Russlands Rohstoffreichtum. Eine Untersuchung der wirtschaftlichen Entwicklung seit 1990


Bachelorarbeit, 2012

67 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Rohstoffsektor in Russland
2.1. Russland als Erdöl- und Erdgasexporteur
2.2. Russland als Ressourcenökonomie
2.3. Russlands Öl- und Gasreichtum

3. Die Holländische Krankheit
3.1. Das Grundmodell
3.2. Die Holländische Krankheit in Industrieländern
3.2.1. Niederlande
3.2.2. Norwegen
3.2.3. Die Holländische Krankheit in den Entwicklungsländer

4. Industrieller und Dienstleistungssektor Russlands und deren
Wettbewerbsfähigkeit
4.1. Industrieller Sektor (Manufactoring)
4.2. Dienstleistungssektor

5. Die Anfälligkeit gegenüber externen Schocks
5.1. Die Fiskalische Disziplin in Russland
5.1.1. Die Entwicklung der Fiskalpolitik und die Wirtschaftskrise Russlands bis 1998
5.1.2. Die schnelle Erholung und das Wirtschaftswachstum Russlands seit 1999
5.1.3. Einfluss der globalen Wirtschaftskrise 2008/09
5.2. Der Wechslekurs
5.3. Der Fonds
5.3.1. Allgemeine Probleme, der Fonds zu lösen hat
5.3.2. Allgemeine Ziele des Fonds
5.3.3. Russlands Reservefonds

6. Abschwächung der Position Russlands in der Weltwirtschaft
6.1. Veränderungen im russischen Außenhandel
6.2. Hochtechnologien in Russland und der Welt

7. Innovationspotential und Forschung und Entwicklung in Russland
7.1. Forschung, Entwicklung und Innovaton in Russland
7.2. Skolkowo als Zukunftsprojekt

8. Schluss

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 2.1. Preise auf das russische Erdgas in US-Dollar pro tausend Kubikmeter

Abbildung 2.2. Fünf größte Exportländer des Erdöls

Abbildung 2.3. BIP-Zusammensetzung nach Sektorengruppen, 2003

Abbildung 2.4. Struktur der russischen industriellen Wertschöpfung, (berechnet von der Weltbank und OECD)

Abbildung 2.5. Struktur des russischen Exports und seine Entwicklung, in Prozent

Abbildung 2.6. Hauptexportgüter der Länder, 2007, in Mrd. US-Dollar

Abbildung 2.7. Der Anteil von Staatsunternehmen an der russischen Erdölproduktion (in Prozent der gesamten Ölproduktion)

Abbildung 2.8. Anteile der Erdölunternehmen an der russischen Raffinierkapazitäten, 2010

Abbildung 3.1. Der Ausgabeneffekt

Abbildung 3.2. Der Ressourcenverschiebungseffekt

Abbildung 4.1. Produktivitätsniveau und -veränderung in den 30 Russlands wichtigsten Industriesektoren

Abbildung 4.2. Indikatoren der Wirtschaftssektoren, 1997-2004 in Prozent

Abbildung 4.3. Wachstumsraten in den industriellen Sektoren (Durchschnittliche jährliche Veränderung in Prozent mit konstanten Preisen)

Abbildung 4.4 Sektorale Struktur Volkswirtschaften der Welt, 1995

Abbildung 5.1. Entwicklung der öffentlichen Verschuldung und des realen BIP Russlands

Abbildung 5.2. Inflation und nominale Abwertung der russischen Währung

Abbildung 5.3. Haushaltsüberschüsse und Wachstumsentwicklung in der Zeit

Abbildung 5.4 Beiträge zum Wachstum in Prozent, 1996-2009

Abbildung 5.5. Stärke der Anti-Zyklizität der fiskalischen Einnahmen und Ausgaben

Abbildung 5.6. Wirtschaftspolitische Entwicklung Russlands und ihre Prognose, 2007-2012

Abbildung 5.7. Nominaler und realer Wechselkurs, 1995-2006

Abbildung 5.8. Transfers im norwegischen Ölfonds, 1995-2006

Abbildung 5.9. Preise für Rohöl in US-Dollar pro Barrel

Abbildung 5.10 Gesamte Reserven Russlands, inklusive Fonds, in Milliarden US-Dollar

Abbildung 7.1. Russland im internationalen Vergleich: R&D-Ausgaben als Anteil am BIP, im Durchschnitt 2005-2007

Abbildung 7.2. Ausgaben für R&D auf der Hochschulebene im Prozent des BIP, 1998 und 2008

Tabellenverzeichnis

Tabelle 2.1. Anteil von Gazprom an der europäischen Erdgasversorgung, 2004

Tabelle 3.1. Wachstumsraten des Bruttosozialproduktes real, in Prozent

Tabelle 5.1. Die wichtigsten makroökonomischen Indikatoren, 2006-2009

Tabelle 6.1. Indikatoren für die Entwicklung der größten Volkswirtschaften der Welt, 2009

Tabelle 6.2. Außenhandelsumsatz Russlands und seine geographische Struktur, 1994-2009

Tabelle 6.3. Entwicklung der russischen Exportstruktur, 1995-2008

Tabelle 6.4. Die Wertschöpfung von High-Tech-Produktion von führenden Ländern, in Prozent von der Weltproduktion, 1985-2007

1. Einleitung

Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist die wirtschaftliche Entwicklung eines rohstoffreichen Landes am Beispiel Russlands (von 1990 bis heute), das Aufzeigen der wirtschaftlichen Probleme aufgrund einer Rohstoffabhängigkeit sowie deren Bedeutung für die wirtschaftspolitische Struktur bzw. Entwicklung des Landes. Zahlreiche empirische Untersuchungen zeigen, dass beim Vergleich des langfristigen BIP-Wachstums rohstoffreicher Länder der Trend eher rückläufig ist. Dieses Phänomen zeigt sich auch für Russland. Oberflächlich betrachtet, bleiben die Wachstumsraten relativ stabil. Erst ein Vergleich der verschiedenen Wirtschaftssektoren erlaubt eine Aussage darüber, worauf das Wachstum tatsächlich basiert.

In dieser Arbeit wird ein solcher Vergleich vorgenommen und gleichzeitig die Abhängigkeit des Landes von seinen Rohstoffvorkommen aufgezeigt bzw. im Zusammenhang mit dem Industrie- und Dienstleistungssektor betrachtet.

Ein für Rohstoffökonomie typischer Phänomen, das Dutch-Disease -Phänomen oder auch Holländische Krankheit genannt, wird anhand eines Modells erklärt. Um festzustellen, ob die russische Wirtschaft auch die Merkmale einer Holländischen Krankheit aufweist, wird der Einfluss der Finanzkrise in Russland im Jahr 1998 und in der Zeit des Ölpreisbooms bzw. im Jahr der Weltwirtschaftskrise 2008 beschrieben. Die Bedeutung der Ölfonds zur Minderung der negativen Auswirkungen bei Ölpreisschwankungen ist ein weiterer wichtiger Punkt, der im Rahmen dieser Arbeit betrachtet wird.

Das letzte Kapitel befasst sich mit den Bemühungen der russischen Regierung, ein langfristiges Wachstum zu sichern und die Position des Landes in der Weltwirtschaft zu stärken. Die Bedeutung der technologischen Entwicklung sowie die Strukturen in der Forschung und Entwicklung werden dargelegt.

2. Der Rohstoffsektor in Russland

Die Erdölproduktion im industriellen Ausmaß begann in Russland bereits in den 50er Jahren in der südwestlichen Uralregion. In den 1970er Jahren wurden die Erdölvorkommen in Westsibirien entdeckt. Für die sowjetische Wirtschaft stieg die Bedeutung von Erdöl immer stärker an und der Anteil von Erdöl am Primärenergieverbrauch betrug zu dieser Zeit über 50%. Ende der 1980er Jahre erreichte die sowjetische Erdölproduktion ihren Höhepunkt mit 560 Mio. Tonnen. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist die Produktion von Erdöl um mehr als 40% zurückgegangen. 1994/95 stabilisierte sich die Produktion und betrug 300 Mio. Tonnen.1

Die Erdgasindustrie expandierte in Sowjetunion direkt nach dem 2. Weltkrieg vor allem auf der Basis von Vorkommen in der Ukraine. Nach der Erschöpfung ukrainischer Vorkommen begann in den 1970er die Erschließung von Vorkommen in Nordwestsibirien. In der Zeit zwischen 1970 bis 1990 stieg die Erdgasproduktion fast um das Sechsfache und der Erdgasanteil betrug 50% am Primärenergieverbrauch Russlands.2

Heute ist Russland einer der größten Rohstoffproduzenten der Welt. Man vermutet, dass Russland über die größten Erdgasreserven, zweitgrößten Kohlereserven und siebtgrößten Erdölreserven verfügt. Stetig steigende Rohstoffpreise sorgen dafür, dass in Russland hohe Einnahmen aus Exporten von Rohstoffen erzielt werden, was Einfluss auf den realen Wechselkurs und somit auf die ganze wirtschaftliche Situation des Landes ausübt.3

2.1. Russland als Erdöl- und Erdgasexporteur

Die Sowjetunion hat ihre Energieressourcen anfänglich nur mit den Satellitenländern geteilt. Energieexport hat für Sowjetunion keine erstrangige Rolle gespielt. Erst zur Zeit der Regierung Putins (seit 2000) wurde erkannt, dass die Gewinne aus den Erdöl- und Erdgasexporten zum Aufbau der notwendigen Wirtschaftskraft beitragen könnten. Putin sah voraus, dass Europa immer mehr Energie gebrauchen würde, um sein Industriewachstum zu erhalten und dass die Erdgasvorkommen der Nordsee rasch ausgeschöpft sein würden.4 Die Europäische Union müsste in diesem Fall 80% der benötigten Energien importieren. Das dafür notwendige Erdöl kann ohne besondere Schwierigkeiten aus fast aus allen erdölreichen Ländern mit den Tankflotten nach Europa gebracht werden. Das flüssige Erdgas lässt sich aber nicht so einfach wie Erdöl transportieren. Das Erdgas könnte nur in speziellen Tankern nach Europa geliefert werden. Diese hochisolierte Tanker müssten extra für den Erdgastransport hergestellt werden, was sehr kostspielig wäre. Daher ist man beim Erdgasexport auf die Pipelines und somit auf die Lage des Importlandes angewiesen. Russland liegt für einen Pipelineausbau geografisch am günstigsten zu Europa und verfügt ja über die größten Erdgasvorkommen der Welt. Als Alternative könnte Europa das Erdgas aus Nordafrika, Iran, Irak oder Zentralasien einkaufen, was viel problematischer wäre als der Import aus Russland. Europa lässt 88% des benötigten Erdgases und 58 % des Erdöls aus Russland importieren (siehe Tabelle 2.1).5

Tabelle 2.1. Anteil von Gazprom an der europäischen Erdgasversorgung, 2004 6

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Man konnte die letzten zehn Jahre auf dem internationalen Rohstoffmarkt starke Preissteigerungen beobachten. Wegen der erhöhten Erdgasnachfrage sind auch die inflationsbereinigten Preise auf Erdgas stark angestiegen. Bis zum Beginn der Ölindustrie wurde das geförderte Erdgas kaum für Industriezwecke benutzt. Es wurde fast ausschließlich für Heizzwecke eingesetzt. Heute wird das Erdgas sowohl als Energiequelle als auch als Rohstoff für Produkte der Petrochemie verwendet.7 Diese Tatsache erklärt die immer stärker steigende Nachfrage nach Erdgas.

Russland ist mit 179,1 Milliarden Kubikmetern der größte Erdgasexporteur der Welt.8 Aus Abbildung 2.1 kann man die Änderung der Preise für das russische Erdgas ersehen. Am höchsten waren die Preise vor und während der Wirtschaftskriese 2008. Im Jahr 2009 sanken die Preise als Folge der Krise drastisch. Mit der Erholung von der Wirtschaftskriese ist die Nachfrage nach Energie wieder angestiegen und somit auch die Preise. Als weltweit größter Exporteur von Erdgas profitiert Russland besonders von den Preissteigerungen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.1. Preise auf das russische Erdgas in US-Dollar pro tausend Kubikmeter 9

Ähnlich sieht die Situation mit dem Erdöl aus. Nach Saudi Arabien ist Russland mit 5,43 Mio. Barrel pro Tag der zweitgrößte Exporteur von Erdöl in der Welt (Abbildung 2.2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.2. Fünf größte Exportländer des Erdöls 10

Die steigenden Rohölpreise sind zumindest kurzfristig für Russland von Vorteil. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass der enorme ökonomische Profit aus den Rohstoffexporten nicht nur eine positive, sondern auch eine negative Auswirkung auf die langfristige Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft haben kann. Am Beispiel der OECD-Länder wie Norwegen, Kanada oder Australien sieht man, dass ein stabiles nachhaltiges Wachstum auf Rohstoffexporten basieren.11

2.2. Russland als Ressourcenökonomie

Für viele Volkswirtschaften mit niedrigerem und mittlerem Einkommen spielt der Export von Rohstoffen eine wichtige Rolle, weil die Industrie in solchen Länder nicht genug entwickelt ist, um ohne Rohstoffexporte einen normalen Lebensstandard zu halten. Die Länder mit der extremen Abhängigkeit von den Rohstoffexporten nennt man Ressourcenökonomien. Beispiele dafür sind Länder in Afrika, Lateinamerika und GUSLänder. Ahrend definiert Ressourcenökonomie als eine Volkswirtschaft, in der mindestens 10% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) durch Rohstoffexporte erwirtschaftet werden und sich mindestens 40% aller Exporte aus Rohstoffen bilden.12

Es ist unbestritten, dass das Vorhandensein von Ressourcen in einem Land grundsätzlich von Vorteil ist. Dank der Einnahmen aus Rohstoffexporten wird für ärmere Länder der Import von wichtigen Gütern wie Medikamente ermöglicht. Nachteil ist aber, dass das Wachstumspotential dieser Branche sehr klein ist: erstens, weil natürliche Ressourcen beschränkt sind und zweitens, weil die Förderung von Ressourcen keine hochentwickelten Technologien braucht.13

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.3. BIP-Zusammensetzung nach Sektorengruppen, 2003 14

Um die Frage nachzugehen, inwieweit Rohstoffreichtun letztendlich zu wirtschaftlichen Problemen führen kann bzw. nicht hilfreich ist, aus diesen Problemen heraus zu kommen, ist es wichtig, die wirtschaftliche Struktur einer Rohstoffökonomie - hier am Beispiel Russlands - zu, welche Sektoren zum BIP des Landes tatsächlich beitragen. Der Anteil des Industriesektors beträgt insgesamt 41%. In diese Gruppe fließen sowohl der Rohstoffsektor als auch der industrielle Sektor (manufactoring) ein. Die weiteren 45% und 13% fallen entsprechend auf Dienstleistungssektor und andere Güter (z.B. Güter der Agrarwirtschaft).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.4. Struktur der russischen industriellen Wertschöpfung, 2003 15 (berechnet von der Weltbank und OECD)

Fast die Hälfte des gesamten Industriesektors entfällt auf den Rohstoffsektor, in dem Brennstoffe gefördert, erarbeitet oder exportiert werden. Darunter sind nicht nur Erdöl und Gas, sondern auch Kohle und andere Brennstoffe zusammengefasst. Die russischen offiziellen Statistiken präsentieren jedoch etwas anderes Bild. Laut russischem Statistikamt Rosstat betrug der Anteil der Öl- und Gasförderung 29% und nicht 45%, wie von der Weltbank berechneten wurde.16 Der Unterschied liegt daran, dass die Berechnung anders durchgeführt wurde.

Der russische Öl- und Gassektor befindet sich entweder in den Händen produzierender Unternehmen, die in der Förderung und Verarbeitung von Öl und Gas tätig sind; oder von Handelsunternehmen, die Öl und Gas auf den nationalen und internationalen Märkten absetzen. Beide Unternehmensgruppen sind unabhängige Rechtspersonen, die ihre eigenen Statistiken erstellen. Die Höhe des Beitrags der Förderungs- und Verarbeitungsunternehmen zum BIP ist in der Regel viel niedriger als der von den Handelsunternehmen, weil sich die Preise auf den internationalen und inländischen Märkten in ihrer Höhe stark unterscheiden. So war z. B. im Jahr 2002 der durchschnittliche Exportpreis für Erdgas (2 192 Rubel pro 1000 Kubikmeter) mehr als 11 Mal höher als der Preis der Produzenten (194 Rubel pro 1000 Kubikmeter). Solch einen erheblichen Preisunterschied hat das größte Unternehmen des Landes Gazprom erwirtschaftet, das seit 1994 der einzige Exporteur von Erdgas ist. Darüber hinaus wird der Anteil der Wertschöpfung von den Rohstoffexporten dem Handelssektor zugerechnet. Wegen dieser Umverteilung ändert sich die gesamte Darstellung der wirtschaftlichen Struktur des Landes. Das stellt eine Erklärung für einen niedrigeren Anteil des Rohstoffsektors am BIP dar.17

Aus der Abbildung 2.5 ist die russische Exportstruktur sowie deren Entwicklung in der Zeit von 1995 bis 2010 zu ersehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.5. Struktur des russischen Exports und seine Entwicklung, in Prozent 18

Unter den Mineralrohstoffen sind Rohstoffe wie Erze, Kohle, Erdöl, Erdgas und andere Industriemineralien zusammengefasst. Der Export von russischen Mineralstoffen hat im Laufe der Zeit bedeutend zugenommen. Es setzen sich deutlich mehr als 40% aller Exporte aus diesen Rohstoffen zusammen.

Die Exportstruktur von Russland unterscheidet sich wesentlich von der Exportstruktur anderer entwickelten Länder. Zum Vergleich werden die Hauptexportgüter der größten entwickelten Länder, Russland und China aufgeführt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.6. Hauptexportgüter der Länder, 2007, in Mrd. US-Dollar 19

Die Exportsituation der entwickelten Länder Europas, USA, Japan und China ähnelt sich aus. Hauptexportgüter dieser Länder sind Autos, Flugzeuge, Maschinen, Haushaltsgeräte, Kleidung und andere Konsumgüter. Russland hingegen exportiert Rohstoffe, Eisenmetalle, Buntmetalle, Edelsteine usw. Daher hängt die russische Wirtschaft sehr stark von den natürlichen Rohstoffen und deren Preisentwicklung auf den internationalen Märkten ab.

Somit fällt Russland unter die Definition der Rohstoffökonomie, da fast 20% des russischen BIP durch die Rohstoffe erwirtschaftet werden und weit mehr als 40% aller Exporte die Rohstoffexporte ausmachen.

2.3. Russlands Öl- und Gasreichtum

Ende 2010 befinden sich auf dem Territorium der Russischen Föderation 5,6% der nachgewiesenen Erdöl-20 und 23,9% der Erdgasreserven der Welt21. Während der

Sowjetzeit hat der Überfluss an Rohstoffen dazu beigetragen, eine kostengünstige Wirtschaftsstruktur in der Gesellschaft aufzubauen. Seit 1991 stellt der Export dieser Rohstoffe die wichtigste Einnahmequelle der russischen Regierung dar. In Folge der „Perestroika“ (Umbau und Modernisierung der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Struktur) ging das Fördervolumen von Erdöl und Erdgas stark zurück. Das war einer der Hauptgründe der Wirtschaftskriese in Russland 1998, die das Land an den Rand des Staatsbankrotts führte.22 Nach der Kriese 1998 erholte sich die russische Wirtschaft unerwartet schnell. Der Grund des Wirtschaftsaufschwunges war der Anstieg der Ölpreise, die zu den hohen Einnahmen aus Ölexporten führten. Dank dem positiven Haushaltssaldo, konnte Russland den größten Teil der Auslandsschulden zurückzahlen.23

Russland ist ein an natürlichen Ressourcen sehr reiches Land. Es ist aber kein typischer Staat, in dem die erzielten Exporteinnahmen von Rohstoffen das gesellschaftliche und politische System bestimmen.24

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde eine Umstrukturierung und Privatisierung im Erdöl- und Erdgassektor durchgeführt. Zu Sowjetzeiten waren fast alle Betriebe der Erdöl- und Erdgasindustrie von den Ministerien für Geologie und Erdöl verwaltet worden.

Bereits 1989 wurden unter Gorbatschow Pläne entworfen, anstelle des Erdgasministeriums einen staatlichen Konzern Gazprom zu gründen. Dieser wurde im Juli 1989 nach das Ministerium für die Erdgasindustrie aufgelöst und der Staatskonzern Gazprom gegründet. Die Mehrheit der Angestellten des Erdgasministeriums wechselte zum neuen Staatskonzern. Als Nachfolger des Ministeriums für Erdgasindustrie bekam Gazprom nicht nur die Verantwortung für die Gasproduktion und -versorgung, sondern übernahm auch viele andere Betriebe wie Bauunternehmen, Maschinenbauunternehmen, landwirtschaftliche Betriebe und Konsumgüterproduzenten, die für die Versorgung der Konzernmitarbeiter und ihrer Familien sorgten.25 Als Ergebnis verfügte Gazprom über ein Monopol in Russland, dem die Rechte für die Erdgasproduktion, -transport oder -export allein eingeräumt wurden. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre wurde das Unternehmen teilprivatisiert und eine

Restrukturierung des Konzerns wurde durchgeführt.26 Die Tochterbetriebe zur Versorgung der Gazprom-Mitarbeiter im Bereich Landwirtschaft, Bauindustrie und kommunale Infrastruktur wurden an eigenständige Firmen oder die lokalen Behörden übergeben. Heute ist Gazprom mit einem Anteil von 25% der Weltgasförderung der größte Gaskonzern der Welt und 85% der gesamten Erdgasförderung Russlands entfallen auf Gazprom.27 Der russische Staat hat 2009 einen Anteil von 50,002% am Grundkapital von Gazprom, 49,998% sind unter russischen Gesellschaften, Einzelpersonen und Ausländern verteilt.28 Den Einfluss auf die Gaswirtschaft im Land kann praktisch nur der Staat ausüben. Die Regierung reguliert die Preise im Inland, abhängig von Zonen und Verbrauchertypen (Industrie, kommunale Wirtschaft), so dass zwei Drittel des Inlandsabsatzes kaum rentabel ist.29 Das Investitionsprogramm von Gazsprom kann auch nur vom Staat beschlossen werden. Gazprom übernimmt einerseits die Rolle des ehemaligen Ministeriums für Gasindustrie, indem er die heimische Volkswirtschaft versorgt, andererseits fungiert sie zunehmend als international agierender Konzern.30

Die Erdölwirtschaft wurde hingegen nach dem Ende der Sowjetunion weitgehend privatisiert. Anfang 1990 wurden die Erdölbetriebe in der staatlichen Finanzholding Rosneft zusammengefasst, die ab 1992 mehrere Aktiengesellschaften bildeten. Nach 1995 wurde unter dem Einfluss neu gegründeter privater Banken Tauschverfahren „Kredite gegen Aktien“ durchgeführt. Die Mehrheit der Aktien von drei großen Ölkonzernen (Jukos, Sidanko und Sibneft) ging an private Investoren, die sogenannten „Oligarchen“.31 In den folgenden Jahren wurde der Großteil der Ölbetriebe von privaten russischen Ölkonzernen übernommen.

2002 war der Privatisierungsprozess abgeschlossen. Nur noch drei Unternehmen sind im Staatsbesitz geblieben. Rosneft gehörte mit 14% der gesamten russischen Erdölförderung dem Staat und Tatneft und Baschneft gehörten mit einem gemeinsamen Anteil von 9% der Regionalverwaltung Tatarstan und Baschkortostan. Die anderen Ölunternehmen waren in privaten Händen. Mit der Jukos-Affäre (Chodorkowskij) übernahm Rosneft Jukos-Hauptbetrieb Juganskneftegas und erhöhte dadurch den Anteil an der Gesamtproduktion auf 22% (Abbildung 2.8). Gleichzeitig stieg Gazprom in die Erdölwirtschaft ein durch die Übernahme von Sibneft, welches anschließend in Gazprom Neft umbenannt wurde. Somit wurde der Staatsanteil an der Erdölproduktion 2005 auf 34% erhöht (Abbildung 2.7).32

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.7. Der Anteil von Staatsunternehmen an der russischen Erdölproduktion (in Prozent der gesamten Ölproduktion) 33

In dieser Zeit wurden ausländische Investoren zurückgedrängt und die Förderlizenzen wurden nur an staatliche Ölfirmen vergeben. Dadurch wurde der staatliche Anteil an der Erdölproduktion bis 2008 auf 39 % erhöht. 2009 wurde Baschneft an die private Moskauer Investmentfirma AFK Sistema verkauft. Zum ersten Mal seit 2004 war der Staatsanteil an der Erdölproduktion rückläufig.34

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.8. Anteile der Erdölunternehmen an der russischen Raffineriekapazitäten, 2010 35

3. Die Holländische Krankheit

Als holländische Krankheit wird der Prozess der De-Industrialisierung innerhalb entwickelter Volkswirtschaften genannt. In der Regel ist dies der Fall in einem Land mit großen Vorkommen an natürlichen Rohstoffen. Durch die hohen Erlöse aus Rohstoffexporten und der erhöhten Nachfrage nach inländischer Währung steigt der Wechselkurs der eigenen Währung. Die Wettbewerbsfähigkeit in Wirtschaftssektoren, die ihre Güter exportieren, verschlechtert sich und auf Grund der hohen Bewertung der eigenen Währung überschwemmen billige Importe den Markt. Sie konkurrieren mit inländischen Produkten und verdrängen diese aus dem Markt. Viele traditionelle Sektoren wie die Landwirtschaft kommen zum Erliegen und immer mehr Arbeitsplätze werden in solchen Sektoren gestrichen.36 Diese Situation führt in den meisten Fällen zu einem Ungleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt.37

Der Rohstoffsektor ist in der Regel investitionsintensiv und nicht arbeitsintensiv. Deswegen ist die erwirtschaftete Produktivität pro eingesetzte Arbeitskraft höher als in der übrigen Volkswirtschaft. Den Investoren kommt der größte Teil der Gewinne zu. Im Kaspischen Raum z.B. werden die Verträge so ausgefertigt, dass ca. 80% der Gewinne an die Kapitalgeber gehen.38 In solchen Sektoren gibt es aber die Möglichkeit viel höhere Löhne zu zahlen als in den anderen Sektoren. Die besten Arbeitskräfte werden in den Rohstoffsektor herübergelockt und sind damit beschäftigt, Erträge aus dem Rohstoffsektor herauszuholen und nicht die Ideen in die Sektoren einzusetzen, in denen es mehr Potential für Innovationen gibt.39 Im Rohstoffsektor werden wenige Arbeitsplätze gefordert und in den anderen Sektoren der Volkswirtschaft werden immer weniger Arbeitsplätze bereitgestellt, was dann zu einer Reduktion der allgemeinen Beschäftigung in dem Land führt.40

Die holländische Krankheit (The Dutch Disease) war der Titel eines in The Economist im November 1977 erscheinen Artikels über die Entdeckung von Erdgas in der Nordsee und über ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft der Niederlande.41

3.1. Das Grundmodell

Das klassische Modell der Holländischen Krankheit wurde von Corden und Neavy in einem im Jahre 1982 erschienenen Aufsatz Booming Sector and De-Industrialisation in a small open economy beschrieben. Dieses Modell zeigt, wie der Boom in einem Sektor (Rohstoffsektor), verursacht durch Produktivitätssteigerungen, Preiserhöhung der betreffenden Güter oder durch die Entdeckung neuer Ressourcenvorkommen ausgelöst wird. Dieser Prozess wird als De-Industrialisierung genannt.

Der wachsende Rohstoffsektor zieht die Arbeitskraft aus den anderen Sektoren an. Dieser Effekt wird als Ressourcenverschiebungseffekt genannt. Wenn der Rohstoffsektor relativ wenige Arbeitskräfte braucht, hat dieser Effekt eine relativ kleine Auswirkung auf die Volkswirtschaft. Der Boom kann auch durch den Ausgabeneffekt z.B. wie in Großbritannien ausgelöst werden. Hohes Realeinkommen kann die Folge des Booms sein. Der Boom führt zu den extra Ausgaben in dem Dienstleistungssektor, weil die Nachfrage höher wird, was zum Anstieg der Preise in diesem Sektor führt. Das Resultat der beiden Effekte ist ein Wachstum des boomenden Rohstoffsektors sowie des Dienstleistungssektors und ein Schrumpfen des industriellen Sektors.42

Angenommen sei der „Klein-Länder-Fall“, d.h. das Land hat keinen Einfluss auf die Preise der Exportgüter, die Preise sind exogen.43 Es werden zwei Arten von Gütern produziert und nachgefragt, und zwar international handelbare Güter und international nicht-handelbare Güter. Die handelbaren Güter lassen sich in Rohstoffe (XR) und Fertigwaren (XF) einteilen. Zu den international nicht-handelbaren Gütern gehören Dienstleistungen (XD).44 Somit wird die Volkswirtschaft in drei Sektoren aufgeteilt, nämlich den Rohstoffsektor, den industriellen Sektor und den Dienstleistungssektor. Die Preise für international nicht-handelbare Güter werden durch Angebot und Nachfrage auf dem Inlandsmarkt bestimmt. Arbeit und Kapital sind die Produktionsfaktoren, wobei Arbeit intersektoral völlig mobil und Kapital immobil ist.45

In der Modellanalyse wird die Auswirkung des Booms auf die zwei oben erwähnten Effekte erklärt, nämlich über den Ressourcenverschiebungseffekt („resource movement effect“) und den Ausgabeneffekt („spending effekt“).

[...]


1 Vgl. Pleines, H. (2002: 6).

2 Vgl. ebd.:27.

3 Vgl. Oomes, N; Kalcheva, K (2007: 3).

4 Vgl. Rahr (2008: 85).

5 Vgl. ebd.: 86.

6 Vgl. Götz (2008: 4).

7 Vgl. Rettberg (2007: 57).

8 Indexmundi (2011a).

9 Indexmundi (2011b).

10 Indexmundi (2011c).

11 Vgl. Ahrend (2004: 12).

12 Vgl. Ahrend (2005: 4).

13 Vgl. ebd.

14 Tompson, W. (2006:3).

15 Ahrend (2006: 15).

16 Vgl. ebd.: 14.

17 Vgl. Kuboniwa, M.; Tabata, Sh. (2006: 17).

18 Adaptiert nach Kalabekov (2010: 327).

19 Adaptiert nach Kalabekov (2010: 327).

20 Vgl. BP (2006: 6).

21 Vgl. ebd.: 22.

22 Vgl. Gaddy, Ickes (2005: 562).

23 Vgl. Götz (2006 a: 5).

24 Vgl. ebd.: 5.

25 Vgl. Pleines, H. (2002: 29).

26 Vgl. Pleines, H. (2011: 28).

27 Vgl. Götz (2004: 13).

28 Vgl. Gazprom.com (2012).

29 Vgl. Götz (2006 a: 4).

30 Vgl. ebd.: 4.

31 Vgl. Götz (2004: 9).

32 Vgl. Pleines, H. (2011: 29).

33 Götz. R. (2008: 9).

34 Vgl. Pleines, H. (2011: 29).

35 ebd.: 27.

36 Vgl. Müller (2004: 4).

37 Vgl. Müngersdorff (2006: 34).

38 Vgl. Müller (2004: 4).

39 Vgl. OECD (2004: 7).

40 Vgl.Müngersdorff (2006: 34).

41 Vgl. Ross, M. (1999:306).

42 Vgl. Corden / Neary (1982: 827).

43 Vgl. Sell (1988: 3).

44 Vgl. Corden / Neary (1982: 826).

45 Vgl. ebd.: 827.

Ende der Leseprobe aus 67 Seiten

Details

Titel
Russlands Rohstoffreichtum. Eine Untersuchung der wirtschaftlichen Entwicklung seit 1990
Hochschule
Technische Universität Darmstadt  (Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften)
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
67
Katalognummer
V281753
ISBN (eBook)
9783656843849
ISBN (Buch)
9783656843856
Dateigröße
2425 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rohstoffreichtum, Russland, wirtschaftliche Probleme, wirtschaftliche Entwicklung, Holländische Krankheit, Ressourcenökonomie, Entwicklungsländer, globalen Wirtschaftskrise, Innovaton in Russland, Skolkowo, Erdöl- und Erdgasexporten
Arbeit zitieren
Evgeniya Yakovleva (Autor:in), 2012, Russlands Rohstoffreichtum. Eine Untersuchung der wirtschaftlichen Entwicklung seit 1990, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/281753

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