Verschwendung in der Bürokratie

Untersuchung im Lichte der ökonomischen Theorie der Bürokratie


Hausarbeit, 2014

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ökonomische Theorie der Bürokratie
2.1. Prinzipal-Agent-Ansatz
2.2. Grundmodell der Bürokratie nach Niskanen
2.2.1. Modellannahmen
2.2.2. Ergebnisse
2.2.3. Kritik und Weiterentwicklungen der Theorie

3. Kontrolle und Reform
3.1. Kontrolle
3.2. Reform

4. Fazit – Was Bleibt?

Anhang

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„In der Gesellschaft – also im Rahmen friedlicher Zusammenarbeit von Menschen – gibt es zwei Methoden der Geschäftsführung. Die eine ist bürokratisches Wirtschaften, die andere gewinnorientiertes Wirtschaften“[1].

In dieser Seminararbeit soll eine Auseinandersetzung mit ersterem Organisationsprinzip – der Bürokratie – stattfinden. Aufbauend auf der ersten Arbeit, die versuchte Fälle und Ausmaß bürokratischer Verschwendung zu skizzieren, soll hier bürokratisches Handeln mit Hilfe der Wirtschaftstheorie dargestellt werden. Es wird versucht, das Verhalten der beteiligten Akteure zu verstehen, um so Erklärungen und auch mögliche Lösungen für die Problematik der Verschwendung zu finden.

2. Ökonomische Theorie der Bürokratie

Bereits vor fast einem Jahrhundert stellte Max Weber Untersuchungen zum Organisationsprinzip der Bürokratie an. In seinem soziologischen Werk „Wirtschaft und Gesellschaft“ erklärt Weber das Aufkommen und die Verbreitung der Bürokratie. Er lobt die „technische Überlegenheit“ und den rationalen Charakter öffentlicher Verwaltungen, der von Regeln und Zweck beherrscht werde, genauso wie das maschinenmäßige Funktionieren der Bürokraten, die ihre regelgebundenen Dienste im Sinne der Allgemeinheit vollzögen.

„Ein voll entwickelter bürokratischer Mechanismus verhält sich zu Diensten der anderen, genau wie eine Maschine zu den nicht mechanischen Arbeiten der Gütererzeugung. Präzision, Schnelligkeit, Eindeutigkeit, Aktenkundigkeit, Kontinuierlichkeit, Diskretion, Einheitlichkeit, straffe Unterordnung, Ersparnisse an Reibung, sachlichen und persönlichen Kosten sind bei streng bürokratischer spezieller monokratischer Verwaltung durch geschulten Einzelbeamte … auf das Optimum gesteigert.“[2]

Auch die moderne Wirtschaftstheorie – vornehmlich die (Neue) Institutionenökonomik und die „Ökonomische Theorie der Politik“ – hat sich in den letzten Jahrzehnten dem Thema der Bürokratie und damit dem Verhalten ihrer Akteure, den Anreizstrukturen und möglichen Problemen beschäftigt und damit das Feld nicht-marktlicher Entscheidungen betreten.

Diese „Außermarktliche Ökonomik“ (Frey, 1991) ist vor allem unter dem Begriff „Public-Choice[3] bekannt. Sie versucht durch die Übertragung des ökonomischen Verhaltensmodells (Homo Oeconomicus) auf diese nicht-marktlichen Gebiete – wie der Bürokratie – Verhaltensweisen und Problematiken zu verstehen. Die Public-Choice-Theorie geht von einem Bürokraten aus, der individuell-rationales Verhalten an den Tag legt – er ist Eigennutzmaximierer. Individuen sind sowohl im Markt, als auch im Staat von Eigeninteresse geleitet. Die Public-Choice-Vertreter arbeiten also mit einem konsistenten Verhaltensmodell und weisen die Ansicht, dass Individuen im bürokratischen Dienst maschinenmäßig arbeiten würden und ihren wenn auch begrenzten Handlungsspielraum nicht zu ihren Gunsten einsetzten, entschieden zurück.

2.1. Prinzipal-Agent-Ansatz

Zunächst soll auf das theoretische Fundament der modernen Bürokratie-Theorie – die Prinzipal-Agent-Theorie – eingegangen werden. Dieser Ansatz, der zur „Neuen Institutionenökonomik“ zählt, geht von zwei Arten von Akteuren aus: Dem Prinzipal, der Auftraggeber, und dem Agenten, der im Namen des Prinzipals eine Tätigkeit ausführt – es bildet sich eine hierarchische Beziehung heraus. Meist besitzt der Agent Kenntnisse und Fähigkeiten, die der Prinzipal benötigt. Beide schließen sich bei Vorteilhaftigkeit zusammen. Der Agent wird im Namen des Prinzipals tätig und erhält Handlungs- und Entscheidungsbefugnisse.

Beide Akteure, Prinzipal und Agent, sind bestrebt ihren eigenen Nutzen zu maximieren. Da der Agent, aufgrund seiner höheren Kenntnisse, einen Wissensvorsprung hat und der Prinzipal die Arbeit des Agenten schwer oder nur mit Kosten überwachen kann, entsteht eine Situation die von asymmetrischer Information gekennzeichnet ist. Dies beschert dem Agenten eine gewisse Machtposition, die er im Falle eines Interessengegensatzes zu seinen Gunsten (und zu Ungunsten des Prinzipals) versuchen wird auszunutzen.

Dieser Ansatz lässt sich auch auf den Bereich der Bürokratie übertragen. Um dem institutionellen Rahmen unseres politischen Systems einer repräsentativen Demokratie gerecht zu werden, gehen wir von einem zweistufigen Prinzipal-Agenten-Modell aus. Hierbei sind die Wähler zunächst der erste Prinzipal, sie beauftragen Politiker als Agenten zur Umsetzung ihrer Wählerwünsche. Um dem Auftrag des Wählers gerecht zu werden, braucht der Politiker eine ausführende Gewalt. Der Politiker nimmt nun die Rolle des Prinzipals ein und betraut den Chefbürokraten mit der Herstellung bzw. Bereitstellung einer öffentlichen Leistung. Wir haben nun also ein Prinzipal-Agenten-Verhältnis auf zwei Stufen[4] (s. Anhang Abb.1).

Der Chefbürokrat ist die Führungskraft der staatlichen Verwaltung, er entscheidet über die Verwendung des staatlichen Budgets in seiner Behörde. Er hat als Agent einen Wissensvorsprung, da er sich in seiner Verwaltung besser auskennt, als der ihm als Auftraggeber gegenüberstehende Politiker. Auch hier handelt es sich um eine Informationsasymmetrie, schon weil staatliche Büros meist öffentliche Güter anbieten, deren Output aufgrund ihrer Eigenschaften der Nichtausschließbarkeit und Nichtrivalität nicht überprüft werden kann. Lediglich der Input ist kontrollierbar. Daher wird der Politiker, als Prinzipal, Regeln und Vorschriften erlassen, die das Verhalten seines Agenten, dem Chefbürokraten, beschränken. Trotz aller Regelbindung verbleibt dem Bürokraten ein gewisser Handlungsspielraum bei der Umsetzung öffentlicher Leistungen, den er zu nutzen weiß. So kann der Chefbürokrat die Sinnhaftigkeit von bürokratischen Maßnahmen oder öffentlichen Leistungen, die in seinem Interesse sind, fälschlicherweise besser darstellen um seinen eigenen Nutzen zu maximieren. Es kommt zu einer verzerrten Auswahl von Projekten, ein Phänomen welches ich bereits in der ersten Arbeit als „Survival of the Unfittest“ vorstellte. Das Abweichen vom Auftrag der Politiker durch den Chefbürokraten, welches aus seiner Nicht-Kontrollierbarkeit resultiert, ist hierbei Ursache staatlicher Ineffizienz.

2.2. Grundmodell der Bürokratie nach Niskanen

William A. Niskanen entwickelte in seinem 1974 erschienenen Werk „Bureaucracy and Representative Government“, mit Hilfe des Public-Choice-Ansatzes, die erste systematische Analyse der Bürokratie[5]. Nach Niskanen zeichnet sich die Bürokratie in ihrem Wesen durch zwei Hauptmerkmale aus:

(i) „Ihre „Eigentümer“ und die darin Beschäftigten eignen sich nichts von der Differenz zwischen Einnahmen und Kosten als persönliches Einkommen an.

(ii) Ein Teil der Einnahmen stammt aus anderen Quellen als dem Verkauf des Outputs zu einem Stückpreis. In einem Satz: Büros sind nicht-gewinnorientierte Organisationen, die zumindest teilweise durch periodische Zuweisungen oder Beiträge finanziert werden.“ [6]

Niskanens Bürokratie-Theorie, als Teil der Public-Choice-Theorie, geht von einem methodologischen Individualismus[7] aus, daher spielt der Chefbürokrat eine maßgeblich Rolle bei der Untersuchung des Themengebietes. Es gilt, sein Verhalten und die Einflüsse auf sein Verhalten zu verstehen.

2.2.1. Modellannahmen

Budgetmaximierung

Niskanen folgt der Annahme der Public-Choice-Theorie, dass Individuen ihren Nutzen maximieren. Aber was wird die nutzenmaximierende Größe des Chefbürokraten sein? Das Fehlen der Gewinnorientierung in der Bürokratie und der Umstand, dass das Einkommen des Bürokraten (fast) nicht von seiner Leistung abhängt, führen zu einer völlig anderen Anreizstruktur als in der Privatwirtschaft[8]. Die Nutzenfunktion des Chefbürokraten bestimmt sich daher vor allem durch die Größen Prestige, Macht, Sicherheit und Annehmlichkeiten im Amt, die er maximieren möchte. Diese Größen stehen in positivem Zusammenhang mit der Höhe des von ihm verwalteten Budgets.

Eine Budgetausweitung ließe die Produktion des eigenen Büros anwachsen, was ferner zu einer Ausweitung seines Mitarbeiterstabes führe. Mehr Bedienstete gehen mit mehr Verantwortung einher, mehr Produktion bedeutet zudem mehr Aufgabengebiete; beides ließe Ansehen und Macht des Chefbürokraten – und damit seinen persönlichen Nutzen – steigen[9]. Die relevante Größe im Nutzenmaximierungskalkül des Chefbürokraten ist also das Budget. Die „Budgetmaximierungshypothese“ ist eine der wichtigsten Annahmen des Niskanen-Modells.

Bilaterales Monopol

Eine weitere wichtige Annahme des Niskanen-Modells betrifft das Verhältnis zwischen Bürokratie und Politik. Niskanen betrachtet dieses Verhältnis als zweiseitiges oder bilaterales Monopol, bei der die Politik monopolistischer Nachfrager (gebündelte Nachfrage der Wähler) und die Bürokratie monopolistischer Anbieter öffentlicher Leistungen ist.

Da es für beide Parteien keine alternativen Verhandlungspartner gibt, sind sie gezwungen miteinander in Verhandlungen über den Leistungsumfang zu treten. Dabei handelt es sich vornehmlich um Güter, die durch marktwirtschaftliche Bereitstellung nicht, nur unzureichend oder zu teuer hergestellt würden. Dabei wird angenommen, dass jedes Büro nur eine Leistung anbietet. Es ergibt sich ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis zu Gunsten der Bürokratie

Informationsasymmetrie

Auch im Niskanen-Modell haben wir es mit asymmetrischer Information zutun. Der Agent (Chefbürokrat) besitzt einen Wissensvorsprung gegenüber seinem Prinzipal (Politiker). Beiden ist die Nachfragekurve (Kurve der marginalen Zahlungsbereitschaft) der Wähler nach staatlichen Leistungen bekannt, aber nur der Bürokrat kennt die Kostenfunktion (minimale Kostenbedingung) seines Angebotes. Der Bürokrat ist aber einigen Beschränkungen unterworfen. Er darf keine Gewinne machen und keine Kredite aufnehmen (Kosten = Budget).

Das beschriebene Abhängigkeitsverhältnis, resultierend aus dem bilateralen Monopol, kann der Chefbürokrat für sich nutzen: Er bestimmt Preis und Menge öffentlicher Leistungen[10] und bietet diese Option als Gesamtpaket dem Politiker an. Der Bürokrat ist „Optionsfixierer“ (Vgl. Niskanen 1994, S.24-35), der eine „Alles-oder-nichts“-Strategie verfolgt. Der Politiker, als Optionsempfänger, kann nur zwischen Annahme und Ablehnung unterscheiden. Wenn die Option des Bürokraten noch auf seiner vom Wähler übermittelten Nachfragekurve liegt, wird er, auch bei einer Pareto-ineffizienten Option, annehmen.

2.2.2. Ergebnisse

Im Bewusstsein der wichtigsten Annahmen des Niskanen-Modells soll nun auf die Ergebnisse eingegangen werden. Der budgetmaximierende Bürokrat versucht stets die maximale Zahlungsbereitschaft des Politikers abzuschöpfen. Das Abschöpfen der Rente findet jedoch einen Schlusspunkt, sobald der Sättigungspunkt der Nachfrage erreicht ist (Nachfragebeschränkung), oder falls vor Erreichen des Sättigungspunkts bereits das komplette Budget ausgereizt ist (Budgetbeschränkung).

[...]


[1] Ludwig von Mises (2013), S.11.

[2] Max Weber (1947), S.642.

[3] Auch die Begriffe „Neue Politische Ökonomik“ oder „Ökonomische Theorie der Politik“ finden Verwendung.

[4] Das Problem asymmetrischer Information tritt auch im Verhältnis zwischen Wähler und Politiker auf.

[5] Aufbauend auf Arbeiten zum Thema der Bürokratie von Mises (1944), Tullock (1965) und Downs (1967).

[6] Zitiert aus Pommerehne (1979), S.350.

[7] D.h. Handlungen gehen nur vom Individuum aus, womit einzig das Verhalten der Individuen im Kontext des institutionellen Rahmens Quelle sozialer Phänomene, wie auch der Verschwendung in der Bürokratie, sind.

[8] So muss der Bürokrat bei Irrtum (Output) keine wirtschaftlichen Folgen befürchten, solange er sich an die Regeln (Input) seines Dienstes hält.

[9] Niskanen führt zudem an, dass der Chefbürokrat auch auf Budgetmaximierung drängen muss, damit seine Bediensteten kooperativ arbeiten. Seine Amtszeit wird indirekt von ihrer Leistung beeinflusst. Sie haben also Drohpotential um ihren Chef zu Budgetmaximierung zu drängen.

[10] Da der Chefbürokrat die Nachfragefunktion des Politikers kennt, wird er eine Preis-Mengen-Kombination wählen, die die volle Zahlungsbereitschaft des Politikers nach staatlichen Leistungen abschöpft.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Verschwendung in der Bürokratie
Untertitel
Untersuchung im Lichte der ökonomischen Theorie der Bürokratie
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Wettbewerbspolitik)
Veranstaltung
Aktuelle Probleme der Wirtschaftspolitik
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
16
Katalognummer
V281080
ISBN (eBook)
9783656757269
ISBN (Buch)
9783656757276
Dateigröße
949 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verschwendung, Bürokratie, Wettbewerb, Wirtschaftspolitik, Politiker, Public-Choice, Neue Institutionenökonomie, Niskanen, Mises, Weber, Ökonomische Theorie der Bürokratie, Tullock, Prinzipal-Agenten-Theorie, asymmetrische Information, Ineffizienz, öffentliche Güter, Chefbürokrat, Budgetmaximierung, Bundesrechnungshof, Bund der Steuerzahler, New Public Management, Privatisierung, kommunaler Wettbewerb, private Produktion öffentlicher Güter, Wohlstand, Freiheit
Arbeit zitieren
Mirian Fabian Breuer (Autor:in), 2014, Verschwendung in der Bürokratie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/281080

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