Die sicherheits- und entwicklungspolitischen Herausforderungen des Klimawandels

Klimaflüchtlinge in der Dritten Welt


Masterarbeit, 2012

87 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Abbildungen

Verzeichnis der Tabellen

Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen

Abstract

1. Einleitung
1.1 Frage- und Problemstellung
1.2 Aufbau der Arbeit

2. Der aktuelle Forschungsstand
2.1 Die Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse
2.2 Akademischer und politischer Diskurs
2.2.1 Der akademische Diskurs
a) Die Klimawandelskeptiker
b) Die Klimawandelverfechter
2.2.2. Der politische Diskurs
a) Die Klimawandelskeptiker
b) Die Klimawandelverfechter
2.2.3 Zwischenfazit

3. Auswirkungen des Klimawandels
3.1 Zunahme von Extremwetterereignissen
3.2 Anstieg des Meeresspiegels
3.3 Verstärkte Wasser- und Nahrungsmittelknappheit
3.4 Verschärfung bestehender und Schaffung neuer Konflikte
3.5 Bedrohung der „Menschlichen Sicherheit“

4. Klimaflüchtlinge
4.1 Definition „Klimaflüchtling“
4.2 Beispiele und Prognosen
4.2.1 A frika
a) Nordafrika
b) Die Sahelzone
4.2.2 Asien
a) Das Gangesdelta
b) Das Mekongdelta
c) Der Himalaya
4.2.3 Länderbeispiel Tuvalu

5. Herausforderungen für die Politik und Politikempfehlungen
5.1 Herausforderungen für die Politik
5.2 Politikempfehlungen

6. Fazit / Zukunftsprognosen

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Abbildungen

Abbildung 1: Kipp-Punkte des Klimasystems (Germanwatch 2010: 30)

Abbildung 2: Erderwärmungsszenarien des IPCC (IPCC 2007: 14)

Abbildung 3: Prozentuale Veränderung der Niederschläge (IPCC 2007: 16)

Abbildung 4: Meeresspiegelanstieg in Tuvalu (Australian Bureau of Meteorology/

CSIRO 2011c: 7)

Abbildung 5: Jahresdurchschnittstemperatur für Funafuti (Australian Bureau of

Meteorology/CSIRO 2011c: 4)

Verzeichnis der Tabellen

Tabelle 1: Der Anstieg des Meeresspiegels (IPCC 2007: 13)

Tabelle 2: Konflikte durch steigende Lebensmittelpreise (nach Rudloff 2011: 137)

Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abstract

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie sich die Folgen des Klimawandels auf die internationale Sicherheit und auf das Aufkommen von Flüchtlingen in Staaten der Dritten Welt auswirken, wie mit diesen umzugehen ist und was präventiv dagegen unternommen werden sollte. Da häufig der direkte Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und Fluchtbewegungen zurückgewiesen wird und die Ursache hauptsächlich in anderen Faktoren gesehen wird, soll mit dieser Arbeit ein Beitrag dazu geleistet werden, diesen angesichts der Fakten nahe liegenden Zusammenhang zu verdeutlichen.

Der Klimawandel wird seit Jahren als Ursache für Umweltveränderungen verantwortlich gemacht. Im Jahre 2006 war es der ehemalige amerikanische Vize-Präsident Al Gore, der viele von uns mit der Dokumentation „An Incovenient Truth“ für die verheerenden Auswirkungen sensibilisierte. Dafür wurde er im darauffolgenden Jahr gemeinsam mit dem Weltklimarat (IPCC) mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Nicht nur Gores Dokumentation, sondern viele weiteren Studien unterrichteten uns über die Folgen des Klimawandels wie die Zunahme von Extremwetterereignissen, den Anstieg des Meeresspiegels, eine verstärkte Wasser- und Nahrungsmittelknappheit und verschärfte Konfliktlagen, die in einer Bedrohung der Menschlichen Sicherheit und Klimaflüchtlingen gipfeln können. Der UN-Sicherheitsrat räumte 2011 ein, dass der Klimawandel eine Bedrohung für den Weltfrieden darstellen kann.

Ungerecht ist die Tatsache, dass die ohnehin schon ärmsten Regionen der Welt wie Nordafrika, die Sahelzone, Südasien und kleine Inselstaaten besonders stark von den negativen Folgen des Klimawandels getroffen werden, während die westlichen Industriestaaten die maßgeblichen Verursacher sind.

Darüber hinaus stellt sich in Anbetracht der Dürren am Horn von Afrika 2011 und in der Sahelzone 2012 die Frage, ob nicht einige der Menschen, die eine Überfahrt über das Mittelmeer nach Europa versuchen und mit der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX in Kontakt geraten, Klimaflüchtlinge sind, da viele von ihnen aus den von den Dürren betroffenen Gebieten stammen.

Unbestritten ist die große Rolle des Klimawandels für die internationale Sicherheitspolitik der Zukunft und dessen Wirkung als „threat multiplier“, wobei das Aufkommen von Klimaflüchtlingen eine der größten Herausforderungen darstellt, nicht nur für Europa.

Die einfachste Lösung für das Problem, eine Begrenzung der Treibhausgasemissionen, die maßgeblich für die globale Erwärmung verantwortlich sind, liegt aufgrund wirtschaftlicher Interessen der mächtigsten Staaten der Erde in weiter Ferne. Daher muss weiter intensiv nach Anpassungs- und Abschwächungsmaßnahmen geforscht werden.

1. Einleitung

Der Klimawandel ist seit Jahren im Fokus der Medien und der Öffentlichkeit. Insbesondere die Dokumentation „An Incovenient Truth1 “ über den Klimawandel und seine Auswirkungen, die der ehemalige amerikanische Vize-Präsident Al Gore 2006 weltweit persönlich präsentierte, sorgte für viel Aufmerksamkeit und ein neues Bewusstsein für Klimaschutz (Gore 2006). Gores Dokumentation über die Folgen eines treibhausgasintensiven Lebens2 3 brachte, wegen der unzähligen Beispiele wie schmelzender Gletscher, verheerender Wirbelstürme und der Möglichkeit des Entstehens von ungeahnt großen Flüchtlingsströmen , gerade die Menschen der sogenannten „Ersten Welt“ zu einer Reflexion des eigenen Lebensstils und den damit einhergehenden, zum Teil katastrophalen Auswirkungen, auf die Umwelt. Aufsehen erregten in den vergangenen Jahren auch verschiedene wissenschaftliche Studien, die feststellten, dass die globale Erderwärmung und der Klimawandel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anthropogene4 Ursachen habe und der Mensch durch seine Treibhausgasemissionen dafür verantwortlich sei (siehe beispielhaft IPCC 2007: 2ff.; WBGU 2007: 60ff.).

In einigen Weltregionen, wie großen Teilen Afrikas, Asiens und dem Südpazifik, die nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um den schon jetzt durch den Klimawandel verursachten negativen Umweltveränderungen zu begegnen, haben sich die Lebensbedingungen für viele Menschen bereits erschwert (Spektrum der Wissenschaft 2007). Dies hat so weitreichende Folgen, dass der Klimawandel und seine Auswirkungen zu Themen der nationalen, regionalen und internationalen Sicherheitspolitik avanciert sind, die nicht länger vernachlässigt und umgangen werden können.

Erstmals wurde am 17. April 2007 im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen5 eine Debatte über die Auswirkungen des Klimawandels auf Frieden und Sicherheit in der Welt durch Großbritannien angestoßen (Banerjee 2012: 4; Dupont 2008: 29). Zu einem weiteren Vorstoß kam es am 20. Juli 2011 durch die deutsche Ratspräsidentschaft. Diese hatte den globalen Klimawandel als Diskussions- und Tagesordnungspunkt auf die Agenda gesetzt und wollte den Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und einer daraus hervorgehenden Gefährdung der internationalen Sicherheit in einem Papier auf höchster internationaler Ebene festhalten. Dies gelang, indem man eine präsidentielle Erklärung unter Zustimmung aller Ratsmitglieder veröffentlichte, die einen vorsichtigen Bezug herstellte:

„Negative Folgen des Klimawandels könnten auf lange Sicht bereits bestehende Bedrohungen des Friedens und der Sicherheit in der Welt verschärfen“ (UN-Sicherheitsrat 2011: 1).

Eine deutlichere Stellungnahme des Gremiums scheiterte an den Positionen Russlands und Chinas, da diese ohne einen ersten Schritt der Vereinigten Staaten nicht bereit sind ihre Wirtschaft zugunsten von Klimaschutzmaßnahmen einzuschränken (Focus 2011). Die deutsche Diplomatie konnte das Ergebnis dennoch als vollen Erfolg feiern, da der UN-Sicherheitsrat damit erstmals einräumte, dass der Klimawandel eine Bedrohung des Weltfriedens darstellen kann (FAZ 2011).

Auch wenn es immer noch Zweifler am Klimawandel und seinen Auswirkungen gibt, geht mittlerweile die überragende Mehrheit der Forscher und der Politiker davon aus, dass der Klimawandel schwerwiegende Folgen für verschiedene Weltregionen und die internationale Sicherheit haben könne. Auch US-Präsident Barack Obama, UN­Generalsekretär Ban Ki-moon und nahezu alle führenden Köpfe der internationalen Politik teilen diese Meinung (Banerjee 2012: 3f.; Dupont 2008: 29).

Obama geht in der am 27. Mai 2010 vorgelegten „Nationalen Sicherheitsstrategie“ ausführlich auf den Klimawandel ein. Im Wortlaut heißt es dort:

„The danger from climate change is real, urgent, and severe. The change wrought by a warming planet will lead to new conflicts over refugees and resources; new suffering from drought and famine; catastrophic natural disasters; and the degradation of land across the globe“ (Obama, zitiert nach Banerjee 2012: 3).

Noch im Amt sagte der ehemalige britische Premierminister Tony Blair: „There will be no genuine security if the planet is ravaged by climate change“ und sein Klimawandel­Berater John Houghton nannte den Klimawandel „a weapon of mass destruction at least as dangerous as international terrorism“ (Blair und Houghton, zitiert nach Dupont 2008: 29).

In der Zwischenzeit haben sich zahlreiche Institutionen und Think Tanks mit der Thematik befasst, vom Pentagon (US Department of Defense 2010) über das britische Verteidigungsministerium (British Ministry of Defense 2008) bis hin zum Zentrum für Transformation der Bundeswehr, das zurzeit an einer Studie mit dem Titel „Klimawandel im Kontext“ arbeitet (ZTransfBw 2012).

Regelmäßig wird in Studien darauf hingewiesen, dass der Klimawandel sowohl direkte als auch indirekte Auswirkungen auf das Leben der Menschen haben könne. Direkte Auswirkungen wie immer häufigere Extremwetterereignisse und der Anstieg des Meeresspiegels bedrohen den Lebensraum vieler Menschen und tragen zu indirekten Auswirkungen wie einer Wasser- und Nahrungsmittelknappheit und einer Verschärfung bestehender und einer Schaffung neuer Konflikte bei. Am Ende der Kausalkette stehen die Bedrohung der „Menschlichen Sicherheit6 “ und das Ansteigen der Zahl an „Klimaflüchtlingen“ (Banerjee 2012: 3f.). Als Klimaflüchtlinge werden die Menschen bezeichnet, die aufgrund von Umweltveränderungen, die durch die globale Erwärmung hervorgerufen werden, ihre Heimat verlassen müssen. Diese Definition ist die am weitesten verbreitete und basiert auf der Definition für „Umweltflüchtlinge“, die durch den Bericht des United Nations Environment Programme (UNEP) „Environmental Refugees“ im Jahr 1985 eingeführt wurde (El-Hinnawi 1985: 4).

Überall auf der Welt ist in diesem Jahrhundert mit Klimaflüchtlingen zu rechnen. Jedoch verfügen reiche Industrieländer wie Australien, die USA oder die Niederlande, die wegen ihrer weitläufigen, tiefliegenden Küstengebiete besonders stark getroffen werden könnten, über die notwendige Technologie, um die noch gemäßigten Auswirkungen des Klimawandels durch Anpassungsmaßnahmen einzudämmen. Länder der Dritten Welt, vor allem in Afrika und Asien, aber auch die pazifischen Inselstaaten sind oft technologisch rückständig oder können sich dringend notwendige Anpassungs- und Abschwächungsmaßnahmen („adaptation and mitigation measures“) nicht leisten, was diese Staaten und Regionen außerordentlich anfällig für die negativen Effekte des Klimawandels macht (Swedish Defence Research Agency 2010: 26). Zudem sind dort häufig strukturelle Probleme wie politische Instabilität, unzureichende Governance- Strukturen, eine schwache Wirtschaftsleistung und mangelnde Verteilungsgerechtigkeit vorhanden, die durch den Klimawandel verstärkt werden können (WBGU 2007: 170). In der englischsprachigen Literatur ist dazu immer wieder die Rede vom „climate change as a threat multiplier“ (CNA 2007: 15 ff.; British Ministry of Defence 2 008: 16; Swedish Defence Research Agency 2010: 43ff, 66 und 79ff.).

Immer häufigere Überschwemmungen im Nildelta in Ägypten (Afrika, Kapitel 4.2.1), im Gangesdelta in Bangladesch oder im Mekongdelta in Vietnam (Asien, Kapitel 4.2.2), Dürren und Missernten in der Sahelzone (Afrika, Kapitel 4.2.1) oder die Verteilungsproblematik um das Wasser der im Himalaya entspringenden Flüsse Asiens (Kapitel 4.2.2) machen bewusst, wie akut der Klimawandel die ohnehin schon schwierigen Lebensbedingungen der dort lebenden Menschen zusätzlich beeinträchtigt. In der Zukunft könnten sich die Auswirkungen des Klimawandels verschlimmern, da das Wetter immer unberechenbarer und extremer wird. Dies könnte die Lebensbedingungen in diesen Weltregionen noch komplizierter machen. Um dies zu verhindern, wäre es notwendig, zügig etwas gegen die globale Erwärmung und den Klimawandel zu unternehmen und so dessen Folgen zu begrenzen (Warner et al. 2009: 13ff; IPCC 2007: 2ff).

Das Musterbeispiel für Klimaflucht bilden die Bewohner der Carteret-Inseln. Diese Inselgruppe liegt etwa 1000 Kilometer nordöstlich des nördlichsten Punkts Australiens und gehört zu Papua-Neuguinea. Bereits vor einigen Jahren wurde damit begonnen die rund 2500 Bewohner der Inselgruppe auf die höher gelegene Nachbarinsel Bougainville zu evakuieren (Deutschlandfunk 2010). Durch den Meeresspiegelanstieg überflutete das Meer immer größere Landflächen, versalzte das Trinkwasser und die Anbauflächen und zerstörte so die Bananen- und Taroernte7 (Morton 2009: 1). Dazu kamen immer häufigere Sturmfluten, die große Schäden an Gebäuden und der Infrastruktur hinterließen. Das ehemalige Inselparadies ist verwüstet und Mangelernährung breitete sich aus (Die Zeit 2010a; Deutschlandfunk 2010). Man rechnet schon für das Jahr 2015 mit einer kompletten und dauerhaften Überflutung, doch war es aufgrund begrenzter finanzieller Mittel bisher erst möglich, zwei Familien in Bougainville anzusiedeln. (The Guardian 2005; Deutschlandfunk 2010). Die Inselbewohnerin Ursula Rakova, ist verantwortlich für das Umsiedlungsprogramm und findet drastische Worte für das Schicksal ihres Volkes:

„We are angry. Some people do not understand science, but they know they are losing their homes and they are angry that they are having to pay for what other people [in industrialised nations] have done“

(Rakova, zitiert nach Morton 2009: 1).

Das Schicksal der Carteret-Inseln könnte in der Zukunft viele weitere kleine Inselstaaten treffen, wie die Malediven, die Marshall-Inseln, Kiribati und Tuvalu, die durch den Meeresspiegelanstieg in ihrer Existenz bedroht sind und ebenfalls sehr wahrscheinlich in absehbarer Zeit dauerhaft überflutet werden (Warner et al. 2009: 18f.; Dupont 2008: 45). Im Laufe dieser Arbeit wird anhand eines Länderbeispiels detailliert auf die Umstände auf Tuvalu, dem viertkleinsten Staat der Erde, eingegangen. Tuvalu ist für die rechtliche Seite der Thematik besonders interessant, da es, anders als die Carteret-Inseln, ein unabhängiger Staat ist und eine mögliche Flucht nicht mehr nur innerhalb staatlicher Grenzen ablaufen könnte. Dies verkompliziert die Probleme und verleiht ihnen eine internationale Dimension (Kapitel 4.3.3).

1.1 Frage- und Problemstellung

In dieser Arbeit soll die Frage beantwortet werden, wie sich die Folgen des Klimawandels auf die internationale Sicherheit und auf das Aufkommen von Flüchtlingen in Staaten der Dritten Welt auswirken, wie mit diesen umzugehen ist und was präventiv unternommen werden sollte, um die prognostizierten Probleme im Rahmen zu halten.

Sehr häufig wird der direkte Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und Fluchtbewegungen zurückgewiesen und die Ursache hauptsächlich in anderen Faktoren gesehen. Diese Arbeit soll einen Beitrag dazu leisten, diesen tatsächlich angesichts der Fakten unbestreitbaren Zusammenhang zu verdeutlichen, auch wenn es unmöglich ist, den Klimawandel als alleinigen Fluchtgrund nachzuweisen, da die bereits angesprochenen multikausalen Problemlagen der betroffenen Staaten die Lebensbedingungen dort erschweren. Die Beispiele stammen ausschließlich aus Regionen und Ländern der Dritten Welt, um diese Problemstellung zu verdeutlichen.

1.2 Aufbau der Arbeit

Diese Arbeit beginnt mit einer umfassenden Einführung in die Materie des Klimawandels, dessen Auswirkungen und sicherheitspolitische Folgen; weiterhin geht sie auf spezifische Problemstellungen wie das Entstehen von Klimaflüchtlingen ein. Dazu wird zunächst ein Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu der Thematik des Klimawandels und der Verbindung zu Sicherheitspolitik und Fluchtbewegungen, mit Hilfe der Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse, erarbeitet (Kapitel 2.1). Dabei wird gleichermaßen auf die Positionen und Argumente der Klimawandelverfechter und Klimawandelskeptiker eingegangen und die für das Verständnis der Thematik unverzichtbaren Begriffe definiert, Kausalketten und prognostizierte Szenarien beschrieben sowie Theorien erläutert (Kapitel 2.2). Danach wird der Fokus näher auf die Auswirkungen des Klimawandels und deren Beitrag zu den sich verschlechternden Lebensbedingungen in vielen Weltregionen gelegt, die die „Menschliche Sicherheit“ bedrohen können (Kapitel 3) und Menschen zu einer Flucht bewegen oder sogar zwingen können (Kapitel 4). Nachdem die notwendige Basis für das Verständnis des Themengebiets geschaffen wurde, wird sich im darauf folgenden Kapitel genauer mit Klimaflüchtlingen und ihrer Rechtslage befasst (Kapitel 4.1 und 4.2), um sich nachfolgend im Detail den schon oben genannten Beispielen zu widmen (Kapitel 4.3). Abschließend werden die Herausforderungen für die Politik thematisiert sowie einige Politikempfehlungen herausgearbeitet, die zu einer Abschwächung des Klimawandels und seinen Auswirkungen beitragen könnten (Kapitel 5). Zu guter Letzt wird ein Ausblick in die nahe Zukunft versucht und ein Fazit gezogen (Kapitel 6).

2. Der aktuelle Forschungsstand

In diesem Kapitel wird ein Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu dem Thema „Klimawandel, seinen sicherheitspolitischen Implikationen und Klimaflüchtlingen“ geboten. Dazu wird die Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse verwendet, die im nächsten Abschnitt erklärt wird (Kapitel 2.1), bevor dann im zweiten Abschnitt dieses Kapitels auf die wichtigste Literatur und die maßgeblichen Diskussionsstandpunkte eingegangen wird (Kapitel 2.2). Den Abschluss dieses Kapitels bildet ein Zwischenfazit, in dem die umfassenden Ergebnisse zusammengefasst werden (Kapitel 2.3).

2.1 Die Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse

In diesem Abschnitt soll die Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse erklärt werden, die verwendet wird, um den Literatur-, Informations- und Wissensbestand zum Thema „Klimawandel, seinen sicherheitspolitischen Implikationen und Klimaflüchtlingen“ zu analysieren. Die Qualitative Inhaltsanalyse ist eine Methode zur systematischen Textanalyse (Mayring 2000: 1). In der deutschsprachigen Literatur stößt man dazu fast ausschließlich auf Werke von Philipp Mayring, der sich folgendermaßen zu dem Anspruch der Methode und der Methode an sich äußert:

„Qualitative Inhaltsanalyse will Texte systematisch analysieren, indem sie das Material schrittweise mit theoriegeleitet am Material entwickelten Kategoriensystemen bearbeitet“ (Mayring 2002: 114).

In der englischsprachigen Literatur findet die Methode durch die Politikpsychologin Margaret Hermann Anwendung, für die acht Fragen für das Vorgehen bei einer Inhaltsanalyse im Vordergrund stehen (Hermann 2009: 152ff.):

1. Schließt die Forschungsfrage die aus Kommunikation extrahierte Meinung ein?
2. Welche Art von Material ist verfügbar und soll genutzt werden?
3. Soll eine quantitative oder qualitative Analyse vorgenommen werden?
4. Soll die Analyse eine repräsentative oder instrumentelle Wirkung erzielen?
5. Welche Analyseeinheiten und welche Kodierungen sollen Verwendung finden?
6. In welchem Kontext steht das analysierte Material? Sind Zusammenhänge bezüglich der Situationen, Kultur und Geschichte zu beachten?
7. Ist die Analyse verlässlich und reproduzierbar?
8. Wie aussagekräftig ist die Analyse?

Im Gegensatz zur Quantitativen Inhaltsanalyse sind bei dieser Textanalysemethode weder zahlenmäßige Zusammenhänge noch die Repräsentativität für eine Grundgesamtheit von Interesse.

Dennoch ähnelt die Vorgehensweise der einer Quantitativen Inhaltsanalyse: Dazu ist zunächst eine Einordnung in ein Kommunikationsmodell vorzunehmen, in dem das Ziel der Analyse, die Variablen des Autors (Gefühle und Erfahrungen), die

Entstehungssituation, der soziokulturelle Hintergrund sowie die Wirkung des Textes festgelegt werden (Mayring 2000: 3).

Des Weiteren muss das Material regelgeleitet in Analyseeinheiten zerlegt und in Kategorien eingeordnet werden, die genau begründet werden müssen (Mayring 2000: 3). Dadurch wird eine Nachvollzieh- und Überprüfbarkeit des Verfahrens und seiner Ergebnisse ermöglicht (Mayring 2000: 3).

Die Besonderheit der Qualitativen Inhaltsanalyse stellt die entweder induktive oder deduktive Kategorienbildung dar, da eine Auswertung möglichst nahe am Material und anhand einer genauen Definition der Kategorien stattfindet, während die Kategorienbildung bei einer Quantitativen Inhaltsanalyse weniger ausführlich begründet und beschrieben wird (Mayring 2000: 3).

Ursprünglich wurde diese Methode entwickelt, um bei einer großen Menge von Datenmaterial eine qualitative (und nicht wie traditionell eine quantitative) Auswertung vornehmen zu können. Dadurch wird es möglich die Vorteile der Quantitativen Inhaltsanalyse zu nutzen, ohne gleichzeitig in vorschnelle Quantifizierungen zu verfallen (Mayring 2000: 2).

2.2 Akademischer und politischer Diskurs

Im Folgenden soll anhand der Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse der Forschungsstand zum Thema „Klimawandel, seinen sicherheitspolitischen Implikationen und Klimaflüchtlingen“ analysiert werden. Dazu wird die seit dem Jahr 2006 relevante Literatur in die Kategorien „Akademischer Diskurs“ (Kapitel 2.2.1) und „Politischer Diskurs“ (Kapitel 2.2.2) aufgegliedert, da sich die Ansichten auf diesen Ebenen erheblich unterscheiden.

Anders als Stetter et al. (2011) in ihrem Artikel „Conflicts about water: Securitizations in a global context“, die eine Kategorisierung anhand der "Generationen der Klima- und Konfliktforschung“ vorgenommen haben, wurde hier eine Kategorisierung auf der Basis der unterschiedlichen Positionen zum Thema gewählt, da die wichtigste Literatur aufgrund der Aktualität des Themas ohnehin aus einer Generation stammt und mit der gewählten Vorgehensweise das Spektrum der aktuellen Debatten besser beschrieben werden kann.

2.2.1 Der akademische Diskurs

Es gibt keine einheitliche wissenschaftliche Position zum Thema Klimawandel. In den vergangenen Jahren haben sich zwei sich gegensätzliche Ansichten zum Thema herausgebildet. Daher beschreibt der folgende Abschnitt über den akademischen Diskurs die Standpunkte a) der Klimawandelskeptiker und b) der Klimawandelverfechter. Es ist notwendig, die unterschiedlichen Positionen zum Thema Klimawandel darzustellen, da daraus unterschiedliche Ansichten zu möglichen sicherheitspolitischen Auswirkungen hervorgehen. Dieses Kapitel beginnt mit der Position der Klimawandelskeptiker, bevor die gegensätzliche Ansicht der Klimawandelverfechter beschrieben wird. In jedem Abschnitt soll die Verbindung zu den sicherheitspolitischen Herausforderungen des Klimawandels im Vordergrund stehen.

a) Die Klimawandelskeptiker

Als Klimawandelskeptiker werden die Personen bezeichnet, die den negativen

menschlichen Einfluss auf das Klima oder sogar die globale Erwärmung an sich bezweifeln. Im wissenschaftlichen Diskurs sind diese Theorien in einer deutlichen Minderheit und im Gegensatz zu den Verfechtern des Klimawandels ist es schwierig für diese Position seriöse Literatur zu finden. Wissenschaftler die diese Position vertreten werden häufig in Verbindung mit Wirtschaftsunternehmen aus der „Fossilenergie Branche“ oder mit konservativen Think Tanks und Parteien weltweit gebracht (Bals et al 2008: 114ff.).

Noch vor der Veröffentlichung des Ersten Sachstandsberichts des IPCC zum Klimawandel im Jahr 1990 gründeten verschiedene, vor allem amerikanische Konzerne aus der Öl- und Automobilbranche, die Global Climate Coalition. Gründungsmitglieder waren unter anderem Exxon, Chevron, Texaco, Chrysler, General Motors und Ford (Bals et al 2008: 114ff.).

Doch welche wissenschaftlichen Argumente und Beweise bringen die Klimawandelskeptiker vor?

Die Argumente der Klimawandelskeptiker basieren in der Masse auf den Schwankungen der Sonnenaktivität und darauf, dass in der Geschichte der Erde häufiger ein Klimawandel aus unterschiedlichsten Gründen aufgetreten wäre (Harvard University Gazette 2003). Ferner sei der Einfluss des Menschen auf das Klima zu gering, um eine Veränderung des Klimas bewirken zu können (ABC News 2008; Maxeiner 2007). Im Jahr 2003 zeigten die Astrophysiker Sallie Baliunas und Willie Soon der Harvard Universität, dass die hohen Durchschnittstemperaturwerte der vergangenen Jahre während der mittelalterlichen Warmzeit zwischen den Jahren 800 und 1300 angeblich noch übertroffen wurden (Harvard University Gazette 2003) - es ist fraglich, ob diese Aussagen aufgrund der vorliegenden Quellen überhaupt möglich sind; unfraglich ist hingegen, dass der heutige Klimawandel „menschengemacht“ ist und nicht durch Naturkatastrophen oder natürliche Klimaschwankungen.

Durch diese Feststellung wird der Einfluss des Menschen und des durch ihn verursachten, ständig steigenden CO2-Ausstoßes auf das Klima relativiert. Nach Aussage von Willie Soon wird der natürliche Einfluss in vielen Studien unterschätzt:

„There's increasingly strong evidence that previous research conclusions, including those of the United Nations and the United

States government concerning 20th century warming, may have been biased by underestimation of natural climate variations. The bottom line is that if these variations are indeed proven true, then, yes, natural climate fluctuations could be a dominant factor in the recent warming.

In other words, natural factors could be more important than previously assumed" (Soon, zitiert nach Harvard University Gazette 2003).

Der deutsche Autor Hartmut Bachmann bezieht sich in seinem Buch „Die Lüge der Klimakatastrophe“ auf Aussagen von hohen IPCC-Verantwortlichen, die eine Übertreibung in den Berichten des IPCC belegen soll. So schrieb der ehemalige IPCC- Vizepräsident und Klimaberater von Tony Blair, John Houghton, 1994: „Solange wir keine Katastrophen ankündigen, wird niemand zuhören“ (zitiert nach Bachmann 2008: 9). Darüber hinaus nennt der Autor eine Aussage des IPCC-Präsidenten Rajendra Pachauri aus dem Jahr 2002: „I hope this will shock people and governments into taking more serious action“ (zitiert nach Bachmann 2008: 9). Ob diese Aussagen wirklich Zweifel an der Arbeit des IPCC rechtfertigen, kann nicht eindeutig belegt werden und verbleibt damit als Spekulation.

Eine weitere bekannte „klimawandelskeptische“ Stimme aus Deutschland stammt von dem Publizisten und Sachbuchautor Dirk Maxeiner. In dem Internet-Blog „Die Achse des Guten“ stellt der ehemalige Chefredakteur der Zeitschrift „natur“ zwar nicht die globale Erwärmung an sich in Frage und weist sogar darauf hin, dass der Mensch das Klima beeinflusst, jedoch den maßgeblichen Anteil des Menschen an der globalen Erwärmung (Maxeiner 2007).

Weiterhin machte ein „Klimawandelskeptiker“ aus Dänemark von sich reden, der von IPCC-Präsident Rajendra Pachauri sogar mit Hitler verglichen wurde (The Guardian 2010). Der Politikwissenschaftler und ehemalige Greenpeace-Aktivist Björn Lomborg hat in der Vergangenheit mehrere Publikationen und Dokumentationen veröffentlicht, in denen er die Hysterie und Übertreibung zum Thema Klimawandel kritisierte und empfahl die Gelder für den Kampf gegen den Klimawandel für die Lösung anderer Probleme in der Welt bereitzustellen (Der Tagesspiegel 2008; Lomborg 2010 und 2007). Er weist aber darauf hin, dass es eine globale Erwärmung gibt, diese vom Menschen verursacht ist und das etwas dagegen getan werden muss. Allerdings sieht er die aktuellen Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel als sinnlos und falsch an (Die Zeit 2010b). Damit unterscheidet er sich deutlich von den Klimawandelskeptikern, da er nur den Sinn der etablierten politischen Agenda in Frage stellt (Dröge 2011: 163).

Der bekannteste und medienpräsenteste Klimawandelskeptiker ist sicherlich der amerikanische Atmosphärenphysiker Fred Singer. Dieser zweifelt nicht an der globalen Erwärmung, sondern nur an dem menschlichen Einfluss daran. Zudem argumentiert er, dass eine globale Erwärmung im Großen und Ganzen positive Auswirkungen haben würde - Beispiele dafür nennt er nicht. Singer machte in der Vergangenheit unter anderem mit wissenschaftlich unpopulären und unhaltbaren Thesen auf sich aufmerksam, in denen er die Risiken des Passivrauchens oder die Rolle von FCKW bei der Entstehung des Ozonlochs, anzweifelte (ABC News 2008). Darüber hinaus lobte er den ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush für seinen Ausstieg aus dem Kyoto-Protokoll, da er es für ineffizient und extrem teuer hält (Singer 2003).

Doch die größten Zweifel an der etablierten Klimawandelforschung hegte der als „Climategate“ bekannte Skandal um gehackte E-Mails eines britischen

Forschungsinstituts und verschaffte den Klimawandelskeptikern neuen Aufwind. Dabei wurden im November 2009 die E-Mail-Konten von Klimawissenschaftlern der Climate Research Unit (CRU) der University of East Anglia gehackt und veröffentlicht. Diese Nachrichten legen den Verdacht nahe, dass sich die Klimaforscher der britischen Universität zu fragwürdigen Methoden haben hinreißen lassen, um die Prognosen für die globale Erwärmung zu verschärfen und Klimawandelskeptikern weniger Angriffsfläche zu bieten. Der Skandal bewirkte das Gegenteil und die Vorgänge konnten nie vollständig aufgeklärt werden (Spiegel Online 2009).

Im folgenden Abschnitt wird die Position der Klimawandelverfechter dargestellt, die von der großen Mehrheit der Wissenschaftler und Politiker geteilt wird.

b) Die Klimawandelverfechter

Wie in der Einleitung erwähnt, wurde in den vergangenen Jahren eine große Menge an wissenschaftlicher Literatur zu dem Thema veröffentlicht und von vielen verschiedenen Stellen auf diesem Gebiet geforscht. Die große Mehrheit der Wissenschaftler vertritt die Position, dass der Klimawandel durch menschlichen Lebensstil entstanden ist und er sich in der Zukunft weiter verstärken werde. Dies hinge jedoch in erster Linie davon ab, ob zügig Maßnahmen zur Begrenzung des Treibhausgasausstoßes beschlossen werden und so bestimmte Kipp-Punkte („tipping points“) nicht überschritten würden, die den Klimawandel unumkehrbar und überproportional verstärkten (Bals et al. 2008: 35ff.; Abbildung 1).

Um der Gefahr des Überschreitens der Kipp-Punkte zu begegnen, wird von vielen Klimawissenschaftlern, Nichtregierungsorganisationen und betroffenen Staaten die Einhaltung einer Obergrenze der globalen Erwärmung von zwei Grad gegenüber vorindustriellem Niveau gefordert. Zwei Grad seien demnach die Grenze, die eingehalten werden müsse, um den Klimawandel in einem halbwegs beherrschbaren Rahmen zu halten (Germanwatch 2010: 29).

Zu diesem Schluss gelangt man vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass während der gesamten menschlichen Entwicklungsgeschichte nie höhere Temperaturen geherrscht hätten als das vorindustrielle Niveau plus zwei Grad, denn die Gefahr sich selbstverstärkender Rückkopplungen und das Risiko des Überschreitens von Kipp­Punkten nehme ab dieser Schwelle deutlich zu (Germanwatch 2010: 29).

Geowissenschaftliche Daten, die die Entstehungsgeschichte der Erde rekonstruieren helfen, geben Aufschluss darüber, was passieren könnte, wenn sich die globale Temperatur um drei Grad erhöhte. Vor rund drei Millionen Jahren gab es diese Temperaturen auf der Erde, es gab auf der Nordhalbkugel kaum dauerhafte vereiste Flächen und der Meeresspiegel war um sieben Meter höher. Eine vergleichbare Situation mit einer möglichen Erhöhung um fünf Grad zeigte sich vor rund 40 Millionen Jahren, der Meeresspiegel lag damals 70 Meter höher als heute (Germanwatch 2010: 29). Man kann sich leicht ausmalen, dass dieser Zustand sogar reiche Industriestaaten überfordern würde. So würde bereits bei einem Meerespiegelanstieg von sechs Metern ein großer Teil Manhattans unter Wasser stehen (Gore 2006)

Bevor diese Folgen eintreten könnten, muss noch einige Zeit vergehen, doch schon jetzt sind einzelne besonders stark gefährdete und verletzliche Staaten8 9 erheblichen Auswirkungen des Klimawandels ausgesetzt. Daher fordern die Least Developed Countries (LDCs) und die Alliance of Small Island States (AOSIS), zu denen auch

Tuvalu gehört, sogar eine Begrenzung auf maximal 1,5 Grad gegenüber vorindustriellem Niveau, um die bereits vorherrschenden Probleme nicht wesentlich größer werden zu lassen (The Guardian 2009; Germanwatch 2010: 29 und 51; Kapitel 4.2.3).

Die gegenwärtige globale Erwärmung ist bereits auf 0,8 Grad fortgeschritten. Aufgrund der Trägheit des Klimasystems, das erst über einen Zeitraum von mehreren Jahren vollständig auf Veränderungen reagiert, sehen wir uns zurzeit erst den Folgen des vor einigen Jahren verursachten Treibhausgasausstoßes gegenüber. Da dieser bislang von Jahr zu Jahr angestiegen ist, wird eine Erwärmung um mindestens 1,5°C nicht mehr zu verhindern sein (Schinke 2011: 3; WBGU 2007: 7). Die bereits verursachte globale Erwärmung und das verzögerte Eintreten der Folgen der weiter ansteigenden Treibhausgasemissionen lassen dieses Ziel unerreichbar und eine Obergrenze von zwei Grad deutlich realistischer erscheinen. Darüber hinaus konnten, außer dem Kyoto­Protokoll 1997, keine verbindlichen internationalen Abkommen über eine Begrenzung der für den Klimawandel verantwortlichen Treibhausgasemissionen getroffen werden und selbst dieses gerät immer mehr ins Wanken, nachdem die USA es gar nicht erst ratifiziert haben und Kanada vor kurzem als erster Staat seinen Austritt verkündet hat (UNFCCC 2012a; Spiegel Online 2011c).

Die folgende Weltkarte mit den verschiedenen Kipp-Punkten des Klimasystems soll einen Überblick über mögliche Auswirkungen der globalen Erwärmung bieten und deren Eintrittswahrscheinlichkeit anhand einer Temperaturschwelle aufzeigen (Abbildung 1). Als Kipp-Elemente gelten unter anderem die Eisschmelzen auf Grönland, in der Arktis und in der Antarktis, die zusätzliche Methanfreisetzung durch das Schmelzen der Permafrostböden in Sibirien, die mögliche Instabilität, beziehungsweise der Kollaps des Golfstroms, die Veränderung des El Niño im Südpazifik, die Verschiebung des indischen Sommermonsuns, die verstärkte CO2-Freisetzung durch die Abholzung der Regenwälder und der nordischen borealen Nadelwälder sowie die Versauerung der Weltmeere (Abbildung 1; Germanwatch 2010: 30).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Kipp-Punkte des Klimasystems (Germanwatch 2010: 30)

Die Grafik zeigt die Kipp-Punkte, die durch die globale Erwärmung angestoßen werden könnten. Die schwach, beziehungsweise stark orange Einfärbung zeigt die Temperaturschwelle des prognostizierten Eintretens des jeweiligen Kipp-Punktes (Germanwatch 2010: 30).

Spätestens wenn Kipp-Punkte des Klimas überschritten werden, wird der Klimawandel beträchtliche Auswirkungen auf die Sicherheitspolitik vieler Staaten haben. So heißt es in einem Report der EU-Kommission aus dem Jahr 2008:

„Unmitigated climate change beyond 2°C will lead to unprecedented security scenarios as it is likely to trigger a number of tipping points that would lead to further accelerated, irreversible and largely unpredictable climate changes. Investment in mitigation to avoid such scenarios, as well as ways to adapt to the unavoidable should go hand in hand with addressing the international security threats created by climate change; both should be viewed as part of preventive security policy“ (Europäische Union 2008: 1).

In den vergangenen Jahren sind einige Studien erschienen, die als Meilensteine der

Forschung anzusehen sind, wie zum Beispiel der Vierte Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC 2007), das Gutachten „Sicherheitsrisiko Klimawandel“ des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU 2007) oder der Bericht des britischen Ökonomen Nicholas Stern, auch als Stern-Report bekannt (Stern 2006). Weiterhin sind die kritischen Stellungnahmen des NASA-Klimachefs James Hansen (Hansen 2011), die Studie ehemaliger US-Generäle und Admirale zu den militärischen Herausforderungen des Klimawandels im Auftrag des Think Tanks „Center for Naval Analyses“ (CNA 2007) und die weiterer militärischer Think Tanks in Großbritannien (British Ministry of Defence 2008) und Schweden (Swedish Defence Research Agency 2010) von Bedeutung. Nachdem bereits die Studie „Peak Oil“ des „Zentrums für Transformation der Bundeswehr“ in der Wissenschaft und der Öffentlichkeit mit ehrlichen, aber unerwarteten Prognosen für Furore sorgte und sich deswegen den Unmut der Politik zuzog (ZtransfBw 2010), bleibt abzuwarten zu welchen Folgerungen die Arbeitsgruppe in ihrem aktuellen Projekt „Klimawandel im Kontext“ kommen wird (ZTransfBw 2012). Außerdem wird der Fünfte Sachstandsbericht des IPCC für die Jahre 2013 und 2014 erwartet und sollte der öffentlichen und politischen Debatte über den Klimawandel neuen Schwung verleihen (BMU 2011). Ein überaus wichtiger Akteur auf wissenschaftlicher Ebene ist auch das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK), mit seinen bekannten Klimawissenschaftlern Hans Joachim Schellnhuber und Stefan Rahmstorf, das regelmäßig durch Veröffentlichung neuester Forschungsergebnisse für Aufsehen sorgt.

Der IPCC hat 2007 in seinem Vierten Sachstandsbericht verdeutlicht, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die vom Menschen freigesetzten Treibhausgase der wesentliche Grund der globalen Erwärmung seit Mitte des letzten Jahrhunderts seien und damit einen nie dagewesenen Klimawandel eingeleitet hätten, der schwerwiegende Auswirkungen auf das Leben und Zusammenleben der gesamten Menschheit haben könne (IPCC 2007: 2ff.). In diesem Zusammenhang hat der IPCC in verschiedenen Szenarien berechnet, wie sich globale Erwärmung, abhängig von der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre, zukünftig entwickeln könnte (IPCC 2007: 14; Abbildung 2).

[...]


1 Deutscher Titel: „Eine unbequeme Wahrheit“ (Gore 2006).

2 Der natürliche Treibhauseffekt ermöglicht erst das menschliche Leben auf der Erde, da es ohne diesen auf der Erde so kalt wäre, dass sich kein menschliches Leben entwickeln könnte. Das Phänomen sorgt für eine Erwärmung der Erdoberfläche, indem es die von der Sonne abgestrahlte und von der Erde reflektierte Wärme nicht komplett durch die Atmosphäre zurück ins Weltall strahlen lässt, sondern einen Teil der Sonnenstrahlen in der Atmosphäre hält und dadurch die Erde erwärmt. Der Ausstoß von Treibhausgasen durch den Menschen, vor allem Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4) macht die Atmosphäre für die von der Erde reflektierten Sonnenstrahlen undurchlässiger, hält mehr Sonnenstrahlen in der Atmosphäre, verstärkt so den Treibhauseffekt und verursacht so eine stärkere Erderwärmung (Germanwatch 2010: 7).

3 Gore spricht von bis zu 100 Millionen Flüchtlingen durch den Klimawandel (Gore 2006). Auf diese Thematik und die Zahl der prognostizierten Flüchtlinge wird in Kapitel 4 näher eingegangen.

4

Anthropogen = durch den Menschen verursacht.

Vereinte Nationen (VN) = United Nations (UN).

6 Das Konzept der „Menschlichen Sicherheit“ wird in Kapitel 3.5 eingehend erläutert.

7 Der Taro ist eine immergrüne, krautige Pflanze, die ein bis zwei Meter hoch wächst. Die Pflanze enthält hohen Anteil an Stärke und wird entweder zu dem traditionellen polynesischen Gericht „Poi“ oder zu Mehl verarbeitet. Sie ist eine der wichtigsten Nutzpflanzen auf Hawaii und im gesamten Südpazifik (Lebensmittellexikon.de 2012).

8 Der Temperaturanstieg, der durch die globale Erwärmung verursacht wird, wird immer in Bezug au das„vorindustrieUe Niveau“ angegeben. Damit ist das Niveau der Zeit vor 1850 gemeint (Focus 2008a).

9 Siehe auch Fußnote 11 „Verwundbarkeit/Vulnerabilität“ (Kapitel 3.4).

Ende der Leseprobe aus 87 Seiten

Details

Titel
Die sicherheits- und entwicklungspolitischen Herausforderungen des Klimawandels
Untertitel
Klimaflüchtlinge in der Dritten Welt
Hochschule
Universität der Bundeswehr München, Neubiberg  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Entwicklungspolitik
Note
1,5
Autor
Jahr
2012
Seiten
87
Katalognummer
V281756
ISBN (eBook)
9783656757764
ISBN (Buch)
9783656757771
Dateigröße
1261 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
herausforderungen, klimawandels, klimaflüchtlinge, dritten, welt
Arbeit zitieren
M.A. Florian Hideg (Autor:in), 2012, Die sicherheits- und entwicklungspolitischen Herausforderungen des Klimawandels, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/281756

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