Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Veränderungen der Partnerschaft nach der Erstkindgeburt
2.1 Phasenmodell nach Gloger Tippelt (1988)
2.2 Modell der Partnerschaftsentwicklung nach Kalicki u.a.
3 Belastungen und Triangulationskonflikte im Übergang zur Elternschaft
3.1 Bedingungen für Triangulationskonflikte
3.2 Veränderungen der Partnerschaftsqualität
4 Bewältigung von Triangulationskonflikten
4.1 Dyadisches Coping
4.2 Kommunikation
4.3 Das Abgrenzungsprinzip
4.4 Progressives und regressives Abwehrverhalten
4.5 Partnerschaftliche Ressourcen
5 Implikation für die Praxis
6 Fazit
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Internetquellen
1 Einleitung
Die meisten Paare erwarten sich durch die Geburt ihres ersten Kindes in erster Linie einen persönlichen Gewinn, große Freunde und Selbstverwirklichung. Empirische Befunde belegen jedoch, dass der Übergang von der Partnerschaft zur Elternschaft mit einer starken Umstellung des gewohnten Alltags einhergeht und eine enorme Anpassungsleistung der Eltern erfordert.
Die vorliegende Arbeit beabsichtigt Probleme und Veränderungen aufzuzeigen, welche sich bei der Geburt eines Kindes innerhalb einer Partnerschaft ergeben können. Darüber hinaus werden Erklärungsversuche dieser Veränderungen dargestellt und Bewältigungsstrategien angeboten.
Um einen Überblick über die Phasen der Elternschaft sowie der Partnerschaftsentwicklung im Übergang zur Elternschaft zu verdeutlichen, werden zunächst theoretische Grundlagen in Modellvorstellungen erläutert. Anschließend aufgezeigte Untersuchungs- und Forschungsergebnisse zeigen Bedingungen auf, welche zu Triangulationskonflikten führen können und erklären zudem die daraus resultierenden Veränderungen der Partnerschaft. Konfliktbewältigungsstrategien und partnerschaftliche Ressourcen welche den jungen Eltern bei der Lösung von Problemen in dieser neuen Lebensphase helfen können, sowie die Implikation in die Praxis werden schließlich im letzten Teil dargestellt.
An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass sich diese Arbeit aus Kapazitätsgründen ausschließlich auf die Erstelternschaft bezieht.
2 Veränderungen der Partnerschaft nach der Erstkindgeburt
2.1 Phasenmodell nach Gloger Tippelt (1988)
Der Übergang von der Partnerschaft zur Elternschaft und die damit einhergehenden Veränderungen des Familiensystems wurden in den vergangen Jahren zahlreich beobachtet und erforscht. Gloger-Tippelt hat 1988 die idealtypischen Veränderungsprozesse werdender Eltern bei Schwangerschaft und Geburt in einem Phasenmodell zusammengefasst. Folgende acht Entwicklungsphasen sollen psychische, physische sowie biologische Veränderungen im Übergang zur Elternschaft verdeutlichen und der groben Orientierung dienen.
Verunsicherungsphase (bis zur 12. Woche der SSW)
Nach dem Erhalt der positiven Schwangerschaftsdiagnose treten je nach Erwartung und Erwünschtheit des Kindes erste Verunsicherungen auf. Das Paar reflektiert seine aktuelle Lebenssituation und es können sich Sorgen über die berufliche Situation, die finanzielle Lage sowie Veränderungen in der Partnerschaft einstellen. Darüber hinaus nimmt die werdende Mutter erste körperliche Beschwerden wie Müdigkeit, Übelkeit oder Erbrechen war (vgl. Gloger-Tippelt 1988,75 f.).
Anpassungsphase (ca. 12. bis 20. SSW)
In dieser Zeit sind die hormonellen Umstellungsprozesse zum größten Teil abgeschlossen, so dass körperliche Beschwerden und Stimmungsschwankungen abnehmen. Dies führt zu einer kognitiven und emotionalen Anpassung und positiven Bewertung der Schwangerschaft (vgl. ebd. 78 f.).
Konkretisierungsphase (ca. 20. bis 32. SSW)
Diese Phase kennzeichnet sich durch großes psychisches und physisches Wohlbefinden aus. Erste Bewegungen des Kindes im Mutterleib werden als sehr erfüllend empfunden und sorgen für ein verstärktes Fürsorgeempfinden bei den Eltern. Zudem steigt die Rücksicht und Anteilnahme des sozialen Umfelds und die künftigen Eltern werden zunehmend als solche erkannt (vgl. ebd. 81 f.).
Phase der Antizipation und Vorbereitung (ca. 32. bis 40. SSW)
In dieser Phase fühlt sich die werdende Mutter durch körperliche Beschwerden am stärken durch die herannahende Geburt belastet und wird in dieser Zeit beruflich freigestellt. Das Paar orientiert sich nun an der verbleibenden Zeit bis zur Geburt und es kommt zu einer aktiven Geburtsvorbereitung. Neben der Vorfreude und der Bereitschaft zur Beendigung der Schwangerschaft können jedoch auch Ängste im Bezug auf die Entbindung und die Übernahme der Rolle als Eltern aufkommen (vgl. Gloger-Tippelt 1988, 88 f.).
Geburtsphase
Die Geburt des Kindes ist über die biologische Ebene hinaus vor allem in psychischer Hinsicht bedeutsam. Um ein positives Geburtserlebnis zu erlangen ist die Unterstützung und Anwesenheit des Partners von großer Bedeutung und bildet eine wichtige Grundlage für die erste Kontaktaufnahme mit dem Neugeborenen sowie dem Aufbau einer positiven Eltern-Kind-Beziehung (vgl. ebd. 92 f.).
Phase der Überwältigung und Erschöpfung (bis 2. Monat nach der Geburt)
Durch den geänderten Hormonhaushalt der Frau kann es zu Erschöpfungszuständen kommen. Hinzu kommt die Anpassung an einen neuen, auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmten Tagesablauf sowie das Einstellen auf die Elternrolle und die damit verbundene Übernahme von Verantwortung für das Kind. Trotz der erlebten Anstrengungen und Verunsicherungen erfahren junge Eltern in dieser Zeit auch sehr positive, euphorische Gefühle und große Freude über das neue Familienmitglied (vgl. ebd. 96 f.).
Phase der Herausforderung und Umstellung (2. bis 6. Monat nach der Geburt)
Durch die fortschreitende Entwicklung des Kindes und erste Reaktionen, wie etwa ein Lächeln, können sich die Eltern zunehmend an die Mutter- bzw. Vaterrolle gewöhnen. Durch die Neuverteilung von Aufgaben und den geänderten Tagesablauf sind in der Paarbeziehung jedoch häufig massive Einbußen zu verzeichnen. In den meisten Fällen übernimmt die Frau die Versorgung des Kindes sowie des Haushalts, während es bei dem Mann zu einer Belastung werden kann, die Verantwortung für die finanzielle Sicherheit zu übernehmen. Daher wird diese Phase von Gloger-Tippelt auch als krisenhaft beschrieben (vgl. ebd. 101 f.).
Phase der Gewöhnung (6. bis 12. Monat nach der Geburt)
Diese Zeit ist durch stärkere Sicherheit und allmähliche Entspannung auf Seiten der Eltern geprägt. Erste Routinen und Regelmäßigkeiten im Alltag stellen sich ein und eine spezifische Eltern-Kind-Beziehung ist zu verzeichnen. Außerdem wird dadurch die Paarbeziehung wieder stabilisiert (vgl. ebd. 108 f.).
2.2 Modell der Partnerschaftsentwicklung nach Kalicki u.a.
Weiter soll das folgende Modell von Kalicki u.a. (Abb. 1) helfen, die typischerweise auftretenden Veränderungen der Partnerschaftsentwicklung im Übergang zur Elternschaft zu verdeutlichen. Hierbei werden jene zentralen Prozesse, welche eine Partnerschaft beeinträchtigen können, sowie fördernde und hemmende Bedingungen dieser Entwicklung aufgezeigt. Die linke Seite des Modells zeigt die Mediationsbeziehungen (1-4). Das sind jene Mechanismen, welche die Entstehung und Ausweitung von Partnerschaftsproblemen beschreiben. Rechts werden Faktoren (Moderationsvariablen) (5-8) dargestellt, die diese Prozesse bedingen (moderieren).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 Modell der Partnerschaftsentwicklung im Übergang zur Elternschaft
Unmittelbar nach der Geburt des ersten Kindes erfahren Eltern in der Regel eine deutliche Veränderungen der Lebenssituation (1). Gewohnte Alltagsroutinen des Paares werden durch die hohe Beanspruchung des Neugeborenen gestört und führen häufig zu Schlafmangel, Erschöpfung und Niedergeschlagenheit. Darüber hinaus kommt es zu Einschränkungen von Freizeitaktivitäten, dem Kontakt zu Freunden sowie dem vorübergehenden Ausstieg aus dem Beruf. Eine starke Beeinträchtigung der Paarbeziehung kann außerdem durch die begrenzte Zeit für Zweisamkeit und Sexualität entstehen und eine zusätzliche Unzufriedenheit des Paares hervorrufen. An dieser Stelle sei jedoch zu erwähnen, dass Frauen und Männer in unterschiedlichem Maße betroffen sein können (vgl. Kalicki u.a. 1999, 129f.).
Weiter beschreiben Kalicki u.a. in ihrem Modell die situationsgebundene Unzufriedenheit (2). Während die meisten Mütter ihre Berufstätigkeit auf Grund einer Geburt reduzieren oder zeitweise ganz aufgeben, bildet der Beruf für Väter hingegen eine Ressource, welche als Ausgleich zu den Belastungen der Elternrolle dienen kann. Dadurch entsteht häufig eine Unausgewogenheit in der Aufteilung der Hausarbeit (vgl. Kalicki u.a. 1999, 131).
Wie gut sich ein Paar auf die neue Situation einstellen kann und in welchem Maße die Elternrolle die Zufriedenheit des Paares beeinträchtigt, hängt laut Kalicki u.a. wesentlich von der individuellen Person-Situation-Passung (5) ab. So erleben Eltern, welche sich bewusst für ein Kind entschieden haben und sich außerdem während der Schwangerschaft intensiv mit ihrer neuen Rolle auseinandersetzen, weniger Belastung durch das Neugeborene. Gelingt diese Auseinandersetzung nicht, bzw. wird die Einstellung zur Elternrolle gestört, etwa durch andere Vorstellungen des eigenen Lebensplanes, wird die Anpassung an die neue Situation dadurch erheblich erschwert. Darüber hinaus kann es zu erhöhter Frustration kommen, wenn die Fähigkeiten und Kompetenzen der Mutter bzw. des Vaters zur Ausübung der neuen Rolle nicht ausreichen. Tatsächlich stellen beide Partner jedoch die größte Quelle in der Unterstützung und Entlastung des jeweils anderen dar (vgl. Kalicki u.a. 1999, 131f.). Die Dyadische Abstimmung (6) gewinnt in diesem Zusammenhang also eine große Bedeutung. Sie bezieht sich auf die Entscheidung des Paares über die Aufteilung familiärer und beruflicher Aufgaben, sowie Lösungen zur Kompensation von Belastungen durch den anderen Partner (vgl. Kalicki u.a. 1999, 132).
Auch in der Paarinteraktion (3), also der Art und Weise wie die Partner miteinander umgehen und kommunizieren, erleben viele Ersteltern deutliche Veränderungen (vgl. Kalicki u.a. 1999, 133). An dieser Stelle soll die Längsschnittstudie „Familienentwicklung im Lebenslauf (FIL)“ hinzugezogen werden. Hierbei erfassten Werneck und Rollett die Qualität von Partnerschaften in den Teilbereichen: Streitverhalten, Zärtlichkeit und Kommunikation. Die Entwicklung der Paarbeziehung wurde anhand von Einschätzungsfragen zum Partnerverhalten und zur Paarinteraktion beurteilt. Mütter und Väter wurden jeweils 3 Monate vor der Geburt, 3 Monate nach der Geburt sowie 3 Jahre nach der Geburt befragt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2 Qualität der Partnerschaft aus Sicht der Mütter
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Abb. 3 Qualität der Partnerschaft aus Sicht der Väter
Die Graphiken zeigen, dass das Streitverhalten bei den Müttern sowie Vätern im Zeitraum von 3 Monaten vor bis 3 Jahre nach der Geburt des Kindes ansteigt. Bei der Entwicklung der erlebten Zärtlichkeit und Kommunikation hingegen ist ein drastischer Abfall zu verzeichnen. Zusammenfassend lassen bei den befragten Eltern deutliche Einbußen der Partnerschaftsqualität auf der Ebene der Paarinteraktion im Übergang zur Elternschaft festgestellten, wobei die Väter das erlebte Streitverhalten und die Zärtlichkeit noch negativer bewerteten als die Mütter (vgl. Werneck / Rollet 1999, S. 118). Aus diesem Bild lässt sich eine wachsende Unzufriedenheit mit dem Partner (4) nach der Geburt des ersten Kindes ableiten. Durch die erlebten negativen Verhaltensweisen des Partners wird zudem die Diskrepanz zum Bild des Wunschpartners größer (vgl. Kalicki u.a. 1999, 133).
Der Übergang zur Elternschaft birgt daher unweigerlich Konfliktpotenzial. Grundlegend für den Erhalt einer glücklichen Paarbeziehung ist daher ein konstruktives Konfliktverhalten (7) der Partner, indem, unter Berücksichtigung der Bedürfnisse beider Partner, gemeinsam nach einer Lösung gesucht wird (vgl. ebd.).
Darüber hinaus erwähnen Kalicki u.a. außerdem die Wichtigkeit der Auslegung der erlebten Veränderungen (8). Eine wohlwollende Haltung zu Konflikten ohne Schuldzuweisung sowie das Ausschließen von Absichtlichkeit des negativen Verhaltens des Partners, helfen, die Ursachen der Unzufriedenheit in der Paarbeziehung als vorübergehend und situationsabhängig zu betrachten (vgl. Kalicki u.a. 1999, 134).
3 Belastungen und Triangulationskonflikte im Übergang zur Elternschaft
Wie sich aus den vorangegangenen Modellen erahnen lässt, müssen viele Paare, trotz des großen Glücks und der Freude über die Geburt ihres ersten Kindes, in der anfänglichen Zeit der Familiengründung eine Beeinträchtigung in der Zufriedenheit ihrer Partnerschaft feststellen, so dass diese Zeit häufig auch als „krisenhaft“ beschrieben wird.
Gloger-Tippelt etwa fasst die Schwangerschaft und den Beginn der Elternschaft als „… zeitlich gedrängte, z.T. als krisenhaft erlebte, quantitative und qualitative Veränderungsprozesse… „ des Übergangs zusammen (Petzold 1998, 29).
Reichle weist darauf hin, dass ein Lebensereignis dann als krisenhaft erlebt werden kann, wenn Veränderungen der Lebenslage und Verhaltensmuster gestört werden (vgl. Reichle, 23).
Dem Gegenüber stellt Fthenakis 1998 den Familien-Transitions-Ansatz vor. Hierbei wird der Übergang zur Elternschaft weniger als Krise sondern vielmehr als ein normatives Lebensereignis beschrieben. Dem Familien-Transitions-Ansatz zufolge sorgen Transitionen (Übergänge), sowohl auf der individuellen als auch auf der familiären Ebene zu Veränderungsphasen nach spezifischen Ereignissen wie etwa der Geburt eines Kindes. Diese Ereignisse sind durch verdichtete und beschleunigte Lernprozesse charakterisiert. Darüber hinaus finden laut Fthenakis psychologische Veränderungen sowie Änderungen auf der interaktionalen Ebene des familialen Systems statt, deren Ausgang zunächst offen bleibt (vgl. Fthenakis 1998, 20). Auf der individuellen Ebene bedeutet dies eine Veränderung der Identität der werdenden Mutter bzw. des werdenden Vaters, sowie der Reorganisation der Rollen beider Elternteile als Veränderung auf der familiären Ebene.
Weiter beschreibt Fthenakis die komplexen Veränderungen, welche mit der Geburt eines Kindes einhergehen, als eine Herausforderung dessen Bewältigung nur mit neuem Verhalten begegnet werden kann (Fthenakis 1998, 23 f.).
3.1 Bedingungen für Triangulationskonflikte
Welche Bedingungen dazu beitragen können Triangulationskonflikte oder gar eine Krise auszulösen, soll im Folgenden näher beschrieben werden.
Hierbei geht es zunächst um die neue Aufgabenverteilung zwischen den Eltern. Durch die vorrübergehende Aufgabe des Berufes der Frau kommt es häufig zu einer „Traditionalisierung“ der Rollenverteilung, in der die Mutter die Aufgaben des Haushaltes und die der Kindesversorgung übernimmt und sich die Väter eher aus diesem Bereich zurückziehen. Diese hohe Belastung der Mutter führt häufig zu Unzufriedenheit in der Aufgabenverteilung und kann sich zudem in negativen Gefühlen zum Partner niederschlagen (vgl. Reichle 1994, 27). Darüber hinaus kann es eine starke Belastung für den Mann sein, wenn dieser sich in Rolle des Alleinverdieners und Ernährers der Familie zu stark unter Druck gesetzt sieht. Dies kann dazu führen, dass der Spagat zwischen der Ausübung des Berufs, der Entlastung der Mutter und der Zeit mit der Familie zu Ängsten führt und die Väter sich diesen Aufgaben nicht gewachsen fühlen (vgl. BZgA 2013, 16).
In diesem Zusammenhang kann es weiterhin zu finanziellen Sorgen kommen. Während die meisten Paare bisher von zwei Einkommen gelebt haben, können Eltern in der ersten Zeit nach der Geburt auf Grund der vorübergehenden Aufgabe des Berufes der Frau, meist nur auf das Einkommen des Mannes zurückgreifen, welches nun auch noch durch drei Personen geteilt werden muss. Da die Aufgaben der Mutter im Bezug auf den Haushalt und die der Kindesversorgung nicht mit Geld entlohnt werden, kann es außerdem zu existenziellen Abhängigkeitsgefühlen und Ungerechtigkeitsempfinden seitens der Frau kommen und außerdem Konflikte auslösen (BZgA 2013, 20 f.).
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