Mit dieser Abhandlung möchte ich den Standpunkt deutlich machen, dass Kreativität viel weniger aus externalen Faktoren entspringt, sondern viel mehr Ausfluss eines inneren Widerspruchs ist, den es zu überwinden gilt. Betrachten wir hierzu zunächst, wieso der Mensch sich überhaupt progressiv verhält, wieso er also kreative Leistungen geradezu nötig
hat. Ich folge hierbei der Argumentationslinie Arnold Gehlens, der den Menschen als „Mängelwesen“ auffasst, welches sich nur durch seine kulturellen Leistungen überhaupt erhalten kann. Der Mensch, der geradezu gegensätzlich zur Struktur der Welt geformt ist, indem sein Körper an sich nicht ausreichend an die Witterungsbedingungen angepasst ist, sowie sein Geist, d.h., dessen Fähigkeit „Nein“ zum Leben zu sagen, sich dem vitalistischen Prinzip des Lebens durch das Prinzip des Geistes entgegenzustellen, wie es Max Scheler proklamiert, ist nichts anderes als gezwungen dazu, seine Umwelt zu verändern; - anders wäre es geradezu paradox, dass sich das „Mängelwesen“ derzeitig an sämtlichen Orten der Welt und sogar im Weltall zu erhalten vermag. Mit seinem Einfluss auf seine Umgebung geht natürlich eine Wechselwirkung einher: der Mensch erschafft sich selbst, er fungiert als „creatura creatrix“, wie es Michael Landmann bezeichnet. Entwicklungspsychologisch wurde dieser sich ergänzende Gegensatz bei Piaget, der damit eigentlich selbst
anthropologische Fragen beantworten wollte, unter dem Begriffspaar „Assimilation und Akkommodation“ behandelt. Mit diesen systematischen Gegenüberstellungen zwischen zwei primären menschlichen Gegenüberstellungsprinzipien gegen die Beschaffenheit der Welt, möchte der Essay deutlich machen, dass dieser Grundgegensatz auch tief in der menschlichen Psyche verankert sein muss, wenn dieser es schafft, die Welt und sich selbst zu seinen Gunsten zu verändern.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung und anthropologische Prämisse
- Der archaische Widerspruch oder die kreative Reibung
- Zur Entstehung von Nietzsches Zarathustra
- Zur Stellung der Melancholie
- Integration und Grenzen: der Wahnsinn und der Märtyrer
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit befasst sich mit dem Zusammenhang zwischen Kreativität, Melancholie und Wahnsinn. Sie argumentiert, dass Kreativität nicht nur aus externen Faktoren entsteht, sondern auch aus einem inneren Widerspruch, der überwunden werden muss. Die Arbeit untersucht den archaischen Widerspruch als Quelle kreativer Energie und analysiert die Rolle von Rauschzuständen und der Verbindung von dionysischen und apollinischen Energien in der Kunst.
- Der archaische Widerspruch als Quelle kreativer Energie
- Die Rolle von Rauschzuständen in der Kunst
- Die Verbindung von dionysischen und apollinischen Energien
- Die Entstehung von Nietzsches Zarathustra im Kontext seiner psychischen und physischen Verfassung
- Die Bedeutung von Melancholie und Wahnsinn für die Kreativität
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung und anthropologische Prämisse: Dieses Kapitel führt in die Thematik der Hausarbeit ein und stellt die anthropologische Prämisse des „Mängelwesens“ nach Arnold Gehlen vor. Es wird argumentiert, dass der Mensch aufgrund seiner körperlichen und geistigen Defizite gezwungen ist, seine Umwelt zu verändern und sich selbst zu erschaffen. Dieser Prozess der Selbstgestaltung wird als „creatura creatrix“ bezeichnet und mit dem Piagetschen Konzept der Assimilation und Akkommodation in Verbindung gebracht.
- Der archaische Widerspruch oder die kreative Reibung: Dieses Kapitel definiert den „archaischen Widerspruch“ als den inneren Zwiespalt zwischen Leben und Tod, Libido und Destrudo. Es wird argumentiert, dass dieser Widerspruch die Quelle kreativer Energie ist und sich in der Kunst als Konflikt zwischen dionysischen und apollinischen Energien manifestiert. Die kreative Energie entsteht durch die Reibung dieser beiden Kräfte, die in einem Rauschzustand ihren Ausdruck finden.
- Zur Entstehung von Nietzsches Zarathustra: Dieses Kapitel analysiert die Entstehung des ersten Teils von Nietzsches Zarathustra im Kontext seiner damaligen psychischen und physischen Verfassung. Es wird gezeigt, wie Nietzsches physiologischer Rausch (dionysisch) durch seine Selbstmedikation mit Opium und sein apollinischer Rausch durch seine Isolation in Sils-Maria zur Entstehung des Werkes beigetragen haben.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Kreativität, Melancholie, Wahnsinn, archaischer Widerspruch, dionysische und apollinische Energien, Rauschzustand, Selbstgestaltung, „creatura creatrix“, Nietzsche, Zarathustra, anthropologische Prämisse, Mängelwesen, Assimilation und Akkommodation.
- Quote paper
- Markus Uehleke (Author), 2009, Kreativität, Melancholie und Wahnsinn, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/281994