischer Variation erklären,
9
andererseits sind Wahrscheinlichkeiten in betriebswirt-
schaftlichen Entscheidungsmodellen bereits für eine andere Kategorie von Unbestimmtheit
reserviert.
10
Ein alternatives Konzept erscheint somit wünschenswert.
Mitte der 60er Jahre entwickelte L.A. Zadeh
11
das Konzept der unscharfen Mengen
oder Fuzzy-Mengen. Der Unterschied zwischen einer Fuzzy-Menge à und einer gewöhn-
lichen Menge A besteht darin, daß zwischen einem Element x und einer gewöhnlichen
Menge A im Sinne der klassischen Cantor'schen Mengenlehre nur die Beziehungen x
A
und x
A erlaubt sind, während bei einer Fuzzy-Menge à eine graduelle Zugehörigkeit
möglich ist. Diese graduelle Zugehörigkeit wird mittels einer Zugehörigkeitsfunktion
A
( )
x mit Funktionswerten in [0,1] beschrieben.
Zugehörigkeitsfunktionen im eigentlichen Sinn beschreiben den Grad der Erfüllung
einer Eigenschaft, d.h.
A
( )
x
gibt den Grad an, zu dem x die Eigenschaft à erfüllt
(
A
( )
x
= 0 bedeutet absolute Nichterfüllung,
A
( )
x
= 1 bedeutet vollständige Erfüllung).
7
Schredelseker (2002), S.
19 gibt als Beispiel für ein Modell, in welchem von vielen realen Gegebenheiten
abstrahiert wird, die Landkarte an, eine 1:1-Karte wäre nutzlos. Ähnlich: Heinen(1991), S.
6.
8
Vgl. Schneeweiß (1991), S.
40.
9
Vgl. Viertl (1989), S.
679, Viertl (1992), S. 121.
10
Ausführlich: siehe Abschnitt 2.2, S.
9 ff.
11
Vgl. Zadeh (1965), S.
339.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
3
Einleitung
Verfechter des probabilistischen Ansatzes wollen hier eine wahrscheinlichkeitstheoretische
Interpretation: der Grad der Erfüllung der Eigenschaft entspreche gerade der
Wahrscheinlichkeit, daß die Eigenschaft erfüllt sei. Diesen Verfechtern sei die folgende
alternative Interpretation der Zugehörigkeitsgrade im Sinne der Possibilitätstheorie
(Möglichkeitstheorie) angeboten:
12
A
( )
x gibt dann Auskunft über die Möglichkeit für den
Ausgang eines Experiments, d.h. bei gegebenem à ist es mit dem Grad
A
( )
x möglich,
daß x als Ausgang des Experiments auftritt (
A
( )
x
= 0 bedeutet absolute Unmöglichkeit,
A
( )
x
= 1 bedeutet uneingeschränkte Möglichkeit). Möglichkeit bedeutet somit eine
weniger strikte Form der Wahrscheinlichkeit: was wahrscheinlich ist, ist auch möglich, was
unmöglich ist, ist auch unwahrscheinlich (Umkehrungen gelten im allgemeinen nicht).
13
Formal wird diese Interpretation mit Hilfe von Fuzzy-Maßen
14
umschrieben. Ein
Wahrscheinlichkeitsmaß ist ebenso wie ein Möglichkeitsmaß (Possibilitätsmaß) ein
spezielles Fuzzy-Maß, welche sich durch spezifische, von einander abweichende Eigen-
schaften unterscheiden. Der Wahrscheinlichkeitsverteilung entspricht in der Possibilitäts-
theorie die Möglichkeitsverteilung (Possibilitätsverteilung), die Möglichkeitsdichte (Possi-
bilitätsdichte), welche die Möglichkeitsverteilung charakterisiert, weist die gleichen Eigen-
schaften wie die Zugehörigkeitsfunktion einer Fuzzy-Menge auf, daher können die beiden
miteinander identifiziert werden.
All denjenigen, die ins Treffen führen, daß jede Problemlösung, die mit Fuzzy-
Modellen erzeugt wird, ebenso mit stochastischen Modellen möglich ist, sei gesagt, daß die
strikte Axiomatik der Wahrscheinlichkeitstheorie zu wesentlich komplizierteren Modellen
und somit zu wesentlich komplizierteren Lösungen kommt. Die Implementierung von
komplizierteren Lösungen ist langwieriger und kostspieliger. Daher sind aus betriebs-
wirtschaftlicher Sicht Lösungen mit Fuzzy-Methoden im allgemeinen zu präferieren.
15
Aus
modelltheoretischer Sicht kann gesagt werden, daß ein Modell im Hinblick auf seine
Brauchbarkeit zu beurteilen ist, ob ein vorhandenes Problem damit beschrieben werden
kann, und ob es zu einer sinnvollen Lösung führt.
Zadeh´s Konzept fand zunächst bei Mathematikern und Technikern in Europa und
in den U.S.A. nur wenig Anklang. Wäre Zadeh damals nicht Mitglied des Herausgeber-
komitees der Zeitschrift ,,Information and Control" gewesen, so wäre der Artikel im Jahr
1965 gar nicht erschienen.
16
In den folgenden Jahren und Jahrzehnten beschäftigten sich
zwar zahlreiche Forscher mit Fuzzy-Mengen und entwickelten Fuzzifikationen von einigen
Theorien aus der Mathematik, doch man zweifelte allgemein an der Anwendbarkeit der
Theorie der Fuzzy-Mengen in Bereichen wie künstliche Intelligenz oder Regelungstechnik.
12
Vgl. auch Dubois/Prade (1992), S.
136, Hauke (1998), S. 72.
13
Vgl. Rommelfanger (1994), S.
55, Hauke (1998), S. 72.
14
Vgl. Abschnitt 3.4, S.
19 ff. in dieser Arbeit, ausführlich dazu etwa: Comploj (1994), S. 74 ff
15
Vgl. Nauck/Kruse (1997), S.
13, Hauke (1998), S. 73 f.
16
Vgl. Hauke (1998), S.
17.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
4
Einleitung
Erste Meldungen über erfolgreiche Anwendung von Fuzzy-Techniken kamen um 1990 aus
Japan, so wurde ,,fuzzy" in Japan 1990 zum Wort des Jahres gewählt.
17
Trotz der anfäng-
lichen Skepsis hat sich seit Mitte der 60er Jahre eine umfassenden Theorie entwickelt.
Auch meine Diplomarbeit aus Mathematik
18
beschäftigt sich mit Fuzzy-Mengen.
Insbesondere wurden verschiedene mathematische Ansätze zur Modellierung von Fuzzy-
Mengen untersucht. Exemplarisch für die Erweiterung von Disziplinen der Mathematik auf
Fuzzy-Mengen wurden einige Verfahren der Fuzzy-Statistik vorgestellt.
Die vorliegende Arbeit greift meine frührere Diplomarbeit auf und versucht, die
vorgestellten mathematischen Modelle zur Erfassung von Unschärfe auf die Beschreibung
von Unschärfen bei betriebswirtschaftlich entscheidungsrelevanten Größen anzuwenden.
Insbesondere wird dabei auf zweierlei Problemkreise eingegangen: Einerseits werden die
häufig linguistisch umschriebenen ,,weichen" Begriffe der Sozialwissenschaft besprochen,
welche zwar eine Nachbarwissenschaft der Betriebswirtschaftslehre darstellt, aber in Ent-
scheidungen über das Verhalten von Entscheidungsträgern wie auch von Betroffenen (etwa
von Kunden bei Absatzentscheidungen) einfließt. Andererseits wird auf Unschärfen im
betrieblichen Rechnungswesen eingegangen, welche einerseits auf unscharfe Vorschriften
des Handelsrechts zurückzuführen sind, und andererseits auf die Problematik der
Abbildung von komplexen Sachverhalten durch eine einzige exakte Zahl; auch unscharfe
steuerrechtliche Bestimmungen finden Würdigung. Diese so gewonnenen entscheidungs-
relevanten unscharfen Daten werden im Entscheidungsmodell zur Generierung unscharfer
Entscheidungen herangezogen. Besondere Beachtung finden Verfahren der Fuzzy-Statistik,
welche einerseits zur Gewinnung unscharfer Information für Modellierung unscharfer
Wahrscheinlichkeiten im Entscheidungsmodell unter Risiko herangezogen werden, und
anderseits selbst Lösungsalgorithmen für risikobehaftete unscharfe betriebswirtschaftliche
Entscheidungsprobleme bereitstellen.
Mein besonderer Dank gilt Univ.-Prof. Dr. Gilg Seeber am Institut für Statistik an
der Universität Innsbruck, wo ich im Jahre 1992 mein Akademikertraining absolvierte, der
mir nun die Möglichkeit gab, mich dem Thema der Fuzzy-Daten, das mich seit einigen
Jahren begeistert, erneut zu widmen, und diese Arbeit darüber zu verfassen.
Mein fortgesetzter Dank gilt Univ.-Doz. Dr. Norbert Netzer, damals am Institut für
Mathematik an der Universität Innsbruck, derzeit an der Fachhochschule für Umwelt- und
Verfahrenstechnik in Innsbruck, meinem Betreuer bei meiner Mathematik-Diplomarbeit
von 1994. Ferner gilt mein Dank Univ.-Prof. Dr. Reinhard Viertl vom Institut für Statistik
und Wahrscheinlichkeitsrechnung an der Technischen Universität Wien, der in einem
Gastseminar über "Statistische Analyse mit unscharfen Daten" mein Interesse für
Unschärfen weckte.
17
Vgl. Nauck/Kruse (1997), S.
3.
18
Comploj (1994).
Fuzzy-Modelle
5
Entscheidungsansatz
2 Entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre und
Unbestimmtheiten
In diesem Kapitel sollen, ausgehend vom Grundmodell der entscheidungs-
orientierten Betriebswirtschaftslehre, Unbestimmtheitsprobleme aufgezeigt werden, die
sich mittels der klassischen Entscheidungstheorie nicht lösen lassen, für welche ein
alternativer Lösungsansatz erforderlich ist. Besonderes Augenmerk wird auf die
Unterschiede zwischen den verschiedene Unbestimmtheitskategorien gelegt.
2.1 Systementwurf der entscheidungsorientierten Betriebswirt-
schaftslehre
Die folgende Abbildung, die bei Heinen und auch anderen Autoren, die sich mit
dem entscheidungsorientierten Ansatz beschäftigen,
1
zu finden ist, verdeutlicht den
Forschungsansatz der entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre.
Erforschung
betriebswirt-
schaftlicher
Ziele
(1)
Systematisierung
betriebswirt-
schaftlicher
Entscheidungs-
tatbestände
(2)
Betriebswirt-
schaftliche
Erklärungs-
modelle
(3)
Betriebswirt-
schaftliche
Entscheidungs-
modelle
(4)
Bewertung von Alternativen
Grundmodelle:
Betriebswirtschaftlich relevante
Systeme
(5)
supradisziplinäre
Konzepte
(6)
Nachbar-
wissenschaften
(7)
Abb. 2.1 Forschungsansatz der entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre
Das obere breitere Rechteck kennzeichnet die Elemente des Aktivitätsbereichs der
Betriebswirtschaftslehre, das untere kleinere Rechteck deutet die interdisziplinäre
1
Etwa Heinen (1991), S.
13, Hopfenbeck (1993), S. 48, Comploj (1996), S. 7.
Fuzzy-Modelle
6
Entscheidungsansatz
Verflechtung der Betriebswirtschaftslehre mit ihren Nachbardisziplinen an. Die
Überschneidung deutet die Integration der Erkenntnisse aus anderen Wissenschaften in der
Betriebswirtschaftslehre an. Die Kästchen (1) und (2) beinhalten explikative Aufgaben-
stellungen und (3) betrifft explanatorische Fragestellungen. Kästchen (4) beschreibt die
Gestaltungsaufgabe der Betriebswirtschaftslehre.
Bei der Explikation wird ein unpräziserAusdruck, das Explikandum, durch einen
exakten wissenschaftlichen Ausdruck, das Explikans, ersetzt.
2
vager Ausdruck
Explikandum
exakter Ausdruck
Explikans
Abb. 2.2 Schema der Explikation
Bei der Explanation sollen generelle Gesetzeshypothesen Ursache-Wirkungs-
Zusammenhänge zwischen bestimmten Bedingungen, sog. Antezedenzbedingungen, und
Wirkungen oder Konsequenzen erklären. Das zu erklärende Phänomen wird als Expla-
nandum bezeichnet, Antezedenzbedingungen und Gesetzmäßigkeiten bilden zusammen das
Explanans. Explanation ist somit logische Ableitung des Explanandums aus dem
Explanans.
3
Antezedenzbedingungen
Gesetzmäßigkeiten
Wirkungen, Konsequenzen
Explanans
Explanandum
Abb. 2.3 Schema der Explanation
Kästchen (1) führt uns direkt zu einem der beiden wesentlichen Bestandteile eines
wohlstrukturierten
4
Entscheidungsproblems im Sinn der präskriptiven Entscheidungs-
theorie,
5
dem Zielsystem. Zur Festlegung der zweiten Komponente, des Entscheidungs-
feldes, sind explikative und explanatorische Fragestellungen zu beantworten (Kästchen (2)
und (3)).
Ein Ziel ist ,,eine erwünschte zu erreichende Situation"
6
bzw. ,,ein angestrebter
zukünftiger Zustand"
7
. In den Unternehmungen werden im allgemeinen mehrere Ziele
2
Vgl. Heinen (1969), S.
210.
Nahe an der Explikation liegt die Definition, die in der beschreibenden Aufzählung der Elemente des
Vorstellungsinhaltes eines Ausdrucks besteht (vgl. Abschnitt 4.1.1, S. 24 f.).
3
Vgl. Heinen (1969), S.
211.
4
Bei schlechtstrukturierten Entscheidungsproblemen fehlt ein wesentlicher Bestandteil eines wohlstruktu-
rierten Entscheidungsproblems, d.h. entweder eine Komponente des Zielsystems oder des Entscheidungs-
feldes (vgl. Heinen (1991), S.
25 f., Comploj (1996), S. 18).
5
Vgl. Heinen (1991), S.
26 ff., Bamberg (1993), S. 886 ff., Hanssmann (1993), S. 896 ff., Von Zwehl
(1993), S.
921 f., Rommelfanger (1994), S. 1 f., Comploj (1996), S. 19 f.
6
Schmidt (1993), S.
4794.
Fuzzy-Modelle
7
Entscheidungsansatz
gleichzeitig verfolgt, sodaß man als Ergebnis komplexe Zielsysteme erhält, zwischen deren
Einzelzielen vielfältige Zielbeziehungen bestehen.
8
Die Beziehungen zwischen den Zielen
lassen sich grundsätzlich in drei Klassen einteilen: Grad der Konfliktbehaftetheit,
Wichtigkeit und Zielhierarchie.
9
Eine besondere Rolle bei der Definition von Zielsystemen
spielen ,,die Präferenzrelationen des Entscheidungsträgers bezüglich der Ausprägungen
jedes einzelnen Zieles und im Vergleich zwischen den Zielen"
10
, letztere sind insbesondere
bei konfliktärer Zielbeziehung wesentlich.
Das Entscheidungsfeld eines wohlstrukturierten Entscheidungsproblems umfaßt den
Alternativenraum, d.h. die Menge der dem Entscheidungsträger zur Verfügung stehenden
Aktionen (Alternativen, Handlungsweisen, Entscheidungsvariablen, Strategien), den
Zustandsraum, d.h. die Menge aller relevanten Umweltzustände, den Konsequenzenraum,
d.h. die Menge der möglichen Ergebnisse der Aktionen bei unterschiedlichen Umwelt-
zuständen, und eine Ergebnisfunktion, die jeder Kombination aus einer Handlungsalter-
native und einem Umweltzustand eine Konsequenz zuordnet.
11
Als weitere Komponente
eines Entscheidungsfeldes wird in der Literatur
12
bisweilen ein Informationssystem über
die Möglichkeiten, Auswirkungen und Kosten zusätzlicher Informationen angesehen.
Zur Formulierung der Parameter des Entscheidungsfeldes ist die gedankliche
Systematisierung des komplexen Objektbereiches und dessen analytische Zergliederung in
einzelne Elemente erforderlich.
13
,,Die Menge der Entscheidungsprobleme und das
Alternativenpotential zu ihrer Lösung werden durch die Menge der zu fixierenden
Aktionsparameter abgesteckt."
14
Die Entscheidungstatbestände (Aktionsparameter) werden
eingeteilt etwa nach funktionalen Gesichtspunkten (z.B. Beschaffungs-, Produktions-,
Absatz- und Finanzbereich)
15
oder nach entwicklungsbezogenen Aspekten (z.B.
Gründungs-, Umsatz- und Liquidationsphase)
16
. Eine weitere Unterscheidungsmöglichkeit
ist die in strategische, taktische und operative Entscheidungstatbestände.
17
Diese
Systematisierung (Kästchen (2)) stellt den Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen dar.
Um die verschiedenen Entscheidungsalternativen bewerten zu können, müssen
Erklärungsmodelle (Kästchen (3)) zweierlei leisten: Einerseits müssen Informationen über
die möglichen Konsequenzen gewonnen werden, d.h. es muß die Ergebnisfunktion, die die
gesetzmäßigen Zusammenhänge zwischen den als Entscheidungstatbestände formulierten
7
Heinen (1991), S.
13.
8
Vgl. Heinen (1982), S.
93 ff., Heinen (1991), S. 14 ff.
9
Vgl. Heinen (1982), S.
101 ff.
10
Rommelfanger (1994), S.
2.
11
Vgl. Heinen (1991), S.
26 f., Hauke (1998), S. 8, Schredelseker (2002), S. 198 ff., Comploj (1996), S. 19.
12
Etwa Rommelfanger (1994), S.
2.
13
Vgl. Heinen (1982), S.
123 ff., Heinen (1991), S. 21, Hopfenbeck (1993), S. 50.
14
Heinen (1971), S.
431.
15
Vgl. Heinen (1982), S.
130 ff.
16
Vgl. Heinen (1982), S.
144 ff.
17
Vgl. Hammer (1991), S.
49 ff.
Fuzzy-Modelle
8
Entscheidungsansatz
betrieblichen Sachverhalten angibt, bestimmt werden. Damit ist das Entscheidungsfeld
vollständig beschrieben.
Andererseits muß die Verbindung zum in Kästchen (1) beschriebenen Zielsystem
der Unternehmung hergestellt werden, d.h. die Folgen verschiedener Entscheidungs-
alternativen
müssen
im
Hinblick
auf
die Erreichung von
Unternehmenszielen
prognostiziert werden.
18
Dies geschieht mit Hilfe von (Teil-)Nutzenfunktionen, die den
Ergebnissen einen Nutzenwert im Hinblick auf das Zielsystem zuweisen und zu einer
Gesamtnutzenfunktion zu aggregiert werden müssen.
19
Im
Entscheidungsmodell
(Kästchen
(4))
werden
schließlich
Algorithmen
vorgeschlagen, welche über die Beschreibung der Konsequenzen von Entscheidungsalter-
nativen in Bezug auf die Ziele der Unternehmung hinaus eine unmittelbare Ableitung der
jeweils günstigsten Alternative ermöglichen.
20
Als Grundmodelle betriebswirtschaftlich relevanter Systeme (Kästchen (5)) bzw.
,,Grundmodelle, welche die Verhaltensweisen von Entscheidungsträgern beschreiben"
21
,
werden im Ansatz von Heinen
22
die folgenden hervorgehoben: Individuum (Mensch),
Gruppe, Organisation und Gesellschaft. Zur Beschreibung, Erklärung und Prognose des
Entscheidungsverhaltens von Entscheidungsträgern
23
greift die Betriebswirtschaftslehre des
entscheidungsorientierten Ansatzes auf Nachbardisziplinen (Kästchen (7)) zurück. Solche
Nachbardisziplinen sind etwa allgemeine ökonomische Theorie, Anthropologie, Individual-
psychologie, Sozialpsychologie, Soziologie, Politologie, Informatik, Rechtswissenschaft,
Ingenieurwissenschaft und andere. Doch nicht nur über das Verhalten der Entscheidungs-
träger
fließen
Erkenntnisse
aus
Nachbardisziplinen
in
betriebswirtschaftliche
Entscheidungen ein, die Verhaltensweisen von Individuen, Gruppen Organisationen und
Gesellschaften stellen ebenso relevante Umweltzustände der Unternehmung bzw.
Handlungsalternativen oder Bestandteile der Informationsbasis dar, sie fließen somit direkt
in das Entscheidungsfeld ein.
Neben Erkenntnissen aus Nachbardisziplinen leisten Erkenntnisse aus interdiszipli-
nären Wissenschaften (Kästchen (6)) der entscheidungsorientierten Betriebswirtschafts-
lehre Hilfestellung bei der Lösung ihrer Aufgabenstellung. Solche fachübergreifenden
Wissenschaften sind insbesondere Systemtheorie, Planungstheorie, Organisationstheorie
und Entscheidungstheorie. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Zuordnung der
18
Vgl. Heinen (1982), S.
155 ff.
19
Vgl. Rommelfanger (1994), S.
2.
20
Siehe Abschnitt 8.1, S.
157 ff.
21
Hopfenbeck (1993), S.
51.
22
Vgl. Heinen (1971), S.
432f.
23
Mit dem Entscheidungsverhalten von Entscheidungsträgern beschäftigt sich die empirisch-deskriptive
Entscheidungstheorie (vgl. etwa Heinen (1991), S.
35 ff., Hopfenbeck (1993), S. 44 ff., Comploj (1996),
S.
23 ff.), welche mit der normativ-präskriptiven eng verknüpft ist, da sich die beiden Teilbereiche
wechselseitig die Erkenntnisse des jeweils anderen Teilbereichs zunutze machen (vgl. etwa Schredelseker
(2002), S.
175 f.).
Fuzzy-Modelle
9
Entscheidungsansatz
Mathematik: Während sie meist
24
zu den Nachbardisziplinen der Betriebswirtschaftslehre
gezählt wird, wird sie selten
25
auch zu den fachübergreifenden Disziplinen gezählt und
sohin gemeinsam mit Systemtheorie, Planungswissenschaften und Organisationsforschung
erwähnt. ,,Diese Zuordnung ist bemerkenswert, da die Mathematik als Hilfs- und
Anwendungswissenschaft tatsächlich zu den fachübergreifenden Disziplinen zählt. Auch
andere
der
hier
als
Nachbarwissenschaften
bezeichneten
Wissenschaften,
etwa
ökonomische Theorie, Informatik, Ingenieurwissenschaften, eventuell auch Soziologie,
machen sich ebenso wie die Betriebswirtschaftslehre die Erkenntnisse aus der Mathematik
zunutze. Da ähnliches etwa für die Modelle der Systemtheorie gilt, ist es tatsächlich nicht
abwegig, Mathematik als fachübergreifende Wissenschaft zu qualifizieren."
26
Dieses
Konzept soll auch hier verfolgt werden, da dieselben mathematischen Modelle dazu
verwendet werden, sowohl Unschärfen
27
im Rechnungswesen, also in einer Disziplin der
Betriebswirtschaftslehre, als auch Unschärfen in der Sozialwissenschaft, also in einer
Nachbarwissenschaft, zu erfassen.
2.2 Unbestimmtheiten in Modellen der entscheidungsorientierten
Betriebswirtschafslehre
Beim Systementwurf in Abschnitt 2.1 wurde bisher jede Art von Unbestimmtheit
ausgeklammert. Die Systematisierung von entscheidungsrelevanten Unbestimmtheiten
stellt den Gegenstand dieses Abschnitts dar.
Die folgende Einteilung für allgemeine Unbestimmtheit stammt aus der Planungs-
und Entscheidungstheorie
28
und unterscheidet zwei Kategorien von Unbestimmtheit,
welche auf zwei Formen von Unkenntnis zurückzuführen sind. Dabei liegt die Ursache für
erstere in einem Mangel an Information, für zweitere in einem Mangel an begrifflicher
Schärfe.
2.2.1 Unbestimmtheit aus Mangel an Information
Bereits die klassische Entscheidungstheorie klassifiziert Entscheidungen hinsicht-
lich des Informationsgrades,
29
es wird unterschieden werden zwischen Entscheidung unter
Sicherheit und Entscheidung unter Unsicherheit.
24
Vgl. etwa Heinen (1969), S.
212 f., Heinen (1971), S. 431, Heinen (1991), S. 12 f., Hopfenbeck (1993),
S.
49.
25
Vgl. Heinen (1991), S.
22.
26
Comploj (1996), S.
15.
27
Siehe Abschnitt 2.2.2, S.
10 f.
28
Vgl. etwa Schneeweiß (1991), S.
34 ff., Hauke (1998), S. 9 ff.
29
Vgl. etwa Heinen (1991), S.
29 ff., Schneeweiß (1991), S. 35 f., Comploj 96, S. 20 f.
Fuzzy-Modelle
10
Entscheidungsansatz
Sicherheit bedeutet, daß der eintretende Umweltzustand bekannt ist, d.h. daß
vollkommene Information über den eintretenden Umweltzustand herrscht. Daten, über die
Sicherheit herrscht, werden auch als deterministisch bezeichnet.
Von Unsicherheit spricht man, wenn keine vollkommene Information über den
eintretenden Umweltzustand herrscht und eine Zufallskomponente am Eintreten beteiligt
ist. Unsicherheit beinhaltet die Unterkategorien Risiko und Ungewißheit.
30
Sind zumindest
Eintrittswahrscheinlichkeiten für die einzelnen Umweltzustände bekannt, so spricht man
von Entscheidung unter Risiko, Daten über, die Wahrscheinlichkeiten vorliegen, heißen
auch Zufallsdaten oder stochastische Daten. Herrscht dagegen völlige Informationslosigkeit
über den eintretenden Umweltzustand, so spricht man von Entscheidung unter Ungewiß-
heit oder Entscheidung unter Unsicherheit im eigentlichen Sinn.
2.2.2 Unbestimmtheit aus Mangel an begrifflicher Schärfe
Erst in jüngerer Zeit befaßt man sich auch mit dieser Form der Unbestimmtheit, die
auch als Unschärfe oder Fuzziness bezeichnet wird.
31
Es handelt sich hierbei um Formen
der Unbestimmtheit, die nicht mittels statistischer Variation erklärbar sind.
32
Hier kann
unterschieden werden zwischen intrinsischer, informationaler und relationaler Unschärfe.
33
Intrinsische Unschärfe ist Ausdruck der Unschärfe menschlichen Empfindens,
34
die
sich oft in unscharfen linguistischen Ausdrücken äußert. Dies sind sprachliche Begriffe,
mit denen Vorgänge oder Zustände in der Umwelt häufig anstatt mit Maßzahlen
umschrieben werden, so kann ein Auto "schnell", ein Badesee "warm", eine Person "alt"
oder eine Dividende "hoch" sein. Die Begriffe "schnell", "warm", "alt", "hoch" sind dabei
keine exakten Angaben über Geschwindigkeit, Temperatur, Alter, Rendite, etc. und auch
keine Zufallsvariablen, welche mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit einen exakten
Wert annehmen, sondern es sind vage Charakterisierungen der Größen. Hinzuzufügen wäre
hier die Unschärfe von Lebensdauern, die ebenfalls intrinsische Unschärfe darstellt.
35
So ist
die Lebensdauer einer Batterie eine Größe, die eindeutig unscharf ist, da der Spannungs-
abfall ein kontinuierlicher und kein punktueller ist. Sie ist zwar auch eine Zufallsvariable
Bei Schneeweiß (1991), S.
87 f. sind die Eintrittswahrscheinlichkeiten der Umweltzustände aus dem Zu-
standsraum ein weiterer konstitutiver Bestandteil des in Abschnitt 2.1, S.
7 f. vorgestellten Entscheidungs-
feldes.
30
Heinen (1991), S.
29 f. unterscheidet zwischen Entscheidung unter Risiko (Wahrscheinlichkeiten sind
bekannt) und Entscheidung unter Unsicherheit (Wahrscheinlichkeiten sind nicht bekannt). Hier folge ich
jedoch der Einteilung, die sich u.a. bei Schneeweiß (1991), S.
35 f., Von Zwehl (1993), S. 921 f., Hauke
(1998), S.
9 f. findet, bei der zwischen Sicherheit und Unsicherheit unterschieden wird, und Unsicherheit
in Risiko und Ungewißheit weiter unterteilt wird.
31
Vgl. Schneeweiß (1991), S.
37 f., Hauke (1998), S. 9 f.
32
Vgl. Viertl (1989), S.
679, Viertl (1992), S. 121.
33
Rommelfanger (1994), S.
4.
34
Vgl. Abschnitt 4.1.1, S.
23 ff.
35
Vgl. Abschnitt 4.2.2, S.
37 ff.
Fuzzy-Modelle
11
Entscheidungsansatz
im Sinne der Zuverlässigkeitstheorie, wie jede Lebensdauer. Nicht auf statistischer
Variation, sondern auf ihrer technischen Beschaffenheit beruht hingegen ihr langsamer
kontinuierlicher Spannungsabfall; ob ein Gerät, welches eine bestimmte Mindestspannung
für seine Funktionsfähigkeit benötigt, mit einer Batterie, welche eine bestimmte Spannung
aufweist, noch betrieben werden kann, ist keine stochastische, sondern eine deterministi-
sche Fragestellung.
Informationale Unschärfe beruht auf der Schwierigkeit der praktischen Handhabung
einer an sich exakt definierbaren Größe aufgrund von Informationsdefiziten im Definiens
36
,
etwa aufgrund von Schwierigkeiten bei der Aggregation von vielen zugehörigen
Informationen zu einem Gesamturteil oder aufgrund von Zukunftsbezug.
In der Literatur
37
wird das Beispiel des Begriffs eines "kreditwürdigen" Unternehmens angeführt, das als ein
Untenehmen, ,,welches seine Kredite vereinbarungsgemäß zurückzahlt", definiert ist, eine
Eigenschaft, die sich ex ante nicht überprüfen läßt.
Relationale Unschärfe beruht auf unscharfen Relationen, das sind mehrwertige, d.h.
nicht-dichotome, Relationen, die neben Gleichheit und Ungleichheit auch eine Ähnlichkeit
zulassen kann. Beispiele für unscharfe Relationen sind "ungefähr gleich" oder "etwas
größer als". Da zum Verständnis der exaktmathematischen Definition einer unscharfen
Relation die Grundlagen der Fuzzy-Set-Theorie vorausgesetzt werden müssen, soll diese
hier vorerst ausgeklammert werden.
38
2.2.3 Wahrscheinlichkeits- und Fuzzy-Set-Theorie
Während Zufälligkeit (Unsicherheit bzw. Risiko) und deren Erfassung mittels
Wahrscheinlichkeiten von der klassischen Entscheidungstheorie abgedeckt wird, wird
mittels der Fuzzy-Set-Theorie eine Erfassung des Phänomens der Unschärfe möglich.
39
Bis
heute wird diese Form der Problemmodellierung immer wieder kritisiert. Eine
Verteidigung von Fuzzy-Modellen und Fuzzy-Methoden soll nicht im Zentrum dieser
Arbeit stehen, doch angesichts des ständigen Rechtfertigungsdrucks von Arbeiten, die sich
auf die Fuzzy-Set-Theorie stützen, sollen hier ein paar Gedanken angesprochen werden.
Bereits in Abschnitt 2.2.2
40
wurde ins Treffen geführt, daß sich Unschärfe-
Phänomene nicht mittels statischer Variation erklären lassen. Unschärfe ist Ausdruck von
subjektivem menschlichem Empfinden, Zugehörigkeit ist das Kompatibilitätsmaß eines
Objektes mit einer subjektiven Vorstellung. Die Literatur
41
bietet dafür das Beispiel, daß
36
Das Verfahren der Definition wird in Abschnitt 4.1.1, S. 24 f. erklärt.
37
Vgl. etwa Rommelfanger (1994), S.
4.
38
Die exaktmathematische Definition einer unscharfen Relation wird in Abschnitt 4.2.8, S.
60 f., Fußnote
165 gegeben.
39
Vgl. Hauke (1998), S.
9 f.
40
Vgl. Abschnitt 2.2.2, S.
10.
41
Vgl. Rödder/Zimmermann (1977), S.
2, Rommelfanger (1994), S. 4 f.
Fuzzy-Modelle
12
Entscheidungsansatz
eine Reihe von Anzügen danach bewertet werden soll, inwieweit sie der subjektiven
Vorstellung eines "sportlichen Anzuges" des jeweiligen Betrachters entsprechen, indem
jedem der Anzüge ein Kompatibilitätsmaß oder Zugehörigkeitsgrad zugeordnet werden
soll. Wird nur ein Betrachter befragt, so erhält man die unscharfe Menge der subjektiven
Vorstellung einer einzelnen Person. Werden nun mehrere Personen bezüglich ihrer
persönlichen Einschätzung der Sportlichkeit der Anzüge befragt, und aus ihren Aussagen
Mittelwerte berechnet, so erhält man kann keine geschätzte Wahrscheinlichkeit der
"Sportlichkeit", sondern eine unscharfe Menge der Vorstellung der Gruppe über die
"Sportlichkeit" der Anzüge. Der Charakter der Aussage ändert sich nicht dadurch, daß
mehrere Personen befragt werden, lediglich das Subjekt, dessen unscharfe subjektive
Einschätzung beschrieben werden soll, hat sich geändert. Ermittlungsverfahren für
Zugehörigkeitsfunktionen unscharfer betriebswirtschaftlicher Sachverhalte werden uns in
Kapitel 4 noch mehrfach begegnen.
Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen Unschärfe und Zufälligkeit besteht
darin, daß unscharfe Daten immer unscharf sind, unabhängig ob ex ante oder ex post
betrachtet. Zufälligkeiten gibt es dagegen nur ex ante, ex post besteht Sicherheit. Zwar
werden ex post relative Häufigkeiten bestimmt und zur Schätzung von zukünftigen
Wahrscheinlichkeiten verwendet, dies hat jedoch nichts mit unscharfen Daten zu tun; so
kann z.B. der Zeitpunkt, zu dem die ersten Funktionsstörungen bei einer Batterie auftreten,
ex ante nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit angegeben werden, ebenso der
Zeitpunkt, zu dem selbst das sparsamste Gerät keinerlei Funktion mehr anzeigt; ex post
können alle Zeitpunkte, zu denen die Batterie noch eine bestimmte Restspannung aufwies,
exakt angegeben werden; dies ändert nichts an der Tatsache, daß die Batterie nicht von
einem Augenblick zum nächsten einen Sprung von der vollen Spannung von 1,5 Volt auf
Null macht, und daß somit nur eine unscharfe Lebensdauer angegeben werden kann. Um
relative Häufigkeiten anzugeben benötigt man immer eine (größere) Stichprobe von
Objekten, Unschärfe weist dagegen jedes Objekt für sich selbst auf.
Neben dem in der Einleitung
42
bereits angeführten Argument der kostengünstigeren
Implementierung der weniger komplizierten Fuzzy-Lösungen kommt ein weiteres
gewichtiges Argument für eine getrennte Modellierung von Unschärfe und Zufälligkeit ins
Spiel: das oftmals gemeinsame Auftreten der beiden Phänomene. Wird in einem Modell
für zwei verschiedene Phänomene das gleiche Modellierungsverfahren angewandt, so kann
es leicht zu Verwechslungen und Vermischungen zwischen zwei Dingen, welche eigentlich
auseinandergehalten werden müßten, und somit zu irreführenden Resultaten kommen. Ein
Überblick über die Möglichkeiten zur Modellierung gemeinsamen Auftretens von Zufällig-
keit und Unschärfe wird in Kapitel 6
43
gegeben.
42
Vgl. Einleitung, S.
3.
43
Vgl. Kapitel 6, S.
93 ff.
Fuzzy-Modelle
13
Fuzzy-Mengen
3 Grundlagen der Fuzzy-Mengen-Theorie
In diesem Kapitel soll das Wesen von Fuzzy-Mengen, so wie die wichtigsten
Grundbegriffe aus der Theorie der Fuzzy-Mengen erläutert werden. Abschließend sollen
einige Kategorien von Fuzzy-Mengen mit günstigen Eigenschaften vorgestellt werden.
1
3.1 Definition von Fuzzy-Mengen (Fuzzy-Sets)
Eine gewöhnliche (scharfe) Menge ist als Teilmenge einer gegebenen Grundmenge
durch ihre Indikatorfunktion (charakteristische Funktion) eindeutig charakterisiert. Sei also
U eine beliebige Grundmenge (auch Universum genannt), dann ist für A
U
¯
®
=
A
für
0
A
für
1
)
(
1
A
x
x
x
die Indikatorfunktion von A.
Die Idee der unscharfen Mengen geht davon aus, neben Zugehörigkeitswerten aus
}
1
,
0
{
weitere Werte aus
]
1
,
0
[
als graduelle Zugehörigkeitswerte zuzulassen. Eine solche
unscharfe Menge soll mit A bezeichnet werden.
Definition: Sei U eine Grundmenge (Universum).
(i) Dann heißt
(
)
{
}
[ ]
1
,
0
)
(
,
U
)
(
,
:
A
~
A
~
A
~
=
x
x
x
x
(3.1)
unscharfe (Teil-)Menge oder Fuzzy-(Teil-)Menge oder Fuzzy Set von U
2
.
(ii) Die Abbildung
:
,
( )
A
A
U
0 1
x
x
(3.2)
heißt Zugehörigkeitsfunktion (charakteristische Funktion) von A .
(iii)
- (U) bezeichnet die Menge aller Fuzzy-(Teil-)Mengen von U.
Bemerkung:
7 (U) - (U) mit
(
)
{
}
{ }
1
,
0
)
(
1
,
U
)
(
1
,
A
A
A
=
x
x
x
x
für A
7 (U).
1
Die Darstellung gibt die mittlerweile standardmäßigen Definitionen und Sätze der Theorie der unscharfen
Mengen wieder und stützt sich auf Comploj (1994), S.
9 ff. Besondere von einzelnen Autoren abweichend
verwendete Bezeichnungen oder spezielle Formulierungen werden gesondert angeführt.
2
Zadeh (1965), S.
339 bringt in seiner Urschrift über Fuzzy-Mengen keine mathematisch exakte Definition,
so finden sich in der Literatur mehrere Definitionsvarianten. Die hier verwendete Definition ist die
häufigste (z.B. Zimmermann (1991), S.
11 f., Zimmermann (1993), S. 11, Bandemer/Näther (1992), S. 10,
Rommelfanger (1994), S.
8, Comploj (1994), S. 9, Mißler-Behr/Lechner (1996), S. 3, Hauke (1998),
S.
18). Andere (z.B. Kruse/Meyer (1987), S. 10, Kruse/Gebhardt/Klawonn (1993), S. 10) definieren die
Zugehörigkeitsfunktion als die unscharfe Menge.
Fuzzy-Modelle
14
Fuzzy-Mengen
0
1
x
0
1
x
Abb. 3.1 Fuzzy-Menge und gewöhnliche Menge
Beispiel: Die Lebensdauer einer Batterie kann als unscharfe Menge A dargestellt werden,
wobei
( )
rt
funktionie
mehr
nicht
überhaupt
Batterie
die
wenn
rt
funktionie
teilweise
Batterie
die
wenn
rt
funktionie
voll
Batterie
die
wenn
0
1
,
0
1
)
(
A
~
°¯
°
®
=
t
t
A
( )
t
~
0
1
Abb. 3.2
Zugehörigkeit der Batterie zur
Menge der funktionierenden
Batterien
Definition
: Sei
(U)
A
~
-
mit
( )
A
x .
(i)
( ) {
}
0
)
(
U
:
A
~
supp
A
~
>
=
x
x
(3.3)
heißt Träger von A .
(ii)
( )
)
(
sup
:
A
~
hgt
A
~
U
x
x
=
(3.4)
heißt Höhe von A .
(iii) Sei A eine Fuzzy-Menge mit
( )
1
A
~
hgt
= . Dann heißt
( ) {
}
1
)
(
U
:
A
~
ker
A
~
=
=
x
x
(3.5)
Kern von A .
(iv)
( )
°
¯
°
®
=
³
¦
Menge
bare
überabzähl
U
)
(
Menge
abzählbare
U
)
(
:
A
~
card
U
A
~
U
A
~
x
x
dx
x
x
(3.6)
heißt Kardinalität
3
von A .
3
Speziell für A
7 (U) (scharfe Menge) ist
|
A
|
)
A
card(
=
, somit ist die Kardinalität von Fuzzy-Mengen
die Verallgemeinerung der Mächtigkeit bzw. Kardinalität von gewöhnlichen Mengen.
Fuzzy-Modelle
15
Fuzzy-Mengen
3.2 Die
-Schnitte von Fuzzy-Mengen
Das Konzept der
-Schnitte geht davon aus, daß man alle jene Elemente der
Grundmenge U betrachten möchte, die mindestens den Zugehörigkeitsgrad
0 1
,
zur
unscharfen Menge A haben.
Definition
: Sei
(U)
A
~
-
mit
( )
A
x ,
0 1
,
. Dann heißt
{
}
=
)
(
U
:
A
A
~
x
x
(3.7)
der
-Schnitt von A (zum Niveau
).
Oft schreibt man auch A
statt A
. Die
-Schnitte heißen auch -Niveaumengen.
Graphisch erhält man den
-Schnitt von A , indem man in der Höhe
eine
Waagrechte (parallel zur x-Achse) zieht und jenen Teil des Graphen von
( )
A
x , der
oberhalb der
-Geraden liegt, auf die x-Achse projiziert.
0
1
( )
A
~
x
A
x
Abb. 3.3
-Schnitte von A
Definition
: Sei
(U)
A
~
-
mit
( )
A
x ,
0 1
,
. Dann heißt
(i)
{
}
>
=
)
(
U
:
A
A
~
>
x
x
(3.8)
der strikte
-Schnitt von A .
(ii)
{
}
=
=
)
(
U
:
A
A
~
=
x
x
(3.9)
die
-Komponente von A .
Bemerkung:
<
A
A
(3.10)
0
1
( )
A
~
x
a
a
a
a
x
Abb. 3.4
-Schnitte von A zu
verschiedenen
-Niveaus
Fuzzy-Modelle
16
Fuzzy-Mengen
Der folgende Satz (Repräsentationssatz)
4
garantiert, daß sich jede Fuzzy-Menge
eindeutig durch ihre
-Schnitte charakterisieren läßt, und daß ihre Zugehörigkeitsfunktion
eindeutig aus ihren
-Schnitten rekonstruiert werden kann.
Satz+Definition
: Sei
(U)
A
~
-
mit
( )
A
x und
-Schnitten
(
]
{
}
A
,
0 1 . Dann gilt:
(i)
[ ]
{
}
{
}
[ ]
{
}
)
(
1
sup
)
(
1
,
min
sup
)
(
A
1
,
0
A
1
,
0
A
~
x
x
x
=
=
(3.11)
(ii) Ein Mengensystem, das (3.11) erfüllt, heißt Mengenrepräsentation von A
~
.
Insbesondere sind das System der
-Schnitte
(
]
{
}
A
,
0 1 von
~
A das System der
strikten
-Schnitte
[
)
{
}
A
,
>
0 1 von
~
A Mengenrepräsentationen von
~
A .
3.3 Einige besondere Fuzzy-Mengen und wichtige Darstellungs-
formen
In den folgenden Untersuchungen werden einige spezielle Klassen von unscharfen
Mengen vorgestellt, die in Bezug auf mathematische Operationen besonders günstige
Eigenschaften aufweisen. Für solche bequem handhabbare Fuzzy-Mengen gibt es meist
auch vereinfachte Darstellungsformen.
Definition
: Sei U eine Grundmenge,
(U)
A
~
-
mit
( )
A
x .
(i)
A
heißt normal oder normalisiert
( )
1
A
~
hgt
:
=
(3.12)
A
heißt subnormal
( )
1
A
~
hgt
:
<
Bemerkung:
( )
=
=
A
~
0
A
~
hgt
(ii) A heißt konvex oder fuzzy-konvex
{
}
[ ]
(
)
{
}
)
(
),
(
min
)
1
(
:
1
,
0
,
U
,
bzw.
)
(
),
(
min
)
(
:
U
,
,
:
2
A
~
1
A
~
2
1
A
~
2
1
3
A
~
1
A
~
2
A
~
3
2
1
3
2
1
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
-
+
(3.13)
(iii) A sei normal (3.12). A heißt unimodal
:
!
(
)
=
U:
A
x
x
0
0
1
(3.14)
Für eine nicht-konvexe Fuzzy-Menge
(U)
A
~
-
mit Zugehörigkeitsfunktion
~
A
( )
x
und
-Schnitten A
,
(
]
0 1
, , kann die konvexe Hülle co
~
A definiert werden durch
4
Der Beweis findet sich unter anderem bei Comploj (1994), S.
13, vgl. auch Kruse/Meyer (1987), S. 10 ff.,
Kruse/Gebhardt/Klawonn (1993), S.
35 f.
Fuzzy-Modelle
17
Fuzzy-Mengen
[ ]
{
}
co
~
A
,
coA
( ):
sup
( )
x
x
=
0 1
1
(3.15)
wobei
[ ]
{
}
coA :
U
A ,
A ,
, :
(
)
=
= + -
x
x
x
x
x
x
1
2
1
2
0 1
1
(3.16)
Die Definition (3.16) ist gerade die Definition der konvexen Hülle einer gewöhnlichen
(scharfen) Teilmenge von U.
Betrachten wir speziell IR als Grundmenge, so erhalten wir folgende interessanten
unscharfen Mengen:
Definition
5555
: Sei
)
R
I
(
A
~
-
mit
( )
A
x
.
(i)
A
heißt unschafes Intervall oder Fuzzy-Intervall
:
A ist normal und konvex nach (3.12) und (3.13)
(ii) A heißt unscharfe Zahl oder Fuzzy-Zahl
:
A ist normal, konvex und unimodal nach (3.12), (3.13) und (3.14)
Spezialfälle: trapezförmige Fuzzy-Intervalle und trianguläre Fuzzy-Zahlen:
(
)
0
0
1
1
,
;
,
A
~
a
a
a
a
=
0
1
x
a
a
a
a
0
1
1
0
_
_
_
_
wobei
~
( )
A
für
für
für
sonst
x
a
x
a
a
x
a
a
x
a
a
x
a
a
x
a
a
a
=
®
°
°°
¯
°
°
°
-
-
-
-
1
1
0
1
0
1
1
0
0
1
1
1
1
0
(3.17)
Abb. 3.5 Trapezförmiges Fuzzy-Intervall
(
)
0
0
1
,
;
A
~
a
a
a
=
0
1
x
a
a
a
0
1
0
_
_
wobei
~
( )
A
für
für
für
sonst
x
a
x
a
x
a
a
x
a
a
x
a
a
x
a
a
a
=
=
®
°
°°
¯
°
°
°
-
-
-
-
1
1
0
1
0
1
1
0
0
1
1
1
0
(3.18)
Abb. 3.6 Trianguläre Fuzzy-Zahl
5
Die Unterscheidung wird insbesondere bei Dubois/Prade (1992), S.
21, Novák (1989), S. 91, Bandemer/
Näther (1992), S.
20 f., Bandemer/Gottwald (1993), S. 60, Hauke (1998), S. 39 f. getroffen, bei Comploj
(1994), S.
14 übernommen wurde sie von diesen Autoren übernommen. Bei Kaufmann/Gupta (1991),
S.
43 findet sich lediglich die Einteilung in unimodale und nicht-unimodale Fuzzy-Zahlen, bei Kruse/
Meyer (1987), S.
10, Kruse/Gebhardt/Klawonn (1993), S. 33 etwa wird überhaupt nicht zwischen uni-
modalen und nicht-unimodalen Fuzzy-Mengen unterschieden.
Fuzzy-Modelle
18
Fuzzy-Mengen
Speziell für diskrete Grundmengen (z.B.
Z
Z
N,
I
)gibt es die folgende günstige Reprä-
sentationsform (Niveautabelle)
6
)
(
1
A
~
x
)
(
2
A
~
x
)
(
3
A
~
x
)
(
4
A
~
x
)
(
5
A
~
x
)
(
6
A
~
x
=
A
~
x
1
x
2
x
3
x
4
x
5
x
6
(3.19)
Eine sehr nützliche Schreibweise, die sowohl vertikale Repräsentation, d.h.
Zugehörigkeitsgrad und Element, als auch horizontale Repräsentation, d.h.
-Niveau und
-Schnitt, ermöglicht, ist die Vereinigungsschreibweise
7
:
Vertikale Sicht:
( )
A
~
supp
A
~
/
)
(
A
~
x
x
=
(3.20)
Ist insbesondere
°
°
¯
°°
®
=
0
0
0
1
1
1
1
0
A
~
A
~
A
~
0
)
(
1
)
(
)
(
a
x
a
x
a
x
a
a
x
a
a
x
a
x
x
x
R
L
die Zugehörigkeitsfunktion eines unscharfen Intervalls, dann lautet die vertikale
Vereinigungsschreibweise:
¸¸¹
·
¨¨©
§
¸
¸
¹
·
¨
¨
©
§
¸
¸
¹
·
¨
¨
©
§
=
=
0
1
1
1
1
0
0
0
/
)
(
/
1
/
)
(
/
)
(
A
~
A
~
A
~
A
~
a
a
R
a
a
a
a
L
a
a
x
x
x
x
x
x
x
Im Fall einer unscharfen Zahl entfällt der mittlere Term.
Horizontale Sicht:
/
A
A
=
=
0
1
(3.21)
Das unscharfe Intervall (3.21) läßt sich dann schreiben als
[
]
[
]
[
]
[
]
[
]
[
]
¸¸¹
·
¨¨©
§
¸¸¹
·
¨¨©
§
¸¸¹
·
¨¨©
§
¸¸¹
·
¨¨©
§
¸¸¹
·
¨¨©
§
=
¸¸¹
·
¨¨©
§
¸¸¹
·
¨¨©
§
¸¸¹
·
¨¨©
§
=
=
=
=
=
=
=
=
=
1
0
0
1
1
0
1
1
1
0
0
1
1
0
1
1
0
1
1
1
0
1
,
/
,
/
,
/
,
/
,
/
,
/
A
~
a
a
a
a
a
a
a
a
a
a
a
a
Die Menge aller Fuzzy-Mengen über IR mit bestimmten Eigenschaften ist jeweils
eine Teilmenge von
)
R
I
(
-
.
6
Vgl. Kaufmann/Gupta (1991), S.
5 ff.
7
Weitere vertikale und horizontale Darstellungsformen sind zusammengefaßt bei Comploj (1994), S.
16 ff.
Vgl. auch Kruse/Meyer (1987), S.
42 ff., Kruse/Gebhardt/Klawonn S. 19 f.
Fuzzy-Modelle
19
Fuzzy-Mengen
Definition
: Sei
)
R
I
(
-
die Menge aller Fuzzy-Mengen über IR . Wir definieren folgende
Teilmengen von
)
R
I
(
-
:
(i)
[ ]
{
(
)
{
}}
)
(
),
(
min
)
1
(
:
1
,
0
,
R
I
,
)
R
(I
A
~
:
)
R
I
(
2
A
~
1
A
~
2
1
A
~
2
1
x
x
x
x
x
x
c
-
+
=
-
-
(3.22)
ist die Menge aller konvexen Fuzzy-Mengen über IR .
(ii)
(
)
{
}
<
=
)
A
~
supp(
card
)
R
(I
A
~
:
)
R
I
(
-
-
b
(3.23)
ist die Menge aller Fuzzy-Mengen über IR mit beschränktem Träger.
(iii)
(
) (
)
{
}
)
R
(I
)
R
(I
)
R
(I
A
~
)
R
(I
A
~
)
R
(I
A
~
:
)
R
I
(
b
c
b
c
cb
-
-
-
-
-
-
=
=
(3.24)
ist die Menge aller konvexen Fuzzy-Mengen über IR mit beschränktem Träger.
(iv)
¿
¾
½
¯
®
=
=
=
n
i
i
n
cc
1
1
B
~
A
~
:
)
R
I
(
B
~
,...,
B
~
)
R
(I
A
~
:
)
R
(I
-
-
-
(3.25)
ist die Menge aller Fuzzy-Mengen über IR , die sich als endliche Vereinigung von
konvexen Fuzzy-Mengen über IR darstellen läßt.
(v)
)
R
(I
)
R
(I
:
)
R
(I
b
cc
ccb
-
-
-
=
(3.26)
ist die Menge aller Fuzzy-Mengen über IR mit beschränktem Träger, die sich als
endliche Vereinigung von konvexen Fuzzy-Mengen über IR darstellen läßt.
(vi)
[
]
[
]
°¿
°
¾
½
¸¸¹
·
¨¨©
§
+
¸¸¹
·
¨¨©
§
=
¯
®
=
-
-
-
-
R
I
)
(
1
)
(
1
)
(
,
:
R
I
)
,
,
(
)
R
(I
A
~
:
)
R
I
(
0
1
1
0
,
,
A
~
2
0
1
3
2
1
0
1
0
1
0
1
1
x
x
x
x
a
a
a
a
a
a
a
a
a
a
t
a
a
a
x
a
a
x
a
-
-
(3.27)
ist die Menge aller triangulären Fuzzy-Zahlen über IR .
Es gilt für
)
R
(I
A
~
-
:
( )
co
~
A
co A
=
(3.28)
3.4 Possibilistische Interpretation von Fuzzy-Mengen
Bereits in der Einleitung
8
wurde kurz die Interpretation des Zugehörigkeitsgrades
eines scharfen Elementes zu einer unscharfen Menge als Möglichkeit (Possibilität) des
Auftretens des entsprechenden scharfen Elements als Ergebnis eines Experiments
9
ange-
sprochen. Die Possibilitätstheorie liefert den Zugang zu dieser alternativen Interpretation
8
Vgl. Einleitung, S.
3.
9
Kruse/Gebhardt/Klawonn (1993), S.
44 und S. 69, Gebhardt (1992), S. 136, bezeichnen diese Auslegung
als die epistemische Interpretation von Fuzzy-Mengen.
Fuzzy-Modelle
20
Fuzzy-Mengen
von Fuzzy-Mengen; die Possibilitätstheorie steht in engem Zusammenhang mit der Theorie
der Fuzzy-Maße, deren Grundbegriffe hier kurz erklärt werden sollen.
10
Ein meßbarer Raum ist ein Paar (U,
() aus einer Menge U und einer
-Algebra (
von Teilmengen von U. Eine
-Algebra ( ist ein System von Teilmengen von U, welches
die leere Menge, das Universum selbst, und von allen enthaltenen Teilmengen
Vereinigung, Durchschnitt und Komplement enthält:
(i)
(
(
U
,
(ii)
U
B
A,
für
B
\
A
,
B
A
,
B
A
B
A,
(
(
(
(
(iii)
(
,...
A
,
A
2
1
eine Folge von Teilmengen von U
,
A
1
(
=
i
i
(
=
i
i
A
1
Es läßt sich leicht zeigen, daß:
(
(
C
A
A
.
Definition
: Sei (U,
() ein meßbarer Raum. Eine Mengenfunktion
]
,
0
[
:
(
M
mit
folgenden Eigenschaften heißt Fuzzy-Maß oder unscharfes Maß.
(i)
( )
0
=
M
(ii)
( )
(
A
0
A
M
(Nichtnegativität)
(iii)
( )
( )
(
B
A,
für
B
A
B
A
M
M
(Monotonie)
(iv) Für
(
,...
A
,
A
2
1
mit
...
A
A
2
1
und
(
=
i
i
A
1
gilt:
( )
( )
i
i
i
i
M
M
A
lim
A
lim
=
(v) Für
(
,...
A
,
A
2
1
mit
...
A
A
2
1
und
(
=
i
i
A
1
gilt:
( )
( )
i
i
i
i
M
M
A
lim
A
lim
=
Die Eigenschaft (iv) wird als untere (v) als obere (Halb-)Stetigkeit bezeichnet.
Ein spezielles Fuzzy-Maß ist das im folgenden charakterisierte Possibilitätsmaß:
Definition
: Sei (U,
() ein meßbarer Raum. Ein Fuzzy-Maß
]
1
,
0
[
:
(
Poss
heißt
Possibilitätsmaß oder Möglichkeitsmaß auf (U,
(), wenn:
11
(i)
(
A
1
(A)
0
Poss
(ii)
( )
0
=
Poss
,
1
(U)
=
Poss
(3.29)
(iv)
( )
i
i
i
i
Poss
Poss
A
sup
A
I
I
=
¸
¹
·
¨
©
§
10
Eine ausführliche Darstellung zu Fuzzy-Maß-Theorie und Possibilitätstheorie ist in der Monographie von
Wang/Klir (1992) gegeben, vgl. auch Comploj (1994), S.
74 ff.
11
Durch
)
(A
1
:
(A)
C
Poss
Nec
-
=
kann das sog. zu Poss duale Fuzzy-Maß, das Necessitäts- oder
Notwendigkeitsmaß bestimmt werden. Für Nec gilt:
(i)
(
A
1
)
A
(
0
Nec
(ii)
0
)
(
=
Nec
,
1
(U)
=
Nec
(iii)
}
)
(A
{
inf
)
A
(
i
I
I
1
Nec
Nec
i
i
=
Fuzzy-Modelle
21
Fuzzy-Mengen
Die Eigenschaft (i) ist die allgemein für Fuzzy-Maße geforderte Nichtnegativität,
die zweite Teileigenschaft in (ii) wird als Regularität, die Eigenschaft (iii) als Fuzzy-Addi-
tivität bezeichnet.
Aus einem Possibilitätsmaß (3.29) läßt sich eine Possibilitätsdichte konstruieren:
Definition: Sei (U,
() ein meßbarer Raum und sei
]
1
,
0
[
:
(
Poss
ein Possibilitätsmaß
(3.29) auf (U,
(). Dann heißt die Funktion
[ ]
{ }
( )
x
Poss
x
=
)
(
,
1
,
0
U
:
(3.30)
Possibilitätsdichte oder Möglichkeitsdichte auf U. Sie wird auch als Possibilitätsvertei-
lung oder Möglichkeitsverteilung bezeichnet. Man sagt auch: Die Possibilitätsvertei-
lung ist durch ihre Dichte gegeben.
Für eine Possibilitätsdichte auf U gilt:
sup ( )
U
x
x
=
1
(3.31)
denn
{ }
( )
{ }
( )
1
U
sup
)
(
sup
U
U
U
=
=
¸¹
·
¨©
§
=
=
Poss
x
Poss
x
Poss
x
x
x
x
.
Die Motivation für die Bezeichnung Possibilitätsdichte kommt aus der Wahrschein-
lichkeitstheorie, wo eine Wahrscheinlichkeitsverteilung durch eine Wahrscheinlichkeits-
funktion im diskreten Fall bzw. eine Dichtefunktion im kontinuierlichen Fall ausgedrückt
wird.
12
Einleitend wurde erwähnt, daß die Possibilitätstheorie eine zur rein physikalischen
Interpretation der Zugehörigkeitsgrade von Fuzzy-Mengen alternative Sichtweise erlaubt.
Wegen
]
1
,
0
[
)
(
x
kann eine Possibilitätsdichte (3.30) als Zugehörigkeitsfunktion einer
Fuzzy-Menge (3.1)-(3.2) interpretiert werden, wegen (3.31) ist eine solche Fuzzy-Menge
immer normalisiert im Sine von (3.12). Daher kann umgekehrt eine normalisierte Fuzzy-
Menge, die (3.12) erfüllt, auch als Possibilitätsdichte interpretiert werden, da die charakte-
ristische Eigenschaft (3.31) dadurch erfüllt ist.
13
12
Zum Vergleich seien hier die Eigenschaften eines Wahrscheinlichkeitsmaßes aufgezählt: Ein Wahrschein-
lichkeitsmaß auf (U,
() ist eine Funktion
]
,
0
[
:
(
P
mit (Kolmogorov-Axiome):
(i)
(
A
0
)
A
(
P
(ii)
1
)
(
=
U
P
(iii)
=
+
=
2
1
2
1
2
1
2
1
A
A
,
A
,
A
für
)
(A
)
(A
)
A
(A
(
P
P
P
Ein Possibilitätsmaß unterscheidet sich somit von ein Wahscheinlichkeitsmaß dadurch, daß die Additivität
(iii) (in der Fußnote) durch die Fuzzy-Additivität (3.29)(iii) ersetzt wird.
13
Details und Beispiele zur Identifikation von Fuzzy-Mengen und Possibilitätsdichten finden sich bei
Comploj (1994), S.
87 ff.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
22
Entscheidungsrelevante Daten
4 Fuzzy-Mengen zur Beschreibung unscharfer betriebswirtschaft-
licher entscheidungsrelevanter Daten
Die folgenden Abschnitte greifen einige spezifische Bereiche, die zu Unschärfen
bei der Formulierung eines betriebswirtschaftlichen Entscheidungsproblems führen
können, auf. Zwei Bereiche werden dabei besonders hervorgehoben: einerseits werden
Unschärfen bei sozialwissenschaftlichen Daten untersucht, andererseits wird das betrieb-
liche Rechnungswesen auf Unschärfen analysiert.
Die Sozialwissenschaft ist Nachbarwissenschaft der Betriebswirtschaftslehre
1
,
sozialwissenschaftliche Daten fließen in betriebswirtschaftliche Entscheidungen sowohl
über das Verhalten der Entscheidungsträger, als auch über das Verhalten von Betroffenen
(etwa von Kunden bei Absatzentscheidungen oder von Mitarbeitern bei Entscheidungen im
Personalbereich) ein. In der Literatur
2
wird auch von verbalen oder schaubildhaften oder
tendenziellen Formulierungen von Zusammenhängen gesprochen. Der erste Teil dieses
Kapitels ist Unschärfen bei der Quantifizierung sozialwissenschaftlicher Daten gewidmet.
Während man bei sozialwissenschaftlichen Fragestellungen Probleme bei der
Quantifizierung von Daten allgemein in Kauf nimmt, wird an das betriebliche
Rechnungswesen vielfach die Forderung nach exakter Quantifizierung der Größen gestellt.
Das betriebliche Rechnungswesen bildet aufgrund seiner vielgestaltigen Funktionen
3
in
vielerlei Hinsicht die Informationsbasis für betriebswirtschaftliche Entscheidungen, da es
einerseits aufgrund der Funktion der Selbstinformation des Kaufmanns die Basis für die
Planung künftiger Maßnahmen darstellt, andererseits aufgrund der Fremdinformations-
funktion auch in die Entscheidungsfelder von anderen Akteuren (insbesondere von Eigen-
und Fremdkapitalgebern) einfließt. Der zweite Teil dieses Kapitels wird sich mit
Unschärfen in ausgewählten Bereichen des betrieblichen Rechnungswesens beschäftigen.
4.1 Fuzzy-Daten in der Sozialwissenschaft
Erkenntnisgegenstand der Sozialwissenschaft stellt die gesellschaftliche Wirklich-
keit dar. Um brauchbare Aussagen tätigen zu können, müssen verwertbare ,,Daten" über
diese gesellschaftliche Wirklichkeit gesammelt werden. Mayntz/Holm/Hübner
4
stellen den
soziologischen Forschungsprozeß und die Rolle der Daten, wie folgt, dar:
1
Vgl. Abschnitt 2.1, S.
8.
2
Vgl. Heinen (1991), S.
21, Comploj (1996), S. 11.
3
Eine zentrale Funktion des Rechnungswesens ist die Selbstinformation des Kaufmanns, aus welcher sich
eine Kontroll- und Planungsfunktion ableitet, weitere wesentliche Funktionen sind Information von
Fremd- und Eigenkapitalgebern, Gewinnausschüttungs- und Steuerbemessungsfunktion.
Vgl. Heinen/Kupsch (1991), S.
1329 ff., Hämmerle/Steckel (1998), S. 9 u. S. 18, Egger/Samer/Bertl
(2002), S.
18.
4
Vgl. Mayntz/Holm/Hübner (1978), S.
33 f.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
23
Entscheidungsrelevante Daten
Universum mög-
licher Beobach-
tungen von
Eigenschafts-
dimensionen des
Untersuchungs-
objekts
begrifflich
strukturierte
Beobachtungen
manifester
Eigenschaften
registrierte
Beobachtungen
(Daten)
Schluß auf die
Zugehörigkeit
des Unter-
suchungsbjekts
zu einer Eigen-
schaftsklasse
2.Stufe
1.Stufe
3.Stufe
Abb. 4.1 Stellung der Daten im Forschungsprozeß
Auf allen Stufen des Forschungsprozesses kann Unschärfe ins Spiel kommen. Auf
der ersten Stufe erfolgt die Abstraktion von der Realität auf die begriffliche Ebene, hier ist
ein erster Ansatzpunkt für Unschärfe gegeben. Unschärfe von Begriffsinhalten stellt den
Gegenstand des Abschnitts über linguistische Variablen dar. Tritt die Unschärfe auf der
zweiten Stufe, d.h. im Bereich der Bebachtungen und ihrer Erfassung auf, so erhalten wir
ebenfalls Fuzzy-Daten, welche sich als Fuzzy-Mengen auf Meßskalen manifestieren. Auf
der 3. Stufe soll zwar keine zusätzliche Unschärfe mehr dazukommen, doch Fuzzy-Daten
aufgrund von Unschärfe auf der ersten oder/und der zweiten Stufe lassen auch nur noch auf
eine unscharfe Zugehörigkeit zu einer Eigenschaftsklasse schließen. Somit werden auch die
Eigenschaftsklassen selbst zu Fuzzy-Mengen.
4.1.1 Linguistische Variablen
Als linguistische Variable bezeichnet man eine meßbare Größe, welche mindestens
zwei voneinander verschiedene Werte annehmen kann, und deren Werte häufig oder
ausschließlich mittels linguistischer Umschreibungen angegeben werden. Im Bereich der
empirischen Sozialforschung werden Phänomene der Realität mit Hilfe von Begriffen
umschrieben, ein Begriff ist ,,ein mit einem Wort (bzw. einer Wortkombination) bezeich-
neter Vorstellungsinhalt,"
5
bzw. ,,Begriffe sind Bestandteile der Sprache, mit denen der
Gegenstandsbereich besprochen wird."
6
Untersuchungsgegenstand im sozialwissenschaft-
lichen Bereich ist niemals die Realität selbst, sondern der mit den Begriffen verknüpfte
Vorstellungsinhalt, die ,,reflektierte Realität". Insbesondere untersucht werden soziale
Einheiten, d.h. Individuen, Produkte menschlichen Handelns und soziale Kollektive, im
Hinblick auf bestimmte Eigenschaften (Merkmale).
7
Diese Merkmale stellen gerade solche
meßbaren, linguistisch umschriebenen Größen dar.
8
Neben diesen sozialwissenschaftlichen
5
Mayntz/Holm/Hübner, (1978), S.
9.
6
Kromrey (1998), S.
113.
7
Vgl. Mayntz/Holm/Hübner (1978), S.
11 f.
8
So kann die Arbeitszufriedenheit "hoch", das Betriebsklima "positiv" oder die Qualität eines Produktes
"gut" sein. Hier soll zur Vereinfachung zunächst nicht zwischen eindimensionalen und mehrdimensionalen
Merkmalen unterschieden werden; wird ein Merkmal durch mehrere Dimensionen beschrieben, so wird
jede Dimension wie ein eigenes Merkmal behandelt. Rein qualitative Merkmale, welche zunächst nicht
meßbar sind, werden dabei zunächst nicht einbezogen, zumal da diese meist in mehrere quantitative
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
24
Entscheidungsrelevante Daten
linguistischen Variablen, welche Gegenstand dieses Abschnitts sein werden, gibt es auch
im naturwissenschaftlich-technischen oder im medizinischen Bereich Eigenschaften, die
häufig linguistisch angegeben werden.
9
In der Literatur finden sich die verschiedensten
Definitionen
10
einer linguistischen Variablen, nachstehende Definition ist ein eigen-
ständiger Versuch, eine Synthese, welche alle wesentlichen Merkmale enthält, zu bilden.
Definition
: Eine linguistische Variable ist ein Quadrupel
)
,
, S
X
~
U
,
~
(
;
. Dabei ist
(i)
N
I
},
T
,...,
{T
1
=
t
k
;
eine Termmenge, d.h. eine (endliche) Menge von linguisti-
schen Begriffen,
(ii) U ein Universum,
(iii)
(U)
:
~
-
;
S
eine Abbildung, genannt Semantik, deren Bild
(iv)
(U)
}
T
|
)
(T
~
{
)
(
~
-
;
;
:
;
=
=
k
k
S
S
eine Menge von Fuzzy-Mengen auf dem
Universum ist
(v)
X
~
eine Fuzzy-Variable, deren Werte Fuzzy-Mengen in
;
: sind,
(vi)
)
~
supp( X
x
heißt Basisvariable, deren Werte scharfe Elemente in U sind.
Die Bestimmung der Zugehörigkeitsfunktion eines linguistischen Begriffes bzw.
der Semantik stellt eine besondere Form des Verfahrens der Definition eines Begriffes dar.
Allgemein wird unter Definition die ,,beschreibende Aufzählung" der Elemente des durch
Merkmalsdimensionen zerlegbar sind. Auf mehrdimensionale Merkmale wird noch in Abschnitt 4.1.2,
S.
28 f. eingegangen werden.
9
So kann der Himmel "wolkig" sein, der Blutdruck eines Menschen "hoch", das Klima einer Region
"feucht" oder ein Auto "schnell". Alter ist ein Merkmal, welches sowohl im sozialwissenschaftlichen, als
auch im naturwissenschaftlichen Bereich Bedeutung hat.
10
Der Begriff der linguistischen Variablen wurde erstmals verwendet von Zadeh (1975b) I, S.
200, eine
exakte mathematische Definition bringt Zadeh jedoch nicht. Auch bei Bandemer/Gottwald (1993),
S.
102 ff. wird der Begriff der linguistischen Variablen unter Bezugnahme auf Zadeh (1975b) I,II,III ohne
exakte mathematische Definition verwendet.
So sind die Vorschläge für exaktere Formulierungen in der Literatur vielfältig:
Bei Kruse/Meyer (1987), S.
232 ff. gibt es keine Definition der linguistischen Variablen selbst, sondern
lediglich von Termmenge und Semantik, zusätzlich wird eine formale Sprache mittels Verknüpfungen der
Terme aus der Termmenge mittels Operatoren aus einer vorgegebenen Operatorenmenge definiert.
Rommelfanger (1994), S.
66, definiert die linguistische Variable ebenfalls als Quadrupel, zu dem
Begriffsmenge (entspricht der Termmenge) und Universum gehören, doch statt der Basisvariablen und
ihrer unscharfen Version spricht er von einer ,,Menge syntaktischer Regeln, mit denen sich der Name der
linguistischen Variablen aus den Ausprägungen in" der Termmenge ,,ableiten läßt", und die Semantik
wird ersetzt durch ,,eine Menge semantischer Regeln, die jedem Element" aus der Termmenge seine
Bedeutung ... in Form einer unscharfen Menge auf" dem Universum ,,zuordnen".
Eine weitere Definition als Quadrupel schlägt Hauke (1998), S.
22 f. vor, doch wird im Gegensatz zu der
hier gewählten Definition nicht zwischen der unscharfen Variablen, welche die unscharfen Werte
annimmt, und der scharfen Basisvariablen unterschieden. Ebenso weicht er in seiner Definition der
Semantik von der hier und bei Kruse/Meyer (1987), S.
204 verwendeten Definition ab, er definiert das
(aus Fuzzy-Mengen bestehende) Bild
;
: der Termmenge ; unter der Semantik S
~
als Semantik.
Nach Mißler-Behr/Lechner (1996), S.
25 f. ist eine linguistische Variable ein Quintupel aus Variablen-
name, Termmenge, Universum, generativer Grammatik, d.h. einer Menge von Operatoren, welche auf die
Terme angewandt werden (siehe S.
18 f.), und Semantik.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
25
Entscheidungsrelevante Daten
ein ,,Wort mit zunächst nur unscharf gedachten Vorstellungsinhalten" (Definiendum)
,,gekennzeichneten Vorstellungsinhalts" (Definiens) verstanden. Auf zahlreiche Probleme
bei der klaren Präzisierung von sozialwissenschaftlichen Begriffen, welche vielfach aus der
mit undefinierten Begriffen arbeitenden Umgangssprache entspringen, wird hingewiesen.
11
Die Literatur kennt mehrere Verfahren zur Bestimmung Semantik einer lingui-
stischen Variablen. Das Verfahren der Expertenbefragung und das Verfahren der zufälligen
Mengen beruhen im wesentlichen auf einer möglichkeitstheoretischen Interpretation der
Terme. Diese ordnet jedem exakten Wert auf der Meßskala, den die Größe, die mit dem
linguistischen Begriff umschrieben wird, haben kann, eine Möglichkeit zu.
12
Beim Verfahren der Expertenbefragung soll unter Experten möglichst ein Konsens
über die Repräsentation eines linguistischen Begriffes erzielt werden. Es ist vor allem für
Begriffe aus dem technisch-naturwissenschaftlichen oder medizinischen Bereich geeignet,
da es dabei um Größen geht, die exakt meßbar sind, die jedoch gerne mittels eines
linguistischen Begriffes umschrieben werden, der eine Fuzzy-Menge auf der Meßwertskala
darstellt. In der Betriebswirtschaftlehre kann diese Methode insbesondere Abgrenzung
einer "vernünftigen kaufmännischen Beurteilung" im Sinne von §
207 Abs 2 und § 211
Abs
1 eingesetzt werden. Hierauf wird später in Abschnitt 4.2.1 eingegangen werden.
Ein weiteres Verfahren, welches wie das der zufälligen Mengen ebenfalls
empirisch-frequentistisch ist, das ein sofortiges Ablesen der Fuzzy-Menge aus dem Unter-
suchungsergebnis nicht ermöglicht, sondern vorher noch einige theoretische Überlegungen
erfordert, wird im Abschnitt 4.2.5 über unscharfe Kennzahlen Ausprägung vorgestellt.
Zugehörigkeitsfunktionen bzw. Semantiken von sozialwissenschaftlichen Begriffen,
die die Einschätzung der Gesellschaft wiedergeben, können gut mit dem Verfahren der
zufälligen Mengen
13
ermittelt werden, etwa ab welchem Vermögen bzw. Jahreseinkommen
11
Vgl. Mayntz/Holm/Hübner (1978), S.
14.
12
Vgl. Abschnitt 3.4, S.
19 ff.
13
Das Verfahren der zufälligen Mengen ist ein sehr einfaches frequentistisches Verfahren zur Bestimmung
der Zugehörigkeitsfunktion einer Fuzzy-Menge. Diese Verfahren stellen allerdings nicht den eigentlichen
Inhalt der Theorie der zufälligen Mengen dar, vgl. Kruse/Gebhardt/Klawonn (1993), S.
43 ff. Ausführ-
liche Darstellungen zu zufälligen Mengen bringen die Monographien von Matheron (1975) und Stoyan/
Kendall/Mecke (1987).
Eine mengenwertige Abbildung
=
)
(
),
(U),
(
)
,
,
(
:
4
7
( P
von einem Wahrschein-
lichkeitsraum.
)
,
,
(
P
(
in einen meßbaren Raum
)
(U),
(
4
7
, die
(-4-meßbar ist, heißt zufällige
Menge auf
(U)
7
. Zur Definition von Meßbarkeit und Wahrscheinlichkeitsraum siehe Abschnitt 7.1.1,
S.
113 f., Fußnote 6.
Die Mengen
)
(
bzw.
heißen Fokalmengen von .
Ist
= P
Q
das durch
gegebene Wahrscheinlichkeitsmaß auf
)
(U),
(
4
7
, d.h.
({A})
({A})
= P
Q
A})
)
(
|
({
(A))
(
1
=
=
=
-
P
P
. Dann heißt
)})
(
|
({
})
({
)
(
],
1
,
0
[
U
:
=
=
x
P
x
Q
x
x
die Konturfunktion von
. Aus der Konturfunktion
ist die zufällige Menge
im allgemeinen nicht
eindeutig rekonstruierbar.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
26
Entscheidungsrelevante Daten
ein Haushalt als "wohlhabend" eingestuft wird, ab welcher durchschnittlichen täglichen
Arbeitszeit ein Arbeitnehmer als "fleißig" gilt, ab welcher Mitarbeiterzahl ein
Unternehmen als "groß" einzustufen ist
14
, ab welchem Alter eine Person als "alt" zu
bezeichnen ist. Zufällig ausgewählte Personen werden nach ihrer Meinung bezüglich des
zu behandelnden Problems befragt, und aufgrund von deren Antworten wird die
Zugehörigkeitsfunktion des unscharfen linguistischen Begriffs bestimmt.
Beispiel: Mittels eines frequentistischen Verfahrens soll die Möglichkeitsdichte des
linguistischen Begriffs "reich" konstruiert werden.
Sei
]
100
,
0
[
U
=
(gemessen in Geldeinheiten) das Universum der möglichen Haushalts-
einkommen,
(U)
)
die Menge der Borelmengen von U, und
4 eine -Algebra auf
(U)
)
,
; = {"sehr reich", "reich", "mittleren Einkommens", "arm", "sehr arm"} die
Menge der möglichen linguistischen Terme. Sei
}
,...,
{
10
1
=
eine Menge von zehn
Personen, und
)
),
(
,
(
P
7
ein Wahrscheinlichkeitsraum, wobei
10
1
})
({
=
i
P
für
i
= 1
10
,...,
.
( )
)
,
U
(
)
),
(
,
(
:
4
)
7
P
sei die zufällige Menge, die jeder Person
i
das Intervall zuordnet, innerhalb von welchem jemand nach der Einschätzung von
i
"reich" ist. Wir erhalten folgende Angaben:
[
]
85
,
80
)
(
1
=
,
[
]
85
,
70
)
(
2
=
,
[
]
82
,
75
)
(
3
=
,
[
]
100
,
50
)
(
4
=
,
[
]
90
,
60
)
(
5
=
,
[
]
85
,
65
)
(
6
=
,
[
]
85
,
70
)
(
7
=
,
[
]
82
,
80
)
(
8
=
,
[
]
90
,
70
)
(
9
=
,
[
]
85
,
60
)
(
10
=
Wir erhalten die folgende Konturfunktion:
[
)
(
]
[
)
(
]
[
)
[
)
[
)
(
]
[
]
°
°
°
°
¯
°
°
°
°
®
<
=
82
,
80
für
1
85
,
82
und
80
,
75
für
8
,
0
75
,
70
für
7
,
0
70
,
65
für
4
,
0
90
,
85
und
65
,
60
für
3
,
0
100
,
90
und
60
,
50
für
1
,
0
50
für
0
)
(
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
Die Konturfunktionen von Fuzzy-Mengen können als Zugehörigkeitsfunktionen von Fuzzy-Mengen bzw.,
falls
1
)
(
sup
U
=
x
x
, also insbesondere für konsistente zufällige Mengen, d.h.
)
(
, als
Possibilitätsdichten interpretiert werden, vgl. Kruse/Gebhardt/Klawonn (1993), S.
44 ff., Comploj (1994),
S.
101 ff.
14
Hier geht es um die Einschätzung in der Bevölkerung. Diese ist nicht gleichzusetzen mit den Kriterien des
§
221 HGB für Kapitalgesellschaften, wobei für große Kapitalgesellschaften mindestens zwei der drei
folgenden Grenzen müssen überschritten sein: 12,5 Millionen Euro Bilanzsumme, 50 Millionen Euro
Umsatzerlöse in 12 Monaten, im Jahresdurchschnitt 250 Arbeitnehmer. Dabei läßt das HGB eine gewisse
Bandbreite zu, welche aber, formal interpretiert nicht einer Fuzzy-Menge führt: sind zwei Merkmale er-
füllt/nicht erfüllt, so kann das dritte jeden beliebigen Wert annehmen (Größe ist hier also eine mehrdimen-
sionale Eigenschaft); einmalige (Nicht-/)Erfüllung der Merkmale führt nicht zu einer Neueinstufung.
Bei der Erfassung der Einschätzung der Bevölkerung können die Dimensionen Bilanzsumme und
Umsatzerlöse vernachlässigt werden, da trotz des Publizitätsprinzips im allgemeinen nur Fachleute
Kenntnis von diesen Größen haben und auch nur sie diese Größen interpretieren können.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
27
Entscheidungsrelevante Daten
Wir erhalten die Fuzzy-Menge
=
"reich" in
; = {"sehr reich", "reich", "mittleren
Einkommens", "arm", "sehr arm"} (Fuzzy-Intervall):
0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8
0,9
1
54
56
58
60
62
64
66
68
70
72
74
76
78
80
82
84
86
88
90
92
94
. . . . .
96
100
52
50
98
Abb. 4.2
Fuzzy-Intervall
"reich"
Die
-Schnitte lauten:
[
]
100
,
50
1
,
0
=
,
[
]
90
,
60
2
,
0
=
,
[
]
90
,
60
3
,
0
=
,
[
]
85
,
65
4
,
0
=
,
[
]
85
,
70
5
,
0
=
,
[
]
85
,
70
6
,
0
=
,
[
]
85
,
70
7
,
0
=
,
[
]
85
,
75
8
,
0
=
,
[
]
82
,
80
9
,
0
=
,
( )
[
]
82
,
80
~
ker
1
=
=
15
Sieht man eine Termmenge als Teilmenge einer formalen Sprache, welche aus einer
ursprünglichen Termmenge und einer generativen Grammatik,
16
d.h. einer Menge von ein-
und mehrstelligen Operatoren, welche auf die ursprünglichen und abgeleiteten Terme
angewandt werden, gebildet wird, so kann ein und derselbe Term in der ursprünglichen
Termmenge und in der abgeleiteten Termmenge verschiedenen Semantiken haben. Intuitiv
ist unverzüglich klar, daß wir im obigen Beispiel eine andere Fuzzy-Menge bzw. eine
andere zufällige Menge für "reich" erhalten hätten, wenn unsere Termmenge gelautet hätte:
; = {"reich","arm"}.
Einstellige Operatoren werden oft auch als Modifikatoren genannt, z.B. sehr,
ziemlich, etwas, kaum, einigermaßen, mittelmäßig, ...
17
Der Modifikator "sehr" sollte etwa
bewirken: eine Verkleinerung von Kern und Träger und ein Steilerwerden des Anstiegs der
Zugehörigkeitsfunktion der den Begriff beschreibenden unscharfen Menge.
18
Gehen wir
nun davon aus, daß uns die Termmenge {"reich","arm"} zur Verfügung steht, so
konstruieren wir zunächst die Terme "sehr reich" und "sehr arm" durch Anwendung des
Modifikators sehr.
0
1
"sehr arm"
( )
x
"arm"
( )
x
"sehr reich"
( )
x
"reich"
( )
x
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Abb. 4.3 Der Modifikator "sehr"
15
Wegen
)
(
]
82
,
80
[
10
1
i
i
=
=
ist
ist eine konsistente zufällige Menge und
1
)
(
sup
U
=
x
x
, daher ist
auch eine possibilistische Interpretation möglich.
16
Vgl. Bandemer/Gottwald (1993), S.
104 ff.
17
Vgl. auch Mißler-Behr/Lechner (1996), S.
27.
18
Vgl. Bandemer/Gottwald (1993), S.
105 f.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
28
Entscheidungsrelevante Daten
Weitere Operatoren zur Bildung von Termen einer formalen Sprache sind
Durchschnitt, Vereinigung und Komplement
19
der bereits gebildeten Terme der formalen
Sprache. So kann etwa die unscharfe Menge "mittleren Einkommens" als der Durchschnitt
aus den Komplementen der unscharfen Mengen "reich" und "arm" konstruiert werden.
20
Auch andere Operatorenkombinationen sind möglich. Ebenso ist aber auch eine direkte
frequentistische Ermittlung möglich, die Ergebnisse werden aber höchstwahrscheinlich
voneinander abweichen.
0
1
"arm"
( )
x
"reich"
( )
x
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
"mittleren Einkommens"
( )
x
Abb. 4.4 Zugehörigkeitsfunktion des linguistischen Terms "mittleren Einkommens"
In unserem Beispiel kann nun der Term "reich" in der Termmenge
; = {"sehr
reich", "reich", "mittleren Einkommens", "arm", "sehr arm"} auch aus dem Term "reich" in
der Termmenge {"reich","arm"} mit Hilfe von Operatoren abgeleitet werden als "reich und
nicht sehr reich".
4.1.2 Mehrdimensionale unscharfe Merkmale
Keine linguistischen Variablen, da meist nicht direkt quantifizierbar, aber ebenfalls
unscharfe linguistische Begriffe stellen mehrdimensionale Merkmale dar. So ist es
problematisch zu definieren, wer zu den ,,Jugendlichen der modernen Konsumgesellschaft"
gehört.
21
Während ,,Jugend" eindimensional, d.h. nur von der einzigen Bestimmungsgröße
,,Alter" abhängig ist und einerseits eine linguistische Variable, andererseits vom
Gesetzgeber durch exakte Altersgrenzen vorgegeben
22
, so ist ,,Konsumgesellschaft" ein
mehrdimensionaler Begriff.
Dimensionen
sind
,,Eigenschaften
der
Wirklichkeit"
23
bzw.
,,diejenigen
Einzelheiten" bzw. Teilaspekte, die an einem empirischen Sachverhalt unterschieden
werden."
24
Die Zerlegung eines realen Begriffes in seine Teildimensionen bzw.
19
Die entsprechenden Mengenoperationen für Fuzzy-Mengen werden in Abschnitt 5.1, S.
66 ff. in Rahmen
der Einführung von
t-Normen, t-Conormen und Negationen auf
-(U) genauer behandelt.
20
Vgl. Bandemer/Gottwald (1993), S.
104 f.
21
Vgl. Mayntz/Holm/Hübner (1978), S.
37.
22
Jugendliche sind gemäß §
1 JGG Personen ab vollendetem 14. und noch nicht vollendetem 19. Lebens-
jahr, dies entspricht den mündigen Minderjährigen des §
21 ABGB.
23
Kromrey (1998), S.
113.
24
Kromrey (1998), S.
115.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
29
Entscheidungsrelevante Daten
gedankliche Strukturierung des Begriffes heißt dimensionale Analyse und ist Teil der
Operationalisierung des Begriffes. Für die einzelnen Dimensionen werden wiederum
Begriffe gesetzt, welche ihrerseits wieder mehrdimensional sein können, je nach
gewünschter
Abstraktionsstufe
des
Forschungsvorhabens
können
diese
in
ihre
Unterdimensionen zerlegt werden. Auf der untersten Stufe bzw. höchsten Abstraktions-
stufe liegen schließlich eindimensionale oder als eindimensional eingestufte Merkmale.
25
Tritt bei einem oder mehreren der eindimensionalen Untermerkmale, welche die
Dimensionen des mehrdimensionalen Merkmals darstellen, eine unscharfe Ausprägung
auf, so können diese mittels des kartesischen Produkts für Fuzzy-Mengen
26
zu mehr-
dimensionalen Fuzzy-Mengen bzw. Fuzzy-Vektoren kombiniert werden, welche dann das
unscharfe mehrdimensionale Merkmal charakterisieren.
4.1.3 Fuzzy-Mengen auf sozialwissenschaftlichen Meßskalen
In der Einleitung zu Abschnitt 4.1.1
27
wurde an linguistische Variablen unter
anderem die Anforderung eine meßbare
28
Größe zu sein gestellt. ,,Messen" ist die Bezeich-
nung für die Zuordnung von Symbolen, meist Zahlen auf einer Meßskala, zu beobachteten
Ausprägungen einer Merkmalsdimension.
29
Eine Skala ist somit ein Meßinstrument.
Definition
30
: Eine Skala ist definiert als ein Tripel
)
,
,
(
1
5
; dabei ist
(i)
5=(5;R
1
,...,
R
n
) ein empirisches relationales System, d.h. eine Menge von
empirischen Objekten
5, unter denen die Relationen R
1
,...,
R
n
gelten,
(ii)
1=(1;S
1
,...,
S
m
) ein numerisches relationales System, d.h. eine Teilmenge
1 der
reellen Zahlen, unter denen die Relationen
S
1
,...,
S
m
gelten, und
(iii)
1
5
:
ein Morphismus, d.h. eine Abbildung, der dann als strukturtreu
bezeichnet wird, wenn die Relationen
R
i
zwischen den Elementen der empirischen
Objektmenge
5 durch Relationen S
j
zwischen Elementen der Zahlenmenge
1
korrekt wiedergegeben werden können.
Wir unterscheiden Nominalskala, Ordinalskala und Kardinalskala.
31
Während bei
der Nominalskala nur zwei Merkmalsausprägungen, Ja/Nein (für die empirischen Objekte)
bzw. 1/0 (für die Zahlen), d.h.
n=m=2, unterschieden werden, können mit einer Ordinal-
25
Vgl. Kromrey (1998), S.
114 ff.
26
Siehe Abschnitt 5.2, S.
69 f.
27
Vgl. Abschnitt 4.1.1, S.
23.
28
Man beachte, daß dieser Begriff der Meßbarkeit sich vom Verfahren des Messens ableitet, und nichts zu
tun hat mit den in der Maßtheorie verwendeten Begriffen eines meßbaren Raumes und einer meßbaren
Abbildung, welche in Abschnitt 3.4, S.
20 bzw. Abschnitt 7.1.1, S. 113, Fußnote 6.
29
Vgl. Mayntz/Holm/Hübner (1978), S.
38 u. S. 47.
30
Vgl. Kromrey (1998), S.
228.
31
Vgl. Mayntz/Holm/Hübner (1978), S.
38 f., Kromrey (1998), S. 231 ff.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
30
Entscheidungsrelevante Daten
skala oder mit einer Kardinalskala unendlich viele Objekte gemessen werden, d.h. 0
n
bzw. 0
m. Die Messung mittels Ordnialskala erlaubt dabei nur eine Rangordnung
zwischen den empirischen Objekten, auf einer Kardinalskala (Intervallsakala) ist zusätzlich
eine Messung der Abstände zwischen den einzelnen Objekten möglich.
Auf allen drei Skalengattungen können Fuzzy-Mengen konstruiert werden. Die
Unschärfe bei den Objekten in
5 wird dann über den Morphismus
in die Zahlenmenge 1
übertragen, sodaß das unscharfe Meßergebnis schließlich eine Fuzzy-Menge über der
Teilmenge
1 der reellen Zahlen ist.
32
Auf einer Nominalskala erhalten wir eine Fuzzy-Menge, wenn weder ein
eindeutiges Ja noch ein eindeutiges Nein gegeben ist, sondern die Merkmalsausprägung nur
partiell bejaht werden kann. Man denke dabei an den durch die Fernsehsendung ,,Was bin
ich?" populär gewordenen und in der Umgangssprache verbreiteten Neologismus "Jein".
"Jein" kann auf der Nominalskala als linguistischer Term interpretiert werden, dessen
Zughörigkeitsgrad für die Werte Ja und Nein jeweils weder 0 noch 1 ist, "Jein" wird also
im allgemeinen eine subnormale Fuzzy-Menge sein.
Auf Ordinalskalen werden uns Fuzzy-Mengen vor allem begegnen, wenn diese
mehrdimensionale Merkmale messen, wenn der Fuzzy-Begriff einen längerfristigen Beob-
achungzeitraum, über welchen sich die Einstelung der befragten Person ändert beschreibt,
oder im Mehrpersonenkontext
33
. Auf eindimensionalen Ordinalskalen im Einpersonen-
kontext bei kurzfristiger Betrachtung ist zwar eine Fuzzy-Menge, deren Träger
Unterordnung und Gleichordnung von zwei Untersuchungsobjekten umfaßt, denkbar,
gleichzeitige Vor- und Nachreihung eines Objekts gegenüber einem anderen ist aber in
Bezug auf eine einzige Dimension ceteris paribus nicht denkbar.
34
Bei mehrdimensionalen
Merkmalen und unzureichender Aggregation ist eine Fuzzy-Menge über verschiedene
Rangordnungen durchaus denkbar. Wenn ein Arbeitnehmer zwischen drei möglichen
Stellen wählen kann und dabei die Dimensionen Adäquanz der Tätigkeit, Entlohnung und
tägliche Anfahrtszeit betrachtet, so lassen sich diese drei Dimensionen nicht leicht zu einer
Gesamtrangfolge aggregieren. Dies führt zu Entscheidungsschwierigkeiten, welche mit
Fuzzy-Mengen auf der Ordinalskala beschrieben werden können.
Am häufigsten haben wir es mit Fuzzy-Mengen auf Kardinalskalen zu tun. Ein
Kontinuum wird nach einem Skalierungsverfahren in (meist gleich große) Abschnitte
unterteilt. Eine Fuzzy-Menge auf einer Kardinalskala ist somit eine Merkmalsausprägung,
die sich nicht eindeutig in einen der meist durch willkürliche Punkte begrenzten Abschnitt
32
Eine typische Anwendung einer solchen unscharfen Meßskala stellt die Messung unscharfer Nutzen-
vorstellungen dar (vgl. Abschnitt 8.5, S.
166 ff.).
33
Zu den Typen von Mehrpersonenentscheidungen bzw. dabei möglichen mehrgipfligen Präferenzen siehe
etwa Heinen (1991), S.
38 f., Comploj (1996), S. 26 f., Schredelseker (2002), S. 186 ff.
34
Dies entspricht dem Axiom der Vollständigkeit von Präferenzen, welches seinerseits ein Axiom des Ratio-
nalitätspostulats ist. So gibt es sehr wohl die schwache Präferenz, welche ein Nebeneinander von Gleich-
ordnung und Unterordnung eines Objekts bedeutet, nicht aber gleichzeitig strikte Präferenz für beide
Objekte vor dem jeweils anderen (vgl. etwa Schredelseker (2002), S.
185).
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
31
Entscheidungsrelevante Daten
einordnen läßt, sondern sich mit Zughörigkeitswerten zwischen 0 und 1 über mehrere
Abschnitte erstreckt. Nicht selten kommt es vor, daß eine befragte Person beim Ausfüllen
eines Fragebogens sich nicht für eine der möglichen vorgegebenen Antworten entscheiden
kann, da ihre Einschätzung/Einstellung sich über mehrere Abschnitte des Kontinuums
unscharf erstreckt bzw. zwischen den möglichen Antworten liegt, wenn das Zentrum des
Intervalls als punktuelle Antwort angesehen wird. Mehrfachnennungen sind die Folge.
Bei Betrachtung eines Fragebogens und der darin vorformulierten Antwortmöglich-
keiten erweist sich diese Angelegenheit aus dem Blickwinkel der Fuzzy-Set-Theorie als
höchst grotesk. Die Intervalle auf der Kardinalskala werden nämlich im allgemeinen mit
linguistischen Termen umschrieben, z.B. "stimme stark zu", "stimme eher zu", "lehne eher
ab", "lehne stark ab". Diese linguistischen Begriffe werden dann meist mit Zahlen (bei vier
möglichen Antworten meist 3,2,1,0) identifiziert. Man erhält also folgendes Bild:
3
1
0
"stimme stark zu"
( )
x
"lehne stark ab"
( )
x
"stimme eher zu"
( )
x
"lehne eher ab"
( )
x
1
0
2
Abb. 4.5
Skala mit scharfen
Intervallen und
linguistischen
Umschreibungen
Aus der graphischen Darstellung wird klar, daß sich hier Probleme ergeben können:
einerseits ragen die Träger der linguistischen Terme über die Grenzen der scharfen
Intervalle hinaus und überschneiden sich gegenseitig, andererseits decken ihre Kerne nicht
das gesamte Kontinuum ab. Wie soll sich ein Befragter verhalten, dessen Einstellung sich
auf dem Kontinuum mittels der in folgender Abbildung dargestellten Fuzzy-Menge
wiedergeben läßt:
3
1
0
"stimme stark zu"
( )
x
"lehne stark ab"
( )
x
"stimme eher zu"
( )
x
"lehne eher ab"
( )
x
1
0
2
"Einstellung des Befragten"
( )
x
Abb. 4.6
Individuelle Einstel-
ung und linguistische
Terme als Fuzzy-
Mengen
Die unscharfe Einstellung des Befragten erstreckt sich auf zwei der scharfen Intervalle, der
Kern der Einstellung schneidet keinen der Kerne der vorgegebenen Fuzzy-Mengen. Es
bleibt dem Befragten somit nichts anderes übrig als beide Antworten anzukreuzen. Man
kann argumentieren, daß eine Skala mit vier Abschnitten zu wenig fein unterteilt ist, da
Menschen im Schnitt sieben bis elf verschiedene Niveaus
35
unterscheiden können. Doch
meine Erfahrung als Interviewerin hat mich gelehrt, daß Befragte auch bei sieben oder acht
Antwortmöglichkeiten zu Zwischenantworten wie etwa ,,4 bis 5" neigen. Noch keine
35
Vgl. Mayntz/Holm/Hübner (1978), S.
52.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
32
Entscheidungsrelevante Daten
Erfahrungswerte gibt es über die Reaktion von befragten Personen auf die Aufforderung,
eine Fuzzy-Menge auf einer Skala einzuzeichnen, die ihre Einstellung wiedergibt.
3
1
0
2
"Einstellung des Befragten"
( )
x
Abb. 4.7
Individuelle Einstellung als
Fuzzy-Menge auf der Skala
Eine typische Intervallskala, bei der die Intervalle mit linguistischen Begriffen
umschreiben werden, ist unsere Schulnotenskala. Die Unschärfe der Noten manifestiert
sich typischerweise, wenn man bei einem Punktesystem von etwa 100 Punkten, eine Note
um einen Punkt ,,gerade noch erreicht" oder ,,gerade verpaßt" hat: der Prüfling, der 50
Punkte erreicht hat, ist nicht scharf besser als der mit 49, aber dennoch hat er im Gegensatz
zu seinem Kollegen die Prüfung positiv absolviert. Bei einer linguistischen Interpretation
unserer Begriffe "genügend" und "nicht genügend" bzw. "positiv" und "negativ" wird die
Problematik erkennbar:
0
1
"nicht genügend"
( ) =
x
"positiv"
( )
x
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
"genügend"
( )
x
"negativ"
( )
x
Abb. 4.8
Schulnoten als
Fuzzy-Mengen auf
der Punkteskala
Wer jedoch den Vorschlag machen möchte, zu einer verbalen Beurteilung
überzugehen, sei gewarnt: In Dienszeugnissen für ausscheidende Mitarbeiter ist eine
verbale Beurteilung üblich. Doch hier ist zu beachten, daß die spezielle Bedeutung von
linguistischen Begriffen im allgemeinen von der landläufigen Bedeutung der Begriffe
abweicht. Wenn ein Mitarbeiter seinen Dienst "zur großen Zufriedenheit" versehen hat, so
ist dies eine sehr negative Beurteilung des Mitarbeiters. Die negative Beurteilung muß
euphemistisch formuliert an dem ausscheidenden Mitarbeiter vorbeigeschleust werden, um
der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, welche verbietet, durch negative Formulierungen die
Suche nach einer neuen Stelle zu erschweren,
36
genüge zu tun. Ein Mitarbeiter, der
tatsächlich zur Zufriedenheit gearbeitet hat, hat seinen Dienst "stets zur allergrößten
Zufriedenheit" verrichtet. Durch diese Konvention, die zwar üblich, aber nicht gleich dem
Schulnotensystem allgemeingültig standardisiert ist, kann es leider geschehen, daß
unerfahrene Vorgesetzte, die eher Anhänger einer nüchterneren Sprache sind und nicht zu
Superlativen und Übertreibungen neigen, ausscheidenden Mitarbeitern, ohne es zu wollen
und ohne es zu wissen, ein negatives Zeugnis ausstellen.
37
36
Gemäß §
39 AngG.
37
Vgl. etwa Rastetter (1996), S.185ff.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
33
Entscheidungsrelevante Daten
"zur großen Zufriedenheit"
( )
x
"zur großen Zufriedenheit"
( )
x
(im Dienstzeugnis)
(im allgemeinen Sprachgebrauch)
Zufriedenheitsgrad
Abb. 4.9
Linguistischer Term im
Dienstzeugnis und im allgemeinen
Sprachgebrauch
4.2 Unschärfe in ausgewählten Bereichen des Rechnungswesens
Im betrieblichen Rechnungswesen werden Sachverhalte und Vorgänge im Unter-
nehmen zahlenmäßig erfaßt, um den Adressaten (Kaufmann, Eigen- oder Fremdkapital-
geber, Fiskus) die erforderlichen Informationen bereitzustellen.
38
Bei näherer Betrachtung
erkennt man sehr schnell, daß in allen der angesprochenen Teilgebiete immer wieder
Größen auftreten, deren eindeutige (scharfe) Quantifizierung problematisch ist, was zu
Unschärfeproblemen bei der Erstellung der Werke des Rechnungswesens führt. Ebenso
muß man sich bei der Informationsbeschaffung aus dem Rechnungswesen bewußt sein, daß
diese scheinbar so exakten Zahlen, nach vorgegebenen Grundsätzen gestaltet, Abbildungen
hochkomplexer Sachverhalte und Prozesse sind, es müssen also aus den scharfen
quantitativen Größen die zugrundeliegenden Unschärfen rekonstruiert werden.
4.2.1 Unschärfe bei Bilanzansätzen
In zahlreichen Bestimmungen des österreichischen HGB finden sich Bewertungs-
vorschriften, die nur äußerst unscharf umrissen sind. So sind der derivative Firmenwert
(§
203 Abs 5) und die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des abnutzbaren
Anlagevermögens (§
204 Abs 1) ,,auf die Geschäftsjahre zu verteilen, in denen der
Vermögensgegenstand voraussichtlich wirtschaftlich genutzt werden wird". Nach §
204
Abs
2 sind außerdem ,,Gegenstände des Anlagevermögens ... auf den niedrigeren Wert
abzuschreiben, der ihnen am Abschlußstichtag unter Bedachtnahme auf die Nutzungs-
möglichkeit beizulegen ist". Auch ,,Einlagen und Zuwendungen sowie Entnahmen sind mit
dem Wert anzusetzen, der ihnen im Zeitpunkt ihrer Leistung beizulegen ist, ..." (§
202
Abs
1). Nach § 207 sind Gegenstände des Umlaufvermögens, für die ,,ein Börsenkurs oder
Marktpreis nicht festzustellen" ist ,,und die Anschaffungs- oder Herstellungskosten den
Wert, der dem Vermögensgegenstand am Abschlußstichtag beizulegen ist," übersteigen,
auf diesen abzuschreiben (Abs
1); ,,außerdem dürfen Gegenstände des Umlaufvermögens
38
Vgl. Heinen/Kupsch (1991), S.
1329 ff., Hämmerle/Steckel (1998), S. 9 u. S. 18, Egger/Samer/Bertl
(2002), S.
18.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
34
Entscheidungsrelevante Daten
abgeschrieben werden, soweit dies nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung
notwendig ist, ..." (Abs
2). Auch im Bereich der Passivposten gibt es unscharfe
Formulierungen, so sind nach §
211 Abs 1 auch ,,Rückstellungen ... in der Höhe
anzusetzen, die nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist."
Diese unscharfen Bewertungsvorschriften
39
beinhalten also eine linguistische Be-
zeichnung für eine Zeitspanne, die "voraussichtliche wirtschaftliche Nutzungsdauer", sowie
zwei linguistische Begriffe für Werte, nämlich den am Abschlußstichtag "beizulegenden
Wert" und den "nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Wert".
Zunächst entsteht der Eindruck, es sich bei diesen linguistischen Begriffen um
qualitative linguistische Begriffe handle, welche nur schwer quantifizierbar sind. Aus dem
Begriff der "vernünftigen kaufmännischen Beurteilung" lassen sich zwei Merkmalsdimen-
sionen ableiten, welche ihrerseits qualitativer Natur sind: "Kaufmännisches" Verhalten
bzw. "kaufmännische Beurteilung" stellt zwar unverzüglich die Assoziation zum Begriff
der ,,Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns" des §
347 öHGB, die unter anderem eine
erhöhte Haftung für Kaufleute gegenüber ihren Geschäftspartnern beinhaltet, hieraus kann
aber keine konkrete Handlungsanweisung für die Bewertung von Vermögensgegenständen
abgeleitet werden. Der Begriff des "vernünftigen" Handelns stellt die Assoziation zum
Rationalitätspostulat her, nach welchem rationales Handeln eines Individuums die
Orientierung seines Verhaltens, unter Kenntnis sämtlicher Alternativen, auf optimale
Erreichung seiner Ziele in einem konsistenten Zielsystem und Maximierung seines Nutzens
bedeutet
40
. Keinerlei Assoziation bringt der Begriff des "beizulegenden Wertes".
Um dennoch aus der unscharfen Formulierung des HGB zu vernünftigen
linguistischen Fuzzy-Mengen auf dem Universum der möglichen Bewertungen für die
entsprechenden Vermögensgegenstände zu kommen, bietet sich die Methode der Experten-
befragung an. Ein Team von Experten soll einen Konsens darüber finden, welche Werte
mit welchem Akzeptanzgrad als "vernünftige "kaufmännische Beurteilung" eines kon-
kreten Sachverhalts als "beizulegender Wert" angesehen werden kann. Die Bestimmung
der Zugehörigkeitsfunktion (Möglichkeitsdichte) erfolgt dann durch sukzessive Festlegung
von Kern, Träger, einiger wichtiger Zugehörigkeitswerte und einer interpolierenden
verbindenden Funktion
41
. Wesentlich ist hier jedoch, daß solche Fuzzy-Mengen immer für
nur einzelne Vermögensgegenstände nach dem Grundsatz der Einzelbewertung des §
201
Abs
1 Z 3 für den konkreten Einzelfall bestimmt werden können, und daß sie nicht, wie
dies bei linguistischen Begriffen im naturwissenschaftlich-technischen Bereich der Fall ist,
einmal bestimmt werden und dann universal anwendbar sind.
39
Vgl. auch Schredelseker (2002), S.
324 f.
40
Vgl. Schredelseker (2002), S.
177 ff.
41
Einige Ansätze für interpolierende Funktionen stellen Rommelfanger (1994), S.
172 ff. und Hauke (1998),
S.
27 ff. vor.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
35
Entscheidungsrelevante Daten
Beispiel: Der am Abschlußstichtag "beizulegende Wert" des am 25.09.2001 aus dem
Privatvermögen des Gesellschafters Maier in die Maier GmbH eingelegten Fahrzeuges
bildet eine Fuzzy-Menge über der Grundmenge der möglichen Werte (in GE).
0
62
48
50
52
54
56
58
60
x Geldeinheiten
0
1
"beizulgender Wert für Fahr-
zeug in der Maier Gmbh. "
( )
x
Abb. 4.10
Zugehörigkeitsfunktion des
"beizulegenden Wertes"
Possibilistische Interpretation dieser Fuzzy-Menge des "beizulegenden Wertes"
bedeutet, daß jedem Wert auf der Skala der möglichen Werte eines Fahrzeuges eine
Möglichkeit zugeordnet wird. Es ist ein Wert des Fahrzeugs
von 0 bis 50
unmöglich, denn
50
0
für
0
)
(
der Wert"
beizulegen
"
=
x
x
zwischen 50 und 52
weder uneingeschränkt möglich noch unmöglich, denn
52
50
für
)
1
,
0
(
)
(
der Wert"
beizulegen
"
<
<
x
x
und zunehmend möglich, denn
)
(
)
(
52
50
2
der Wert"
beizulegen
"
1
der Wert"
beizulegen
"
2
1
x
x
x
x
<
<
<
<
von 52 bis 58
uneingeschränkt möglich, denn
58
52
für
1
)
(
der Wert"
beizulegen
"
=
x
x
zwischen 58 und 60
weder uneingeschränkt möglich noch unmöglich, denn
60
58
für
)
1
,
0
(
)
(
der Wert"
beizulegen
"
<
<
x
x
und abnehmend möglich, denn
)
(
)
(
60
58
2
der Wert"
beizulegen
"
1
der Wert"
beizulegen
"
2
1
x
x
x
x
>
<
<
<
von 60 oder mehr
unmöglich, denn
60
für
0
)
(
der Wert"
beizulegen
"
=
x
x
Der linguistische Begriff des "beizulegenden Wertes" des Fahrzeugs umfaßt also den
Bereich von 52-58 GE als Kern und dazu noch unscharf die Bereiche 50-52 GE und
58-60 GE.
Ein zentraler Begriff bei der Frage der Bewertung, der auch den von Experten, die
den Konsens über die oben genannte Fuzzy-Menge finden sollen, als Entscheidungs-
grundlage herangezogen werden muß, ist die "voraussichtliche wirtschaftliche Nutzungs-
dauer"; sowohl für das abnutzbare Anlagevermögen als auch für den derivativen
Firmenwert gibt das öHGB dafür klare Anweisungen (§
204 Abs 1 bzw. § 203 Abs 5). Die
Nutzungsdauer eines Objekts, die ihrerseits von seiner Lebensdauer abhängt, ist eine
Zufallsvariable
42
, deren Parameter mittels statistischer Methoden zu schätzen sind. Für die
42
Siehe Abschnitt 7.1, S.
113.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
36
Entscheidungsrelevante Daten
statistische Schätzung von Lebensdauern bzw. Nutzungsdauern wird eine Stichprobe
gezogen, auf deren Basis die Schätzung erfolgt, d.h. Erfahrungswerte in bezug auf
vergleichbare Objekte in vergleichbaren Situationen werden gesammelt und statistisch
ausgewertet. Diese können dabei aus dem eigenen Untenehmen stammen oder auch von
anderen Unternehmen, sofern eine Vergleichsmöglichkeit gegeben ist. Diese einmal
geschätzte Nutzungsdauer und die daraus abgeleitete Bewertung sind dann auch
beizubehalten.
43
Für außerplanmäßige Abschreibungen muß ein besonderer Grund gegeben
sein, welcher entweder im Verfall des Marktpreises oder in einer wesentlichen Verkürzung
der Nutzungsdauer bestehen kann. Bei der Bestimmung dieses niederen Wertes bzw. der
verkürzten Nutzungsdauer, ist wiederum statistischen Methoden der Vorzug zu geben. Auf
die Tatsache, daß die Nutzungs- bzw. Lebensdauer eines Objekts oder auch der Marktpreis
bzw. Börsenkurs selbst unscharfe Größen sein können, werden wir in den folgenden
Abschnitten eingehen.
Um eine Methode für die Bewertung von Rückstellungen zu anzugeben, sei hier
zunächst die Legaldefinition einer Rückstellung des §
198 Abs 8 HGB angeführt: Nach Z 1
sind Rückstellungen ,,für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus
schwebenden Geschäften zu bilden, die am Abschlußstichtag wahrscheinlich oder sicher,
hinsichtlich ihrer Höhe oder dem Zeitpunkt ihres Eintritts unbestimmt sind." Außerdem
dürfen nach Z
2 Rückstellungen ,,für ihrer Eigenart nach genau umschriebene, dem
Geschäftsjahr oder einem früheren Geschäftsjahr zuzuordnende Aufwendungen gebildet
werden, die am Abschlußstichtag wahrscheinlich oder sicher, aber hinsichtlich ihrer Höhe
oder dem Zeitpunkt ihres Eintretens unbestimmt sind. ..." Bei näherer Betrachtung erkennt
man, daß Rückstellungen den Charakter von Versicherungen haben,
44
somit liegt eine
Bestimmung der Rückstellung mit versicherungsmathematischen Methoden, welche ihrer-
seits eine Anwendung von statistischen Methoden sind, nahe. Zwingend vorgeschrieben ist
die Bestimmung der Rückstellungshöhe nach versicherungsmathematischen Grundsätzen
für ,,Rückstellungen für laufende Pensionen und Anwartschaften auf Pensionen sowie
ähnliche Verpflichtungen" (§
211 Abs 2).
Abschließend sei hier noch gesagt, daß die Bilanz auch die Bemessungsgrundlage
für
Ertragsteuern
liefert.
Sofern
nicht
zwingende
steuerliche
Bestimmungen
entgegenstehen, sodaß eine steuerliche Mehr-Weniger-Rechnung erforderlich ist, sind
steuerliche Ansätze oft nur dann gültig, wenn bereits in der Handelsbilanz der
entsprechende
Ansatz
gewählt
wurde
(umgekehrte
Maßgeblichkeit).
45
Diese
43
Der Grundsatz der materiellen Bilanzkontinuität fordert, daß einmal gewählte Grundsätze und Methoden
der Bewertung beizubehalten sind und nicht willkürlich gewechselt werden dürfen; §
201 Abs 1 sagt dies
deutlich: ,,die auf den vorhergehenden Jahresabschluß angewendeten Methoden sind beizubehalten" (vgl.
Coenenberg (2000), S.
67).
44
Vgl. Coenenberg (2000), S.
341 ff.
45
Vgl. Coenenberg (2000),S.
39 f.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
37
Entscheidungsrelevante Daten
Einschränkung durch das Steuerrecht bewirkt eine Reduktion der Fuzziness der im HGB
verwendeten Begriffe.
46
Beispiel: Wurden geringwertige Vermögensgegenstände/Wirtschaftsgüter (Anschaffungs-
bzw. Herstellungskosten maximal 400 Euro) angeschafft, so können diese sowohl
handelsrechtlich (§
205 Abs 1 und § 226 Abs 3 HGB) als auch steuerrechtlich (§ 13
EstG) sofort abgeschrieben werden. Betrachtet man zunächst den handelsrechtlichen
Ansatz isoliert, so erhält man eine Fuzzy-Menge der "vernünftigen kaufmännischen"
Bewertungen der Summe der im Jahr angeschafften geringwertigen Vermögensgegen-
stände als eine Fuzzy-Menge über dem Universum aller möglichen Bewertungen,
welches sich von einem Ansatz von 0 bei vollständiger Sofortabschreibung aller
geringwertigen Vermögensgegenstände bis zu einer Aktivierung sämtlicher gering-
wertiger Vermögensgegenstände erstreckt. Eine erhebliche Reduktion der Fuzziness
dieser Fuzzy-Menge erhalten wir, wenn auch die steuerliche Komponente einbezogen
wird, da Sofortabschreibung den steuerlichen Gewinn vermindert und Aktivierung ihn
erhöht. Unter Berücksichtigung der Ertragsteuern erhalten wir eine völlig neue
Definition der "vernünftigen kaufmännischen" Bewertung, welche unter Umständen, je
nach der Gewinn- oder Verlustsituation des Unternehmens, nur noch in einem einzigen
scharfen Punkt bestehen kann.
4.2.2 Unscharfe Lebens- und Nutzungsdauern
Die Lebensdauer eines Objekts ist in der Betriebswirtschaft von großer Bedeutung,
da sie die Basis für jegliche Überlegung in bezug auf Nutzungsdauer, Anschaffungs- und
Liquidationswert, und somit für jegliche Investitionsentscheidung und für viele Bilanzie-
rungsentscheidungen darstellt. Bei Bilanzierungsentscheidungen ist die Nutzungsdauer von
abnutzbaren Gegenständen des Anlagevermögens insbesondere Grundlage für die Berech-
nung der Abschreibungssätze. Bei vielen Objekten ist die Funktionsdauer keine scharfe
Zahl, sondern, wie einleitend erwähnt, etwa bei einer Batterie, eine unscharfe Größe.
47
Zur Bestimmung von unscharfen Lebensdauern eignet sich das folgende von
Viertl
48
entwickelte Konzept: Die jeweilige Funktionsfähigkeit entlang der Zeitachse wird
aufgrund der noch vorhandenen Spannung
u(t) bestimmt. Die Zugehörigkeitsfunktion der
unscharfen Lebensdauer A
~
der Batterie erhält man durch Differenzieren der Spannungs-
46
Vgl. auch Abschnitt 4.2.8, S.
58 f.
47
Diese Unschärfe der Lebensdauer, welche sich auf die Nutzungsdauer auswirkt, ist zu unterscheiden von
dem in Abschnitt 4.2.1, S.
35 f. behandelten linguistischen Begriff der "voraussichtlichen wirtschaftlichen
Nutzungsdauer".
48
Vgl. Viertl (1992), S.
122 f., Viertl (1996), S. 23 ff., vgl. auch Comploj (1994), S. 72 f. Viertl wendet das
Konzept auf technische und auf biologische Lebensdauern an.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
38
Entscheidungsrelevante Daten
abfallskurve und Multiplikation mit 1 (da die Ableitung negativ ist) und anschließende
Normierung durch Division durch ihr betragsmäßiges Maximum:
0
1,5
1
0,5
u
t
u t
( )
a)
0
1
t
A
~
( ) =
t
dt
du t
( )
dt
du t
( )
min
c)
0
1,5
t
b)
u t
( )
A
~
( ) =
t
dt
du t
( )
dt
du t
( )
min
dt
du t
( )
dt
du t
( )
.
(-1)
1
0,5
u,
Abb. 4.11 Spannungsabfall und unscharfe Lebensdauer einer Batterie
(
)
°¿
°
¾
½
¸
¹
·
¨
©
§
=
¸¸¹
·
¨¨©
§
=
°¯
°
®
¸¸¹
·
¨¨©
§
¸
¹
·
¨
©
§
=
=
-
-
-
1
0
1
0
1
0
A
~
A
~
)
(
)
(
)
(
)
(
)
(
)
(
)
(
min
max
max
sig
)
(
0
)
(
,
A
~
dt
t
du
dt
t
du
dt
t
du
dt
t
du
dt
t
du
dt
t
du
dt
t
du
t
t
t
t
t
t
t
(4.1)
Das Beispiel der Batterie wurde hier gewählt, weil es besonders anschaulich ist, wer
kennt nicht aus der Fernsehwerbung den ,,Hasentest" eines bekannten Herstellers von
Alkaline-Batterien.
An die Stelle der Batterie könnte auch eine multifunktionale Maschine treten, deren
Funktionen nicht auf einmal sondern nach und nach ausfallen. Man denke an einen LKW,
der durch einen Defekt nur noch auf 50 km/h beschleunigt werden kann, sonst aber tadellos
funktioniert, und der daher im Ortsverkehr problemlos weiter eingesetzt werden kann, aber
für den Fernverkehr nicht mehr herangezogen werden kann. Folgende Fälle einer partiellen
Weiterverwendung trotz partiellen Funktionsausfalls, wenn die Maschine wesentliche
Funktionen noch erfüllt, sind denkbar:
-
die Maschine ist sehr teuer,
-
die Reparatur rentiert sich nicht,
-
die Maschine wurde bereits gebraucht angeschafft,
-
ausgefallene Funktionen können ohne großen Aufwand manuell oder von einer
anderen Maschine verrichtet werden.
Auf diese Weise erhält man eine unscharfe Lebensdauer der Maschine. Die Zugehörig-
keitsfunktion der unscharfen Lebensdauer einer solchen Maschine kann etwa durch
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
39
Entscheidungsrelevante Daten
folgendes Verfahren bestimmt werden: Man bewertet die einzelnen Funktionen der
Maschine mit Punkten und bestimmt auf diese Weise den jeweiligen Wert der Maschine
(in Punkten) im Zeitkontinuum. Auf diese Weise erhält an eine Treppenfunktion mit
Unstetigkeiten an den Sprungstellen, an denen sie nicht differenzierbar ist, und waag-
rechten Strecken zwischen den Sprüngen, wo die Ableitung konstant gleich Null ist, sodaß
die Methode (4.1) nicht sofort anwendbar ist. Zuerst muß die unstetige Funktion durch eine
stetige Approximation ersetzt werden.
49
1
0
t
t
1
t
2
t
n
t
n-1
Abb. 4.12 Treppenfunktion der Funktionsausfälle von Funktion 1 bis Funktion
n
Wird die Lebensdauer zur Bestimmung der Nutzungsdauer als Basis für eine
notwendigerweise scharfe Bilanzierungsentscheidung bestimmt, so ist der Zeitpunkt anzu-
setzen, zu dem so viele Funktionen ausgefallen sind, daß die Maschine im Betrieb nicht
mehr verwendet werden kann (sofern eine Nutzung bis ans Ende der Lebensdauer und
nicht ein früherer Ersatz geplant wird).
4.2.3 Unscharfe Börsenkurse von Finanzinstrumenten
Börsenkurse sind einerseits von Relevanz für Investitions- und Finanzierungsent-
scheidungen, da Kauf bzw. Verkauf zu verschiedenen Zeitpunkten große Gewinne bzw.
Verluste bringen kann, und andererseits für Bilanzierungsentscheidungen, da ein Finanz-
instrument, dessen Börsenkurs gegenüber dem letzten Bilanzansatz und gegenüber den
Anschaffungskosten gesunken ist, sowohl nach HGB (§
204 Abs 2 bzw. § 207 Abs 1) als
auch nach IAS
39 abgewertet bzw., wenn dieser gestiegen ist, aufgewertet werden muß,
nach HGB (§
208 Abs 1) maximal bis zu den seinerzeitigen Anschaffungskosten.
Börsenkurse sind Größen, welche durch jedes Umsatzgeschäft beeinflußt werden
und sich somit ständig verändern. Im Laufe einer Periode, etwa innerhalb eines Tages,
nehmen an einer Börse oder börsenähnlichen Einrichtung gehandelte Vermögensgegen-
stände (Wertpapiere, zu diesen zählen im weiteren Sinn auch Terminkontrakte über
Vermögensgegenstände) zahlreiche verschiedene Werte an. Um wichtige Kursdaten eines
gehandelten Produktes ex post am Folgetag der Öffentlichkeit zugänglich zu machen,
haben sich in den Wirtschaftszeitungen verschiedene Darstellungsformen etabliert.
49
Vgl. dazu auch Comploj (1994), S.
102 ff.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
40
Entscheidungsrelevante Daten
Die folgenden Tabellen stammen aus dem Wall Street Journal vom 25.09.1996 und
stellen die Terminpreise von einigen Commodity Futures Kontrakten
50
bzw. Currency
Futures Kontrakten
51
dar.
52
Tuesday, September 24, 1996.
Open Interest Reflects Previous Trading Day
Lifetime
Open
Open
High
Low
Settle
Change High
Low
Interest
GRAINS AND OILSEEDS
CORN (CBT) 5,000 cu.; cents per bu.
Dec
312 3/4 313
309 3/4 310 1/2
-2 3/4 389
239
189,154
Mr97
319 3/4 319 3/4 316 1/6 317
-2 3/4 394 1/2 279 3/4
62,588
May
326 1/2 326 1/2 322 3/4 323
-3 1/4 394
306
26,557
July
328
328
324 1/2 325
-3
393
284
19,643
Sept
308
308
306 1/2 306 1/2
-2 1/2 335
298
2,526
Dec
298 3/4 298 3/4 296 1/2 298
-1 3/4 310
249 3/4
13,722
Est vol 45,000; vol Mon 50,970; open int 316,376, +7,345.
OATS (CBT) 5,000 bu.; cents per bu.
Dec
166 1/4 169
165 1/2 167 3/4
1
257 1/7 160
8,883
Mr97
173 1/2 175 3/4 173
174
3/4 258 1/2 169 1/4
2,296
May
178 1/2 179
177 1/2 178 1/2
1/2 250
173 3/4
260
Est vol 750; vol Mon 507; open int 11,499, -161.
SOYBEANS (CBT) 5,000 bu.; cents per bu.
Nov
795
796
788
791 1/4
-7 1/2 825
585
121,578
Ja97
804 1/2 804 1/2 796
798 1/4
-8 1/4 824
650
29,460
Mar
807
808 1/4 801
803 1/4
-8 1/4 830
695
15,770
May
802
805 1/2 800
803
-6 3/4 828
735
14,786
July
804
806
800
803 1/4
-7 1/2 828
611
12,092
Nov
732
734 1/2 729 1/2 732 3/4
-4 3/4 749
597 1/2
5,345
Est vol 45,000; vol Mon 42,338; open int 199,390, -2,371.
SOYBEAN MEAL (CBT) 100 tons; $ per ton.
Oct
260,80
260,80
258,20
260,00
-0,80
265,70
190,00
20,076
Dec
257,70
257,70
255,00
255,90
-1,90
262,00
178,00
43,742
Ja97
256,00
256,00
254,20
254,60
-2,40
260,00
215,00
8,420
Mar
253,30
253,40
251,60
251,70
-2,90
258,00
226,50
11,055
May
249,00
249,50
248,50
248,50
-2,10
256,00
199,20
6,493
July
249,50
249,50
247,70
248,30
-2,30
256,00
199,20
3,011
Aug
247,00
247,00
245,00
246,00
-1,90
251,50
227,00
591
Est vol 17,000; vol Mon 20,836; open int 94,192, +87.
SOYBEAN OIL (CBT) 60,000 lbs.; cents per lb.
Oct
25,00
25,90
28,88
24,94
-0,24
29,10
23,82
12,487
Dec
25,42
25,45
25,28
25,33
-0,24
29,30
24,45
47,028
Ja97
25,67
25,68
25,55
25,58
-0,20
29,28
24,82
7,775
Mar
25,97
26,03
25,88
25,90
-0,24
29,25
25,12
9,422
May
26,20
26,28
26,11
26,18
-0,19
29,25
25,38
6,124
July
26,40
26,48
26,30
26,40
-0,15
29,10
25,70
1,666
Est vol 11,000; vol Mon 9,257; open int 85,256, +60.
CURRENCY
Lifetime
Open
Open
High
Low
Settle
Change High
Low
Interest
JAPAN YEN (CME) - 12,5 million yen; $ per yen (.00)
Dec
0,9207
0,9270
0,9200
0,9267
0,0058
1,0500
0,9156
69,664
Mr97
0,9345
0,9392
0,9342
0,9393
0,0058
1,0045
0,9285
1,889
June
0,9519
0,0058
0,9790
0,9415
197
Est vol 18,393; vol Mon 5,381; open int 71,778, -386.
DEUTSCHEMARK (CME) - 125,000 marks; $ per mark
Dec
0,6653
0,6701
0,6640
0,6698
0,0047
0,7070
0,6537
60,644
Mr97
0,6690
0,6740
0,6687
0,6743
0,0046
0,6937
0,6633
1,184
June
0,6788
0,0044
0,6947
0,6690
2,112
Est vol 17,240; vol Mon 11,422; open int 63,940, +736.
CAN DOLLAR (CME) - 100,000 dlrs.; $ per Can $
Nov
0,7338
0,7353
0,7333
0,7348
0,0005
0,7460
0,7130
35,096
Ja97
0,7368
0,7380
0,7364
0,7376
0,0005
0,7400
0,7117
914
Mar
0,7396
0,0005
0,7405
0,7185
608
May
0,7415
0,0005
0,7402
0,7309
131
Est vol 3,450; vol Mon 4,507; open int 36,785, -1,076.
BRITISH POUND (CME) - 62,500 pounds; $ per pound
Oct
1,5550
1,5680
1,5550
1,5656
0,0100
1,5712
1,4850
37,566
Est vol 47,334; vol Mon 3,696; open int 37,645, +115.
SWISS FRANC (CME) - 125,000 francs; $ per franc
Dec
0,8166
0,8231
0,8145
0,8227
0,0062
0,8999
0,7976
47,478
Ja97
0,8232
0,8315
0,8228
0,8307
0,0061
0,8715
0,8050
1,326
Est vol 11,965; vol Mon 9,995; open int 38,860, -1,177.
AUSTRALIAN DOLLAR (CME) - 100,000 dlrs.; $ per A. $
Oct
0,7895
0,7895
0,7825
0,7843 -0,0059
0,7998
0,7665
9,545
Est vol 1,087; vol Mon 415; open int 9,585, -74.
MEXICAN PESO (CME) - 500,000 new Mex. peso; $ per MP
Dec
0,1260
0,1266
0,1259
0,1263
0,0057
0,1266
0,0990
12,607
Ja97
0,1193
0,1200
0,1193
0,1199
0,0090
0,1224
0,1007
2,320
Mar
0,1135
0,1145
0,1135
0,1141
0,0100
0,1155
0,1027
1,263
May
0,1087
0,1095
0,1087
0,1095
0,0130
0,0197
0,1045
268
Est vol 8,231; vol Mon 6,261; open int 16,465, -168.
Abb. 4.13 Terminpreise von Commodity und Currency Futures
Bei beiden Tabellen fällt unverzüglich auf, daß für jedes der gehandelten Objekte
nicht ein einzelner Wert, sondern ein Zahlentupel, bestehend aus Eröffnungspreis,
Höchstpreis, Niedrigstpreis, Settlement-Preis und einigen weiteren Angaben, angeführt ist.
50
Quelle: Hull (1998), S.
27.
51
Quelle: Hull (1998), S.
65.
52
Futures sind Festgeschäfte, bei welchen am Verfalltag unbedingt das zugrunde liegende Basisobjekt
geliefert und der Terminpreis bezahlt werden muß.
Der Terminpreis ist der über die Laufzeit bis zum Verfalltag aufgezinste Kassamarktpreis (Kassamarkt-
preis ist der aktuelle Marktpreis bei sofortigem Kauf, d.h. Kassakauf).
Aus den Schwankungen der Terminmarktpreise lassen sich leicht Rückschlüsse auf die Schwankungen der
Kassamarktpreise ziehen.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
41
Entscheidungsrelevante Daten
Settlement-Preis ist der Preis, auf den beim Daily Settlement der Terminpreis standard-
mäßig gesetzt wird, sodaß der Wert des Futures-Kontrakts immer wieder null beträgt.
53
Diese Darstellung als Zahlentupel erinnert sehr an die Darstellungsform (3.17) bzw.
(3.18) für trapezförmige Fuzzy-Intervalle bzw. trianguläre Fuzzy-Zahlen.
54
Interpretiert
man die Zahlentupel als Fuzzy-Intervalle bzw. -Zahlen, so läßt sich unmittelbar aus der
Tabelle der Träger der Fuzzy-Menge bestimmen: er ist das Intervall zwischen niedrigstem
und höchstem Preis, so lautet etwa der Träger des unscharfen Terminmarktpreises vom
24.09.1996 für den im Oktober 1996 fälligen Futures Kontrakt für Sojaöl:
]
09
.
25
,
88
.
24
[
)
s
Terminprei
supp(
s
Terminprei
1996
Oct,24.09.
Sojaöl,
0
1996
Oct,24.09.
Sojaöl,
~
=
=
>
Um weitere
-Komponenten bzw. Teile der Zugehörigkeitsfunktion des Fuzzy-
Terminpreises zu bestimmen, gibt es verschieden Varianten. Die einfachste Variante, für
welche die Zeitungsinformation ausreicht, besteht in der Annahme einer triangulären
Fuzzy-Zahl (3.18), deren Kern der Settlement-Preis ist:
)
s
Höchstprei
reis,
Niedrigstp
preis;
Settlement
(
s
Terminprei
Tag
Termin,
Produkt,
~
=
(4.2)
In der Darstellungsform (4.2) erhält man etwa für den oben genannten Kontrakt:
)
09
.
25
,
88
.
24
;
94
.
24
(
s
Terminprei
1996
Oct,24.09.
Sojaöl,
~
=
Zur Konstruktion weiterer Fuzzy-Mengen benötigt man detailliertere Informationen
über den Verlauf der Umsätze der Kontrakte im Tagesablauf. Möglichkeiten zur
Berechnung
von
Zugehörigkeitsfunktionen
mit
höherem
Informationsgehalt
für
normalisierte Fuzzy-Mengen, welche die entsprechenden Terminpreise repräsentieren, sind
etwa (bei Vorliegen der benötigten Information):
s
Terminprei
gleichem
zu
umen
Umsatzvol
Maximales
s
Terminprei
zum
men
Umsatzvolu
)
(
~
s
Terminprei
x
x
=
(4.3)
oder
s
Terminprei
gleichem
zu
dauer
Umsatzeit
Maximale
s
Terminprei
zum
Umsatzes
des
Zeitdauer
)
(
~
s
Terminprei
x
x
=
(4.4)
Neben der oben angeführten zahlenmäßigen Repräsentation von Börsenkursen,
Kassa- und Terminmarktpreisen gibt es auch graphische Darstellungsformen, welche als
53
Beim Daily Settlement wird eigentlich der alte Futures-Kontrakt mit dem alten Terminpreis aufgelöst und
durch einen neuen Futures-Kontrakt mit neuem Terminpreis ersetzt, die Differenz zwischen neuem und
altem Terminpreis wird den Kontraktpartnern gutgeschrieben bzw. angelastet (vgl. Hull (1998), S.
29).
54
Siehe Abschnitt 3.3, S.
17.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
42
Entscheidungsrelevante Daten
Visualisierungen von Fuzzy-Zahlen bzw. Intervallen interpretierbar sind. Unter den
zahlreichen Ausprägungsformen von Charts erinnern insbesondere Balkencharts, welche
die in Europa gebräuchlichsten Charts sind
55
, an Darstellungen von Fuzzy-Zahlen.
Bei Balkencharts wird bei für die jeweilige Periode eine senkrechte Linie (Balken)
vom niedrigsten bis zum höchsten Kurs gezeichnet. Bei Tagescharts wird meist der
Schlußkurs mittels eines kleinen waagrechten Striches auf der rechten Seite des Balkens
eingezeichnet, manchmal zusätzlich auch der Eröffnungskurs durch einen kleinen waag-
rechten Strich auf der linken Seite des Balkens. ,,Durch diese Darstellung wird das Ausmaß
der Kursschwankungen in der Periode verdeutlicht und eine Vorstellung von der generellen
Kursdynamik des Papiers vermittelt"
56
, gerade diese Dynamik, diese Instabilität kann eben
als Fuzziness interpretiert werden.
2400
2500
2600
2700
2800
2900
3000
3100
3200
3300
3400
3500
3600
3700
3800
3900
4000
4100
4200
4300
4400
4500
AUG
SEP
OKT
NOV
DEZ
97
FEB
M RZ
APR
M AI
JUN
JUL
AUG
Abb. 4.14
Balkenchart
DAX
Frankfurt/Index
06.08.9601.08.97
Auch hier kann der Träger der Fuzzy-Menge, die den Kurs beschreibt, unmittelbar
dem Chart abgelesen werden, es ist der Balken vom niedrigsten zum höchsten Kurs.
Bezieht man Angaben über Schlußkurs bzw. eventuell Eröffnungskurs mit ein, so ergeben
sich, sofern keine weiteren Informationen vorliegen, prinzipiell zwei Varianten zur
Bestimmung einer Fuzzy-Zahl: entweder es wird in Analogie zu (4.2) eine trianguläre
Fuzzy-Zahl gebildet durch:
)
Höchstkurs
urs,
Niedrigstk
;
Schlußkurs
(
Kurs
Tag
~
=
(4.5)
oder es werden auf dem Träger Schlußkurs und Eröffnungskurs als zwei Punkte mit
höherem
Zugehörigkeitsgrad
hervorgehoben,
etwa
5
,
0
)
kurs
Eröffnungs
(
~
Kurs
=
,
1
)
Schlußkurs
(
~
Kurs
=
, so daß sich etwa in der Schreibweise (3.20) folgendes Bild ergibt:
55
Während in Europa mit Balkencharts versucht wird, möglichst die gesamte Bandbreite eines Kursverlaufs
unter Hervorhebung einiger wichtiger punktueller Kurse oder, anders ausgedrückt, die ganze Fuzziness
eines Kursverlaufs zu erfassen, ist man in den USA (etwa in den gebräuchlichen Point-and-Figure
Charts) geneigt, nur wesentliche Richtungswechsel im Kursverlauf neben Zeitspannen einer (im wesent-
lichen) konstanten Kursrichtung abzubilden (vgl. Schredelseker (2002), S.
380 ff.).
56
Schredelseker (2002), S.
381.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
43
Entscheidungsrelevante Daten
[
]
{
}
}
Schlußkurs
/{
1
kurs}
Eröffnungs
/{
5
,
0
Schlußkurs
kurs,
Eröffnungs
\
Höchstkurs
urs,
Niedrigstk
/
0
Kurs
Tag
~
=
>
Für
weitere
Darstellungen
mittels
Fuzzy-Mengen
sind
wiederum
detailliertere
Informationen nötig. Dann können die Fuzzy-Darstellungen für die Börsenkurse eventuell
wiederum entsprechend (4.3) oder (4.4) dargestellt werden.
4.2.4 Unscharfe Ertragswerte von Finanzinstrumenten
Sofern Finanzinstrumente nicht an der Börse gehandelt werden und auch sonst kein
allgemein akzeptierter Marktpreis über diese vorliegt, muß eine alternative Bewertungs-
methode angewendet werden.
57
Da der Wert eines Gegenstandes sich im allgemeinen aus
den Zukunftserwartungen ableitet,
58
müssen diese mittels eines geeigneten Kalküls
zahlenmäßig erfaßt werden: ein solches Kalkül stellt das Ertragswertverfahren dar.
59
Der Ertragswert ist die abgezinste Summe aller zukünftig erwarteten Zahlungs-
ströme, man spricht auch vom Kapitalwert oder Barwert der Zahlungsströme:
60
¦
=
+
-
=
T
t
t
t
t
i
a
e
EW
1
)
1
(
)
(
wobei
t
t
a
e ,
die Ein- bzw. Auszahlungen in der Periode t darstellen, i den Kalkulations-
zinssatz sowie T den Planungshorizont.
Nun liegen jedoch alle Bestimmungsgrößen dieses Modells, d.h. die Ein- und
Auszahlungen ebenso wie der anzuwendende Kalkulationszins, in der Zukunft, somit ist
eine exakte Bestimmung dieser Größen problematisch. Jenßen
61
hat zur Lösung dieses
Problems eine Modellierung mit Fuzzy-Zahlen vorgeschlagen. Hier drängt sich zunächst
57
Vgl. Egger/Samer/Bertl (2002), S.
479 f. Hier bezieht man sich insbesondere auf die Bewertung nach IAS,
auf welche erst im folgenden Abschnitt 4.2.5, S.
47 ff. eingegangen wird. Da aber im vorhergehenden
Abschnitt 4.2.3, S.
39 ff. Unschärfen bei Marktpreisen von Finanzinstrumenten, behandelt wurden, soll
bereits hier auf Unschärfen bei alternativen Bewertungsmodellen eingegangen werden.
58
Vgl. IDW (2000), S.
826.
59
Vgl. IDW (2000), S.
835 ff.
Neben dem im deutschsprachigen Raum üblichen Ertragswertverfahren gibt es das Discounted Cash Flow-
Verfahren, welches im angloamerikanischen Raum verbreitet ist. Die beiden Verfahren unterscheiden sich
vor allem im Hinblick auf die Bestimmung des Kalkulationszinssatzes (vgl. IDW (2000), S.
837 f.).
Im Steuerrecht wird das sog. Wiener Verfahren zur Bewertung von nicht-börsennotierten Finanzinstru-
menten verwendet, welches einen Mittelwert zwischen Substanzwert und Ertragswert darstellt (vgl.
Doralt/Ruppe (2001), S.
12).
60
Zu beachten ist hier, daß nur die zukünftigen (Ein-)Zahlungen zu berücksichtigen sind, während das
Kapitalwertkalkül, wenn es als Entscheidungsverfahren verwendet wird (vgl. Abschnitt 8.8, S.
197), auch
die Anfangs(aus)zahlung, d.h. den Preis, der für das Finanzinstrument zu entrichten ist, miteinschließt.
Gerade diesen Preis gilt es aber zu ermitteln. Im Englischen werden die beiden Begriffe als PV (Present
Value, entspricht dem Kapitalwert) und NPV (Net Present Value, Nettobarwert) verwendet, um den
Unterschied zu zeigen (vgl. Schredelseker (2002), S.
38).
61
Vgl. Jenßen (1997), S.
245 ff.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
44
Entscheidungsrelevante Daten
die Frage auf, wieso mit Fuzzy-Mengen operiert wird, wo hier doch eindeutig ein Mangel
an Information und nicht an begrifflicher Schärfe vorliegt, und diese Unbestimmtheitskate-
gorie eigentlich mit Instrumenten der Wahrscheinlichkeitstheorie zu modellieren wäre.
62
Doch hier bietet die Possibilitätstheorie, welche zur Fuzzy-Mengen-Theorie
isomorph ist, einen Ausweg.
63
Wiederum ist als wesentliches Argument für eine Modellie-
rung mit Fuzzy-Mengen anstatt mit stochastischen Modellen der geringere Rechenaufwand
und die damit kostengünstigere Implementierungsmöglichkeit anzuführen
64
.
Auch Jenßen
65
spricht die possibitistische Interpretation der als unscharfe Zahlen
abgebildeten geschätzten zukünftigen Zahlungsströme an: ,,man wird einen Bereich
festlegen können, innerhalb dessen der tatsächliche Wert der Zahlung vermutet wird;
Zahlen in der Mitte dieses Bereichs wird man eher für möglich halten als solche am Rand".
Die Zugehörigkeitsfunktion der Fuzzy-Menge einer unscharfen Zahlung stellt jeweils den
Grad der Möglichkeit einer bestimmten Zahlungshöhe dar.
0
x
Geldeinheiten
0
1
"geschätzte Zahlung"
( )
x
Abb. 4.15
Unscharfe Zahlung
Insbesondere wird im Vorschlag von Jenßen
66
auch das Problem der Festlegung
eines geeigneten Kalkulationszinssatzes
67
mittels eines unscharfen Zinssatzes gelöst.
68
4.2.5 Unscharfe Interpretation von Bilanzgrößen
Bisher wurde der Weg beschritten, daß in einem Unternehmen zahlreiche Größen
sich zunächst als Fuzzy-Mengen manifestieren, welche aber im Jahresabschluß dennoch
mittels scharfer Werte repräsentiert werden müssen, da dies in den Rechnungslegungs-
standards Fuzzy-Mengen vorgeschrieben ist.
62
Vgl. Abschnitt 2.2, S.
9 ff.
63
Ausführlich zur Possiblitätstheorie, vgl. Comploj (1994), S.
74 ff. Die erwähnte Isomorphie wird gezeigt
bei Comploj (1994), S.
87 ff.
Auch in dieser Arbeit wurde die possibilistische Interpretation von Fuzzy-Mengen bereits mehrfach
angesprochen (vgl. v.a. Abschnitt 3.4, S.
19 ff., auch Einleitung, S. 3).
64
Vgl. Einleitung, S.
3 in dieser Arbeit, sowie Rommelfanger (1994), S. 55, Hauke (1998), S. 72.
65
Vgl. Jenßen (1997), S.
46 f.
66
Vgl. Jenßen (1997), S.
47.
67
Vgl. etwa Schredelseker (2002), S.
41 ff.
68
Auf eine analytische Darstellung der Berechnung unscharfer Ertragswerte soll hier verzichtet werden, da
das Rechnen mit unscharfen Zahlen bzw. das erforderliche Extensionsprinzip erst in Abschnitt 5.3,
S.
72 ff. eingeführt wird.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
45
Entscheidungsrelevante Daten
Gemäß dem Publizitätsprinzip muß der Jahresabschluß von Kapitalgesellschaften
generell, zumindest eingeschränkt, offengelegt, für große Aktiengesellschaften auch (im
Amtsblatt zur Wiener Zeitung) veröffentlicht werden (§§
277-281 HGB). Gemäß § 195
HGB soll der Jahresabschluß ein möglichst getreues Bild der Vermögens- und Ertragslage
eines Unternehmens bilden. Doch die zahlreichen Unschärfen, die in den vorausgehenden
Abschnitten dargestellt wurden, manifestieren sich auch bei der Interpretation des
Jahresabschlusses. Der Leser der Handelsbilanz muß sich bewußt sein, daß es sich bei dem
angegebenen
Wert
eines
Vermögensgegenstandes
um
einen
"nach
vernünftiger
kaufmännischer Beurteilung notwendigen Wert" bzw. "beizulegender Wert" handelt,
69
und
daß der betreffende Ansatz unter Umständen primär aus steuerlichen Gründen gewählt
wurde. Von anderen Problemen der Zuverlässigkeit der Bilanzzahlen als Mittel für
Rückschlüsse auf den Wert der Vermögensgegenstände und des Unternehmens, wie die
Vergangenheitsbezogenheit der Bilanz und der daraus resultierende historische Charakter
der Bilanz, ebenso wie die durch Auflösung und Übertragung stiller Reserven verfälschten
Bilanzwerte soll an dieser Stelle zwar hingewiesen, aber nicht näher eingegangen werden.
70
Es sind also, um ein tatsächliches - unscharfes - Bild über die Vermögens- und Ertragslage
des Unternehmens zu erhalten, aus den scharfen Zahlen der Bilanz die ursprünglichen
Fuzzy-Mengen der als vernünftig akzeptierten Bewertungen für die Vermögensgegenstände
möglichst zu rekonstruieren.
Zweierlei ist bei der Rekonstruktion zu beachten: erstens werden die zahlreichen
,,Ermessensspielräume und Unschärfebereiche"
71
, die das Rechnungslegungsrecht den
Unternehmen offen läßt, von der Unternehmensleitung im Rahmen der Bilanzpolitik als
Instrumente zur Manipulation der Meinung und des Verhaltens externer Bilanzadressaten
genutzt.
72
Zweitens ist die Rechnungslegung in Deutschland und in Österreich von dem
zentralen Leitprinzip des Gläubigerschutzes bestimmt.
73
Das öHGB tendiert somit, ebenso
wie das dHGB, dazu, die Vermögens- und Ertragslage eines Unternehmens schlechter
darzustellen, als sie tatsächlich ist. Das Vorsichtsprinzip des §
201 Abs 2 Z 4 schreibt vor,
daß ,,a) nur die am Abschlußstichtag realisierten Gewinne auszuweisen" (Realisations-
prinzip) sind, dagegen sind ,,b) erkennbare Risken und drohende Verluste, die in dem
Geschäftsjahr oder einem früheren Geschäftsjahr angefallen sind, zu berücksichtigen ..."
(Imparitätsprinzip) und ,,c) Wertminderungen unabhängig davon zu berücksichtigen, ob
das Geschäftsjahr mit einem Gewinn oder Verlust endet".
74
69
Vgl. Abschnitt 4.2.1, S.
33 f.
70
Vgl. etwa Coenenberg (2000), S.
876 ff., Heinhold (1993), S. 121 ff., Wagenhofer (2000), S. 231 ff.,
Egger/Samer/Bertl (2002), S.
496 ff.
71
Schredelseker (2002), S.
324. Zu den einzelnen Spielräumen siehe etwa: Coenenberg (2000), S. 879.
72
Vgl. etwa Seicht (1997), S.
780, Wagenhofer (2000), S. 234.
73
Vgl. Coenenberg (2000), S.
46.
74
Vgl. auch Coenenberg (2000), S.
67 f.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
46
Entscheidungsrelevante Daten
Das Niederstwertprinzip für Vermögensgegenstände manifestiert sich im gemilder-
ten Niederstwertprinzip für das Anlagevermögen: nach §
204 Abs 2 sind ,,Gegenstände des
Anlagevermögens ... bei voraussichtlich dauernder Wertminderung ... außerplanmäßig auf
den niedrigeren Wert abzuschreiben ...", und dem strengen Niederstwertprinzip für das
Umlaufvermögen: nach §
207 Abs 1 sind ,,bei Gegenständen des Umlaufvermögens ...
Abschreibungen vorzunehmen, um diese mit dem Wert anzusetzen, der sich aus einem
niedrigeren Börsenkurs oder Marktpreis am Abschlußstichtag ergibt." Außerdem kann die
bei Wegfall der Gründe für die außerplanmäßigen Abschreibungen an sich erforderliche
Zuschreibung gemäß §
208 Abs 1 kann aus steuerlichen Gründen unter Angabe von
Gründen unterbleiben (§
208 Abs 2 u. 3).
75
Für Verbindlichkeiten gilt dagegen das Höchstwertprinzip: nach §
211 Abs 1 sind
,,Verbindlichkeiten ... zu ihrem Rückzahlungsbetrag anzusetzen" (der aufgrund der anfal-
lenden Zinsen im allgemeinen höher ist), für ungewisse, wahrscheinliche Verbindlichkeiten
und drohende Verluste sind nach §
211 Abs 1 iVm. § 198 Abs 8 Rückstellungen zu bilden.
Auch die mögliche Sofortabschreibung geringwertiger Vermögensgegenstände
gemäß §
205 Abs 1 iVm. § 226 Abs 3, die zwar meist zu Verminderung des steuerlichen
Gewinns vorgenommen wird, stellt das Unternehmen abermals ärmer dar, als es tatsächlich
ist, da vorhandene Vermögensgegenstände in der Bilanz nicht aufscheinen, allerdings mit
der Einschränkung, daß nach §
205 Abs 1 eine Rücklage zu bilden ist, wenn die Abschrei-
bung betragsmäßig von wesentlichem Umfang ist. Auch die Aktivierungsverbote für
selbsterstellte immaterielle Wirtschaftsgüter (§
197 Abs 2) und den originären Firmenwert
(§
205 Abs 5) haben eine Unterbewertung des Unternehmens in der Bilanz zur Folge.
76
Diese hier zusammengefaßten Bilanzierungsvorschriften und -wahlrechte des
öHGB lassen klar erkennen, daß sich aus den Beträgen in der Bilanz für die Vermögens-
gegenstände immer eine Untergrenze für den unscharfen Wert des Unternehmens bzw. des
Eigenkapitals ergibt.
0
x Geldeinheiten
0
1
"möglicher Wert des Kapitals"
( )
x
1
"Kapital laut HGB-Bilanz"
( )
x
Abb. 4.16
Eigenkapital laut HGB-Bilanz
und mögliches Eigenkapital
Erste Rückschlüsse, um Unterbewertungen auf die Spur zu kommen, liefert die
Gewinn- und Verlustrechnung, in welcher Abschreibungen des betrachteten Wirtschafts-
75
Nicht unterbleiben darf nach §
6 Z 11 letzter Satz EStG die Zuschreibung bei Beteiligungen im Sinn des
§
228 Abs 1 HGB, d.h. bei einem Beteiligungsausmaß von mehr als 20 % an bei Beteiligung an Kapital-
gesellschaften, sowie bei jeglicher Beteiligung an Personengesellschaften.
76
Vgl. auch Coenenberg (2000), S.
878 f.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
47
Entscheidungsrelevante Daten
jahres geltend gemacht wurden. Zur Ermittlung Abschreibungen früherer Jahre sind die
entsprechenden Rechenwerke relevant. Aus steuerlichen Gründen unterlassene Zuschrei-
bungen müssen im Anhang angeführt und begründet werden (§
208 Abs 3) und sind daher
aus diesem ersichtlich, so daß auch hieraus Aufschlüsse über den eigentlichen unscharfen
Wert des Eigenkapitals (d.h. des Unternehmens) möglich sind.
Vergleichen wir Rechnungslegungsvorschriften des öHGB mit den entsprechen
Vorschriften aus dem angelsächsischen und amerikanischen Kulturkreis, so wird
unverzüglich klar, daß hier ein anderes Ziel verfolgt wird. Während im deutschen
Sprachraum, wie erwähnt, der Schutz der Kreditgeber im Vordergrund steht, ist in
Vereinigten Staaten (nach den US-GAAP) die Information der Kapitalanleger und deren
Schutz oberstes Ziel.
77
Eine konkrete Gegenüberstellung
78
der Vorschriften des öHGB etwa mit den
entsprechenden Bestimmungen der IAS
79
ergibt, daß dem in Österreich (und Deutschland)
dominierenden Vorsichtsprinzip das Ziel eines ,,true and fair view" und einer ,,decision
usefulness" als oberstes Ziel gegenübersteht, eine Einschränkung dieser Generalnorm ist
nicht vorgesehen. Nach IAS dürfen nicht bewußt Erträge und Aktive zu niedrig und
Aufwendungen und Passiva zu hoch angesetzt werden, da dies die decision usefulness
beeinträchtigen würde.
80
Das Vorsichtsprinzip spielt nur eine untergeordnete Rolle, etwa
beim Aktivierungsverbot für einen originären Firmenwert nach IAS
38.36.
81
Das Impari-
tätsprinzip
82
und das Realisationsprinzip (für Gewinne)
83
, welche nach HGB zwingend
einzuhalten sind, werden in den IAS mehrfach durchbrochen.
Die Bilanzierung von Eventualgewinnen, das sind Gewinne, die aus vergangenen
Ereignissen stammen, und deren Eintreten oder Nichteintreten von einem oder mehreren
unsicheren Ereignissen bestimmt wird, ist nach IAS und nach HGB untersagt, doch nach
IAS ist über das Bestehen eines Eventualgewinnes, dessen Eintreten wahrscheinlich ist, zu
berichten.
84
Für langfristige Fertigungsaufträge gibt es nach IAS
11 eine Sonderregelung:
Auftragserlöse und kosten entsprechend dem Leistungsfortschritt als Erträge und
Aufwendungen zu erfassen (percententage-of-completion-method gemäß IAS
11.2),
77
Vgl. Schredelseker (2002), S.
323 f., Auer (2000), S. 6, Coenenberg (2000), S. 46.
78
Vgl. Auer (2000), S.
5 ff.
79
Mit dem Ziel einer weltweiten Verbesserung und Harmonisierung von Grundsätzen, Regelungen und
Methoden der Rechnungslegung wurden von dem 1973 gegründeten International Accounting Standards
Committee (IASC), dem derzeit Wirtschaftsprüfungsorganisationen aus 101 Ländern angehören, die
International Accounting Standards (IAS) formuliert und veröffentlicht als ein System von Rechnungs-
legungsgrundsätzen, welche weltweit Anerkennung und Beachtung finden sollen. Als Vorbild für die IAS
dienten die amerikanischen Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP). (Vgl. Coenenberg
(2000), S.
70 ff., Auer (2000), S. 2 f., Egger/Samer/Bertl (2002), S. 7 ff.)
80
Vgl. Coenenberg (2000), S.
42, Auer (2000), S. 8 f. und S. 13, Egger/Samer/Bertl (2002), S. 422.
81
Vgl. Coenenberg (2000), S.
157, Auer (2000), S. 79, Egger/Samer/Bertl (2002), S. 460.
82
Vgl. Coenenberg (2000), S.
65, Egger/Samer/Bertl (2002), S. 422 .
83
Vgl. Coenenberg (2000), S.
63, Egger/Samer/Bertl (2002), S. 422.
84
Vgl. Auer (2000), S.
112.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
48
Entscheidungsrelevante Daten
während §
201 Abs 2 Z 4 lit a HGB den Ausweis von nicht realisierten Erträgen
grundsätzlich verbietet, Voraussetzung für eine Teil-Ertragsrealisation nach HGB ist eine
Lieferung bzw. Leistung und Abrechnung in Teilen.
85
Selbsterstellte immaterielle Vermögensgegenstände dürfen nach IAS
38, mit
Ausnahme des oben erwähnten originären Firmenwertes (IAS
38.36) aktiviert werden,
unter der Voraussetzung, daß das Unternehmen daraus einen künftigen Nutzen ziehen kann
und die Kosten verläßlich geschätzt werden können.
86
Regelungen zum Finanzvermögen finden sich in IAS
39: So ist das Finanzanlage-
vermögen entweder zu Anschaffungskosten oder zu Neubewertungsbeträgen oder auch
zum niedrigeren Wert aus Anschaffungskosten und Markwert anzusetzen, Buchwert-
erhöhungen im Falle einer Neubewertung werden dem Eigenkapital in Form einer
Neubewertungsrücklage zugeschrieben,
87
Finanzinvestitionen des Umlaufvermögens
(financial assets held for trading) sind entweder zum Marktwert oder zum niedrigen Wert
aus Anschaffungskosten und Markwert anzusetzen.
88
Unterschiede bestehen auch bei den Pensionsrückstellungen, während nach HGB
das Gleichverteilungs- oder Teilwertverfahren und das Gegenwartswert- oder Ertragswert-
verfahren, welches die in späteren Jahren höhere Wahrscheinlichkeit einer Inanspruch-
nahme durch stärkere Belastung späterer Jahre berücksichtigt, zulässig sind, ist nach
IAS
19 nur das dem Gegenwartswertverfahren grundsätzlich entsprechende Anwartschafts-
verfahren vorgesehen.
89
Diese Liste von größeren und kleineren Abweichungen ließe sich noch lange
fortsetzen. Insgesamt sieht man zweierlei:
-
erstens wird aus den unterschiedlichen Zahlen, die sich aus einem einzigen Sachverhalt
ergeben, eindeutig klar, daß sowohl die Werte von Vermögensgegenständen, als auch
der Wert des Eigenkapitals eines Unternehmens eine unscharfe Größe ist
-
zweitens ist die Rechnungslegung des deutsch-österreichischen Kulturkreises
wesentlich vorsichtiger, sodaß die Bewertung des Eigenkapitals eines Unternehmens
nach HGB im allgemeinen niedriger ist als die nach IAS bzw. US-GAAP.
0
x Geldeinheiten
0
1
"möglicher Wert des Kapitals"
( )
x
1
"Kapital laut HGB-Bilanz"
( )
x
1
"Kapital laut IAS-Bilanz"
( )
x
Abb. 4.17
Eigenkapital lt. IAS-Abschluß,
lt. HGB-Abschluß und
mögliches Eigenkapital
85
Vgl. Coenenberg (2000), S.
245 ff., Auer (2000), S. 86 ff, Egger/Samer/Bertl (2002), S. 465.
86
Vgl. Coenenberg (2000), S.
155, Auer (2000), S. 73, Egger/Samer/Bertl (2002), S. 457 ff.
87
Vgl. Coenenberg (2000), S.
166 f., Auer (2000), S. 77 f., Egger/Samer/Bertl (2002), S. 481.
88
Vgl. Coenenberg (2000), S.
259 ff., Auer (2000), S. 92 f., Egger/Samer/Bertl (2002), S. 478 ff.
89
Vgl. Coenenberg (2000), S.
352, Auer (2000), S. 95 f., Egger/Samer Bertl (2002), S. 468 f.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
49
Entscheidungsrelevante Daten
Das folgende Beispiel soll die Demonstration des unscharfen Bildes, das sich aus
den unterschiedlichen Rechnungslegungsnormen ergeben kann, abrunden:
,,Im Jahre 1993 mußte die Daimler Benz AG, als sie als erstes deutsches Industrie-
unternehmen an der New York Stock Exchange gelistet werden wollte und zu diesem
Zweck einen Halbjahresabschluss auf der Basis der US-amerikanischen Rechnungsle-
gungsnormen (US-GAAP) erstellen: Während im deutschen Abschluss ein Halbjahres-
überschuß von 117 Mio. DM ausgewiesen werden konnte, mußte im amerikanischen
Bericht ein Verlust in Höhe von 949 Mio. DM verbucht werden; ähnliche Differenzen
gab es im Bereich des Eigenkapitals, das sich im deutschen Abschluss auf ca. 19 Mrd.
DM und im amerikanischen Abschluss auf über 26 Mrd. DM belief."
90
4.2.6 Unschärfe in Ausprägung und Interpretation von Bilanzkennzahlen
Die Interpretation von Bilanzdaten erfolgt im allgemeinen nicht durch die
Interpretation einzelner Bilanzwerte, wie im vorhergehenden Abschnitt vielleicht der
Eindruck entstanden sein dürfte, sondern durch die Bildung von Kennzahlen
91
aus Zahlen
der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung nach entsprechender Bereinigung
92
.
Wichtige Kennzahlengruppen sind einerseits Rentabilitätskennzahlen
93
, und andererseits
finanzwirtschaftliche Kennzahlen
94
, dazu zählen Deckungs- und Liquiditätskennzahlen,
Kapital- und Vermögensstrukturkennzahlen und Umschlagskennzahlen.
Bei der Bestimmung von Kennzahlen werden dabei jeweils zwei oder mehr Größen
aus dem Jahresabschluß miteinander in Beziehung gesetzt. So erhält man etwa:
al
Eigenkapit
schuß
Jahresüber
ität
alrentabil
Eigenkapit
=
e
Bilanzsumm
ögen
Anlageverm
ensität
Anlagenint
=
,
tal
Gesamtkapi
al
Fremdkapit
ngsgrad
Verschuldu
=
Eine erste Überlegung zu diesen Werten führt zu dem Ergebnis, daß bei diesen
Kennzahlen Werte zueinander in Beziehung gesetzt werden, an deren Stelle eigentlich
Fuzzy-Zahlen stehen müßten. Die meisten der angeführten Werte wurden bereits im
vorhergehenden Abschnitt auf ihren Gehalt an Fuzziness untersucht. Unter Anwendung des
90
Schredelseker (2002), S.
324.
91
Vgl. Coenenberg (2000), S.
873 ff., Egger/Samer/Bertl (2002), S. 500 ff.
92
Vgl. Coenenberg (2000), S.
880 ff. , Egger/Samer/Bertl (2002), S. 502 ff.
93
Vgl. Coenenberg (2000), S.
949 ff. , Egger/Samer/Bertl (2002), S. 518 ff.
94
Vgl. Coenenberg (2000), S.
907 ff. , Egger/Samer/Bertl (2002), S. 575 ff.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
50
Entscheidungsrelevante Daten
Extensionsprinzips stellte es keinerlei Schwierigkeit dar, mittels der Division für Fuzzy-
Mengen (5.43)
95
die entsprechenden unscharfen Kennzahlen zu berechnen, welche dann
entsprechend interpretiert werden müßten.
0
x
Geldeinheiten
0
1
"Jahresüberschuß"
( )
x
a)
0
y
Geldeinheiten
0
1
"Eigenkapital"
( )
y
b)
0
z
0
1
"Jahresüberschuß" : "Eigenkapital"
( )
z
=
"Eigenkapitalrentabilität"
( )
z
c)
Abb. 4.18
Unscharfe Kennzahl aus
possibilistischen Bilanzgrößen
Es wäre keine Schwierigkeit, mittels dieser Kennzahlen eine unscharfe Zuordnung
zu den gewöhnlichen (scharfen) Klassen von Kennzahlenausprägungen, die scharfe
Intervalle für (im Bezug zu Vergleichsunternehmen, also insbesondere branchenspezifisch
und auch größenspezifisch) niedrige, mittlere und hohe Ausprägungen sind, vorzunehmen.
Abb. 4.19
Unscharfe Kennzahl und
scharfe Abgrenzung der
möglichen Zuordnung
Es wird aber von den Autoren, die Fuzzy-Methoden zur Analyse von Jahres-
abschlußkennzahlen (im Rahmen der Jahresabschlußprüfung
96
) vorschlagen, ein anderer
Weg beschritten
97
, der ebenfalls zu einem unscharfen Ergebnis führt. Aus den scharfen
Werten der Bilanz werden (nach Berichtigungsvorgängen
98
) scharfe Kennzahlen berechnet.
Das Unschärfekonzept setzt bei der Formulierung der Bandbreiten der Kennzahlenaus-
prägungen an. Die klassischen scharfen Grenzen für die Ausprägungen der Kennzahlen
95
Auf eine analytische Berechnung unscharfer Kennzahlen soll hier verzichtet werden, da das Extensions-
prinzip und die daraus abgeleitete Division unscharfer Zahlen erst in Abschnitt 5.3, S.
72 ff. bzw. S. 74
eingeführt werden.
96
Zur Anwendung von Fuzzy-Methoden in der Jahresabschlußprüfung siehe Abschnitt 4.2.7, S.
52 ff.
97
Vgl. Rommelfanger (1994), S.
152 ff., Rommelfanger (1997), S. 175 ff., Scheffels (1996), S. 7 ff., Pfeifer
(1998), S.
189 ff., Zaeh (1998), S. 413 ff.
98
Vgl. Coenenberg (2000), S.
880 ff.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
51
Entscheidungsrelevante Daten
sind künstlich und unrealistisch, da es etwa in Bezug auf die Insolvenzgefährdung kaum
einen Unterschied macht, ob der Wert der Kennzahl 0.19 oder 0.21 beträgt, wenn aber 0.2
gerade die Grenze zwischen "niedrig" und "mittel" ist,
99
so kann damit sehr leicht ein
Gefahrenpotential übersehen oder überbewertet werden. Außerdem sind Angaben über
Kennzahlenausprägungen ohnehin immer linguistische Formulierungen,
100
wie "niedrig",
"mittel", "hoch"
101
, oder auch "stark", "schwach" oder auch "mittelstark bis stark"
ausgeprägt, immer im Bezug zu Vergleichsunternehmen, also insbesondere branchen-
spezifisch und auch größenspezifisch.
0
z
0
1
"mittelstark"
( )
z
"sehr stark"
( )
z
"sehr schwach"
( )
z
"schwach"
( )
z
"stark"
( )
z
1
"Kennzahl"
( )
z
Ausprägungsstärke
Abb. 4.20
Scharfe Kennzahl und
unscharfe Umschreibungen
der möglichen Ausprägung
Als Verfahren zur Bestimmung der Fuzzy-Mengen, welche die linguistischen
Terme der Ausprägungsstärke charakterisieren, ist entweder das Verfahren der Experten-
befragung möglich oder ein branchenspezifisches statistisches Verfahren.
102
Soll etwa die
Anlagenintensität eines Unternehmens als "niedrig", "durchschnittlich" oder "hoch" einge-
stuft werden, so werden die Anlagenintensitäten aller Vergleichsunternehmen bzw. einer
repräsentativen Stichprobe daraus bestimmt und der Größe nach gereiht. Anschließend
werden die z
0.25
-, z
0.375
-, z
0.625
-, z
0.75
-Quantile bestimmt, und somit die unteren, mittleren
und oberen 25%. Für die linguistischen Terme "niedrig", "durchschnittlich" und "hoch"
werden nun Kern und Träger bestimmt:
]
,
(
)
niedrig"
ker("
25
.
0
0
.
0
z
z
=
,
)
,
[
)
niedrig"
supp("
375
.
0
0
.
0
z
z
=
]
,
[
)
ttlich"
durchschni
ker("
625
.
0
375
.
0
z
z
=
,
)
,
(
)
ttlich"
durchschni
supp("
75
.
0
25
.
0
z
z
=
)
,
[
)
hoch"
ker("
0
.
1
75
.
0
z
z
=
,
)
,
(
)
hoch"
supp("
0
.
1
625
.
0
z
z
=
Für den Verlauf der Zugehörigkeitsfunktion für den Bereich zwischen 0 und 1 wird ein mit
Hilfe von Distanzfunktionen
103
bestimmter Kurvenverlauf vorgeschlagen.
99
Vgl. Pfeifer (1998), S.
193.
100
Vgl. Scheffels (1996), S.
70, Pfeifer (1998), S. 190 f., Hauke (1998), S. 33. Im allgemeinen werden die
linguistischen Umschreibungen für Kenzahlenausprägungen in der Literatur intuitiv verwendet, ohne daß
der Fuzzy-Charakter der linguistischen Begriffe hinterfragt oder auch nur wahrgenommen würde.
101
Diese Einteilung findet sich bei Scheffels (1996), S.
70 ff., Pfeifer (1998), S. 204 ff., Zaeh (1998), S. 422,
letzterer schlägt auch feinere Unterteilungen vor (S.
432 ff.).
102
Vgl. Scheffels (1996), S.
70 ff. bzw. auch Pfeifer S. 49 ff., Rommelfanger (1997), S. 183 ff.
103
Vgl. Bandemer (1992), S.
95 ff., Bandemer/Näther (1992), S.66ff., Comploj (1994), S.63ff., Hauke
(1998), S.
28 f.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
52
Entscheidungsrelevante Daten
0
1
"durchschnittlich"
"hoch"
( )
z
0.25
20
30
40
"niedrig"
( )
z
( )
z
z
0.375
z
0.75
z
0.625
z
Anlagenintensität
z
Abb. 4.21 Linguistische Umschreibung aufgrund branchenspezifischer Häufigkeiten
4.2.7 Fuzzy-Methoden bei der Jahresabschlußprüfung
Unschärfen des Rechnungswesens sind auch für die Jahresabschlußprüfung, d.h. für
die Beurteilung der Korrektheit der Darstellung von Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage
eines Unternehmens im handelsrechtlichen Jahresabschluß durch Wirtschaftsprüfer,
relevant. Nach §
268 Abs 1 öHGB müssen Kapitalgesellschaften, mit Ausnahme von
kleinen GmbH's (§
221 Abs 1 öHGB)
104
, sofern diese nicht aufsichtsratspflichtig sind,
ihren Jahresabschluß durch Wirtschaftsprüfer prüfen lassen, ob dieser ,,unter Beachtung der
Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen ent-
sprechendes Bild der Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage vermittelt". Ziel der Jahresab-
schlußprüfung ist die Erteilung eines Bestätigungsvermerks, dieser kann gemäß §
274
öHGB ein uneingeschränkter oder eingeschränkter Bestätigungsvermerk sein, allenfalls ist
auch eine Versagung des Bestätigungsvermerks möglich.
Da eine lückenlose Prüfung jeder einzelnen Position des Jahresabschlusses
aufgrund des großen Datenmaterials praktisch unmöglich ist,
105
wird im Rahmen des
risikoorientierten Prüfungsansatzes versucht, besonders risikoanfällige Bereiche im Unter-
nehmen durch den Wirtschaftsprüfer schon vorab zu diagnostizieren, um daraus Schwer-
punkte bei der eigentlichen Jahresabschlußprüfung setzen zu können.
106
Ein wesentlicher Bestandteil im Rahmen dieser Vorabprüfung zur Optimierung der
Prüfungsplanung sind analytische Prüfungshandlungen zur Plausibilitätsbeurteilung, bei
denen die Analyse von Kennzahlen im Vordergrund steht.
107
Doch nicht nur im Prüfungs-
vorfeld, auch während der Prüfungsdurchführung, ebenso wie bei der abschließenden
Durchsicht sind analytische Prüfungshandlungen ein wichtiges Instrument zur Verringe-
rung des Risikos, daß Fehler unentdeckt bleiben (Entdeckungsrisiko).
108
Die Analyse von Jahresabschlußkennzahlen stellt somit einen wesentlichen Teil der
Informationsbasis für die Entscheidungen des Wirtschaftsprüfers im Rahmen der Prüfung
dar, einerseits liefert sie bei der Vorabprüfung in der Planungsphase die Basis für die
104
Vgl. Abschnitt 4.1.1, S.
52,, Fußnote 14.
105
Vgl. Lück (1999), S.
68, Scheffels (1996), S. 21, Zaeh (1998), S. 17 u. S. 21.
106
Vgl. Lück (1999), S.
93 ff., Scheffels (1996), S. 1, Zaeh (1998), S. 19 ff.
107
Vgl. Lück (1999), S.
76, Scheffels (1996), S. 31, Zaeh (1998), S. 98 f.
108
Vgl. Lück (1999), S.
115 ff., Scheffels (1996), S. 31, Zaeh (1998), S. 99 f. u. S. 224 ff.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
53
Entscheidungsrelevante Daten
Entscheidung über den Umfang der Prüfungshandlungen bei der eigentlichen Prüfung,
andererseits stellt sie bei der eigentlichen Prüfung ein Hilfsmittel zur Entscheidung über
die Erteilung eines uneingeschränkten oder eingeschränkten Bestätigungsvermerks bzw.
die Versagung des Bestätigungsvermerks dar.
109
Im vorhergehenden Abschnitt 4.2.6 wurde herausgearbeitet, daß die Informationen,
die Jahresabschlußkennzahlen liefern, unscharf sind. Dieser Umstand hat einige Autoren
inspiriert, Ansätze zur Anwendung von Fuzzy-Modellen im Rahmen der Kennzahlen-
analyse bei der risikoorientierten Abschlußprüfung zu formulieren.
110
Ein wissensbasiertes System (Expertensystem) soll den Wirtschaftsprüfer bei der
Gewinnung von entscheidungsrelevanten Erkenntnissen unterstützen.
111
Konstitutive
Bestandteile eines wissensbasierten Systems stellen die Wissensbasis und die Inferenz-
komponente dar.
112
Die zu beurteilenden Größen ,,Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage"
müssen zunächst in Einflußgrößen von geringerer Komplexität strukturiert werden, diese
werden weiter zerlegt, bis auf der untersten Stufe der Analysehierarchie eine Gruppe von
Kennzahlen übrigbleibt, welche das Gesamtproblem in operationalisierter Form repräsen-
tieren. Dieses Wissen wird in der Wissensbasis, die sich wieder in Datenbasis (Fakten-
wissen) und Regelbasis (Regelwissen) gliedern läßt, abgelegt. Während Faktenwissen die
Kennzahlen bzw. komplexeren Einflußgrößen selbst beinhaltet, besteht Regelwissen in den
Zusammenhängen zwischen den einzelnen Größen der Datenbasis.
113
Die Inferenz-
komponente ermöglicht es, für den konkreten Einzelfall aus den in der Wissensbasis
abgelegten Daten und Regeln schrittweise Schlußfolgerungen zu ziehen.
114
109
Vgl. auch Göbel (1998), S.
65 ff.
Göbel (1998) bedient sich in seiner Monographie nicht der unscharfen Mengen, sondern unscharfer Maße
und der darauf basierenden Dempster-Shafer-Evidenztheorie, auf welche hier nicht eingegangen wird.
(Einige kurze Informationen zu Fuzzy-Maßen finden sich in Abschnitt 3.4, S.
19 ff., verwiesen wird
weiters auf Comploj (1994), S.
74 ff. und die Monographie von Wang/Klir (1992) für Fuzzy-Maße, sowie
auf Comploj (1994), S.
181 ff. und die Artikel von Dempster (1966), Shafer (1987) und die Monographie
von Shafer (1976) zur Evidenztheorie.)
110
Vgl. Scheffels (1996), S.
61 ff., Pfeifer (1998), S. 189 ff., Rommelfanger (1994), S. 152 ff., Rommel-
fanger (1997), S.
175 ff.
111
Vgl. Scheffels (1996), S.
38 ff.
Ebenfalls ein Fuzzy-Logik-System im Rahmen der risikoorientierten Jahresabschlußprüfung stellt Zaeh
(1998), S.
413 ff. vor. Er setzt dieses System jedoch nicht zur Analyse von Kennzahlen, sondern zur
unscharfen Risikobeurteilung aus der Kombination verschiedener (externer und interner) Risikofaktoren
des Unternehmens ein. Auf diese Anwendung wird in dieser Arbeit nicht näher eingegangen, da eine
vollständige Berücksichtigung aller betriebswirtschaftlichen Anwendungen von Fuzzy-Modellen den
Rahmen dieser Diplomarbeit sprengen würde.
112
Diese beiden obligatorischen Bausteine unterscheiden Expertensysteme von anderen Computerprogram-
men. Dazu kommt die Datenkomponente, weitere ergänzende Komponenten wissensbasierter Systeme
sind die Wissenserwerbskomponente, die Dialogkomponente sowie die Erklärungskomponente.
Zu Expertensystemen siehe etwa Heinrich/Lehner/Roithmayr (1994), S.
272 ff., vgl. auch Scheffels
(1996), S.
42 ff, Zaeh (1998), S. 367, Fußnote 16.
113
Vgl. Scheffels (1996), S.
43 ff.
114
Vgl. Scheffels (1996), S.
55 f.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
54
Entscheidungsrelevante Daten
Die Regeln der Fuzzy-Logik
115
ermöglichen es, auch die als linguistische Varia-
blen
116
interpretierten (unscharfen) Kennzahlenausprägungen
117
in der Datenbasis eines
Expertensystems zu hinterlegen; man spricht dann von einer Fuzzy-Datenbasis. Herangezo-
gen werden dazu die branchenspezifisch bestimmten Ausprägungen der linguistischen
Variablen.
118
Diese Fuzzy-Daten werden mit den Regeln der Fuzzy-Logik, die in der
Fuzzy-Regelbasis abgelegt sind, zu unscharfen Ergebnisdaten verarbeitet, die dann die
nächste Stufe in der Analysehierarchie ergeben.
Regel
Nr.
Vorrats-
intensität
Umschlags-
häufigkeit
Vorrats-
vermögen
1
hoch
hoch
mittel
2
hoch
durchschnitt
schlecht
3
hoch
niedrig
schlecht
4
durchschnitt
hoch
gut
5
durchschnitt
durchschnitt
mittel
6
durchschnitt
niedrig
schlecht
7
niedrig
hoch
gut
8
niedrig
durchschnitt
mittel
9
niedrig
niedrig
schlecht
Tab. 4.22 Ausschnitt aus dem Fuzzy-Regelwerk des Fuzzy-Logik-Systems
119
Der bei allgemeinen Fuzzy-Logik-Systemen abschließende Verarbeitungsschritt der
Defuzzifizierung kann im Rahmen der Entscheidungsunterstützung des Wirtschaftsprüfers
unterbleiben, da die gewünschten Ausgabedaten ohnehin wiederum unscharfer Natur
sind.
120
Der Inferenz-Prozeß der Fuzzy-Logik wird auch als Fuzzy-Control bezeichnet.
121
115
Auf Fuzzy-Logik und unscharfes Schließen wird in dieser Arbeit nicht näher eingegangen. Im wesent-
lichen basieren die Methoden der Fuzzy-Logik darauf, daß mit Hilfe der in Abschnitt 5.1, S.
66 f. einge-
führten
t-Normen (5.1), t-Conormen (5.5) und Negationen (5.6) die Operationen der Fuzzy-Logik be-
stimmt werden: Konjunktion erfolgt mittels einer
t-Norm, Disjunktion mittels einer t-Conorm, Implikation
wird aus den genannten Operationen abgeleitet:
(a
b)
(¬(a¬b)) bzw. (ab) (¬ab)
Verwiesen wird etwa auf Zadeh (1988), Böhme (1993), Traeger (1993), oder Zimmermann (1993).
116
Vgl. Abschnitt 4.1.1, S.
23 ff.
117
Vgl. Abschnitt 4.2.6, S.
50 ff.
118
Vgl. Abschnitt 4.2.6, S.
51 f., Scheffels (1996), S. 70 ff., Pfeifer (1998), S. 49 ff., Rommelfanger (1997),
S.
183 ff.
119
Quelle: Scheffels (1996), S.
84.
120
Vgl. Rommelfanger (1994), S.
165, Rommelfanger (1997), S. 187 f. Dieser Ansicht schließt sich die
Verfasserin dieser Arbeit an. Andere Autoren, etwa Scheffels (1996), S.
89, Pfeifer (1998), S. 209 ff.,
schlagen dagegen auch für Fuzzy-Logik-Systeme zur Kennzahlenanalyse eine abschließende Defuzzi-
fizierung vor. Ebenso schließt Zaeh (1998), S.
426 u. S. 444 ff. sein Fuzzy-System zur Risikobeurteilung
aus Risikofaktoren mit einem Defuzzifizierungsschritt ab. Auch hier sollte meines Erachtens dieser letzte
Schritt nur im Bedarfsfall durchgeführt werden, da auch hier eine unscharfe Risikobeurteilung (lingui-
stische Beurteilung: "hohes" Risiko) als Resultat im allgemeinen erwünscht sein dürfte, da diese lediglich
Vorentscheidung für für weitere Entscheidungen ist. Ein Defuzzifikationsschritt würde einen Teil des
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
55
Entscheidungsrelevante Daten
Fuzzifizierung
Defuzzifizierung
Inferenz
Eingabedaten
Ergebnisausgabe
Regelbasis
Abb. 4.23 Ablaufschema des Inferenzprozesses mit Hilfe der Fuzzy-Logik
122
4.2.8 Unschärfe und Unsicherheit bei der Unternehmensbesteuerung
Eine wesentliche Determinante bei der Quantifizierung der finanziellen Lage eines
Unternehmens bzw. bei der Unternehmensplanung ist die steuerliche Belastung. Auch im
Bereich des Steuerrechts ergeben sich zahlreiche Unbestimmtheitsbereiche, welche in der
Literatur
123
zur betriebswirtschaftlichen Steuerlehre meist unter dem Begriff ,,Ungewiß-
heit"
124
geführt werden. Hier soll zwecks Konsistenz in der Arbeit für diesen Oberbegriff
die Bezeichnung ,,Unbestimmtheit"
125
verwendet werden.
126
Voß unterscheidet zwei Formen der Unbestimmtheit
127
, nämlich einerseits statische
Unbestimmtheit, welche auf mangelnde Determiniertheit
128
oder Uneindeutigkeit von
Normen (mangelnde Rechtsbestimmtheit
129
) beruht, und andererseits dynamische Unbe-
stimmtheit, welche auf Unbeständigkeit der Steuerrechtsnormen (mangelnde Rechts-
beständigkeit
130
) zurückzuführen ist.
131
Statische Unbestimmtheit kann sich manifestieren
durch die Einbeziehung der Unschärfe gewonnenen Fortschritts wieder zunichte machen und würd
außerdem bei den folgenden Entscheidungen eine neuerliche Fuzzifikation erfordern (vgl. auch Abschnitt
8.3, S.
161 f.).
Scharfe Ausgabewerte von Fuzzy-Logik-Systemen werden jedenfalls bei technischen Anwendungen
benötigt.
121
Vgl. Zaeh (1998), S.
423.
122
Vgl. Pfeifer (1998), S.
192.
123
Etwa Rose (1992), S.
11 ff. bzw. die Monographie von Voß (1992). Daumann (1991), S. 264 ff. spricht
von ,,steuerrechtlichen Unsicherheiten".
124
Voß (1992) unterscheidet in seiner Arbeit bewußt nicht zwischen Risiko, Ungewißheit und Unsicherheit
und verwendet die Begriffe ,,Ungewißheit", ,,Unsicherheit" und ,,Risiko" synonym (vgl. Voß (1992),
S.
27). Unschärfe stellt bei Voß (1992) keinen Analysegegenstand dar.
125
Vgl. Abschnitt 2.2, S.
9 ff.
126
Sofern die Termini hier in der Bedeutung des Originaltexts verwendet werden, werden sie unter ,," gesetzt.
127
Im Original (Voß (1992), S.
28 ff.): ,,Ungewißheit".
128
In der zitierten Literatur wird der hier durch die Bezeichnung ,,mangelnde Determiniertheit" dargestellte
Sachverhalt als Unbestimmtheit bezeichnet.
129
Vgl. Daumann (1991), S.
265 ff. u. S. 271 ff.
130
Vgl. Daumann (1991), S.
265 ff. u. S. 271 ff.
131
Rose (1992), S.
11 ff. unterscheidet Komplexität, ,,Unbestimmtheit" und Unbeständigkeit. Voß (1992),
S.
32 f. interpretiert ,,Unbestimmtheit" und Unbeständigkeit als Determinanten für statische bzw.
dynamische ,,Ungewißheit", Komplexität kann durch entsprechende Informationsbeschaffung reduziert
werden, was bleibt ist ein Rest an statischer ,,Ungewißheit".
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
56
Entscheidungsrelevante Daten
in
uneindeutigen
oder
widersprüchlichen
Gesetzesnormen,
132
in
uneinheitlicher
Handhabung gleicher Sachverhalte durch die Finanzverwaltung, in uneinheitlichen
Entscheidungen von Senaten, Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof, sowie im inter-
nationalen Bereich durch uneindeutige Abgrenzungen in Doppelbesteuerungsabkommen,
unter dynamischer Ungewissheit werden Rechtssprünge in allen Bereichen, d.h.
sprunghafte Änderungen von Gesetzen, Abkehr der Finanzverwaltung von der bisher
geübten Praxis oder der Judikatur von ihrer bisherigen Rechtssprechung, verstanden.
133
Voß
134
differenziert steuerliche Unbestimmtheit weiter nach ihrer Dimension in
eingrenzbare und uneingrenzbare Unbestimmtheit. Eingrenzbarkeit liegt vor, wenn die
Unbestimmtheiten überhaupt erkennbar sind und auch ihre Extrempositionen abschätzbar
sind.
135
Uneingrenzbarkeit liegt dagegen vor, wenn entweder die Gesamtzahl der Möglich-
keiten nicht bestimmbar ist (partielle Uneingrenzbarkeit), oder wenn eine Unbestimmtheit
überhaupt noch nicht zu erkennen ist (totale Uneingrenzbarkeit).
136
Laut Voß
137
ist Eingrenzbarkeit nur bei statischer Unbestimmtheit zu finden, doch
kurzfristig kann zwischen dem Bekanntwerden eines Gesetzesänderungsvorschlages und
dessen Verabschiedung auch dynamische Unbestimmtheit eingrenzbar sein.
138
Partielle
Uneingrenzbarkeit ist auch primär der dynamischen Unbestimmtheit zuzuordnen,
139
etwa
wenn zwar das Bevorstehen eines Rechtssprunges bekannt ist, doch über seine Ausprägung
völlige Unklarheit besteht, ist aber auch im Bereich der statischen Unbestimmtheit
denkbar.
140
Totale Uneingrenzbarkeit ist laut Voß
141
auf dynamische Unbestimmtheit
beschränkt; die Möglichkeit, daß bei mangelhafter Information des Steuerpflichtigen
absolute Unkenntnis über die Existenz einer für ihn relevanten Regelung besteht, läßt
Voß
142
bewußt außer Betracht, da er eine sorgfältige planende und über die steuerlichen
Folgen ihres Handelns informierte Person zugrunde legt.
132
Zum Thema der unbestimmten Gesetzesbegriffe siehe auch Doralt/Ruppe (2001), S.
184.
133
Voß (1992), S.
33 ff. nennt als Rechtsquellen, die Normen und somit (statische und dynamische) Unbe-
stimmtheit produzieren, Legislative, Exekutive und Judikative.
134
Vgl. Voß (1992), S.
52 ff.
135
Vgl. Voß (1992), S.
52 f.
Voß (1992), S.
53 f. unterscheidet noch zwischen hinsichtlich ihrer Steuerwirkung quantifizierbarer und
lediglich extensional eingrenzbarer Unbestimmtheit, räumt jedoch ein, daß aufgrund der generellen
Quantifizierbarkeit von Steuerwirkungen mangelnde Quantifizierbarkeit auf zu hohen Planungsaufwand
zurückzuführen ist. Uns wird die Unterscheidung zwischen unterschiedlichem Quantifizierungsaufwand
im Rahmen der gebundenen und freien Ermessensentscheidungen begegnen (siehe Voß (1992), S.
46 f.).
136
Vgl. Voß (1992), S.
54 f.
137
Vgl. Voß (1992), S.
53.
138
Zwischen dem ersten Vorschlag über die Einführung des Studienbeitrages in Höhe von 363,36 Euro am
26.09.2000 und der endgültigen Verabschiedung durch den Nationalrat am 24.11.2000 waren die
Extrempositionen des möglichen bevorstehenden Rechtssprungs durchaus bekannt.
139
Vgl. Voß (1992), S.
54.
140
Vgl. Voß (1992), S.
55.
141
Vgl. Voß (1992), S.
55.
142
Vgl. Voß (1992), S.
27.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
57
Entscheidungsrelevante Daten
Daumann
143
führt zwar einige mögliche Indikatoren für bevorstehende Rechts-
sprünge an, wie geringe fiskalische Ergiebigkeit des Steuersystems,
144
wahltaktische
Erwägungen der Regierungsparteien,
145
internationale wechselseitige Beeinflussung von
verschiedenen nationalen Steuersystemen,
146
etc., er betont jedoch ebenfalls, daß formali-
sierte quantitative Methoden zur Prognose der zukünftigen Rechtslage nicht eingesetzt
werden können.
147
Dies entspricht im wesentlichen dem Ergebnis der Analyse von Voß,
welches er abschließend kommentiert: ,,Aus alledem ergibt sich, daß weder mit einer
grundlegenden Lösung der Rechtssprungproblematik seitens des Gesetzgebers zu rechnen
noch aus eigener Kraft ein Schutz vor rechtssprungbedingten Schäden zu erlangen ist.
Lediglich partielle Minderungen der Nachteile können erreicht werden. Es bleibt somit bei
den aus Rechtssprüngen resultierenden Erschwernissen der Steuerplanung."
148
Anwendung der Einteilung der Unbestimmtheit aus der Entscheidungstheorie
149
auf
die Kategorien der steuerlichen Unbestimmtheit von Voß führt zu dem Ergebnis, daß
dynamische Unbestimmtheit auf einen Mangel an Information über zukünftige Ereignisse
zurückzuführen ist. Dynamische Unbestimmtheit ist somit eine Ausprägung von
entscheidungsrelevanter Unsicherheit mit den Unterausprägungen Ungewißheit und Risiko,
sie fällt daher in den Bereich der klassischen Entscheidungstheorie.
150
Statische Unbe-
stimmtheit, insbesondere wenn sie eingrenzbar ist, entspricht dagegen der Unbestimmtheit
aus Mangel an begrifflicher Schärfe, daher werden in den folgenden Betrachtungen einige
Möglichkeiten untersucht, begriffliche Unschärfe im Steuerrecht mit Hilfe der Fuzzy-Set-
Theorie zu modellieren. In der Folge wird daher auch von Unschärfe anstelle von
eingrenzbarer statischer Unbestimmtheit gesprochen, der Begriff der Ungewißheit wird für
dynamische Unbestimmtheit verwendet.
151
Unscharfe Bestimmungen in den Steuergesetzen lassen sich in zwei Gruppen
einteilen. Einerseits gibt es Bestimmungen, in denen dem Steuerpflichtigen durch die
Unschärfe ein Wahlrecht eingeräumt wird, sich innerhalb des durch die unscharfe Bestim-
mung gegebenen Rahmens zu bewegen.
152
Auf der anderen Seite stehen Bestimmungen,
143
Vgl. Daumann (1991), S.
311 ff.
144
Vgl. Daumann (1991), S.
312.
145
Vgl. Daumann (1991), S.
313.
146
Vgl. Daumann (1991), S.
312 f.
147
Vgl. Daumann (1991), S.
309.
148
Voß (1992), S.
173 f.
149
Vgl. Abschnitt 2.2, S.
9 ff.
150
Vgl. Abschnitt 2.2.1, S.
9 f.
151
Meist sind bei dynamischer Unbestimmtheit keine Wahrscheinlichkeiten greifbar, sodaß hier die, der
Originalliteratur konforme, Verwendung des Begriffes ,,Ungewißheit" anstelle von ,,Unsicherheit" keine
Verzerrung der Aussage darstellt.
152
Solche gesetzliche Bestimmungen sind nicht als Verstoß gegen das Determiniertheitsgebot des Art 18
BVG anzusehen, sondern als Zuweisungen von Kompetenzen an Fachleute, da niemand anderer die
Sachverhalte in im Unternehmen besser einschätzen könne als der Kaufmann selbst (vgl. Werndl (1997),
S.
195).
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
58
Entscheidungsrelevante Daten
die den Behörden Spielräume einräumen. Unter diesen kann wiederum unterschieden
werden zwischen Paragraphen, deren Rechtsfolge eine Bandbreite zuläßt, und Paragraphen,
deren Tatbestandsmerkmale dehnbar formuliert sind.
Allen Ausprägungen der Unschärfe ist es gemeinsam, daß die Extreme der
möglichen Steuerfolgen bekannt sind, so ist damit, wenn die Darstellungsform der Fuzzy-
Menge gewählt wird, auch der beschränkte Träger der Fuzzy-Menge der möglichen
Steuerfolgen bekannt, da hier die Möglichkeit auf jeden Fall größer 0 ist. Unschärfe ist am
stärksten ausgeprägt bei ausschließlicher Betrachtung der Gesetzesnormen und nimmt ab
bei der Einbeziehung von Entscheidungen und Verwaltungsanweisungen
153
, welche die
dehnbaren Gesetzesnormen konkretisieren. Nach Voß
154
kann die Unschärfe auf Null
reduziert werden, wenn der Steuerpflichtige die in der Anweisung dokumentierte Ansicht
der Finanzverwaltung akzeptiert. In der Sprache der Fuzzy-Mengen- und Possibilitäts-
Theorie heißt dies, daß der im Erlaß konkretisierte Inhalt der dehnbaren Gesetzesnorm
gerade der Kern der Fuzzy-Menge der möglichen Steuerfolgen ist, für den die Möglich-
keitsdichte gleich 1 ist.
Wahlrechte für den Steuerpflichtigen bestehen vor allem bei steuerrechtlichen
Bewertungen. Schon aufgrund der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz
im betrieblichen Bereich gilt für steuerliche Bewertungen im wesentlichen das in Abschnitt
4.2.1
155
zu handelsrechtlichen Bewertungen Gesagte. Dem handelsrechtlichen "beizulegen-
den Wert" und dem "nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Wert"
stehen im Steuerrecht die Begriffe des "Teilwerts" und des "gemeinen Werts" gegenüber.
Gemäß §
6 Z.1 EStG und § 12 BewG ist der ,,Teilwert ... der Betrag, den der Erwerber des
ganzen Betriebes im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut
ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, daß der Erwerber den Betrieb fortführt." Daß
sich aus dieser Definition keine scharfen Werte ableiten lassen, versteht sich von selbst; in
der Literatur
156
werden dafür als ,,Teilwertvermutungen" bezeichnete Schätzverfahren,
welche auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs beruhen, angeführt; die in der
Entscheidung vorgeschlagene Teilwertvermutung liegt dann jeweils im Kern der Fuzzy-
Menge der möglichen als Teilwert in Frage kommenden Werte. Neben den "Teilwert" tritt
der "gemeine Wert", dieser wird nach §
10 Abs 2 BewG ,,durch den Preis bestimmt, der im
gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer
Veräußerung zu erzielen wäre; dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu
berücksichtigen." Für diesen ebenfalls unscharf umrissenen linguistischen Begriff gilt das
153
Solche Verwaltungsanweisungen (Erlässe) sind immer unverbindlich, da sie ansonsten aufgrund ihres
Charakters einer gesetzesergänzenden oder gar gesetzesändernden Norm, für welche nicht die Form des
Gesetzes oder der Verordnung gewählt wurde, wegen Formfehlers verfassungswidrig im Sinne von Art
18
BVG wären (vgl. Doralt/Ruppe (2001), S.
189).
154
Vgl. Voß (1992), S.
40.
155
Vgl. Abschnitt 4.2.1, S.
33 ff.
156
Vgl. etwa Doralt/Ruppe (2000), S.
140 f.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
59
Entscheidungsrelevante Daten
zu Markpreisen und Börsenkursen in den Abschnitten 4.2.1 und 4.2.3 Gesagte.
157
Eine
Verminderung der Unschärfe im Steuerrecht gegenüber dem Handelsrecht findet sich bei
den Vorgaben für Nutzungsdauern, so gelten etwa nach §
8 Abs 1 EStG Sondervorschriften
für die Nutzungsdauern von Gebäuden, ein derivativer Firmenwert ist nach §
8 Abs 3 EStG
zwingend auf 15 Jahre verteilt abzuschreiben.
158
Im Bereich des internationalen Steuerrechts gibt es Bandbreiten vor allem bei der
Abgrenzung von Gewinnen einzelner Betriebsstätten, welche in verschiedenen Staaten
gelegen sind. Gewinne sind gemäß Art
7 des OECD-Musterabkommens zur Vermeidung
von Doppelbesteuerung im Bereich der Ertrags- und Vermögensbesteuerung, welchem
viele Doppelbesteuerungsabkommen nachgebildet sind,
159
nach dem Prinzip des Dealing-
at-arm's-length der jeweiligen Betriebsstätte zuzuordnen und im jeweiligen Belegenheits-
staat zu versteuern.
160
Ähnliches gilt nach Art
9 des Musterabkommens für verbundene
Unternehmen innerhalb eines Konzerns.
161
Um das Prinzip des Arm's-length zu
realisieren, müssen für interne Leistungen zwischen den Unternehmensteilen bzw.
verbundenen Unternehmen "fremdübliche" Verrechnungspreise angesetzt werden.
162
Solche Formulierungen wie "Preise wie unter Fremden" oder "Preise nach dem Fremd-
vergleichsprinzip" sind ,,unbestimmt und auslegungsbedürftig",
163
,,die Methoden der
Verrechnungspreisermittlung können immer nur zu einer Bandbreite von gleichermaßen
zulässigen Beträgen führen. ... Die Bandbreite darf nicht durch eine Vermischung von
vergleichbaren und nicht vergleichbaren Transaktionen gebildet werden, da diese Trans-
aktionen hinsichtlich der Vergleichbarkeits- und Zuverlässigkeitsgrade auf verschiedenen
Ebenen einzustufen sind."
164
Bei einer Interpretation des "fremdüblichen" Preises als Fuzzy-Menge aus
möglichen Preisen liefert der letzte Satz geradezu eine Konstruktionsanleitung für die
Fuzzy-Menge. Die jeweilige Ebene der Vergleichbarkeit und Zuverlässigkeit liefert den
Zugehörigkeitsgrad des jeweiligen errechneten Vergleichspreises zur Fuzzy-Menge, Preise,
die mindestens den gleichen Grad an Vergleichbarkeit und Zuverlässigkeit aufweisen,
bilden die
-Schnitte der Fuzzy-Menge, während die aus den am besten vergleichbaren
Transaktionen errechneten Preise zu den im Kern liegenden gleichermaßen zulässigen
Beträgen führen. Die Bestimmung der Zugehörigkeitsgrade erfolgt mittels einer Ähnlich-
157
Vgl. Abschnitt 4.2.1, S.
36 und Abschnitt 4.2.3, S. 39 ff.
158
Vgl. Abschnitt 4.2.1, S.
36 f.
159
Vgl. Djanani (1998), S.
126.
160
Vgl. Djanani (1998), S.
162 f.
161
Vgl. Djanani (1998), S.
262 ff.
162
Zur Verrechnungspreisproblematik siehe etwa Djanani (1998), S.
275 ff.
Erste Grundsätze zur Bestimmung von Verrechnungspreisen wurden von der OECD 1979 aufgestellt. Als
Antwort auf die amerikanischen Final regulations aus dem Jahre 1994 wurden die OECD-Grundsätze im
Jahre 1995 neu überarbeitet und auf neue Bereiche erweitert.
163
Djanani (1998), S.
277.
164
Djanani (1998), S.
281.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
60
Entscheidungsrelevante Daten
keitsrelation
=~
~
R
165
unter den Vergleichstransaktionen. Zur Bestimmung der Preise der
Vergleichstransaktionen werden die üblichen Berechnungsmethoden angewandt.
166
Anstatt
der Entscheidung für eine Methode werden mehrere Preise nach verschiedenen Methoden
bestimmt, diesen wird aufgrund der Vergleichbarkeit der Transaktion ein Vergleichbar-
keitsgrad
(y)
[0,1] zugeordnet:
)
,
(
:
)
(
:
)
(
d
arkeitsgra
Vergleichb
~
~
y
x
y
y
R
=
=
=
wobei x den Preis der zu verrechnenden Transaktion und y der Preis der Vergleichstrans-
aktion ist. Zusätzlich kann ein Zuverlässigkeitsgrad
(y)
[0,1]
)
(
:
)
(
gkeitsgrad
Zuverlässi
y
y
=
für eine bestimmte Methode bestimmt werden. Den Zugehörigkeitsgrad des Vergleichs-
preises zur Fuzzy-Menge der möglichen Verrechnungspreise bestimmt sich dann als das
Minimum
167
aus Vergleichbarkeitsgrad und Zuverlässigkeitsgrad:
=
=
=
)}
(
),
(
min{
)}
d(
igkeitsgra
Zuverläss
),
d(
arkeitsgra
Vergleichb
min{
:
)
(
~
gspreis"
Verrechnun
"
y
y
ß
y
y
y
(4.6)
0
1
"Verrechnungspreis"
zulässiger Bereich
( )
y
Vergleichpreise
y
unzulässiger Bereich
Kern
unzulässiger Bereich
Ebenen gleicher
Vergleichbarkeit
und
Zuverlässigkeit
1
4
3
2
~
Abb. 4.24
Verrechnungspreis
als Fuzzy-Menge
165
Eine (binäre) Fuzzy-Relation ist definiert als eine unscharfe Teilmenge des zweidimensionalen Uni-
versums U
×U:
(
)
{
}
[ ]
1
,
0
)
,
(
,
U
U
)
,
(
),
,
(
~
~
~
=
y
x
y
x
y
x
y
x
R
R
R
Eine binäre Fuzzy-Relation heißt (unscharfe) Ähnlichkeitsrelation
=~
~
R
wenn sie reflexiv (
1
)
,
(
~
=
x
x
R
U
x
) und symmetrisch (
)
,
(
)
,
(
~
~
x
y
y
x
R
R
=
U
,
y
x
) ist.
Vgl. Comploj (1994), S.
49 ff. und S. 65 ff., Zadeh (1971), S. 421 ff., Zadeh(1975a), S. 2 ff., Bandemer/
Näther (1992), S.
64 f., Kruse/Gebhardt/Klawonn (1993), S. 48 ff., Bandemer/Gottwald (1993), S. 34 f.
166
Die OECD unterscheidet zwischen zwei Gruppen von zulässigen Methoden zur Bestimmung von
Verrechnungspreisen, nämlich den geschäftsfallbezogenen Standardmethoden (Preisvergleichsmethode,
Wiederverkaufspreismethode, Kostenaufschlagsmethode) und den geschäftsfallbezogenen Gewinn-
methoden (Gewinnteilungsmethode, geschäftsfallbezogene Nettomargenmethode). Weitere Methoden die
aufgrund ihrer mangelnden Fremdvergleichskonformität von der OECD abgelehnt werden, kommen in
den USA zur Anwendung.
Vgl. Djanani (1998), S.
282 ff.
167
Anstatt des Minimums kann auch eine andere
t-Norm (vgl. Abschnitt 5.1, S.
66) zur Anwendung kommen.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
61
Entscheidungsrelevante Daten
Die zweite Gruppe der unscharfen Bestimmungen umfaßt Regelungen, die den
Finanzbehörden Spielräume einräumen, sie sind dort anzutreffen, wo die Abgabenbehörden
Entscheidungen nach ihrem Ermessen zu treffen haben.
168
,,Ermessensentscheidungen
müssen sich" nach §
20 BAO ,,an die Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht.
Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweck-
mäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen."
Durch diese Definition des §
20 BAO sind bereits einige Anweisungen zur
Konstruktion einer Fuzzy-Menge aus den in Betracht kommenden Möglichkeiten
vorgegeben. Der Träger wird durch die jeweiligen gesetzlichen Grenzen vorgegeben, durch
die (ebenfalls linguistischen) Begriffe der Billigkeit und Zweckmäßigkeit werden
verschiedene Zugehörigkeitsgrade innerhalb des Trägers differenziert. Billigkeit bezieht
sich auf das berechtigte Interesse des Steuerpflichtigen als Partei, Zweckmäßigkeit auf das
öffentliche Interesse zur Einbringung der Abgabe.
169
Billigkeit und Zweckmäßigkeit
können als Funktionen auf dem Träger der Fuzzy-Menge der möglichen Steuerfolgen
interpretiert werden, die konkrete Gestalt dieser Funktionen kann nur jeweils für den
Einzelfall entschieden werden, und zwar ,,unter Berücksichtigung aller in Betracht
kommenden Umstände". Den Kern der Fuzzy-Menge bildet schließlich ein gemeinsames
Maximum von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsfunktion, als Kombinationsregel kommen
verschiedene Operatoren in Frage, etwa Summe, Produkt oder Minimum der beiden. Die
folgende Abbildung zeigt die Fuzzy-Menge möglicher Ermessensentscheidungen mit der
Zugehörigkeitsfunktion:
)}
gkeit(
Zweckmäßi
,
)
(
Billigkeit
min{
max
)}
gkeit(
Zweckmäßi
,
)
(
Billigkeit
min{
e
Steuerfolg
mögliche
ist
g"
ntscheidun
Ermessense
"
)
(
y
y
x
y
x
x
=
(4.7)
wobei die Division durch das Maximum, ähnlich wie in Abschnitt 4.2.2
170
, lediglich zu
Normierungszwecken erfolgt.
mögliche Steuerfolgen
Steuerfolgen innerhalb der gesetzlichen Grenzen
Billigkeit
Zweckmäßigkeit
mögliche Steuerfolgen
Steuerfolgen innerhalb der gesetzlichen Grenzen
)}
gkeit(
Zweckmäßi
,
)
(
Billigkeit
min{
max
)}
gkeit(
Zweckmäßi
,
)
(
Billigkeit
min{
)
(
g"
ntscheidun
Ermessense
"
x
x
x
x
x
=
0
1
Abb. 4.25 Fuzzy-Menge der billigen und zweckmäßigen Ermessensentscheidungen
168
Vgl. auch Daumann (1991), S.
267 f.
169
Vgl. Doralt/Ruppe (2001), S.
184 f., Posch/Lexa (1993), S. 48.
170
Vgl. Abschnitt 4.2.2, S.
38.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
62
Entscheidungsrelevante Daten
Typische Ermessensbestimmungen sind solche, bei denen den Behörden im Bereich
der anzuwendenden Rechtsfolge ein Spielraum gewährt wird. Eine Verfeinerung läßt sich
noch treffen durch die Einteilung in gebundenes Ermessen und freies Ermessen,
171
wobei
beim gebundenen Ermessen der Behörde im jeweiligen Abgabengesetz genau vorge-
schrieben wird, wie sie ihr Ermessen zu üben hat. Somit lassen sich aus den Paragraphen,
in denen gebundenes Ermessen eingeräumt wird, wesentlich exaktere Anweisungen zur
Konstruktion der betreffenden Fuzzy-Menge ableiten, als dies bei freien Ermessens-
entscheidungen der Fall ist.
Beispiel für eine Bestimmung gebundenden Ermessens ist §
9 Abs 2 GebG, die den
Abgabenbehörden bei nicht ordnungsgemäßer Gebührenentrichtung oder nicht ordnungs-
gemäßer Gebührenanzeige eine Erhöhung der zu entrichtenden Gebühren einräumt. Dabei
ist genau angeführt, für welche Gebühren welche Erhöhung maximal zulässig ist. Bereits in
§
9 Abs 1 wird für bestimmte Gebühren gesetzlich eine Straferhöhung um 50% festgelegt,
zusätzlich zu diesen kann die Behörde bis zu weiteren 50% einheben, für alle anderen
Gebühren beträgt die Bandbreite der Straferhöhung von 0 bis 100%.
Somit kann der Abgabenpflichtige bereits aus dem Gesetz den Träger der Fuzzy-
Menge der erhöhten Gebühr unverzüglich ableiten:
¯
®
=
sonst
]
0
.
2
,
0
.
1
[
1
Abs
9
§
lt.
Geb.
für
2.0]
[1.5,
Gebühr
ursprüngl.
)
Gebühr
erhöhte
supp(
~
(4.8)
Auch für die Zughörigkeitsgrade der einzelnen Werte liefert §
9 Abs 2 Anhaltspunkte,
insbesondere sind dabei der Zeitpunkt der verspäteten Anzeige, die Frage der Tatwieder-
holung, sowie die (wahrscheinliche) Rechtskenntnis des Schuldners zu berücksichtigen:
(
)
Schuldner
olung
Tatwiederh
Anzeige
Gebühr
erhöhte
Gebühr
erhöhte
,
,
~
)
(
~
K
n
t
x
x
=
(4.9)
Freies Ermessen liegt etwa vor in der Generalklausel zur Vermeidung von Doppel-
besteuerungen des §
48 BAO: ,,Das Bundesministerium für Finanzen kann bei
Abgabepflichtigen, die der Abgabenhoheit mehrerer Staaten unterliegen, soweit dies zur
Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung oder zur Erzielung einer den den
Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung erforderlich ist, anordnen,
bestimmte Gegenstände ganz oder teilweise aus der Abgabenpflicht auszuscheiden oder
ausländische, auf solche Gegenstände entfallende Abgaben ganz oder teilweise auf die
inländischen Abgaben anzurechnen."
Auch hier sind die Extrempositionen der möglichen Steuerfolgen und somit der
Träger der Fuzzy-Menge bestimmbar, allerdings kann das Intervall nicht mehr direkt aus
dem Gesetzesparagraphen abgeleitet werden, sondern es sind umfangreiche sachverhalts-
spezifische Berechnungen nötig. Das Maximum des Trägers ist die volle Steuerbelastung
171
Vgl. Posch/Lexa (1993), S.
48.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
63
Entscheidungsrelevante Daten
ohne Milderungsmaßnahme. Das Minimum des Trägers erhält man durch Berechnung der
Steuerbelastung bei gänzlicher Ausscheidung der ausländischen Besteuerungsgegenstände
(im allgemeinen unter Progressionsvorbehalt) und bei voller Anrechnung der ausländischen
Abgaben und Bestimmung des Minimums der beiden errechneten Beträge:
g
erbelastun
Gesamtsteu
stung
Steuerbela
Steuer}
he
ausländisc
g
erbelastun
Gesamtsteu
halt,
Prog.vorbe
m.
Satz
grdl.
Bemessungs
inländ.
min{
stung
Steuerbela
0
0
=
-
×
=
>
>
(4.10)
Auch für die Konstruktion der Zugehörigkeitsfunktion der Fuzzy-Menge bietet §
48 BAO
nur sehr vage Anhaltspunkte, deren Auslegung eine sehr genaue Kenntnis der bestehenden
Doppelbesteuerungsabkommen sowie der geübten Praxis der einzelnen Staaten voraus-
setzt. Die Ausgleichung der in- und ausländischen Steuer zielt prinzipiell darauf ab, den
Zustand herzustellen, der bei Bestehen eines Doppelbesteuerungsabkommens üblich wäre,
auch wenn ein solches fehlt.
172
Die Herstellung von Gegenseitigkeitsverhältnissen räumt
Milderungen der Steuerbelastung ein, wenn der andere Staat im umgekehrten Fall diese
Milderung ebenfalls gewähren würde.
173
Insbesondere ist dabei zu erwägen, ob Freistellung
oder Anrechnung zur Anwendung kommen soll:
(
)
Staat
anderer
DBA
stung
Steuerbela
stung
Steuerbela
,
~
)
(
~
z
y
x
x
=
(4.11)
Neben die Bestimmungen, die sich in der Formulierung der Rechtsfolge unscharfer
Begriffe bedienen, treten Bestimmungen, deren Tatbestand unscharfe Merkmale umfaßt.
174
Typischer Anwendungsfall dieser Kategorie unscharfer Normen sind Anti-Mißbrauchs-
bestimmungen. Hier sind solche dehnbaren Formulierungen sehr wesentlich, da nur durch
sie Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten tatsächlich unterbunden und
sanktioniert werden kann, sobald scharfe Grenzen gegeben sind, ist Umgehung der
Mißbrauchsbestimmung leicht gemacht und die Bestimmung wird praktisch sinnlos.
175
172
Vgl. Djanani (1998), S.
99.
173
Vgl. Djanani (1998), S.
100.
174
Daumann (1991), S.
266 f. subsumiert in seiner Abgrenzung unter dem Begriff der tatbestandsseitig
unscharfen Bestimmungen nur die Bestimmungen, die, gemäß der Einteilung in dieser Arbeit dem Steuer-
pflichtigen ein Wahlrecht einräumen; die in dieser Arbeit als tatbestandsseitig unscharf charakterisierten
Bestimmungen bezeichnet er dagegen nach seiner Notation als Generalklauseln.
175
Sehr allgemeine Angaben über Mißbrauch und Scheingeschäfte finden sich in §§
21-23 BAO. Nach § 21
Abs
1 BAO ist ,,für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise ...
der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgebend."
Nach §
22 Abs 1 BAO kann die Abgabenpflicht durch ,,Mißbrauch von Formen und Gestaltungs-
möglichkeiten des bürgerlichen Rechts ... nicht umgangen oder gemindert werden." Nach §
23 Abs 1
BAO schließlich sind ,,Scheingeschäfte und andere Scheinhandlungen ... für die Erhebung von Abgaben
ohne Bedeutung. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte
Rechtsgeschäft für die Abgabenerhebung maßgebend." Aus diesen vagen Formulierungen, die bewußt so
allgemein gehalten sind, um ein breites Anwendungsspektrum zu ermöglichen, lassen sich noch keine
Anleitungen für die Konstruktion von Fuzzy-Mengen ableiten.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
64
Entscheidungsrelevante Daten
Ein Beispiel für eine Anti-Mißbrauchsbestimmung, in der Unschärfe sehr stark aus-
geprägt ist, ist §
10 Abs 3 KStG in Verbindung mit der VO 1995/57 zu § 10 Abs 3 KStG.
Beteilungserträge aus einer internationalen Schachtelbeteiligung gemäß §
10 Abs 2 KStG
sind dann nicht von der Körperschaftsteuer befreit,
176
sondern die ausländische Steuer wird
auf die inländische angerechnet, wenn entweder alle drei der folgenden Merkmale
gemeinsam vorliegen (§
1 Abs 1 Z 1 der VO) oder mindestens zwei besonders stark
ausgeprägt sind und das dritte zumindest annähernd verwirklicht wird (§
1 Abs 1 Z 2 der
VO), d.h. wenn
-
der Unternehmensschwerpunkt der ausländischen Gesellschaft unmittelbar oder
mittelbar darin besteht, Einnahmen aus Zinsen, Lizenzen und Beteiligungs-
veräußerungen zu erzielen,
-
das Einkommen der ausländischen Gesellschaft keiner der österreichischen
Körperschaftsteuer vergleichbaren ausländischen Steuer unterliegt,
-
nicht nachgewiesen wird, daß an der Körperschaft unmittelbar oder mittelbar
überwiegend natürliche Personen beteiligt sind, bei denen das Besteuerungsrecht
der Republik Österreich hinsichtlich der Einkommensteuer im Verhältnis zu
anderen Staaten eingeschränkt ist.
Bereits im Gesetzestext finden sich zahlreiche unscharfe Begriffe, die für Inter-
pretationen Spielraum geben und somit eine weite Anwendung ermöglichen: Unter-
nehmensschwerpunkt, vergleichbare Steuer, überwiegende Beteiligung. Dazu kommt, daß
der Gesetzesparagraph lediglich eine Verordnungsermächtigung an den Bundesminister für
Finanzen zur Verhinderung von Mißbräuchen enthält, welche ,,inbesondere dann
angenommen werden" können, wenn die oben genannten Merkmale erfüllt sind.
In der VO 1995/57 findet sich zwar keine Erläuterung der in den Merkmalen
vorkommenden linguistischen Begriffe, aus der Verordnung läßt sich aber eine Anweisung
für die Konstruktion einer dreidimensionalen Fuzzy-Menge aus den drei Merkmalen
ableiten. Zur Vereinfachung soll in der anschließenden Betrachtung von der Fuzziness der
Merkmale selbst abgesehen und ein scharfer Schwellenwert für die Merkmalserfüllung
angenommen werden.
177
176
Bei Beteiligung einer buchführungspflichtigen inländischen Körperschaft an einer ausländischen, einer
Kapitalgesellschaft vergleichbaren Gesellschaft zu mindestens 25% seit mindestens 2 Jahren sind
Gewinnanteile und Veräußerungsgewinne von der Körperschaftsteuer befreit.
177
Eigentlich müßte auch die hier scharf dargestellte Erfüllung des Merkmals eine Fuzzy-Menge sein.
Unscharf ist hier etwa, ab welchem Verhältnis zwischen passiven und operativen Einkünften von einem
,,Unternehmensschwerpunkt" gesprochen werden kann, oder ab welchem Steuersatz von einer ,,der öster-
reichischen KSt vergleichbaren Steuer" gesprochen werden kann.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
65
Entscheidungsrelevante Daten
0
1
1
"Merkmal erfüllt"
Schwellenwert
( )
x
Merkmalsausprägung
x
a)
0
1
"Merkmal stark ausgeprägt"
Schwellenwert
( )
x
Merkmalsausprägung
x
b)
0
1
"Merkmal annähernd verwirklicht"
Schwellenwert
( )
x
Merkmalsausprägung
x
c)
Abb. 4.26
Zugehörigkeitsfunktionen bei
a) Erfüllung,
b) starker Ausprägung,
c) annähernder Verwirklichung
eines Merkmals
Ferner gehe man aus von folgenden Definitionen. Die drei oben angeführten
Merkmale seien formal durch folgende Abkürzungen repräsentiert:
=
:
A
Unternehmensschwerpunkt passive Einkünfte
=
:
B
keine ausländische Körperschaftsteuer
=
:
C
Beteiligung unbeschränkt steuerpflichtiger natürlicher Personen
Die Ausprägungsstärke der Merkmale werde formal, wie folgt, wiedergegeben:
=
:
X
Merkmal erfüllt
=
+
:
~
X
Merkmal stark ausgeprägt
=
-
:
~
X
Merkmal annähernd verwirklicht
für
C
B,
A,
=
X
. Insgesamt erhält man für §
10 Abs 3 KStG in Verbindung mit der VO
1995/57 die folgende Fuzzy-Menge:
(
)
(
)
(
) (
)
+
+
-
+
-
+
-
+
+
×
×
=
C
~
B
~
A
~
C
~
B
~
A
~
C
~
B
~
A
~
C
B
A
Mißbrauch
~
(4.12)
wobei
die Vereinigung von Fuzzy-Mengen
178
und
das kartesische Produkt von Fuzzy-
Mengen
179
ist.
178
Siehe Abschnitt 5.1, S.
66 ff.
179
Siehe Abschnitt 5.2, S.
69 f.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
66
Fuzzy-Rechenoperationen
5 Rechenoperationen mit Fuzzy-Mengen
Wie mit gewöhnlichen (scharfen) Mengen können auch mit Fuzzy-Mengen sowohl
mengentheoretische Operationen als auch arithmetische Operationen durchgeführt werden.
5.1 Mengenoperationen mit Fuzzy-Mengen;
t-Normen - t-Conormen
Die Basisverknüpfungen in der Mengenlehre, Durchschnitt, Vereinigung und Kom-
plement, werden verallgemeinert, daß die auf Fuzzy-Mengen anwendbar sind.
Gegeben seien zwei unscharfe Mengen A und B definiert durch ihre Zugehörig-
keitsfunktionen
( )
A
x und
( )
B
x . Uns interessiert nun die Zugehörigkeitsfunktion des
Durchschnitts von A und B. Dazu wird der aus der mehrwertigen Logik bekannte Begriff
der t-Norm (triangulären Norm) verwendet.
Definition
: Eine Funktion T:
,
,
,
0 1
0 1
0 1
×
heißt t-Norm, wenn für alle a b c
, ,
,
0 1
folgende Bedingungen erfüllt sind:
(i)
( )
a
a
=
1
,
T
(neutrales Element 1)
(ii)
( ) ( )
c
b
c
a
b
a
,
,
T
T
(Monotonie - nicht-fallend)
(iii)
( ) ( )
a
b
b
a
,
,
T
T
=
(Kommutativität)
(5.1)
(iv)
( )
(
)
( )
(
)
c
b
a
c
b
a
,
,
,
,
T
T
T
T
=
(Assoziativität)
Die erste, bereits von Zadeh
1
verwendete, t-Norm ist die sog. Minimumnorm:
( )
{ }
b
a
b
a
,
min
:
,
min
=
T
(5.2)
Der Durchschnitt zweier Fuzzy-Mengen wird gemäß der verwendeten t-Norm definiert:
A
B
T
ist gegeben durch die Zugehörigkeitsfunktion:
(
)
)
(
),
(
:
)
(
B
~
A
~
B
~
A
~
x
x
x
T
T
=
(5.3)
Stattdessen schreiben wir auch:
A
B
( )
( )
=
T
A
B
x
x
T
(5.4)
Analog zur t-Norm ist die t-Conorm definiert:
Definition
: Eine Funktion
×
: ,
,
,
0 1
0 1
0 1
heißt t-Conorm, wenn sie für alle
a b c
, ,
,
0 1 folgende Eigenschaften erfüllt:
(i)
( )
a
a
=
0
,
(neutrales Element 0)
(ii)
( ) ( )
c
b
c
a
b
a
,
,
(Monotonie - nicht-fallend)
(iii)
( ) ( )
a
b
b
a
,
,
=
(Kommutativität)
(5.5)
(iv)
( )
(
)
( )
(
)
c
b
a
c
b
a
,
,
,
,
=
(Assoziativität)
1
Vgl. Zadeh (1965), S.
341.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
67
Fuzzy-Rechenoperationen
Um eine Beziehung zwischen t-Normen und t-Conormen herzustellen, benötigen
wir noch die Definition eines Komplements bzw. einer Negation:
Definition
: Eine Funktion n:
,
0,1
0 1 heißt Negation, wenn gilt:
(i)
n
n
( )
, ( )
0
1
1
0
=
=
(5.6)
(ii)
a
b
n a
n b
( )
( )
(Monotonie - nicht-wachsend)
Am häufigsten verwendet wird die von Zadeh
2
eingeführte Negationsfunktion:
n a
a
( )
= -
1
(5.7)
Das Komplement A
C
einer unscharfen Menge A hat die Zugehörigkeitsfunktion:
(
)
)
(
:
)
(
A
~
A
~
x
n
x
C
=
(5.8)
Im Fall der Negationsfunktion (5.7) erhalten wir:
( )
( )
A
A
C
x
x
= -
1
(5.9)
Definition
: Eine t-Conorm
heißt die zur t-Norm
T
bezüglich der Negation n duale t-Co-
norm, wenn gilt:
( )
(
)
(
)
)
(
),
(
:
,
b
n
a
n
n
b
a
n
T
=
(5.10)
Wenn man lediglich von der zur t-Norm
T
dualen t-Conorm
spricht, so ist die
bezüglich der Negation (5.7) duale gemeint:
( )
(
)
b
a
b
a
-
-
-
=
1
,
1
1
,
T
(5.11)
Nun kann die zum Durchschnitt
T
(5.3) duale Vereinigung
unscharfer
Mengen gebildet werden: A
B
ist gegeben durch:
(
)
)
(
),
(
:
)
(
B
~
A
~
B
~
A
~
x
x
x
=
(5.12)
Analog zur Schreibweise in (5.4) erhalten wir:
A
B
( )
( )
=
A
B
x
x
(5.13)
Die zur Minimumnorm (5.2) duale Maximumconorm wurde ebenfalls von Zadeh
3
eingeführt und ist die häufigste t-Conorm:
{ }
b
a
b
a
,
max
:
)
,
(
max
=
(5.14)
Somit erhalten wir die häufigste Form der Bildung von Durchschnitt und Vereinigung von
Fuzzy-Mengen:
{
}
)
(
)
(
:
)
(
),
(
min
)
(
:
B
~
A
~
B
~
min
A
~
B
~
A
~
B
~
A
~
min
min
x
x
x
x
x
=
=
(5.15)
{
}
)
(
)
(
:
)
(
),
(
max
)
(
:
B
~
A
~
B
~
max
A
~
B
~
A
~
B
~
A
~
max
max
x
x
x
x
x
=
=
(5.16)
2
Vgl. Zadeh (1965), S.
340.
3
Vgl. Zadeh (1965), S.
340 f.
Fuzzy-Unternehmensentscheidungen
68
Fuzzy-Rechenoperationen