Der Dialog „Timaios“ des griechischen Philosophen Platon ist ein thematisch stark verdichteter Text. Auf etwa 80 Buchseiten behandelt er mythologische, kosmologische, naturphilosophische, aber auch mathematische, sowie anatomische und pathologische Fragen. Ebenso beinhaltet er die „in der Wahrheit begründete Sage“ über den Ursprung und Untergang der Insel Atlantis. Der Dialog wird zum Spätwerk Platons gezählt. Bei aller abschweifenden Thematik beschäftigt sich die vorliegende Arbeit jedoch ausschließlich mit den Ausführungen über die Kosmogonie, also die im Dialog beschriebene Entstehung des Alls, sowie den naturphilosophischen Explikationen, die sich daraus ergeben. Zu Beginn des Dialoges fassen Timaios und Sokrates in aller Kürze einige Gesichtspunkte aus dem Gespräch über den Staat zusammen. Anschließend soll sich Timaios zur Entstehung des Alls bis hin zum Menschen äußern, da dieser als eine Autorität auf diesem Gebiet gilt. Man findet also, wie in vielen anderen Dialogen Platons, keine mäeutische Methode vor; viel mehr expliziert Timaios seine Gedanken in einem langen Monolog, der auch durch Sokrates nicht unterbrochen wird. Timaios räumt dabei ein, dass seine Beschreibungen von hypothetischem Gehalt sind und von daher auch ein Bezug zum Mythischen besteht. Wenn wir nun allerdings annehmen, dass der Kosmos eine organische Einheit bildet, so wird auch der Einwand, der postulierte Demiurg trage stark anthropomorphe Züge obsolet. Wie bereits erläutert, wäre es möglich durch Introspektion, also durch den Blick auf die Teile, auch Schlüsse über das Ganze zu machen. Demnach wäre eine Projektion kein Einwand, sondern würde die Prämisse der holistischen Einheit im Gegenzug noch bekräftigen. Schließlich gäbe es neben dem der Vorstellung des Alls als Organismus oder des Alls als Maschine noch etwas Drittes? Wie, wenn die Ordnung unseres beobachtbaren Universums ein reiner Zufall wäre? Letztlich haben wir keinen Blick für das gesamte Universum, in welchem auch nicht-harmonische Bewegungen der Astralkörper denkbar wären. Zudem sind nach neuesten Erkenntnissen selbst die Bewegungen unseres Sonnensystems nur pseudo-harmonisch, keinesfalls aber exakt. Dies macht den Subjektivismus der
Beobachtung besonders deutlich und widerspricht fundamental der Aussage, der Demiurg hätte das All in Betrachtung des ewig-Seiendes geformt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Der Dialog „Timaios“
- Die Weltzeitalter
- Die ontologische Dichotomie
- Der Demiurg
- Das Gute und das Schöne
- Die Weltseele
- Die Entstehung der Menschen
- Die vier Elemente
- Die Seele des Menschen
- Die Krankheiten der Seele
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit befasst sich mit der Kosmogonie und Naturphilosophie in Platons Dialog „Timaios“. Ziel ist es, die Entstehung des Alls und die darin enthaltenen naturphilosophischen Explikationen zu analysieren und in den Kontext der platonischen Philosophie einzuordnen.
- Die Weltzeitalter und die zyklische Sicht der Geschichte
- Die ontologische Dichotomie zwischen der Welt des Werdens und der Welt des Seienden
- Der Demiurg als Schöpfergott und seine Rolle bei der Ordnung des Chaos
- Die Bedeutung des Guten und Schönen für die Gestaltung des Kosmos
- Die Weltseele als Vermittlungsinstanz zwischen dem Seienden und dem Werdenden
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Der Dialog „Timaios“ des griechischen Philosophen Platon ist ein thematisch stark verdichteter Text. Auf etwa 80 Buchseiten behandelt er mythologische, kosmologische, naturphilosophische, aber auch mathematische, sowie anatomische und pathologische Fragen. Ebenso beinhaltet er die „in der Wahrheit begründete Sage“ (20e) über den Ursprung und Untergang der Insel Atlantis. Der Dialog wird zum Spätwerk Platons gezählt. Bei aller abschweifenden Thematik beschäftigt sich die vorliegende Arbeit jedoch ausschließlich mit den Ausführungen über die Kosmogonie, also die im Dialog beschriebene Entstehung des Alls, sowie den naturphilosophischen Explikationen, die sich daraus ergeben. Es wird durchgängig nach der Übersetzung von Friedrich Schleiermacher und Hieronymus Müller zitiert.
- Die Weltzeitalter: Die Rede des Timaios ist zunächst antithetisch zu der vorhergehenden des Kritias aufgebaut. Dieser berichtet, dass Solon einst in Ägypten von einem Priester darin eingeweiht worden war, wie es sich mit dem Entstehen der Völker und Kulturen verhält. Solon, der etwa 200 Jahre vor Platon lebte und als einer der Sieben Weisen gilt, wird dabei als Autoritätsargument herangezogen, ebenso wie die Umstände seines Aufenthalts in Ägypten und die Überlieferung der Gespräche höchst abenteuerlich erscheinen. Eine mündliche Tradierung über mehrere Generationen betont dabei noch einmal den mythischen Gehalt des Gesagten, wobei der Mythos bei Platon kein Einwand zu sein scheint, sondern als Argument geltend gemacht werden darf. Zudem ist die Autorität des Solon wie gesagt nicht anzuzweifeln. Es wird also erläutert, dass sich die Geschichte in Weltzeitalter (Äonen) einteilen lasse, die jeweils von großflächigen und verheerenden Zerstörungen abgetrennt werden. Diese sind konkret bezeichnet als Überschwemmungen, wie im Falle des Atlantis-Mythos oder als Weltenfeuer, welche die Oberfläche der Erde verbrannt haben sollen, so wie dies im Mythos des Phaeton überliefert wird. Dieser soll den Sonnenwagen seines Vaters Helios entwendet haben, dessen,Kontrolle er allerdings nicht beherrschte, worauf er abstürzte und auf der Erde einen Weltenbrand entfachte. Die Hypothese dieser postulierten Weltzeitalter bedeutet ferner, dass sich die Historie nicht linear, sondern zyklisch auffassen lässt, weshalb die Hellenen auch als ewige Kinder bezeichnet werden, die es nicht zum Greise schaffen (22b). Dies erinnert unmittelbar an die Vorstellung des heraklitischen Weltenkindes, das ebenfalls Aion heißt, und die Bausteine der Welt spielend immer wieder neu arrangiert¹. Ebenso mag dies als metaphysische Abstraktion der beobachtbaren zyklischen Welt (Tag – Nacht; die Jahreszeiten) gelten.
- Die ontologische Dichotomie: Die Rede des Timaios soll nun Aufklärung darüber geben, wie es sich mit der Entstehung des Alls verhält. Die Ausführungen begeben sich also im Vergleich zu denen des Kritias auf eine noch abstraktere Ebene. Hierfür führt Timaios zunächst eine ontologische Dichotomie ein, indem er die Welt des Werdens streng von der Welt des Seienden trennen möchte (28a). Auch dies hat einen Bezug zur vorsokratischen Philosophie und steht somit bereits in einer Tradition, nämlich dem „Streit“ des Heraklit und des Parmenides, die jeweils eine dieser „Welten“ den Vorzug geben. Dies ist im vorliegenden Fall von Bedeutung, da Timaios zu der Frage gelangen muss, ob das All (als „der ganze Himmel“, 28b 2) einen Anfang hat und damit entstand, bzw. im Entstehen begriffen ist oder von je her existierte, sprich ein Seiendes darstellt. Hintergründig fungiert dabei Platons Ideenlehre, die den irdisch-erscheinenden Dingen ein ideales Urbild im Sinne einer Form entgegenstellt. Dabei verhält sich das Werdende zum Seienden wie das Abbild zum Urbild. Gleichzeitig, so Timaios, ist die Welt des Seienden nur mittels des Verstandes einsehbar, während der Zugang zur Welt des Werdens über die Sinne vollzogen wird. Das All ist nun „sichtbar und betastbar und hat einen Körper“ (28b), weshalb es also aus der Welt des Werdens stammt und folglich entstanden sein muss. Ebenfalls muss dieses auch eine Ursache haben, was im Folgenden näher bestimmt wird.
- Der Demiurg: Diese Ursache des Alls wird metaphorisch beschrieben als Vater oder Werkmeister (29a), dem gleichsam das Attribut der Vollkommenheit zugeschrieben wird, da dieser auch als bester aller Urheber gedacht wird. Dieser Demiurg hat Teil an der Welt des Seienden, die für den Menschen nur mittels seiner Verstandeskategorien und auch nur teilweise intelligibel ist. Aus dieser Sicht auf das Seiende konnte der Demiurg in seiner Funktion als Baumeister des Alls die Welt des Werdenden konzipieren: das Seiende galt ihm gleichsam als Bauplan. Das All aber ebenfalls als Entität zu erschaffen, erscheint indes insofern unsinnig, als dass die Welt des Werdenden mit dem Göttlichen zusammenfallen würde, der Demiurg hingegen aber nur Götter schaffen kann, die wiederum als Abbild ihrer selbst den Menschen hervorbringen. Timaios folgt dabei der klassischen Theogonie des Hesiod (41a). So ergibt sich eine Stufenleiter dessen, was der Demiurg erschaffen hat. Er ordnete zunächst das Chaos, das so verstanden werden muss als wäre es eine Leere, die doch etwas beinhalt, das geordnet werden kann. So würde man auch vor dem Eingreifen des Schöpfergottes nicht von einer Unordnung der Dinge an sich sprechen, sondern viel mehr von einer Ungeordnetheit der Dinge. So wurde durch den Baumeister und dessen Plan, der sich aus der Sicht auf das Seiende ergibt, aus dem Chaos der Kosmos geschaffen: das All wurde von einem Status der Ungeordnetheit in eine Ordnung überführt (30a). Die Ungeordnetheit der Dinge ist dabei nicht gleichzusetzen mit einem tatsächlichen Nichts: es findet also eine creatio ex nihilo statt: das heißt alles, was der Schöpfung des Demiurgen vorausgeht, wird dabei als voraussetzungslos betrachtet. So bleibt beispielsweise die Frage, woher etwa der Demiurg selbst stammt völlig unberührt; die Idee von diesem als einer causa sui ebenfalls.
- Das Gute und das Schöne: Wir haben nun das Chaos, den Kosmos und die Möglichkeiten seiner Erkenntnis näher ausgeführt. Für Timaios bleibt aber noch die Frage zu erörtern, warum der Weltenbauer überhaupt dazu kam, das Chaos zu organisieren und nicht viel mehr im Nichtstun verharrte. Die Antwort darauf wird auf zweierlei Arten gegeben. Zum einen wollte er, dass das, was ihn umgab ähnlich wie er würde; er selbst wird aber als „gut“ beschrieben, was in diesem Fall sehr umfassend und nicht bloß moralisch betrachtet ausgelegt werden muss. Aufgrund des Wesens des Demiurgen erscheint es nun logisch, dass die Ordnung besser ist als die Ungeordnetheit der Dinge und er folglich den Zustand des Chaos beheben müsse. Der andere Beweggrund für das Tätigsein des Demiurgen liegt darin, das Schöne zu tun, denn was als das Beste gelten möchte, das hängt gleichsam zusammen damit, auch das Schönste zu sein. Dies wird so dargestellt, als bliebe dem Demiurgen mit Notwendigkeit gar nichts anderes übrig, als den Kosmos auch nach dem Schönsten her zu gestalten, denn „dem Besten war es weder, noch ist es ihm gestattet, etwas anderes als das Schönste zu tun [...]“ (30a). Diese Einheit von Gutem und Schönem ließe sich ferner als Harmoniebestrebung des Demiurgen betrachten. Dieses findet seinen Ausdruck in den geometrisch geordneten (ellipsenhaften) Bewegungen der Planeten, die als solche bereits eins sind mit den eigentlichen Göttern. Weniger „ideal“ sind hingegen die Dinge aus der Welt des Werdens: so wird man beispielsweise kein ideales Dreieck in der Natur vorfinden, sehr wohl aber in der Vorstellung des Verstandes. Dies liegt daran, dass das naturhafte, also real existierende und sinnlich wahrnehmbare „Ding“ eben nur das unvollkommene Abbild eines ewigen Urbildes sein kann. Diese sind eben „Nachbilder des ständig Seienden, diesem auf eine schwer auszusprechende, wundersame Weise nachgebildet [...]“ (50c). Nach Platon existieren aber auch diese Urbilder als Realien, verstanden als ideale Formen, in einer metaphysischen Welt des Seins, zu der die Seele mittels der Erinnerung (Anamnesis) Zugang hat. Dies wird zwar genauer in anderen Dialogen (v.a. im „Menon“) spezifiziert, ist insofern aber auch in diesem Zusammenhang von Bedeutung, da Timaios auf die Lehre
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Kosmogonie, die Naturphilosophie, die Welt des Werdens, die Welt des Seienden, den Demiurg, das Gute, das Schöne, die Weltseele, die Entstehung der Menschen, die vier Elemente und die Seele des Menschen. Der Text analysiert Platons Dialog „Timaios“ und beleuchtet die Entstehung des Alls, die Rolle des Demiurgen als Schöpfergott und die Bedeutung des Guten und Schönen für die Gestaltung des Kosmos. Darüber hinaus werden die Weltseele als Vermittlungsinstanz zwischen dem Seienden und dem Werdenden sowie die Entstehung der Menschen und die Struktur der menschlichen Seele untersucht.
- Arbeit zitieren
- Markus Uehleke (Autor:in), 2013, Kosmogonie und Naturphilosophie in Platons Dialog „Timaios“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/281993