„Mein Gott, so etwas – das kannst du natürlich nicht – aber so etwas in dieser Art, das möchtest du doch auch mal schreiben“, sagt der Schriftsteller Gert Hofmann im Interview mit Ralph Schock im Jahr 1992 über seine Begeisterung, die er beim Lesen von Büchners Novelle „Lenz“ empfindet. Er hat viele Vorgänger, die den Stoff oft bearbeitet haben. Aber dieser Gedanke, „so etwas wie […], so etwas in dieser Art“ prägen seinen Willen und 1981 entsteht seine Novelle, 146 Jahre nach Büchner, die er „Die Rückkehr des verlorenen J.M. R. Lenz nach Riga“ nennt. Diese Novelle erscheint in einem Band unter dem Titel „Gespräch über Balzacs Pferd.“ Der Band enthält vier Künstlernovellen: Zunächst über Lenz, Casanova, Balzac und Robert Walser. Hofmanns Novelle reicht sich ein in eine ganze Reihe von Texten, die sich des Schicksals des tragischen Dichters des Sturm und Drang annehmen, basiert vor allem auf Büchners Novelle, wie auch auf Oberlins Tagebücher.
„Hofmann konkretisiert Büchners „So lebte er hin“, indem er den Dichter mit seinem Vater konfrontiert. […] Er konzentriert das Geschehen auf einen einzigen Tag, den 23. Juli 1779“ , als der Sohn nach langer Abwesenheit zu seinem Vater zurückkehrt, der gerade zum Generalsuperintendenten ernannt wird und zum zweiten Mal verheiratet in ein neues Haus zieht, das seiner hohen Stellung in der Gesellschaft entspricht.
Die Aufgabe dieser Arbeit ist eine eingehende Analyse der Novelle von Hofmann unter dem stark dominierenden Motiv des Vergleiches mit dem biblischen Gleichnis vom verlorenen Sohn.
Bereits der Titel der modernen Novelle assoziiert die Nähe zum biblischen Stoff, dort geht es um den verlorenen Lenz. Doch Hofmanns Blickwinkel verkehrt die biblische Aussage: Nicht die Freude über das heimgekehrte Schaf steht im Mittelpunkt, sondern die Entrüstung über den Unerwünschten und seine Ausweisung aus dem elterlichen Haus. Die Darstellung der grotesken Verkehrung der biblischen Geschichte und der durch diese entstandene Konflikt zwischen Vater und Sohn führen zum Ausbruch des von Anfang an vorhandenen latenten und alles beherrschenden Wahnsinns.
Im letzten Teil der Arbeit soll auf die besondere Erzählstruktur und Stil der Novelle eingegangen werden: Beide unterstützen Hand in Hand das groteske Bild der biblischen Parabel und machen den Ausbruch des Wahnsinns plausibel.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hauptteil
- Das Motiv des verlorenen Sohnes: Der Titel
- Ankunft und die „ausbleibende“ Begrüßung
- „Ich bin nicht würdig, unter dem Dach meines Vaters zu wohnen"
- ,,Lasst uns essen und fröhlich sein“ – die Bedeutung der Festlichkeit und der Einkleidung beim Hofmann und in der Bibel
- Die gestörte" Harmonie
- Vater - Sohn - Konflikt
- Das Motiv des Sumpfes
- Die „allmächtige“ Vater - Gott - Gestalt
- Das Motiv des Wahnsinns
- Erzählstruktur der Novelle
- Das Motiv des verlorenen Sohnes: Der Titel
- Schlusswort
- Bibliographie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit analysiert Gert Hofmanns Novelle „Die Rückkehr des verlorenen J. M. R. Lenz nach Riga“ und untersucht, wie das Motiv des verlorenen Sohnes in der Geschichte des tragischen Dichters J. M. R. Lenz dargestellt wird. Die Arbeit vergleicht Hofmanns Interpretation mit dem biblischen Gleichnis und analysiert die daraus resultierenden Konflikte zwischen Vater und Sohn.
- Das Motiv des verlorenen Sohnes als zentrale Metapher
- Die groteske Verkehrung der biblischen Geschichte
- Der Konflikt zwischen Vater und Sohn
- Die Rolle des Wahnsinns in der Novelle
- Die Erzählstruktur und der Stil der Novelle
Zusammenfassung der Kapitel
Die Novelle beginnt mit der Ankunft von J. M. R. Lenz in Riga, der wirtschaftlich ruiniert und geistig krank ist. Sein Vater, der zum Generalsuperintendenten von Livland ernannt wurde, erwartet ihn nicht und empfängt ihn mit Gleichgültigkeit. Lenz versucht, die Aufmerksamkeit seines Vaters zu gewinnen, doch dieser bleibt unnahbar und zeigt keine Freude über die Rückkehr seines Sohnes. Diese Szene stellt eine groteske Verkehrung des biblischen Gleichnisses vom verlorenen Sohn dar, in dem der Vater seinen Sohn mit Freude empfängt.
Die Novelle beleuchtet den Konflikt zwischen Vater und Sohn, der durch die groteske Verkehrung des biblischen Motivs entsteht. Lenz' Ankunft wird als Belastung empfunden, und der Vater zeigt keine Bereitschaft, ihn zu unterstützen oder zu verstehen. Die Novelle zeigt, wie die Enttäuschung und Ablehnung des Vaters Lenz in den Wahnsinn treiben.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen das Motiv des verlorenen Sohnes, die groteske Verkehrung der biblischen Geschichte, den Konflikt zwischen Vater und Sohn, den Wahnsinn, die Erzählstruktur und den Stil der Novelle. Die Arbeit analysiert Hofmanns Interpretation des Lenz-Stoffes im Kontext des biblischen Gleichnisses und untersucht die Auswirkungen der Verkehrung des Motivs auf die Beziehung zwischen Vater und Sohn.
- Arbeit zitieren
- Eka K.-G. (Autor:in), 2004, Die Motive des verlorenen Sohnes und des Wahnsinns in Gert Hofmanns "Die Rückkehr des verlorenen J. M. R. Lenz nach Riga", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/282616