Die Deutschen im amerikanischen Bürgerkrieg. Söldner, Sozialflüchtlinge, Idealisten


Hausarbeit (Hauptseminar), 2010

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I Einführung und Fragestellung

II Beteiligung Deutscher am Bürgerkrieg
1) Forschungsstand
2) Quantitäten
3) Nord-Süd-Verteilung
4) Sondergruppen
a) Turner
b) Achtundvierziger
5) Relation zwischen „forty-eighters“ und dem Rest der Soldaten

III Die Motive
1) Einstellung der Deutschen
2) Individualität
3) Besonderheiten bei der Motivlage der Deutschen
a) Wehrpflicht
b) Finanzielle Motive
c) Gesellschaftliche Motive
d) Ideologische Motive
4) Zusammenfassung

IV Die Folgen: Deutsche in der Wahrnehmung der amerikanischen Öffentlichkeit
1) Besondere Angriffe gegen Deutsche
a) Chancellorsville
b) Denunziation durch General Halleck
c) St. Louis massacre
2) Gründe
3) Folgen

V Ergebnis

Literaturverzeichnis

I Einführung und Fragestellung

Am Amerikanischen Bürgerkrieg nahmen mehr als 200.000 in den deutschen Ländern geborene Deutsche teil. Ein mindestens ebenso hoher Anteil von Kriegsteilnehmern war bereits in Amerika geboren worden, stammte aber von deutschen Einwanderern ab. Damit stellten die Deutschen die größte fremdethnische Gruppe im Bürgerkrieg dar.

Mit der vorliegenden Arbeit soll die zahlenmäßige und qualitative Beteiligung verschiedener Gruppen von Deutschen am Krieg, die Motivation dieser Gruppen und die Rezeption durch die amerikanische Öffentlichkeit untersucht werden. Hierbei wird schwerpunktmäßig der Frage nachgegangen, ob überhaupt allgemeingültige Aussagen über „die Deutschen“ im Bürgerkrieg getroffen werden können oder ob es sich nicht vielmehr um zwei grundlegend verschiedene Gruppen gehandelt hat – zum einen um zumeist bäuerliche Einwanderer, die sich in nichts von den nichtdeutschen Kriegsteilnehmern unterschieden, zum anderen um die so genannten „Achtundvierziger“, die als Flüchtlinge der gescheiterten Revolutionen in Baden, Wien, Berlin und Frankfurt ihren Kampf für die bürgerlichen Freiheiten auf den Schlachtfeldern des amerikanischen Bürgerkriegs fortsetzten. Zur Beantwortung dieser Frage wird nicht nur eine Analyse der Kriegsbeteiligung der verschiedenen Gruppen selbst erforderlich sein, sondern auch der Frage, welche Auswirkung diese Beteiligung auf die öffentliche Wahrnehmung und die Anerkennung der Deutschen in Amerika hatte – und damit, welche Folgen sie für die Deutschen selbst hatte.

II Beteiligung Deutscher am Bürgerkrieg

1) Forschungsstand

Eine umfassende monographische Darstellung der Deutschen im US-Bürgerkrieg wurde bisher nur einmal gewagt, nämlich von Kaufmann1 im Jahr 1911. Diese im Geiste des deutschen Kaiserreichs entstandene Darstellung leidet unter dem ständig sichtbaren Bemühen des Autors, die deutschen Kriegsteilnehmer durchweg als Feinde der Sklaverei und ausnahmslos politisch hochmotivierte, edle Menschen darzustellen. Die Arbeit genügt aufgrund ihrer unhaltbaren tendenziösen Interpretationen nicht mehr modernen wissenschaftlichen Anforderungen, gewinnt ihren Wert aber durch eine Fülle von zeitnah recherchierten Fakten zum Thema.

Sämtliche anderen Veröffentlichungen nähern sich dem Thema jeweils unter Teilaspekten. Teils wird unter geographischen Einschränkungen (z.B. nur für Pennsylvania), teils nur für eine Kriegspartei oder gar nur für ein einzelnes Regiment, teils nur bezüglich der 1848er Teilnehmer, teils nur hinsichtlich der Motivation geforscht, teilweise nur hinsichtlich einer bestimmten Qualifikation (Turner, Korporierte, Offiziere in Schwarzenregimentern), teils nur bezüglich einer bestimmten Quellenart (Briefe, Inskriptionslisten). Ein grundlegendes Werk, das sämtliche Teilaspekte berücksichtigt, fehlt, würde allerdings auch eine Herkulesarbeit sein, wenn es dauerhaften wissenschaftlichen Nutzen bringen sollte.

Aufgrund der Vielzahl möglicher Forschungsansätze, die Tatsache vor Augen, dass in der Unionsarmee jeder dritte Soldat in irgendeiner Form deutsche Wurzeln hatte2 und des jeder Forschung zum amerikanischen Bürgerkrieg immanenten Problems, eher ein Zuviel an Quellen- und Erkenntnismaterial zu haben, wird die Aufgabe künftiger Forschung sein, möglichst zutreffende Verallgemeinerungen zu schaffen, ohne dabei die Grenzen wissenschaftlicher Genauigkeit zu überschreiten. Geschichten von deutschen Kriegsteilnehmern gibt es in Hülle und Fülle, ihre Geschichte muss noch geschrieben – oder vielmehr aufbereitet - werden.

2) Quantitäten

Wie viele Deutsche im amerikanischen Bürgerkrieg kämpften, lässt sich annäherungsweise durch die im Auftrag der US-Regierung nach dem Bürgerkrieg durch den Militärarzt Dr. Benjamin Gould vorgenommenen Auswertungen der offiziellen Reporte bestimmen. Da allerdings Gould einerseits teilweise mit Schätzungen arbeitete und andererseits seinen Focus nicht speziell auf die deutschen Kriegsteilnehmer, sondern auf das Medizinalwesen der Armee im Allgemeinen richtete, wird im Folgenden das von Kaufmann aufgearbeitete Gouldsche Zahlenmaterial, in das auch andere Erkenntnisquellen eingeflossen sind (Regiments- und Konskriptionslisten, Zeitungsartikel etc.) verwandt3.

Auffällig ist, dass die in Deutschland geborenen Unionssoldaten fast 9 Prozent der Armee ausmachten. Entsprechend ihres numerischen Potentials haben die Statistiker des Bürgerkriegs für jede Nation eine anteilsmäßige „Pflichtzahl“ ermittelt, die die jeweilige Nation zu stellen hatte. Diese Pflichtzahl wurde durch die Deutschen um fast 50 Prozent übertroffen4. Hierbei ist zu beachten, dass die erst ein oder zwei Generationen zuvor eingewanderten Deutschamerikaner, die noch nicht vollständig amerikanisiert sein konnten, bereits nicht mehr als Deutsche gezählt wurden. Gleiches gilt für aus den Südstaaten geflohene und inskribierte Deutsche, die bedingt durch ihren unmittelbaren Herkunftsort ebenfalls als Amerikaner gezählt wurden. Die tatsächliche Zahl der Deutschen im Bürgerkrieg dürfte also noch weitaus höher gewesen sein als die immer wieder genannten 176.000 der Gouldschen Schätzung. Die von Kaufmann genannte Zahl von 216.000 in Deutschland Geborenen nimmt sich noch eher vorsichtig aus.

Auffällig erscheint darüber hinaus, dass der Anteil der Freiwilligen und der bereits bei Kriegsbeginn Verpflichteten bei den Deutschen höher war als bei jeder anderen Nationalität5. Fünf von sechs Deutschen dienten freiwillig6.

Deutsche wurden wie andere nichtamerikanische Ethnien häufig in überwiegend deutschen Regimentern zusammengeführt7. Dies beruht teilweise darauf, dass solche Regimenter bereits von deutschen Offizieren und Politikern als deutsche Regimenter ausgehoben wurden, teilweise auch auf praktischen Erwägungen (Deutsch als Kommandosprache8, ethnientypische Verpflegung).

3) Nord-Süd-Verteilung

Deutschstämmige Soldaten dienten im wesentlichen in der Unionsarmee. Die Beteiligung auf Südseite war nicht signifikant, was sich bereits zwanglos aus der Besiedlung der Staaten durch Deutsche ergibt: Bei Ausbruch des Bürgerkriegs lebten in den Staaten der Union etwa 3,5 Millionen gebürtige Deutsche bzw. Deutschstämmige, in den elf Südstaaten lediglich etwa 73.0009. Bereits hierdurch ergibt sich eine klare natürliche Zuordnung zur Seite der Union. Besondere Wanderungsbewegungen durch den Kriegsausbruch sollen sich allenfalls von Süd nach Nord abgespielt haben, insbesondere in New Orleans10.

Entsprechend standen für die Kriegsteilnahme in den Nordstaaten erheblich mehr Deutsche zur Verfügung als im Süden. Die Neigung, sich freiwillig zu melden, bestand im Süden kaum, man spricht von apolitischem Verhalten der dortigen deutschen Einwanderer11. So haben folgerichtig die Deutschen als Volksgruppe in der Südarmee keine besondere Rolle gespielt, insgesamt sei maximal von 10.000 Kriegsteilnehmern auf Südseite auszugehen12. Es hat sie, besonders im Offiziersrang, sehr wohl gegeben. Exemplarisch ist der Stabschef des Generals Jeb Stuart, Oberst Heros v. Borcke, zu nennen. Insgesamt kann man diese Offziere aber wohl eher als Glücksritter oder Söldner denn als von der Sache überzeugte Aktivisten ansehen. Dies ist nichts Ehrenrühriges, stehen sie damit doch in der Tradition eines Steuben, der ebenfalls in diese Kategorie fiel.

4) Sondergruppen

a) Turner

Die Turnerbewegung resultiert aus den im Anschluss an die deutschen Befreiungskriege vom „Turnvater“ Friedrich Jahn durchgeführten Turnveranstaltungen auf der Hasenheide in Berlin. Die unter dem Motto „mens sana in corpore sano“ durchgeführten Turnübungen dienten allerdings nie ausschließlich der Gesundheit oder dem Breitensport, sondern hatten stets einen konkreten ideologischen, weltanschaulichen und politischen Hintergrund13: Die Einigung des deutschen Vaterlands und die Aufrechterhaltung und Verteidigung der deutschen Kultur gegen ausländische Einflüsse. Im Unterschied zur burschenschaftlichen Bewegung kamen die Turner nicht allein aus dem akademischen Umfeld, sondern wollten alle Volksschichten für ihre Sache begeistern.

Im Anschluss an die gescheiterten Revolutionen von 1848 kam es auch bei den Turnern zu einer Migrationsbewegung nach Amerika, da man sich dort die bürgerlichen Freiheiten erhoffte, die in der Heimat auf längere Zeit nicht zu erhalten waren.

Die deutsche Turnbewegung in Amerika ist aufgrund akribisch geführter Vereinsunterlagen im Unterschied zu sonstigen Gruppen auch hinsichtlich ihrer Kriegsbeteiligung hervorragend dokumentiert. Von 6.435 (männlichen) Mitgliedern überlebten nur 3.248 den Bürgerkrieg, die Zahl der Gefallenen wurde auf 1.000 geschätzt, muss aber höher gewesen sein, da allein beim 20. New Yorker Infanterieregiment von 1.200 Turnern nach hohen Verlusten bei Antietam nur 460 zurückkehrten14. In New York, St. Louis und Cincinnati waren reine Turnerregimenter gebildet worden. Die Teilnahme am Bürgerkrieg war bei den deutschen Turnern fast lückenlos. So traten aus dem Turnverein in Indianapolis alle Mitglieder in die Armee ein, in Milwaukee 115 von 11815.

b) Achtundvierziger

Im Bürgerkrieg taten sich besonders die Teilnehmer der Revolutionen von 1848 – die sogenannten forty-eighters – hervor. Sie wurden auch „latin farmers“ genannt16, weil es sich hauptsächlich um Akademiker handelte, die sich nach den gescheiterten Volksaufständen von 1848 ins Exil zurückziehen mussten und versuchten, sich in Amerika eine neue wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Im Gegensatz zu der Bezeichnung als latein-sprechende Bauern erfolgte dies meist in akademischen Berufen wie Anwalt, Journalist, Politiker oder als Berufssoldat. Auch der Anteil von „Gewerbetreibenden mit starkem Fortbildungsdrang“ war hoch. Ein proletarischer Einschlag fehlte völlig17.

Die Achtundvierziger dienten vielfach und überwiegend als Offiziere. Sie wurden schwerpunktmäßig in ethnischen Regimentern eingesetzt (also Regimentern mit überwiegend deutschen Soldaten, die etwa 30.000 der teilnehmenden 216.000 deutschen Soldaten umfassten). Viele dieser Regimenter waren durch die kommandierenden Offiziere selbst ausgehoben worden18.

Die politische Ausrichtung der Achtundvierziger war keineswegs homogen: Vom Marxisten bis zum gemäßigten Liberalen war alles vertreten. Konsens bestand aber bezüglich der Trias Menschenrechte – Bürgerrechte – Freiheitsrechte. Dabei war den Emigranten der Erhalt der Union nicht so wichtig wie die Abschaffung der Sklaverei. Deutlich sichtbar ist im Verhältnis zu gebürtigen Amerikanern und der Linie der Lincoln-Regierung eine thematische Verschiebung zum Sklavereithema. Die Achtundvierziger sind, wenngleich sie deren Fanatismus ablehnten19, daher in Richtung der Abolitionisten anzusiedeln, wenn auch aus anderen, nämlich eher staatsrechtlichen als religiös-humanistischen, Motiven heraus.

Auch von den übrigen Immigranten unterschieden sich die 48er politisch. Die deutsche Volksgruppe galt in den 1850er Jahren als Anhänger der Demokraten20, wohingegen die 48er eine Neigung zur Politik der Whigs bzw. Republikaner zeigten, und zwar wegen der Sklavenfrage insbesondere nach dem Kansas/Nebrasca-Act21.

„Echte“ Achtundvierziger, also die eingewanderten geistigen Führer der Revolution, dürfte es nicht mehr als 5.000 gegeben haben22. Die Anzahl der in Amerika ansässigen Achtundvierziger und der Turner betrug demnach zusammen nicht deutlich über 11.000 – im Verhältnis zu 216.000 deutschbürtigen Kriegsteilnehmern nicht einmal 5 Prozent.

[...]


1 Die Deutschen im amerikanischen Bürgerkriege, 1. Auflage 1911, 3. Auflage 1919.

2 Kaufmann S. 135, 136 und Balder / Richter S. 64 sprechen von 750.000 Unionssoldaten deutscher Abstammung.

3 Dies führt zu Verschiebungen von bis zu einem Drittel der Gesamtzahlen, z.B. Kaufmann S.123.

4 Kaufmann S. 127.

5 Kaufmann S. 127, 128.

6 Helbich / Kamphoefner S. 71, Kaufmann S. 118.

7 Engelhart S. 27, 28.

8 Balder / Richter S. 63.

9 Kaufmann S. 136, 139, Lonn 1940 S. 31.

10 Kaufmann S. 140.

11 Engelhart S. 60.

12 Engelhart S. 57.

13 Ueberhorst S. 10 f.

14 Ueberhorst S. 81.

15 Ueberhorst S. 81.

16 Geiger S. 120.

17 Balder / Richter S. 52, 53.

18 Burton S. 110.

19 Helbich / Kamphoefner S. 37.

20 Helbich / Kamphoefner S. 38.

21 Geiger S. 129.

22 Balder / Richter S. 52. Burton, S. 110, spricht von 3.000 bis 4.000.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die Deutschen im amerikanischen Bürgerkrieg. Söldner, Sozialflüchtlinge, Idealisten
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Geschichte Nordamerikas)
Veranstaltung
Hauptseminar "Der amerikanische Bürgerkrieg"
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
22
Katalognummer
V281315
ISBN (eBook)
9783656758570
ISBN (Buch)
9783656758532
Dateigröße
2137 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
deutschen, bürgerkrieg, söldner, sozialflüchtlinge, idealisten
Arbeit zitieren
Claus Renzelmann (Autor:in), 2010, Die Deutschen im amerikanischen Bürgerkrieg. Söldner, Sozialflüchtlinge, Idealisten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/281315

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