Der Schulunterricht und dessen Methoden werden immer wieder von Firmen und Unternehmen kritisiert. Gleichzeitig wird die Forderung nach einer umfassenden Kompetenzvermittlung an die Schule gestellt. In Folge dessen werden „neue“ Unterrichtsmethoden wie z.B. Gruppenunterricht und kooperative Lernformen zur Kompetenzvermittlung und –förderung verlangt. Diese Methoden sind nicht erst in heutiger Zeit auf Drängen der Wirtschaft entstanden und erfunden worden, sondern sind in der Geschichte der Pädagogik wiederzufinden.
Dennoch müssen die heutigen Unterrichtsmethoden neu überdacht werden. Dazu greife ich die Rahmenrichtlinien und Bildungsverordnungen heraus und betrachte den heutigen Unterricht, unter den Gesichtspunkt, ob dieser den Ansprüchen der Wirtschafts- und Arbeitswelt genügt. In diesen Bezug werden unterschiedliche Betrachtungen von Unterricht, Lernen und Unterrichtsgestaltung mit einbezogen.
Der Gedanke vom kooperativen Lernen ist nicht erst in der heutigen Zeit entstanden. Man muss beim Rückblick in die Geschichte den Begriff des kooperativen Lernens weiter fassen und auch Kleingruppenarbeit und Gruppenunterricht betrachten.
Schon in den Reformschulen wurde Gruppenunterricht gehalten. Dies geschah meist, um einen Lehrermangel auszugleichen. In dieser Unterrichtsform wurden die Klassen in kleine Gruppen aufgeteilt und ältere Schüler übernahmen die Beaufsichtigung und belehrten jüngere Schüler. Ähnliche Aufteilungen findet man auch an Jesuitengymnasien, in denen die Klassen in 10er Gruppen eingeteilt wurden. Auch hier übernahmen ältere Schüler Aufgaben des Lehrers.
Im 18./19. Jahrhundert wurde Gruppenunterricht meist aus organisatorischen Gründen betrieben. Bell und Lancaster kombinierten in Großbritannien leistungsstärkere und leistungsschwächere Schüler, um ein Helferprinzip aus arbeitsökonomischen Gründen zu schaffen. Andere Gründe für Gruppenunterricht zeigte der Franziskaner P.G. Girard im gleichen Jahrhundert. Er versuchte durch die Vermischung von Kindern armer und reicher Eltern soziale Barrieren abzubauen. Gerade an kleinen Schulen mit hohen Schülerzahlen und wenigen Lehrern wurde diese Unterrichtsform in jahrgangsübergreifenden Klassen angewendet. Nur wenige Pädagogen berücksichtigten soziale Aspekte in der Gruppenarbeit, wie z.B. der schon erwähnte P.G. Girard.
Inhalt
1 Einleitung
2 Geschichte des Gruppenunterrichts und des kooperativen Lernens
3 Betrachtung der Bildungsrichtlinien
4 Herkömmliche Methoden im Unterricht
5 Sichtweisen des Lernens
5.1 Veränderungen des Unterrichts und des Lernbegriffs
5.2 Vergleich der kognitivistischen mit der konstruktivistischen Sichtweise des Lernens
6 Kooperatives Lernen
6.1 Was ist kooperatives Lernen?
6.1.1 Merkmale und Aspekte des kooperativen Lernens
6.1.2 Positive Effekte kooperativen Lernens
6.2 Kooperatives Lernen im Unterricht
6.3 Probleme beim kooperativen Lernen
6.4 Rahmenbedingungen für das kooperative Lernen
6.4.1 Motivations- und Anreizstrukturen
6.4.2 Optimale Sitzordnung beim kooperativen Lernen
6.4.3 Grundvoraussetzungen für kooperative Lernformen
6.4.4 Gruppeneinteilung
6.4.5 Homogene und heterogene Gruppen
6.4.6 Gruppengröße
6.4.7 Rollen- und Funktionsverteilung
6.4.8 Der Fahrplan für eine Gruppenarbeit
6.4.9 Der Regelkatalog
6.4.10 Der Reflexionsbogen
6.4.11 Der Zeitrahmen
6.4.12 Zusammenfassung der Rahmenbedingungen
7 Kognitive Prozesse beim kooperativen Lernen
7.1 Kognitiver Konflikt
7.2 Internalisation kognitiver Prozesse
7.3 Erklären
7.4 Metakognitive Strategien
7.5 Reflektieren
7.6 Prozess der Kooperation in Gruppen
7.7 Zusammenfassung der Gruppenprozesse
8 Praktische Unterrichtsbeispiele
8.1 Strukturierte Kontroverse
8.2 Projekte als kooperative Lernform
8.3 Simulationen einer Juniorerfirma
8.4 Zusammenfassung der Vorbereitung auf die Arbeitswelt
9 Schlussbemerkung
10 Literaturliste
11 Anhang
1 Einleitung
Der Schulunterricht und dessen Methoden werden immer wieder von Firmen und Unternehmen kritisiert Gleichzeitig wird die Forderung nach einer umfassenden Kompetenzvermittlung an die Schule gestellt. In Folge dessen werden „neue“ Unterrichtsmethoden wie z.B. Gruppenunterricht und kooperative Lernformen zur Kompetenzvermittlung und –förderung verlangt. Diese Methoden sind nicht erst in heutiger Zeit auf Drängen der Wirtschaft entstanden und erfunden worden, sondern sind in der Geschichte der Pädagogik wiederzufinden.
Dennoch müssen die heutigen Unterrichtsmethoden neu überdacht werden. Dazu greife ich die Rahmenrichtlinien und Bildungsverordnungen heraus und betrachte den heutigen Unterricht, unter den Gesichtspunkt, ob dieser den Ansprüchen der Wirtschafts- und Arbeitswelt genügt. In diesen Bezug werden unterschiedliche Betrachtungen von Unterricht, Lernen und Unterrichtsgestaltung mit einbezogen.
2 Geschichte des Gruppenunterrichts und des kooperativen Lernens
Der Gedanke vom kooperativen Lernen ist nicht erst in der heutigen Zeit entstanden. Man muss beim Rückblick in die Geschichte den Begriff des kooperativen Lernens weiter fassen und auch Kleingruppenarbeit und Gruppenunterricht betrachten.
Schon in den Reformschulen wurde Gruppenunterricht gehalten. Dies geschah meist, um einen Lehrermangel auszugleichen. In dieser Unterrichtsform wurden die Klassen in kleine Gruppen aufgeteilt und ältere Schüler übernahmen die Beaufsichtigung und belehrten jüngere Schüler. Ähnliche Aufteilungen findet man auch an Jesuitengymnasien, in denen die Klassen in 10er Gruppen eingeteilt wurden. Auch hier übernahmen ältere Schüler Aufgaben des Lehrers.[1]
Im 18./19. Jahrhundert wurde Gruppenunterricht meist aus organisatorischen Gründen betrieben. Bell und Lancaster kombinierten in Großbritannien leistungsstärkere und leistungsschwächere Schüler, um ein Helferprinzip aus arbeitsökonomischen Gründen zu schaffen. Andere Gründe für Gruppenunterricht zeigte der Franziskaner P.G. Girard im gleichen Jahrhundert. Er versuchte durch die Vermischung von Kindern armer und reicher Eltern soziale Barrieren abzubauen. Gerade an kleinen Schulen mit hohen Schülerzahlen und wenigen Lehrern wurde diese Unterrichtsform in jahrgangsübergreifenden Klassen angewendet. Nur wenige Pädagogen berücksichtigten soziale Aspekte in der Gruppenarbeit, wie z.B. der schon erwähnte P.G. Girard.[2]
Die Betrachtung des Gruppenunterrichts nach pädagogischen und kognitiven Gesichtspunkten wurde vom Amerikaner John Dewey (1859-1952) erstmals erwähnt. Er beobachtete Kindergruppen außerhalb des Unterrichts und entwickelte daraus sein Konzept, welches sich auf die natürliche Aktivität kindlicher Neugier und das Interaktionsbedürfnis Gleichaltriger stützt. Die Schüler sollten in Gruppen verschiedene Projekte auswählen und selbstständig die Gruppenaufgaben wie z.B. die Herausgabe einer Schülerzeitung bearbeiten. Weitere Befürworter der Gruppenarbeit in den USA waren z.B. Burk und Washborne.[3]
Aber auch in Europa wurden die Grundsätze der natürlichen Aktivität und Neugier aufgegriffen und im Unterricht mit eingebunden. Der Franzose Roger Cousinet teilte Stoffgebiete in Einzelthemen auf, welche von Spontangruppen bearbeitet wurden. Nachdem die einzelnen Aufgaben bearbeitet waren, wurden sie zu einem Ganzen wieder zusammengefügt. Diese Gruppenarbeit beschränkte sich aber auf musische und Sachfächer.[4]
In Deutschland erarbeitete Berthold Otto etwa 1897 ein Modell des Gruppenunterrichts, welches vom Kinde ausging. Dabei sollten ungezwungene Umgangsformen und kindgemäße Sprache in den Vordergrund gerückt werden. Durch die Anerkennung jugendlicher, individualistischer Ansprüche war diese Pädagogik ein Gegensatz zur „[…] obligaten Pauk- und Drillschule mit mehr oder minder freien Schülergruppen […]“[5]. Der Gruppenunterricht stellte eine Förderung der Gruppenbildung der Gemeinschaft dar. Erfahrungen aus Jugendbewegungen und Arbeitsschulbewegungen wurden in die pädagogische Berufspraxis mit einbezogen. Gerade die naturalistischen Gedanken spiegelten sich in den Unterrichtskonzepten wieder. Ziel war ein natürlicher Unterricht, ohne Beschränkungen auf bestimmte Lehrgebiete, der nicht abschneidet und erdrückt. Dieses Unterrichtskonzept ist nicht nur unter pädagogischen Gesichtspunkten, sondern auch als Gegenreaktion auf die soziale und kulturelle Zerrissenheit der damaligen Zeit anzusehen.[6]
Eine Weiterentwicklung dieser Ansätze strebte Peter Petersen (1884-1952) durch seinen „Jenaplan“ an. In diesem Konzept wollte Petersen natürliche Lebensgesetze der Familien auf Schule und Unterricht übertragen. Der Gruppenunterricht spielt dabei eine wesentliche Rolle, zum Einen aus schulorganisatorischen Gründen, da die Klassen in so genannte „Stammgruppen“ (1-3; 4-6; 6-8; 8/9-10 Schuljahr) eingeteilt waren, zum Anderen beinhaltete das Konzept viele gruppenunterrichtliche Verfahren. Die Gruppenarbeit wird von Petersen als eine wichtige Lehrmethode anerkannt.[7]
Diese pädagogischen Ansätze basierten nicht auf empirischen oder kognitiven Untersuchungen, auch nicht auf Überlegungen zur Vorbereitung auf die Berufswelt, sie sind eher aus pädagogischen Überzeugungen entstanden, die sich auf kindgerechtes Lernen beziehen.[8]
Heute begründet sich der Einsatz von kooperativen Lernmethoden aber sowohl auf empirische Befunde als auch auf pädagogische, psychologische und soziologische Untersuchungen. Diese Erkenntnisse und das empirische Wissen haben „[…] bereits in den 60er- und 70er-Jahren zu einem bemerkenswerten Aufschwung des Gruppenunterrichts geführt. Nur wollte seinerzeit die Welt außerhalb der Schule von Teamfähigkeit noch nicht allzu viel wissen.“[9] Kooperatives Lernen galt in den 60er- und 70er-Jahren allerdings als Domäne von Linken- und Reformpädagogen und hatte somit Probleme mit der Anerkennung und Etablierung. Die Betonung des sozialen Lernens bewirkte ebenso eine sehr schwierige Stellung, denn durch die sozialpsychologische und gruppendynamische Ausrichtung wurde dem Gruppenunterricht ein therapeutischer Stempel aufgedrückt, denn so sollte auf die „veränderte Kindheit“ reagiert werden.
Im Laufe der Zeit kam die Vorbereitung auf die Arbeitswelt hinzu und nimmt bis heute einen immer größeren Stellenwert bei der Gestaltung des Unterrichts ein. In der heutigen Zeit ist kooperatives Lernen deshalb eher als Vermittlung umfassender Kompetenzen denn als eine therapeutische Maßnahme anzusehen.
Bleibt die Frage, inwieweit kooperatives Lernen heute in den Schulen thematisiert wird.
3 Betrachtung der Bildungsrichtlinien
Nach dem Rückblick in die Geschichte stellt sich die Frage, inwieweit der heutige Unterricht von kooperativen Lernformen bestimmt wird und welche Vorteile sie für den Unterricht und die Schüler bieten.
Dafür betrachte ich zuerst die institutionellen und politischen Vorgaben des Unterrichts, die in den so genannten Rahmenrichtlinien für die jeweiligen Fächer festgehalten sind. Diese Rahmenrichtlinien werden durch die Kultusministerien der jeweiligen Bundesländer herausgegeben und aktualisiert. Das Ministerium entscheidet über Inhalte, Aufgaben und Ziele des Fachunterrichts. Bei der Betrachtung der Rahmenrichtlinien erkennt man, dass der fachliche Lehrstoff im Vordergrund steht. Dieser ist meist gut sortiert aufgelistet und leicht zu überblicken. Um Aufgaben und Ziele aus dem Bereich des sozialen Lernens bzw. der Sozialkompetenzvermittlung zu finden, muss man intensiv suchen.
In den Rahmenrichtlinien für die Hauptschule im Fach Mathematik findet man bei den Aufgaben und Zielen des Faches nur einen kleinen Abschnitt, der etwas über die Vermittlung bzw. das Erlernen sozialer Kompetenzen aussagt. „Die Vermittlung der dazu erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten kann nur gelingen, wenn die Schüler bereit sind und in die Lage versetzt werden, als einzelne oder in der Gruppe an der Lösung mathematischer Problemstellungen mitzuarbeiten, selbstständig und ökonomisch zu handeln, dabei Hilfsmittel zielgerichtet zu benutzen und mathematische Denkweisen zu übernehmen und einzusetzen.“[10] Hieran erkennt man, dass es dem Lehrer selbst überlassen ist, wie er diese Kompetenzen ausbildet. Ein verweis auf den Einsatz kooperativer oder sozialer Methoden findet sich nicht. Es ist also nicht zwingend erforderlich solche Lernformen einzusetzen. Aber auch in den Rahmenrichtlinien für andere Fächer kann man sich nur schwer ein Bild über die zu vermittelnden Kompetenzen machen. Gerade der Deutschunterricht bietet eigentlich viele Gelegenheiten für Schüler kooperativ zu arbeiten, aber auch hier gibt es in den Rahmenrichtlinien wenig Hinweise. „Sprachliche Auseinandersetzung ermöglicht es, einen eigenen Standpunkt einzunehmen.“ „Die Gesprächserziehung soll zum aufmerksamen Anhören des Partners und zum klar verständlichen Sprechen, zur sachlichen Darlegung der eigenen Meinung und zur Toleranz gegenüber der Meinung anderer anleiten.“[11] Das sind einige wenige Hinweise auf die Wichtigkeit sozialer Kompetenzen.
In den Rahmenrichtlinien werden zwar soziale Zielstellungen genannt, aber es gibt wenig Hinweise, wie diese erreicht werden können. Auch der Einsatz kooperativer Lernformen, die das soziale Lernen und damit auch die Vermittlung sozialer Kompetenzen ermöglichen, wird nicht als Unterrichtsmethode oder –mittel gefordert. Die Richtlinien geben somit nur wenig Unterstützung im Bereich der sozialen Kompetenzerweiterung und die dahingehende sinnvolle, zielgerichtete Gestaltung des Unterrichts. Da die Rahmenrichtlinien aus dem Jahr 1989 stammen ist es notwendig neuere Richtlinien heranzuziehen, in denen neue Entwicklungen und Forderungen der Wirtschafts- und Arbeitswelt berücksichtigt werden sollten.
Hierzu sind die Bildungsstandards zu zählen, die von der Kultusministerkonferenz am 4.12.2003 beschlossen wurden. Diese Standards sind landesübergreifende Richtlinien und vervollständigen die Rahmenrichtlinien der Länder, um deutschlandweite vergleichbare Standards einzuführen. Ziel ist es die Qualität schulischer Bildung, die Vergleichbarkeit schulischer Abschlüsse sowie die Durchlässigkeit des Bildungssystems zu sichern. Sie beschreiben erwartete und angestrebte Lernergebnisse und können als abschlussbezogene Regelstandards für den mittleren Schulabschluss definiert werden. Diese Standards sind für die Fächer Deutsch, Mathe und die erste Fremdsprache (Englisch/ Französisch) erarbeitet worden. Die Bildungsstandards greifen allgemeine Bildungsziele sowie zentrale Inhalte auf und benennen Kompetenzen, die erworben werden sollen.[12] „Bildungsstandards formulieren fachliche und fachübergreifende Basisqualifikationen, die für die weitere schulische und berufliche Ausbildung von Bedeutung sind und die anschlussfähiges Lernen ermöglichen.“[13] Diese Kompetenzen stehen im Einklang mit schulischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Forderungen und sollen die Persönlichkeitsentwicklung und Weltorientierung der Schüler fördern. Im Mathematikunterricht sollen somit nicht nur mathematische, sondern auch fachübergreifende Kompetenzen vermittelt werden. Die Schüler müssen sich aktiv mit mathematischen Problemen auseinandersetzen und deren Inhalte erfassen. Weiterhin sollen sie beim Bearbeiten von Problemen, Aufgaben und Projekten mit mathematischen Mitteln, ihre Kompetenzen im Unterricht erweitern. „Dies geschieht in einem Unterricht, der selbstständiges Lernen, die Entwicklung von kommunikativen Fähigkeiten und Kooperationsbereitschaft sowie eine zeitgemäße Informationsbeschaffung, Dokumentation und Präsentation von Lernergebnissen zum Ziel hat.“[14] Es wird hier speziell die Entwicklung weitreichender Kompetenzen hervorgehoben. Bei näherer Betrachtung der zu vermittelnden Fähigkeiten finden sich aber diese geforderten umfassenden Kompetenzen kaum wieder. Es werden sechs wichtige Kompetenzen aufgeführt, die sich auf das Fach Mathematik beziehen: Probleme mathematisch lösen, mathematisch argumentieren, mathematisch modellieren, mathematische Darstellungen verwenden, formale und technische Elemente berücksichtigen und kommunizieren. Nur letzteres bezieht sich auf soziale Kompetenzen und beinhaltet u.a., auf Fragen und Kritik sachlich und angemessen reagieren und auf Äußerungen von Anderen zu mathematischen Inhalten eingehen zu können. Die übrigen Kompetenzen stützen sich eher auf fachliche Inhalte.
Dieses Bild bestätigt sich auch in der Betrachtung des Abschnitts 4 der Standards. Hier findet man 11 Aufgabenbeispiele mit Kommentaren zu den jeweiligen Kompetenzen, welche vorrangig geschult werden sollen. Zwei dieser Aufgaben kann man der kommunikativen Kompetenz zuordnen, wobei die Schüler ihre Argumente begründen und sich mit anderen Argumenten kritisch auseinandersetzen sollen. Abgesehen davon, dass nur zwei von elf Bereichen soziale Kompetenzen zum Ziel haben, gibt es auch keinerlei Hinweise, in welchem Rahmen diese Ziele erreicht werden sollen. Es wird auch nicht auf geeignete Methoden, wie z.B. Gruppenarbeit, Partnerarbeit usw. hingewiesen.
Erst in der Betrachtung des „Orientierungsrahmens Schulqualität in Niedersachsen 2003“[15] lassen sich umfassende zu vermittelnde Kompetenzen wiederfinden. In diesen Rahmenplänen werden u.a. gute Unterrichtsgestaltung, benötigte Kompetenzen, soziales Klima und soziales Lernen thematisiert (siehe Abb.5). Insbesondere werden hier unterrichtliche Methoden angesprochen. Zum Beispiel: „Die Lehrkräfte geben im Unterricht Anregungen für Partner und Gruppenarbeit.“[16] In diesem Zusammenhang wird der Gruppenunterricht erwähnt und auch viele andere Methoden wie z.B. Partnerarbeit genannt. Dennoch fehlen Erklärungen über Nutzen und Sinnhaftigkeit einzelner Methoden.
Diese Betrachtung zeigt leider, wie spät die Bildungspolitik auf die Forderungen der Wirtschaft und der Gesellschaft reagiert hat. Es ist also kein Wunder, dass unser Unterricht immer noch nicht zeitgemäß ist und unsere Schüler oft schlecht auf die Zukunft vorbereitet sind. Das zeigt auch der nächste Abschnitt, der die häufigste Unterrichtmethode, den Frontalunterricht, darstellt.
4 Herkömmliche Methoden im Unterricht
Trotz der fehlenden methodischen Grundlagen wird von den Lehrern verlangt, geeignete und sinnvolle Methoden einzusetzen und obwohl jeder Lehrer seine Lehrmethoden selbst wählen kann, müssen alle Schüler ausreichend gefördert, alle Lehrziele der Rahmenrichtlinien erreicht und die Schüler auf einen Beruf vorbereitet werden.
Aus dem vorangegangenen Abschnitt geht hervor, dass der Lehrer bei der Auswahl sinnvoller Methoden kaum Unterstützung von Bildungsministerien erhält. Es fällt vor allem älteren Lehrern schwer abwechslungsreiche, sinnvolle und geeignete Methoden gezielt einzusetzen, denn bei ihnen liegt die theoretische Ausbildung lange zurück und sinnvolle Weiterbildungen zu kooperativen Lehrformen sind selten und meistens nicht verpflichtend. Aber auch Lehramtsanwärter sind oft nicht mit diesen Methoden vertraut. Sie können zwar an der Hochschule entsprechende Seminare zu diesem Thema belegen, aber in den Schulpraktika bekommen sie die bevorzugten Lehrmethoden der meist älteren Lehrer vermittelt. Somit unterbleibt das praktische Anwenden und Ausprobieren von neuen Lehrformen oft. Dies führt zu meist einseitiger Unterrichtgestaltung und einseitigem Einsatz von Unterrichtsmethoden. Eine Erhebung in Nordrhein – Westfalen und Chemnitz ergab folgende Ergebnisse: „75 bis 90% des alltäglichen Unterrichts werden als Frontalunterricht erteilt“ und „Zwei Drittel dieses Frontalunterrichts werden durch das gelenkte Unterrichtgespräch ausgefüllt.“[17] Diese Erhebung bestätigt die These über einseitige Unterrichtsmethoden. Es ist aber schwierig zu erklären, warum gerade das gelenkte Unterrichtsgespräch so häufig und verstärkt eingesetzt wird. Deshalb ist zu klären, welche Vorteile diese Methode für den Schüler und für den Lehrer hat.
Das gelenkte Unterrichtgespräch wird durch die zentrale Rolle des Lehrers bestimmt. Er versucht dabei, durch Fragestellungen und Impulse, eine Lösung von den Schülern zu bekommen. Dabei soll sich ein „Frage- und Antwortspiel“ ergeben, welches die Schüler zur Lösung führt. Das folgende Stundenprotokoll veranschaulicht diese Unterrichtsmethode. Hierbei versucht ein Lehrer die zu behandelnde Textsorte durch ein gelenktes Unterrichtgespräch zu erarbeiten. Das Thema der Stunde ist die Kurzgeschichte „Das Nachtpfauenauge“ von Hermann Hesse.
„L: Ja, also, wir sehen, das ist eine Jugenderinnerung, die er hierbei aufschreibt (schreibt das Wort an die Tafel), und … nun habe ich noch eine Frage. Wo, in welcher Art Bücher würdet ihr denn so eine … Erinnerung erwarten, so eine Geschichte? (Pause) Außer, daß es nun mal im Lesebuch drin steht, nech? … Ja, Ralf.
S: Vielleicht in einem Tagebuch oder so?
L: Tagebuch? (Schüler sagen nein) Warum nicht, Jan?
S: Weil das ja über mehrere Jahre geht.
L: Nun, was schreibt man eigentlich in ein Tagebuch? Von einem Tag? (Murmeln) Das heißt also? (Schüler reden durcheinander, einer setzt sich durch)
S: Daß man da nicht alle diese äußeren Handlungen da und so schreibt, sondern in einem Tagebuch das, was man empfindet, mehr dahinschreibt.
L: Ja, und worüber empfindet man es, das, was man im Tagebuch schreibt, worüber empfindet man das?
S: Über den einzelnen Tag, man kann ja nicht …
L: (unterbricht) Ja, über welchen Tag, das ist glaube ich noch nicht ganz deutlich geworden … (auffordernd). Im Tagebuch schreibe ich … Na, nehmen wir mal als Beispiel – heute ist der 25.10.1978 – was könnte man im Tagebuch heute abend, wenn jemand Tagebuch führt, was könnte man da reinschreiben, Claudia.
S: Das über den Tag, was er erlebt hat.
L: Über welchen Tag?
S: Heute.
L: Heute. Genau. Wir hatten festgestellt, da ist ein Abstand von etwa 22 Jahren … Jens.
S: Ich glaube, in gesammelten Werken und so?
L: Mmh. Gesammelte Werke … oder, Joachim?
S: Vielleicht ein Krimi oder so? (Gelächter)
L: Na.
S: Abenteuerbuch?
L: Abenteuerbuch? (Schüler reden durcheinander)
S: In einem Jugendbuch? (Gemurmel)
L: …. usw.“ [18]
Dieses Stundenprotokoll zeigt den typischen Verlauf von gelenkten Unterrichtsgesprächen. In dem Beispiel will der Lehrer auf den Begriff „Lebenserinnerungen“ hinaus. Dabei versucht er zusammen mit den Schülern, anhand der Analyse des Textes die Begrifflichkeit zu erarbeiten. Diese Erarbeitung wird vom Lehrer bestimmt. Er sagt, welche Aussagen gut oder schlecht sind und hinterfragt Antworten, die in die richtige Richtung gehen, um so zur Lösung zu gelangen. Nur der Lehrer kennt seinen vorgegebenen „Lösungsweg“ und versucht diesen durch Impulse für die Schüler sichtbar zu machen. Die Schüler erkennen diesen „Weg“ nur schwer und versuchen, durch bloßes Raten die richtige Lösung zu finden. Bei diesem Prozess werden sich einige Schüler ganz raushalten und Angst davor haben, vom Lehrer etwas gefragt zu werden. Hierbei kann man nicht von einem konstruktiven Unterrichtsgespräch, das einen Lernerfolg bewirkt, sprechen, denn das angestrebte Ziel des Lehrers ist nicht die individuelle, selbstgesteuerte Auseinandersetzung mit dem Thema oder das gemeinsame Suchen nach Lösungswegen der Schüler, sondern das vom Lehrer gelenkte Erarbeiten eines allgemeingültigen Lösungswegs. Er versucht zwar das Interesse der Schüler für die Suche nach der Lösung zu wecken, erreicht aber ein orientierungsloses Raten, bei dem kein Schüler aktiv an der Lösungssuche beteiligt ist. So empfinden viele Schüler diesen Unterricht als langweilig, uninteressant und demotivierend.[19]
In diesem Beispiel erkennt man klar ein Missverhältnis zwischen Kraft und Zeitaufwand des Lehrers, dem eigentlichen Nutzen für die Schüler und dem Erreichen des Unterrichtsziels, denn die Schüler setzen sich nicht eigenständig mit der gesuchten Begrifflichkeit auseinander. So bringt ihnen das gelenkte Unterrichtsgespräch kaum neue inhaltliche Erträge bzw. neue Erkenntnisse. Sie erreichen eher das Gegenteil, denn sie rufen bei Schülern aber auch bei Lehrern nur bekannte und oft angewendete Interaktions- und Kommunikationsmuster ab.
Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass diese Methode keine effektive Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsinhalt bietet. Ein Interview von Schülern der 9. Klasse in der Oldenburger Innenstadt verdeutlicht, wie sich Schüler speziell im Frontalunterricht verhalten:
„Autor: Ihr wißt doch, was Methoden sind?! – Die Formen und Verfahren, mit denen im Unterricht gelernt wird. Nun hab’ ich eine Frage an Euch: Welche Methoden benutzt ihr als Schüler im Unterricht?
Schüler: Wie meinen Sie das?
Autor: Die Art und Weise, wie ihr versucht, im Unterricht klarzukommen!
Schülerin: Freundliches Gesicht machen und so tun, als ob man bei der Sache ist …
Schülerin: Ja, genauso! Mit der Zeit kriegt man das raus, wie man die einzelnen Lehrer behandeln muss. Wir haben da einen in Geschichte …
Autor: Aber das sind doch eher Lernverhinderungs-Methoden! – Ich wollte von euch Wissen, wie ihr vorgeht, wenn ihr euch einen Unterrichtsinhalt aneignet!
Schüler: Das ist doch die Aufgabe des Lehrers! Der muß uns das beibringen! Und beim einen schläfste ein und beim anderen geht’s so halbwegs!“ [20]
Dieses Beispiel zeigt deutlich die Diskrepanz zwischen dem, was Lehrer bezwecken wollen und was sie bei den Schülern im Unterricht erreichen. Solches Schülerverhalten tritt oft bei Frontalunterricht auf bzw. wird durch diese Unterrichtsform überhaupt erst hervorgerufen. Am Beispiel erkennt man eindeutig die ablehnenden, uneffektiven Lernhaltungen der Schüler, die den Sinn des eigenen Lernens nicht erkennen und sich dabei weigern die Verantwortung dafür zu übernehmen.
Zugleich fällt den Lehrern in solchen Situationen schwer, den Schülern die Verantwortung für das Lernen zu übertragen. Es handelt sich also um einen „Teufelskreis“, in dem effektives Lernen und die Einbindung förderlicher Methoden unmöglich ist.
Demzufolge muss der Unterricht umgestaltet und an die Bedürfnisse der Schüler und die Anforderungen ihrer Zukunft angepasst werden. „Unterricht muß so gestaltet werden, daß er den SchülerInnen die Chance lässt, selbst die Verantwortung für das Lernen zu übernehmen.“[21] Dieses anspruchsvolle Ziel wird durch den Frontalunterricht mit dem beliebten Unterrichtsgespräch nicht erreicht. Deshalb müssen andere Methoden gefunden werden, um den Unterricht zielorientiert zu gestalten. Dieser zielorientierte Unterricht benötigt aber nicht nur andere Methoden, sondern auch veränderte Sichtweisen über das Lernen der Schüler.
5 Sichtweisen des Lernens
In dem vorangegangen Unterrichtsbeispiel geht der Lehrer überhaupt nicht auf die Bedürfnisse der Schüler ein. Da diese Methode dem Frontalunterricht zugeschrieben werden kann, lassen sich Rückschlüsse ziehen, auf welche Anschauung das Lernen innerhalb dieser Methode zurückgeht. Hierbei wird der Lernende als ein passives Wesen gesehen. „Erzieher und Lehrer können durch Manipulation der Verhaltenskonsequenzen (Belohnung und Bestrafung) erwünschtes Verhalten stärken und unerwünschtes Verhalten schwächen.“[22] Wie im Beispiel des Unterrichtsgesprächs, wo der Lehrer durch positive Impulse die Schüler zur Lösung zu führen versucht.
Die Kontrolle des Lernens liegt hierbei vollständig beim Lehrer. Er versucht seine Lösungsstrukturen und sein Wissen zu vermitteln und gesteht den Schülern keine eigenen Lösungsstrategien zu. Die Schüler werden dabei nur als Objekte angesehen, die Wissen aufnehmen können bzw. müssen. Man spricht vom sogenannten „Trichter-Prinzip“ (siehe Abb.6), denn „Lernen ist nichts anderes als die Übermittlung äußerlich existierenden Wissens an ein lernfähiges Individuum“[23] Diese Sichtweise des Lernens existiert schon sehr lange.
Die Frage ist aber: Genügt diese Annahme den heutigen Ansprüchen der Gesellschaft und Arbeitswelt?
5.1 Veränderungen des Unterrichts und des Lernbegriffs
Die Ansprüche an die heutige Ausbildung der Schüler haben sich sehr verändert und unterliegen auch weiterhin Veränderungen. Es werden Forderungen nach Qualifikationen wie Kooperationsbereitschaft, Flexibilität und eigenverantwortliches Handeln seitens der Wirtschafts- und Arbeitswelt gestellt. Dadurch entstehen die neue Anforderungen an Lehrende, Lernende und an die Unterrichtsmethoden:
- Der Unterricht muss inhaltsbezogen gestaltet werden, sodass Schüler befähigt werden, relevante von irrelevanten Inhalten zu unterscheiden.
- Diese Inhalte müssen erkannt werden und ein selbstständiges Arbeiten muss möglich sein.
- Auch intensive Kooperation mit entsprechenden Kommunikationsmöglichkeiten müssen mit einbezogen werden.
- Reflexionsphasen müssen als Förderung von gemeinsamen Lernprozessen anerkannt werden und einen festen Bestandteil im Unterricht bilden
- Schüler müssen erkennen, dass neue Situationen und unbekannte Themen zur Förderung des Wissens und neuer Kompetenzen dienen.[24]
Unter den Voraussetzungen dieser Anforderungen an den Unterricht muss auch der Lernbegriff unter anderen Sichtweisen und Standpunkten gesehen werden. Wenn man probiert diese Anforderungen zu erfüllen, kann das Lernen nicht mehr als passives Geschehen gesehen werden. „Lernen ist nicht mehr passiv. Vielmehr handelt es sich um einen aktiven, konstruktiven, kumulativen und zielgerichteten Prozess.“[25] Unter diesen Gesichtpunkt muss das Lernen neue Aspekte beinhalten
- Da der Lernende selbstständig handeln muss um Informationen zu verarbeiten ist das Lernen ein aktiver Prozess.
- Da der Lernende neue Informationen mit vorhandenem Wissen in Beziehung setzt, ist das Lernen konstruktiv.
- Da das Lernen auf Vorhandenem aufbaut und bereits Bekanntes zur Verständlichkeit herangezogen wird, ist das Lernen kumulativ.
- Am erfolgreichsten ist das Lernen, wenn jemand auf etwas hinarbeitet, ein Ziel vor Augen hat oder ein bestimmtes Ergebnis erreichen will. Deshalb ist das Lernen als ein zielgerichteter Prozess anzusehen.[26]
Anhand dieser Aufgabe und Inhalte des Lernens erkennt man klar eine Diskrepanz zwischen dem momentanen Unterrichtsgeschehen und dem Unterricht, der gefordert wird. Es gibt also zwei völlig unterschiedliche Sichtweisen des Lernens. Frontalunterricht stützt sich auf den kognitivistischen Standpunkt, in Anlehnung an das Trichterprinzip. Die neuen Anforderungen des Lernens beinhalten dagegen die konstruktivistische Sichtweise.
5.2 Vergleich der kognitivistischen mit der konstruktivistischen Sichtweise des Lernens
Was diese beiden Sichtweisen für das Lernen und die Gestaltung der Lernumgebung bedeuten, kann man bei einem Vergleich gut darstellen. Bei der näheren Betrachtung der beiden Sichtweisen gehe ich von einer idealtypischen Einteilung aus, da diese Formen im Unterricht nicht in der Reinform auftreten.
Zentrale Idee des kognitivistischen Standpunkts ist die Vermittlung von Lerngegenständen und Wissensausschnitten. Erkenntnisse sollen im Ganzen erfasst und zu einem späteren Zeitpunkt möglichst genau wiedergegeben werden. Im Fokus steht somit die Frage „[…] wie die Instruktion optimiert werden kann, damit sich die Lernenden die Wissensinhalte zu eigen machen können.“[27] Dabei ist der Lehrende als Wissensvermittler anzusehen. Er erklärt, präsentiert und vermittelt die Inhalte, leitet die Lernenden an und überwacht und überprüft ihre Lernfortschritte. Somit wird den Lernenden bei dieser Ansicht nur eine passive Rolle zuteil. Bei der Evaluation des Lernerfolgs stehen eingesetzte Instruktionen im Vordergrund, welche zum Lernerfolg führen oder geführt haben.[28]
Im Gegensatz zu dieser Sichtweise steht der konstruktivistische Standpunkt. Die zentrale Idee ist das selbstständige Konstruieren des Wissens und der Lerninhalte. Eine Wiedergabe als genaues Abbild des Wissens ist gar nicht erst möglich. Die Inhalte, Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten werden flexibel auf verschiedene Probleme angewendet. Es werden nicht nur Problemlösefertigkeiten trainiert, sondern auch kognitive Strategien entwickelt.[29] Im Mittelpunkt steht die Annahme „[…] dass Lernen ein aktiv- konstruktiver Prozess ist, der immer in einem ganz spezifischen Kontext stattfindet.“[30] Dieser Prozess muss vom Lehrenden unterstützt werden. Das geschieht durch das Anregen, Beraten, Organisieren und Unterstützen der Lernenden durch den Lehrenden. Der Lernende gestaltet dabei seine Lernprozesse aktiv selbst. Dieser aneignende Prozess steht auch im Mittelpunkt der Bewertung. Es wird dabei viel Wert auf selbstständiges Reflektieren gelegt, so dass sinnvolle Fehlerkorrekturen und Verbesserungen jederzeit möglich sind.[31]
Den beiden Standpunkten liegt auch eine unterschiedliche Meinung über Lerngegenstände. In der kognitionstheoretischen Grundordnung werden die zu erfassenden Situationen und Lerngegenstände für den Lernenden vorgegeben und so vorstrukturiert, dass sie leicht zu erfassen sind. Dadurch kann das Wissen in instruktionsbezogenen Prüfungen abgefragt werden. Allerdings treten bei nichtkontextgebundenen Aufgabenstellungen Transferprobleme auf.
Der entgegengesetzte Standpunkt betrachtet die Lerngegenstände aus einem anderen Blickwinkel. „Die konstruktivistische Grundordnung geht davon aus, dass das Individuum Situationen, denen es sich ausgesetzt sieht, im Sinne einer bedeutungstragenden Gestalt strukturiert. Es gestaltet die Situation in Wahrnehmung und Handeln mit.“[32] Das bedeutet der Lerner konstruiert den Lerngegenstand selbst mit. Dabei erhält der Lernenden eine aktive Rolle.
Der Lehrende fungiert somit als Lehrberater und übernimmt Organisations- und Beratungsaufgaben. Allerdings dürfen in zielgerichtetem, kompetenzförderndem Unterricht Aufgabentypen, die der kognitivistischen Sichtweise entsprechen, nicht vernachlässigt werden. Deshalb sollte der Lehrende „[…] als Fachexperte den Lernenden eine Orientierung […] bieten, etwa in Form von Advance Organizern (Überblick über den fachlogischen Zusammenhang des vermittelnden Wissensgebiet), Hilfestellungen und Feedback.“[33] Es soll also ein Konsens beider Ansichten gefunden werden, der die Vor- und Nachteile der jeweiligen Theorie in Bezug auf die bestmögliche Förderung von Schülern beinhaltet. Das bedeutet, dass beide Standpunkte im Unterricht ihre Berechtigung haben, denn beide Sichtweisen und die dazugehörigen Methoden können Wissen vermitteln.
Es ist aber zu klären, ob die kognitivistische Sichtweise den Anforderungen der Arbeitswelt genügt. Dies ist klar mit einem „Nein“ zu beantworten. Denn Wissen, welches in einer rein passiven Lernumgebung vermittelt wird, kann nur separat wiedergegeben werden, und dient somit nicht als Grundlage für neues Wissen. Auch die Anwendung auf neue, komplexe Sachverhalte ist sehr schwierig. Ebenso können die gewünschten Kompetenzen nicht vermittelt werden, da die Schüler häufig nicht eigenständig mit Personen und Sachinhalten agieren.
Gerade im Hinblick auf die Forderungen hat die konstruktivistische Anschauung an Bedeutung gewonnen, insbesondere da auf Seiten der Wirtschaft und Gesellschaft die Forderungen nach überfachlichen Kompetenzen (Problemlösekompetenz, Selbstregulationsfertigkeiten) und sozialen Kompetenzen laut werden. Somit ist der Aufbau einer Lernumgebung, die sich auf die konstruktivistische Theorie stützt, in der Schule notwendig. Dabei sollte die Lernumgebung so gestaltet sein, dass sie
- das Auffinden und die aktive Konstruktion von Wissen fördert;
- den Erwerb von Problemlösekompetenzen fördert;
- die Fähigkeit zum selbstregulierten Lernen fördert;
- soziale Kompetenzen und insbesondere die Teamfähigkeit fördert;
- individuelle Unterschiede berücksichtigt, aber auch instruktionale Unterstützung bietet;
- durch geeignete Erfassung und Rückmeldung sowohl von Erfolgen als auch Fehlern individuelle Konstruktionsprozesse unterstützt.[34]
In solch einer Lernumgebung kann die Vermittlung wichtiger Unterrichtsinhalte und der wichtigen benötigten Kompetenzen gelingen.
Es bleibt zu klären welche Unterrichtsmethoden dem konstruktivistischen Gedanken entsprechen. Das gelenkte Unterrichtsgespräch kann man nach den bisherigen Ausführungen ausschließen.
Als mögliche Antwort auf die Forderungen seitens der Wirtschafts- und Arbeitswelt wurden Gruppenunterricht und kooperative Lernformen genannt. In dieser Arbeit auch das kooperative Lernen als mögliche Unterrichtsmethode herausgestellt. Ob diese abwechslungsreiche Form aber allen Anforderungen gerecht wird, wird im Folgenden geklärt.
6 Kooperatives Lernen
Als Ausgangspunkt der Betrachtung des kooperativen Lernens, steht die Frage: Wird diese Lernform den Ansprüchen von Wirtschaft, Gesellschaft und Arbeitswelt gerecht?
Unter dieser Fragestellung soll auf Merkmale, Aspekte und positive Effekte aber auch auf Probleme und Rahmenbedingungen eingegangen werden.
Durch die konstruktivistische Sichtweise erhält die Methode des kooperativen Lernens seine Berechtigung im Unterricht, denn diese Betrachtung des Lernens sieht kooperative Lernmethoden als wirksames Mittel der Wissens- und Kompetenzvermittlung.
Auch Erkenntnisse aus der Gruppenpädagogik bestätigen diesen Anspruch. Denn mit der Anwendung von gruppendynamischen Wissensbeständen zur Gestaltung der Interaktionen in mikrosozialen Systemen können die Lehr- und Lernprozesse wirksam unterstützt werden.[35] „Lernen ist hier nicht länger als ausschließliche Aneignung von Sach- und Fachwissen verstanden. Der pädagogischen Reform erschienen zunehmend solche Bildungsveranstaltungen als erstrebenswert, die individuelle Reifung und soziale Kooperation in der Beschäftigung mit Lerngegenständen zu verbinden wussten.“[36] Um kooperatives Lernen als gute „Bildungsveranstaltung“ anzuerkennen, muss man das kooperative Lernen im Unterricht näher betrachten.
6.1 Was ist kooperatives Lernen?
Mit den Anschauungen der konstruktivistischen Theorie des Lernens können kooperative Lernsituationen entstehen und wirksam werden. Dabei entsteht ein neuer Begriff des Lernens, der die kooperativen Lernsituationen näher bestimmt:
- Lernen ist ein aktiver, konstruktiver Prozess, in dem neue Informationen an vorhandenes Wissen angeknüpft werden, um neue Ideen und Sinnzusammenhänge zu konstruieren.
[...]
[1] vgl. Dietrich, 1974, S. 83
[2] vgl. Dietrich, 1974, S. 83f.
[3] vgl. Dietrich, 1974, S. 84
[4] vgl. Dietrich, 1974, S. 84
[5] Dietrich, 1974, S. 84
[6] vgl. Rosenbusch, 1973 in Dietrich 1974, S.84
[7] vgl. Peterson, 1958, in Dietrich, 1974, S. 85
[8] Dietrich, 1974, S. 85
[9] Klippert, 1998, S. 14f.
[10] Nds. Kulturministerium, Rahmenrichtlinien für die Hauptschule. 1989, S.5
[11] Nds. Kulturministerium, Rahmenrichtlinien für die Orientierungsstufe, 1989, S.5f.
[12] vgl. Kultusministerkonferenz, Bildungsstandards im Fach Mathematik, 2003, S.3
[13] Kultusministerkonferenz, Bildungsstandards im Fach Mathematik, 2003, S.3
[14] Kultusministerkonferenz, Bildungsstandards im Fach Mathematik, 2003, S.7
[15] www.mk.niedersachsen.de
[16] www.mk.niedersachsen.de/servlets/[...] , S.19
[17] Meyer 1994, S. 338
[18] Meyer, 1994, S. 50f.
[19] Meyer, 1994, S. 52f.
[20] Meyer, 1994, S. 340.
[21] Meyer, 1994, S. 341.
[22] Konrad, 2001, S. 16
[23] Konrad, 2001, S. 16
[24] vgl. Konrad, 2001, S. 15
[25] Shull, 1988, 1996 in Konrad, 2001, S.17
[26] vgl. Konrad, 2001, S. 17
[27] Huber A., 2004, S. 117
[28] Huber A., 2004, S. 116f.
[29] vgl. Huber A., 2004, S. 117
[30] Huber A., 2004, S. 117
[31] Huber A., 2004, S. 116f.
[32] Hoof, 2001, S. 199
[33] Huber A., 2004, S 117
[34] vgl. Huber A., 2004, S. 119
[35] vgl. Aschaffenburg, 1987, S.14
[36] Aschaffenburg, 1987, S.14
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