Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Definition von Cybermobbing
3. Besonderheiten des Cybermobbings
4. Technische Begründungen
5. Ökonomische Begründungen
5.1. Definition von Marktversagen
5.2. Arten des Marktversagens
5.2.1. Öffentliche Güter
5.2.2. Externe Effekte
5.2.3. Strukturprobleme des Wettbewerbs
5.2.4. Informationsmängel
5.2.5. Meritorische Güter
5.3. Folgen des Marktversagens
5.3.1. Medienkonzentration
5.3.2. Alternative Finanzierung
6. Gesellschaftlich-politische Begründungen
6.1. Soziale und kulturelle Bedeutung
6.2. Politische Bedeutung
7. Fazit
8. Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Animierte Hinrichtungsvideos, pornografische Montagen und hasserfüllte Gästebucheinträge - das Internet wird zunehmend Schauplatz öffentlicher Bloßstellung. Schüler, die auf der Toilette gefilmt werden und anschließend bei ‚YouTube„ zu sehen sind (vgl. Zettel 2009) sowie Lehrer, die auf Internetseiten mit demütigenden Bewertungen diffamiert oder heimlich in Single-Chats angemeldet werden, sind nur einige Beispiele für die nahezu grenzenlose Palette an Möglichkeiten, die Eskalationen auf dem Schulhof mit Hilfe neuer Kommunikationsmedien auf eine andere Ebene verlagern. Kaum mehr eine Schule hat nicht mit der Problematik des Cybermobbings zu kämpfen (vgl. Eberspächer 2007). Das Resultat einer Online-Umfrage von Schülern und Schülerinnen von der 1. bis zur 13. Klasse belegt, dass bereits 16,5 Prozent von Cyber- Mobbing betroffen waren und die meisten Attacken in Chaträumen stattfinden (vgl. ZEPF 2009). Einer 2009 durchgeführten Studie der Universität Landau zufolge wurde jeder siebte Jugendliche in Deutschland bereits Opfer von Cybermobbing. Die Zahl der Betroffenen beträgt insgesamt rund zwei Millionen (vgl. Römer 2010: 1 f.). Auch Lehrer werden zunehmend Opfer von Internetattacken. Eine im Jahr 2008 durchgeführte Stichproben-Umfrage ergab, dass bereits acht Prozent der Lehrer Opfer von Cybermobbing geworden sind und jeder dritte von Vorfällen im Bekannten- bzw. Kollegenkreis weiß (vgl. GEW 2008). Eine andere Befragung unter Lehrern zeigt, dass nahezu 60 Prozent das Gefühl haben, Cybermobbing unter Schülern habe zugenommen (vgl. ZEPF 2007). Um die Eskalationen einzuschränken wird von vielen eine straffere Regulation des Internets gefordert (vgl. Grimberg 2010). Das Internet ist jedoch nur ein Bereich von Kommunikation, der Regulierung erfordert. Diese Arbeit beschäftigt sich im Folgenden mit den allgemeinen Gründen der Regulierung von Kommunikation und setzt dabei einen zentralen Schwerpunkt auf die Ursache und Problematik Cybermobbing. Dazu werden zunächst der Begriff und die Unterschiede zu direktem Mobbing erläutert um anschließend die technischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Begründungen für die Regulierung von Kommunikation aufzuführen. Wo es möglich ist, werden diese Aspekte auf Cybermobbing bezogen. Der letzte Abschnitt legt zusätzlich ein Augenmerk auf die Schwierigkeiten bei der Regulierung des Internets und insbesondere Cybermobbing und soll so die Frage klären, inwieweit Cybermobbing durch Regulation des Internets verringert werden kann.
2. Definition von Cybermobbing
Unter Cybermobbing - auch Cyber-Bullying oder E-Mobbing - versteht man das Bloßstellen, Beleidigen, Belästigen und Bedrohen von anderen Personen unter Verwendung moderner Kommunikationsmittel (vgl. Safer Internet). Da keine einheitliche Definition des Begriffes existiert, soll für diese Arbeit folgende Grundlage gelten:
„Cyber-bullying involves the use of information and communication technologies such as e-mail, cell phone and pager text messages, instant messaging (IM), defamatory personal Web sites, and defamatory online personal polling Web sites, to support deliberate, repeated, and hostile behavior by an individual or group, that is intended to harm others” (Belsey 2004 zit.n. Keith / Martin 2005: 224)
Das Diffamieren geschieht also durch Nutzung von Handy- und Internetanwendungen. Um andere Personen einzuschüchtern, Gerüchte zu verbreiten oder ihnen auf andere Weise zu schaden, wird meist die gesamte Bandbreite an technischen Möglichkeiten genutzt. Angriffe schriftlicher Form sowie Anrufe, Fotos und Videos können hierbei mittels verschiedener Kanäle verbreitet werden. So sind Foto- und Videoplattformen, Homepages, soziale Netzwerke oder Instant Messenger genauso potentielle ‚Tatorte„ wie Chats, MUDs1 und Newsgroups2 (vgl. Fawzi 2009: 36).
3. Besonderheiten des Cybermobbings
Dass Cybermobbing meist über verschiedene Internetangebote gestützt wird oder per Handy geschieht, stellt eines der Merkmale dar, die Cybermobbing von traditionellem Mobbing unterscheiden. Mobben über ein Medium ermöglicht - einfacher als traditionelles Mobben - die Verwendung multimedialer Elemente (vgl. Fawzi 2009: 66 f.). Das Zwischenschalten eines Mediums verhindert desweiteren, dass sich Täter und Opfer direkt gegenüberstehen und führt so zu dem zentralen Aspekt der Anonymität. Diese wurde in einer Studie der University of London als Hauptunterschied zu traditionellem Mobbing genannt. Die befragten elf bis 16-jährigen Schülerinnen und Schüler betonten dabei auch die mit der Anonymität einhergehende Hilflosigkeit und Angst, der man als Cybermobbing-Opfer verstärkt ausgesetzt ist (vgl. Römer 2010: 5).
Um Anonymität auszunutzen und Rückschlüsse auf die ‚wahre Identität„ zu verhindern, erstellen Cybermobber in sozialen Netzwerken oft so Genannte ÄFake-Profile“3 um ihre Opfer zu schikanieren (vgl. Schau Hin Info 2010). Dadurch, dass die Kommunikationspartner füreinander unsichtbar sind, sinken die Hemmschwellen in erheblichem Maße. Das kann in manchen Fällen auch zur Folge haben, dass Opfer, die in der Realität körperlich unterlegen sind, mit Hilfe des Internets einfacher einen Gegenangriff starten können. Der virtuelle Handlungsraum sorgt jedoch nicht nur für den Verlust der Körperlichkeit und somit flexibleren Rollentausch, sondern macht Angriffe auch von Zeit und Ort unabhängig. Die Virtualität bindet Mobbing nicht mehr an die Anwesenheit des Opfers, sondern ermöglicht Tätern ein Agieren rund um die Uhr und an jedem Ort, an dem entsprechende technische Mittel gegeben sind (vgl. Safer Internet). Ferner wird Opfern ‚das Entfliehen„ vor Mobbing-Material erschwert, da Daten in vielen Fällen dauerhaft gespeichert bleiben oder nur schwer löschbar sind. Sie sind gleichzeitig von einer Vielzahl an Personen abrufbar, was zur Folge hat, dass sich die Beobachtung der Angriffe - anders als beim traditionellen Mobbing - nicht nur auf den zum Zeitpunkt des Mobbings anwesenden Personenkreis beschränkt. Das führt zu mehr Zuschauern - mit weniger Eingriffsmöglichkeiten. Da direkte Anwesenheit nicht gegeben ist, wird es schwieriger Mobbing unmittelbar zu verhindern. Die Eigenschaften des Internets, welche Abwesenheit als Schutzfunktion ausschließen und durch erhöhte Zugriffs- und verringerte Eingriffsmöglichkeiten eine neue Dimension des Mobbings ermöglichen, verstärken die Wehrlosigkeit des Opfers (vgl. Fawzi 2009: 87).
All diese Tatsachen verdeutlichen das Erfordernis einer Regulierung von Kommunikation, die in allen anderen Medien ebenso notwendig ist. Im Folgenden soll deshalb auf die Gründe und Ursachen für Medienregulierung eingegangen werden.
4. Technische Begründungen
Medienregulierung im Rundfunksektor ist von Beginn an technisch begründet. Die so genannte Frequenzknappheit bedeutet, dass nur bestimmte Ausschnitte des Frequenzspektrums für Rundfunksendungen geeignet sind und erfordert deshalb vom Staat vergebene Sendegenehmigungen. Durch neue Distributionskanäle und Digitalisierung wird das Frequenzspektrum zwar effizienter genutzt, bleibt aber trotzdem beschränkt. Zusätzlich ist Regulierung notwendig um eine Diskriminierung von Anbietern auszuschließen und den geregelten Zugang zur technischen Infrastruktur sicherzustellen (vgl. Puppis 2007: 65 f.).
5. Ökonomische Begründungen
Auch aus wirtschaftlicher Hinsicht ergibt sich die Notwendigkeit einer Regulierung. Ausgangspunkt der Erklärung ist die neoklassische Medienökonomie, die Medien wie Güter behandelt. Unter den Begriff Medien fällt dabei alles, was ein Instrument zur Verbreitung von Informationen ist - somit zählt auch das Internet zu dieser Kategorie (vgl. Beck 2005: 1). Im Mittelpunkt der Medienökonomie stehen die Medienmärkte, auf denen aus Angebot und Nachfrage der Preis für ein bestimmtes Gut resultiert. Die Notwendigkeit eines staatlichen Eingriffes entsteht erst dann, wenn der Markt nicht mehr funktioniert. In diesem Fall spricht man von Marktversagen, welches als ökonomische Rechtfertigung für die Regulation von Medien gilt und deshalb im Folgenden etwas genauer erläutert wird.
5.1. Definition von Marktversagen
Der Medienmarkt lässt sich als eine Art Koordinationsmechanismus verstehen, der für die Ressourcenallokation verantwortlich ist. Mit Allokation ist die Verteilung und Zuordnung der knappen Ressourcen wie Arbeit, Kapital und Rohstoffen zur Produktion von Gütern gemeint. Die neoklassische Medienökonomie geht davon aus, dass der vollkommene Markt - was vereinfacht ausgedrückt einen idealisierten Markt mit Chancengleichheit beschreibt (vgl. Cube Wirtschaftsakademie) - zu einer optimalen Allokation der Ressourcen führt, zu der es nur dann kommt, wenn der Markt möglichst effizient arbeitet. Wird so kostengünstig wie möglich produziert, spricht man von produktiver Effizienz. Allokative Effizienz ist dann erreicht, wenn das Güterangebot den von Konsumenten gewünschten Gütern entspricht. Die Kombination aus beiden Effizienzen führt zum Idealfall der Ressourcenallokation und ist gegeben, wenn so kostengünstig wie möglich produziert wird, was die Konsumenten kaufen möchten. Dieses Gedankenkonstrukt stellt die ökonomische Realität jedoch in stark vereinfachter Weise dar. Weil nicht immer alle Bedingungen gegeben sind, die zu einem funktionierenden Wettbewerb führen, bleibt die optimale Ressourcenallokation oft unerreicht. Diesen Zustand nennt man Marktversagen. (vgl. Puppis 2007: 67 f.).
5.2. Arten des Marktversagens
Auf Medien bezogen kann man fünf verschiedene Arten dieses Marktversagens unterscheiden. Für Cybermobbing spielen vor allem öffentliche Güter und externe Effekte eine entscheidende Rolle und werden deshalb ausführlicher behandelt.
5.2.1. Öffentliche Güter
Öffentliche Güter werden vom Staat bereitgestellt und zeichnen sich durch zwei Eigenschaften aus: Sie können von allen Nachfragern konsumiert werden und es ist kein Ausschluss vom Konsum möglich. Diese beiden Merkmale werden als Nicht-Rivalität und Nicht-Ausschließbarkeit im Konsum bezeichnet.
Man spricht von Nicht-Rivalität, wenn ein Gut von vielen Personen gleichzeitig konsumiert werden kann, ohne dass dadurch der Konsum von anderen Personen eingeschränkt wird (vgl. Puppis 2007: 68). Dieser Zustand ist bei allen Medien gegeben, da weder das zeitgleiche Ansehen einer Fernsehsendung durch mehrere Personen, die Rezeption eines Einzelnen einschränkt, noch das Lesen eines Zeitungsartikels oder das Hören einer Radiosendung beeinträchtigt wird, wenn gleichzeitige Rezeption durch eine Vielzahl von Konsumenten erfolgt. In Bezug auf Cybermobbing kann diese Tatsache schnell problematisch werden, da auch im Internet - Serverüberlastung ausgenommen – eine nahezu unbegrenzte Zahl an Personen beleidigende Inhalte zeitgleich und ohne Beeinträchtigung durch zeitgleiche Nutzung Anderer rezipieren kann. Inhalte können über das Internet somit wesentlich schneller verbreitet und problemlos einem großen Personenkreis zugänglich gemacht werden. Innerhalb kürzester Zeit lassen sich Gerüchte und Beleidigungen an ein unüberschaubar großes Publikum vermitteln und es bleibt oft unklar wie viele Menschen das Geschehen beobachten (vgl. Zettel 2009). Anders als in der Realität, wo beispielsweise eine Prügelei nur von den Menschen gesehen werden kann, die zum Zeitpunkt der Eskalation anwesend sind und einen ‚guten Platz„ haben, an dem man alles sehen kann, wird im Internet durch ÄHappy
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1 „Multi User Dungeons“ als Oberbegriff für Mehr-Personen-Fantasy-Rollenspiele (vgl. Bahl 1997, S.60)
2 Moderierte oder unmoderierte virtuelle Diskussionsgruppe (vgl. E-Teaching)
3 Nutzung von Kommunikationsformen des Internets unter Verwendung eines Pseudonyms 5