Harpagornis

Der größte Greifvogel der Neuzeit


Fachbuch, 2014

44 Seiten


Leseprobe


Vorwort

Gefiederter Moa-Jäger

Ein ausgestorbener Adler mit einer Flügelspannweite bis zu 3 Metern und einem Lebendgewicht von schätzungsweise maximal 18 Kilo- gramm steht im Mittelpunkt des Taschenbuches „Harpagornis - Der größte Greifvogel der Neuzeit“. Jener imposante Vogel lebte vom Eiszeitalter bis vermutlich zum 15. Jahrhundert auf Neuseeland. Er jagte vor allem kleine Arten der Moa wie den unbeholfenen, bis zu 1,80 Meter hohen Emeus crassus. Schwere Verletzungsspuren an Be- cken bis zu 3,60 Meter großer Weibchen des Riesen-Moa Dinornis verraten, dass der Haast-Adler sogar diese riesigen Laufvögel angriff. Nach neueren Erkenntnissen war der Haast-Adler fähig, auch ein klei- nes Menschenkind zu töten. Die erste wissenschaftliche Beschreibung des Haast-Adlers (Harpagornis moorei) erfolgte 1872 durch den aus Deutschland stammenden und nach Neuseeland ausgewanderten Geo- logen und Naturforscher Julius von Haast (1824-1887). Verfasser des Taschenbuches „Harpagornis - Der größte Vogel der Neuzeit“ ist der Wiesbadener Wissenschaftsautor Ernst Probst, der zahlreiche Werke über urzeitliche Tiere geschrieben hat.

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Geologe und Naturforscher

Julius von Haast (1824 - 1887)

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Der größte Greifvogel der Neuzeit

Harpagornis

Der einst auf Neuseeland lebende Haast-Adler (Harpagornis moorei) gilt mit einer Flügelspannweite bis zu 3 Metern und einem Lebend- gewicht von schätzungsweise maximal 18 Kilogramm als der größte Greifvogel der Neuzeit (um 1450 bis heute). Erstmals wissenschaftlich beschrieben wurde dieser inzwischen ausgestorbene Adler 1872 von dem aus Deutschland stammenden und nach Neuseeland ausgewanderten Geologen und Naturforscher Julius von Haast (1824-1887). Mit dem Artnamen moorei ehrte er George Henry Moore (1812-1905), den Eigentümer des Glenmark-Sumpfes, in dem 1871 Knochen dieses Vogels entdeckt worden waren. Einst sollen auf Neuseeland etwa 4.000 Brutpaare des Haast-Adlers gelebt haben.

Die Maori bezeichneten jenen Greifvogel als „Te Pouakai“ oder „Te Hokioi“. Letzterer Name war wohl eine lautliche Entsprechung seines Schreis „Hokioi-Hokioi“ und wurde bevorzugt. Auf einer alten Felszeichnung der Maori sind ein Mensch und zwei sehr große tote Vögel zu sehen. Einer dieser Vögel stellt vermutlich einen Albatross dar, der andere vielleicht einen Haast-Adler.

Eine Legende der Maori beschreibt einen Wettbewerb zwischen einem Habicht und einem Adler. Der Habicht prahlte, er könne den Himmel erreichen. Darauf antwortete der Adler, er könne dies auch. Außerdem fragte der Adler, was das Kennzeichen des Habichts sei. Der Habicht gab die Antwort, sein Ruf sei „kei“. Als der Habicht den Adler fragte, was dieser rufen würde, bekam er die Antwort „Hokioi-hokioi-hu-u“. Dann schwangen sich beide Vögel in die Lüfte und flogen zum Himmel. Als der Habicht die Wolken und Winde erreichte, schrie er „kei“ und kehrte wieder um, weil er nicht mehr weiter fliegen konnte. Der Adler

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Aufnahme des Schädels des Haast-Adlers (Harpagornis moorei) durch den Medizinprofessor Ken Ashwell

an der „ University of New South Wales “ in Sydney dagegen verschwand im Himmel. Seit diesem Wettstreit der beiden Greifvögel wird der Adler in der Mythologie der Maori wie sein Ruf als „Te Hokoioi“ bezeichnet.

Lange Zeit war in der Wissenschaft die Ernährungsweise des Haast- Adlers umstritten. Einerseits betrachtete man ihn als furchterregenden Räuber, der sich flink auf Beutetiere stürzte. Andererseits hielt man ihn eher für einen Aasfresser, der sich an Kadern verendeter Tiere gütlich tat. Für einen Aasfresser sprach der Schädelbau des Haast-Adlers, der jenem heutiger Geier ähnelt. Über seinen Nasenlöchern hatten sich schutzklappenähnliche Anhänge entwickelt, die verhinderten, dass Fleisch und Blut die Atemwege verstopften, wenn der Adler an einem Kadaver fraß.

In Erzählungen der Maori wurde der Haast-Adler verdächtigt, Männer, Frauen und Kinder angegriffen, in seinen Horst getragen und gefressen zu haben. Wenn der große Adler bei der Jagd vom Himmel auf seine Beute herab schoss, pfiffen seine riesigen Flügel „hu-u“. Dieses Geräusch soll neuseeländische Ureinwohner in Angst und Schrecken versetzt haben.

Der Ornithologe und Paläontologe Paul Scofield vom „Canterbury Mu- seum“ in Christchurch (Neuseeland) sowie der Mediziner Ken Ashwell von der „University of New South Wales“ in Sydney fanden bei der Un- tersuchung von Haast-Adler-Knochen mit einem Computertomographen heraus, dass diese alten Geschichten zutreffen könnten. Mit den gewonnenen Daten rekonstruierten die Forscher virtuell Gehirngröße, Augen, Ohren und Wirbelsäule. Dann verglichen sie die gewonnenen Ergebnisse mit Daten heutiger Raubvögel und Aasfresser, um Rück- schlüsse auf die Jagdgewohnheiten der Haast-Adler zu ziehen.

Die 2009 im „Journal of Vertebrate Paleontology“ veröffentlichte Studie bestätigte die Maori-Legende vom großen Vogel Pouakai oder Hokioi, der sich in den Bergen auf Menschen stürze. Haast-Adler seien tatsächlich fähig gewesen, ein kleines menschliches Kind zu töten. Über heutige bis zu neun Kilogramm schwere Adler heißt es, sie könnten keine Beute im Flug transportieren, die schwerer als sie selbst sei. Ein

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Haast-Adler (Harpagornis moorei) beim Angriff auf einen Moa. Lebensbild von John Megahan aus „ PLoS Biology “ Haast-Adler hätte demnach im Flug bis zu 18 Kilogramm tragen könnten. Der neuseeländische Paläoökologe Richard Holdaway hält es für denkbar, dass Haast-Adler dazu übergegangen seien, Menschen anzugreifen, nachdem seine Hauptbeute, der Moa, verschwunden sei.

Nach Ansicht von Scofield und Ashwell war der Haast-Adler ein kräftiger Räuber. Seine Hüftknochen sind so beschaffen gewesen, dass sie es aushielten, wenn sich dieser Adler mit einer Geschwindigkeit von etwa 80 Stundenkilometern auf seine Beute stürzte. Seine Krallen standen denjenigen eines heutigen Tigers nicht nach. Mit seinen Fängen tötete er ein angegriffenes Tier mit einem Schlag. Seine Fänge konnte er schließen, damit durch harte Knochen stoßen, sein Opfer in die Höhe zerren und fliegend zu seinem Horst transportieren.

Sicherlich jagten Haast-Adler vor allem verschiedene Moa. Sogar an Becken riesiger bis zu 3,60 Meter hoher Weibchen der Dinornis -Arten verrieten schwere Verletzungsspuren, dass Haast-Adler sie von hinten attackiert hatten. Die Beckenknochen waren von den Adlerkrallen regelrecht durchstochen worden. Außerdem stellte der Haast-Adler anderen großen flugunfähigen Vögeln wie der bis zu 18 Kilogramm schweren Südinsel-Gans (Cnemiornis calcitrans) und der etwas leichteren Nordinsel-Gans (Cnemiornis gracilis) nach.

Auf dem Grund einer 2,50 Meter breiten, mehr als 15 Meter tiefen und fast senkrechten Felsspalte im Gebiet des Berges Castle Rock auf der Südinsel von Neuseeland lagen zahlreiche fossile Knochen verschie- dener Vogelarten. Dabei handelte es sich vielleicht um Reste der Beutetiere eines Haast-Adlers. Diese Knochen wurden von dem Naturforscher Augustus H. Hamilton (1854-1913) entdeckt. Er vermutete, ein Haast-Adler habe oberhalb der Felsspalte einen Nistplatz gehabt. Möglicher-weise sei der Adler nach seinem Absterben selbst in die Spalte gefallen oder er habe einen hineingestürzten Moa erbeuten wollen und dabei aus der engen Spalte nicht mehr entkommen können. Möglicherweise ist der Haast-Adler von den Maori zielgerichtet ausgerottet worden. Beschleunigt wurde sein Aussterben vermutlich

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Rekonstruktion eines Angriffes des Haast-Adlers (rechts)

auf einen Moa im Nationalmuseum ( „ Museum New Zealand Te Papa Tongarewa “ ) in Wellington (Neuseeland)

Foto auf Seite 13:

Vergleich der Kralle des Haast-Adlers (links) mit derjenigen des Kaninchenadlers (rechts), Foto aus „ PLoS Biology “

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Skelett der Südinsel-Gans (Cnemiornis calcitrans), Zeichnung von 1872 durch das schnelle Verschwinden seiner Hauptbeutetiere, der Moa und anderer imposanter flugunfähiger Vögel. Bisher liegen etliche fossile Reste, darunter drei vollständig erhaltene Skelette, und von Eingeborenen bearbeitete Knochen des Haast-Adlers vor.

Experten vermuten, der Haast-Adler sei zusammen mit den Moa-Arten im 15. Jahrhundert nach Christus ausgestorben. Allerdings gab es bis zum 19. Jahrhundert immer wieder Berichte über angebliche Sichtungen großer Adler. Um 1905 soll sogar ein Nest eines Haast-Adlers gesehen worden sein, was jedoch als sehr unwahrscheinlich gilt. Offenbar füllte der Haast-Adler eine besondere Lücke in der von Vögeln beherrschten Tierwelt auf Neuseeland. Dort gab es außer einer bis zu 60 Zentimeter langen Riesengecko-Art keine Bodenraubtiere. Bei diesem Reptil handelte es sich um den Kawekaweau-Gecko (Hoplodactylus delcourti). Der Artname delcourti erinnert an den französischen Museumsmitarbeiter Alain Delcourt, der das in Vergessenheit geratene Tier in einem Museum in Marseille wiederentdeckte.

Bei der Jagd suchten Haast-Adler einen erhöhten Platz - beispielsweise einen Baum - auf, warteten auf vorbeikommende Beutetiere und stürz- ten sich dann mit hoher Geschwindigkeit auf sie. Vielleicht erbeuteten sie vor allem kleine Moa-Arten wie den unbeholfenen, bis zu 1,80 Me- ter hohen „Kleinen Moa“(Emeus crassus), der halb so groß wie die bis zu 3,60 Meter hohen Weibchen von Dinornis war. Die Moa mit ihrem kleinen Kopf, langen Hals und ihrer mächtigen Körpermasse waren wegen ihrer Langsamkeit bei Angriffen aus der Luft sehr leicht ver- wundbar. Vor allem ihre Küken dürften eine leichte Beute geworden sein.

Die Haast-Adler durchbohrten mit ihren besonders langen und kräfti- gen Krallen an den Füßen ihre Beutetiere. Teilweise durchschlugen ih- re Krallen sogar große Knochen. Kerben und Löcher an Moa-Kno- chen verrieten, wie die Haast-Adler ihre Krallen einsetzten. Sie stürzten sich auf den Rücken der Moa, hieben die Krallen eines Fußes in das Gesäß des Beutetieres und die Krallen des anderen Fußes in den Hals. Dann brachen sie ihrem Opfer mit ihrer enormen Kraft das Genick.

[...]

Ende der Leseprobe aus 44 Seiten

Details

Titel
Harpagornis
Untertitel
Der größte Greifvogel der Neuzeit
Autor
Jahr
2014
Seiten
44
Katalognummer
V281565
ISBN (eBook)
9783656755333
ISBN (Buch)
9783656755340
Dateigröße
3640 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Farbbilder auf Seiten 10, 12,23, 30
Schlagworte
Harpagornis, Haastadler, Haast-Adler, Greifvogel, Greifvögel, Neuseeland
Arbeit zitieren
Ernst Probst (Autor:in), 2014, Harpagornis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/281565

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