Einleitung
Die Erzähltradition um König Artus scheint im Mittelalter europaweit für eine politische Aneignung geradezu prädestiniert. Besonders das Herrschergeschlecht der Plantagenets machte sich offensichtlich diesen Sagenkreis als Gründermythos zunutze, um seinen Thronanspruch in England zu legitimieren: Nach einer Quelle von 1195, in L′estoire de la guerre sainte von Ambroise, gilt Artus als Vorläufer von Richard Löwenherz, weshalb dieser während des Kreuzzugs wie selbstverständlich ein Drachenbanner – das Artus zugeschriebene Familienwappen – mit sich führte.1 Selbst noch 1250, als der Stern der Plantagenets schon im Sinken begriffen war, beschrieb Matthew Paris in der Historia Anglorum die Macht und Ausstrahlung von Richards Vater Heinrich II., "ita ut viderentur Arthuri tempori renovari".2 Für Deutschland finden sich Beispiele einer solchen politischen Vereinnahmung, die so für sich selbst sprechen, nur selten. Aus diesem Grund war ich sehr erfreut, bei einem Aufenthalt in meiner Heimatstadt Nürnberg eine interessante Entdeckung zu machen, die mich in meiner Vermutung bestätigte, dass im Mittelalter Literatur und Kunst um König Artus politisch aufgeladen werden konnte: Am Nürnberger Hauptmarkt steht eine Rekonstruktion des im 16. Jahrhundert erbauten Schönen Brunnen. Er besteht aus drei Reihen von Steinfiguren. Die mittlere Figurenreihe enthält sechzehn männliche Gestalten. Bei neun Figuren3 handelt es sich, erkennbar an ihren Attributen, um Abbildungen der ′Neun Werten‘:4 An diesen neun Personen aus Geschichte und Mythologie, zu denen auch König Artus gehört, wird ein Tugendkatalog für höfisches Verhalten aufgestellt. Sie galten im Mittelalter als Beispiele für Kampfesmut, Weisheit, glanzvolles Auftreten und vorbildliche Herrschaft. Die sieben anderen Figuren am Schönen Brunnen stellen die Kurfürsten dar. Deren politische Bedeutung für Nürnberg darf nicht unterschätzt werden, denn als freie Reichsstadt war sie von der Wahl des Königs durch die Kurfürsten direkt betroffen. Um das Politikverständnis der Stadt und die wichtige Rolle der Kurfürsten zu demonstrieren, werden diese am Schönen Brunnen zusammen mit einem als bekannt vorausgesetzten Wertekanon dargestellt.
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Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zwei Aspekte der politischen Auseinandersetzung
- Darstellungsformen von Artus
- Artus als charismatischer Herrscher
- Artus als feudaler Herrscher
- Einige weiterführende Gedanken
- Der Prosalancelot - eine Propagandaschrift?
- Eine Möglichkeit der politischen Vereinnahmung
- Zusammenfassung
- Zum Schluss
- Darstellungsformen von Artus
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese wissenschaftliche Hausarbeit analysiert den Prosalancelot hinsichtlich seiner politischen Dimension. Sie verfolgt das Ziel, die Darstellung von König Artus und die damit verbundenen politischen Aspekte im Text zu untersuchen. Die Arbeit beleuchtet, wie der Prosalancelot verschiedene Facetten politischen Handelns und Machtverhältnisses widerspiegelt, insbesondere im Hinblick auf die Legitimation von Herrschaft.
- Darstellungsformen von König Artus als Spiegelbild idealer Herrschaft
- Politische Vereinnahmung des Artus-Stoffes
- Der Prosalancelot als potenzielle Propagandaschrift
- Herrschaftskritik im geschützten Raum der Literatur
- Verbindungen zwischen Kunst, Welt und politischer Realität
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die Relevanz des Artus-Stoffes für die politische und gesellschaftliche Entwicklung im Mittelalter dar.
Das Kapitel "Zwei Aspekte der politischen Auseinandersetzung" konzentriert sich auf die vielschichtigen Darstellungsformen von König Artus im Prosalancelot. Es beleuchtet sowohl die Darstellung Artus als charismatischen Herrschers als auch als feudalen Herrscher und untersucht die damit verbundenen politischen Implikationen.
Der Abschnitt "Der Prosalancelot - eine Propagandaschrift?" analysiert die Frage, ob der Text als eine Art Propagandaschrift für bestimmte Herrscher, insbesondere die Plantagenets, fungieren könnte.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert sich auf Themen wie politische Auseinandersetzung, Herrschaftsformen, König Artus, Prosalancelot, Literatur und Politik, Propagandaschrift, Plantagenets, Ideale Herrschaft, charismatische Herrschaft, feudale Herrschaft, Kunst und Welt, politische Vereinnahmung.
- Arbeit zitieren
- Hadwig-Maria Kuhn (Autor:in), 2003, Aspekte politischer Auseinandersetzung im Prosalancelot, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28121