Leseprobe
INHALTSVERZEICHNIS
1 Einleitung
1.1 Hintergrund
1.2 Fragestellung und Zielsetzung
1.3 Vorgehensweise und Datenbeschaffung
2 Grundsätzliche Überlegungen zum Musikmarkt
2.1 Der Musikmarkt
2.1.1 Entwicklungen und aktuelle Lage des Marktes
2.1.2 Einnahmequellen eines Musikkünstlers und Aufgaben der Industrie
2.1.2.1 Live
2.1.2.2 Plattenfirmen und Labels
2.1.2.3 Musikverlage
2.1.2.4 Merchandising
2.1.2.5 Verwertungsgesellschaften
2.1.2.6 Sonstige Einnahmequellen
2.2 Vermarktung von Künstlern
2.2.1 Die klassische Vermarktung von Musikkünstlern
2.2.2 Neue Akteure, Aufgaben und Wege der Vermarktung
2.3 Die Digitalisierung
2.3.1 Von analoger zu digitaler Musik
2.3.2 Probleme der Digitalisierung
2.3.3 Chancen der Digitalisierung
2.4 Die Selbstvermarktung
2.4.1 Werkzeuge zur Selbstvermarktung
2.4.2 Chancen und Risiken der Künstler Selbstvermarktung
3 Analyse anhand ausgewählter Beispiele
3.1 Fallbeispiel anhand der Newcomer Band „Any Of Both"
3.2 Fallbeispiel anhand der etablierten Band „Nine Inch Nails'
4 Fazit
Abbildungsverzeichnis
Quellenverzeichnis
Bücher
Wissenschaftliche Studien
Internetseiten mit Autorenangabe
Internetseiten ohne Autorenangabe
Verzeichnis Interviews
Anlagen
Experteninterview I (Christopher Ludwig)
Experteninterview II (Eric Jan Krausch)
Experteninterview III (Ryan Rauscher)
Experteninterview IV (Laura Heinrichs)
Experteninterview V (Lisa Ullrich)
1 EINLEITUNG
1.1 HINTERGRUND
Musik ist ein alltäglicher Begleiter im Leben vieler Menschen. Wohl jeder Mensch ist mit dem Medium bereits in irgendeiner Art und Weise in Berührung gekommen. Ob als Fan einer Band, eines bestimmten Genres oder als jemand, der Musik im Auto hört bzw. das Radio nutzt, um die Stille zu vertreiben. Jeder Mensch nutzt Musik für einen anderen Zweck. Man unterscheidet Personen, die Musik konsumieren, die beispielsweise Musik kaufen oder öffentliche Veranstaltungen besuchen. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die direkt mit Musik arbeiten, als Musikschaffende oder als Mitarbeiter der vielseitigen Musikindustrie.
Nur wenigen ist jedoch bewusst, wie die Welt der Musik wirklich funktioniert, mit welchen Problemen und Neuerungen die Industrie zu kämpfen hat und welche Veränderungen und Entwicklungen sich in den letzten Jahren ergeben haben. Die Musikindustrie hat sich aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung in den letzten Jahren spürbar verändert, was sich gleichermaßen auf die Tonträgerindustrie und auf die Aufgaben der Akteure auswirkt. Der digitale Fortschritt bietet viele Möglichkeiten für die Künstler, im Speziellen für Newcomer, aber auch für etablierte Bands. Diese Veränderungen bringen aber auch Probleme mit sich. Der Fokus der Arbeit soll daher auf dem digitalen Fortschritt liegen, der die Musikindustrie und deren Akteure immer noch vor große Herausforderungen stellt.
Auf die anhaltenden Veränderungen müssen Künstler und Manager reagieren. Durch die neuen Wege der digitalen Technik und die Veränderung der Vertriebsmöglichkeiten besteht heutzutage großes Potential für Künstler, sich selbst zu vermarkten und so in den Musikmarkt einzudringen. Die ursprüngliche Rollenverteilung, in welcher Labels die Vermarktung übernehmen und Künstler kreativ produzieren, ist heute kaum mehr existent. Stattdessen hat eine Dezentralisierung der Aufgaben stattgefunden. Der Künstler übernimmt hierbei Aufgaben, die sonst das Label bearbeitet hätte. Problematisch ist es, sich auf diese Weise nachhaltig auf dem Markt durchzusetzen.
In der vorliegenden Bachelorarbeit mit dem Arbeitstitel: „Selbstvermarktung der Musiker im Internet durch Möglichkeiten der Digitalisierung“ möchte ich die Chancen und Risiken der digitalen Selbstvermarktung für Musikkünstler herausarbeiten und anhand von reellen Beispielen beschreiben.
1.2 FRAGESTELLUNG UND ZIELSETZUNG
Ziel der Arbeit ist es herauszufinden, welche Chancen und Risiken die Selbstvermarktung für Künstler mit sich bringt und wie sich die Veränderungen des digitalen Zeitalters auf die Arbeit der Künstler selbst, aber auch auf die Stellung der Plattenfirmen auswirken. Warum und wie schlagen Newcomer den Weg der Selbstvermarktung ein? Welche Online Werkzeuge sind am effektivsten? Eine weitere Fragestellung befasst sich mit der Reaktion etablierter Bands auf die zunehmende Digitalisierung ihrer Branche. Wie verändert sich die ursprüngliche Aufgabenverteilung von Labels und Künstlern? Ob Künstler Selbstvermarktung nun die Lösung und richtige Antwort auf die dargestellten Probleme der Digitalisierung darstellt, soll ebenfalls in dieser Arbeit analysiert werden.
1.3 VORGEHENSWEISE UND DATENBESCHAFFUNG
Da diese Arbeit die Selbstvermarktung von Musikkünstlern behandelt, wird anfangs ein Überblick über den Musikmarkt gegeben und die aktuelle Situation der Industrie verdeutlicht. Dabei wird hauptsächlich die Frage behandelt, woher Künstler ihre finanziellen und materiellen Ressourcen erhalten und welche Aufgaben dabei der Industrie zukommen. Daran anschließend steht die Vermarktung von Künstlern im Mittelpunkt. Hierbei wird sowohl der ursprüngliche Vermarktungsweg betrachtet, als auch der Funktionswandel von Künstlern und Labels. Folgend ist die Digitalisierung beschrieben und die damit verbundenen Chancen und Probleme, die diese Entwicklung mit sich bringt. Als Grundlage für den theoretischen Teil wurde eine Sekundäranalyse anhand vorhandener Daten vorgenommen. Um Entwicklungen besser darstellen zu können, wurden bestehende Literatur, Statistiken und verschiedene Studien verwendet.
Weiterhin besteht diese Arbeit aus einem empirischen Teil, in dessen Rahmen Experteninterviews durchgeführt wurden. Es wurden fünf Experten aus verschiedenen Bereichen befragt, um einen allumfassenden Einblick in die aktuellen Entwicklungen der Musikbranche zu erhalten und diese später bewerten zu können.
Die Interviewpartner waren:
Christopher Ludwig: Manager GSA der Cosmos Music Group Scandinavia AB, Head of CC Koepfe GbR, Manager der Band Any of Both & Hot Chick Banged und Student der Popakademie Baden-Württemberg;
Eric Jan Krausch: Experte in der Onlinevermarktung und Mitwirkender bei der Erstellung des Leitfadens zur Künstler Selbstvermarktung;
Ryan Rauscher: Projektmanager SMIX.LAB, dem Kompetenzzentrum für digitales Musikbusiness der Popakademie Baden-Württemberg;
Laura Heinrichs: Studentin der Popakademie Mannheims, Mitwirkende bei der Erstellung des Leitfadens zur Künstler Selbstvermarktung und zukünftige Managerin im Bereich Content & Label Relation bei Simfy; und Lisa Ullrich: Expertin im Bereich Digital Marketing, Promoterin der Bands In Legend, Julien-K & Van Canto, Mitwirkende bei der Erstellung des Leitfadens zur Künstler Selbstvermarktung Abschließend werden zwei Fallbeispiele vorgestellt. Die Newcomer Band Any of Both und eine etablierte Band, Nine Inch Nails werden exemplarisch betrachtet, um die Möglichkeiten und Probleme der Selbstvermarktung aufzuzeigen. Die Experteninterviews waren vor allem bei der Bewertung und Einschätzung der Künstler Selbstvermarktung im Internet und den daraus resultierenden Chancen und Risiken hilfreich.
2 GRUNDSÄTZLICHE ÜBERLEGUNGEN ZUM MUSIKMARKT
Im folgenden Kapitel soll zunächst ein Überblick über die aktuelle Situation des Musikmarktes skizziert werden. Nach einer kurzen Analyse des Marktes und den derzeitigen Entwicklungen folgt ein Querschnitt über die verschiedenen Einnahmequellen von Künstlern. Auch die Aufgaben der Industrie werden in diesem Kapitel kurz erläutert, um anschließend die Vermarktung von Künstlern und die dazugehörigen Vermarktungsinstrumente vorzustellen. Daran anschließend wird detailliert die Digitalisierung in der Musikbranche betrachtet und so die Chancen und Risiken dieser Entwicklung näher beleuchtet. Abschließend steht die Selbstvermarktung von Künstlern im Mittelpunkt, die aus der zunehmenden Digitalisierung resultiert.
2.1 DER MUSIKMARKT
Der Weltmusikmarkt hatte in den letzten Jahren mit verschiedenen Neuerungen zu kämpfen. Von Fusionen großer Musikfirmen, über die Entwicklung neuer Formate und Speichermedien, hat sich in den letzten Jahren vieles verändert. Die Compact Disc (kurz: CD) konnte sich weltweit trotz neuer technischer Möglichkeiten eindeutig als Standard durchsetzen können. Probleme sind in Form von Umsatzeinbrüche und Urheberrechtsverletzungen als Folge der zunehmenden Digitalisierung hinzugekommen und belasten die Musikindustrie zunehmend. Wie sich der Markt im Detail entwickelt hat und in welcher Lage sich dieser aktuell befindet wird im folgenden Kapitel untersucht. Anschließend wurde herausgearbeitet, wie Künstler mit ihrer Musik Geld verdienen und welche Aufgaben dabei der Industrie zukommen.
2.1.1 ENTWICKLUNGEN UND AKTUELLE LAGE DES MARKTES
Die Welt der Medien, vor allem aber die der Musikwelt, hat sich im Zuge der zunehmenden Digitalisierung stark verändert, was sich auf die Musikindustrie und Tonträgerwirtschaft gleichermaßen ausgewirkt hat. Mit technologischen Neuerungen wurde die Branche schon immer konfrontiert. Was für Produzenten und Konsumenten meist von Vorteil war, hatte oft negative Konsequenzen für die Tonträgerindustrie. In knapp 10 Jahren (von 1999 bis 2008) ist deren Gesamtumsatz von knapp 2.700 Mio. € auf knapp 1.550 Mio. € Umsatz gesunken, was zeitlich mit der zunehmenden Digitalisierung einhergeht (siehe Abb. 1).
Abbildung 1: Gesamtumsatz des Tonträgermarktes
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle:
BVMI (2009): Musik in Zahlen 2008. Bundesverband Musikindustrie. Berlin. S. 13.
Die digitalen Musikverkäufe in Deutschland weisen innerhalb eines Jahres (von 2009 bis 2010) ein Wachstum von 17,5 Prozent auf (siehe Abb. 2). Diese Entwicklung verdeutlicht, dass sich die Digitalverkäufe auf dem Vormarsch befinden, während der deutsche Musikmarkt gleichzeitig rückläufige Resultate verzeichnet. Trotz des enormen Wachstums der digitalen Verkäufe lässt sich weiterhin erkennen, dass physische Tonträger in Deutschland im Jahr 2010 immer noch 86,3 Prozent des Gesamtumsatzes ausmachen. Die CD bleibt trotz der positiven Entwicklung im Bereich der Digitalisierung und dem stetigen Wandel in der Musikbranche zunächst weiterhin das beliebteste und umsatzstärkste Medium. Dies hat die Studie „Musikindustrie in Zahlen von 2010" vom Bundesverband für Musikindustrie herausgefunden (siehe Abb. 3).
Abbildung 2: Digitalverkäufe auf dem Vormarsch
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle:
BVMI (2011): Musik in Zahlen 2010. Bundesverband Musikindustrie. Berlin. S. 12.
Abbildung 3: Umsatzanteile der physischen Tonträger
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle:
BVMI (2011): Musik in Zahlen 2010. Bundesverband Musikindustrie. Berlin. S. 13.
Die fortschreitende Digitalisierungen wirkt sich auch auf andere Bereiche der Musikindustrie aus. Die Anzahl der Beschäftigten in Musikfirmen ist bis 2010 stetig gesunken (siehe Abb. 2). Die Einnahmen durch das Digitalgeschäft wachsen hingegen stetig und haben traditionelle Produkte überholt. Fraglich bleibt an dieser Stelle, wie lange die CD noch umsatzstärkstes Mittel sein wird und wie sich diese Entwicklung auf die gesamte Industrie auswirken wird.
Der neue, digitalisierte Markt funktioniert nach anderen Gesetzen und Regeln als derjenige der physischen Produkte. Es besteht Grund zur Annahme, dass es nicht nur für Beschäftigte, sondern nun auch für Wertschaffende wichtiger wird, diesen neuen Markt und seine Gesetze kennenzulernen, um dort in Zukunft aktiv und vor allem erfolgreich agieren zu können. Wie sich die Aufgaben nach den neuen Gesetzen auf Künstler und Plattenfirmen verteilen und wer welche Funktionen übernehmen wird, soll im Zuge dieser Arbeit näher beleuchtet werden.
2.1.2 EINNAHMEQUELLEN EINES MUSIKKÜNSTLERS UND AUFGABEN DER INDUSTRIE
Nachstehend wird ein Überblick über die wichtigsten Einnahmequellen eines Musikkünstlers gegeben. Geschäftsfelder wie „Live" und „Merchandising“ gewinnen zunehmend an wirtschaftlicher Bedeutung. Ein Grund dafür sind die rückläufigen Zahlen der CD Verkäufe und die daraus resultierende, notwenige Erschließung neuer Geschäftsfelder.
Neue Vertriebskanäle wie das Internet machen es gerade neuen Künstlern möglich, einen direkten Zugang zum globalen Musikmarkt zu erhalten. Eine Statistik der deutschen Nachrichten-Website „Spiegel Online" zeigt jedoch, dass Musikkünstler mit Webangeboten wie Spotify kaum Geld verdienen. Die Aufgliederung zeigt, wie viele Musikstücke ein Künstler online verkaufen müsste, um den monatlichen US-Mindestlohn von 1.160 $ zu erzielen. Demnach müsste ein Musikstück pro Monat 12.399-mal heruntergeladen werden bzw. ein Stream müsste 1.546.667-mal aufgerufen werden, um diesen Mindestlohn erreichen zu können. Das Ergebnis lässt den Schluss zu, dass auch andere Wege gegangen werden müssen, um mit Musik ausreichend Geld verdienen zu können (siehe Abb. 5).
Abbildung 5: Ausverkauf, Was ein Musiker verkaufen muss, um den US-Mindestlohn (1160 Dollar) zu bekommen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle:
Schultz, Stefan (2010): Karge Online-Einnahmen. Das Internet, ein Armenhaus für Musiker.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,689372,00.html
Zugriff am 18.05.2012.
„Live-Auftritte sind für Megastars mittlerweile wichtiger als die CD-Verkäufe. [...] Allein der verstorbene Michael Jackson hätte mit seiner Tournee rund 50 Millionen Dollar verdient. Während Platten immer günstiger werden, steigen die Preis für Tickets kräftig an."[1]
In einem Onlineartikel des „Handelsblatt“ vom Juli 2009 wird die positive Entwicklung von Live Auftritten als Einnahmequelle verdeutlicht. Die Einnahmen die hier erzielt werden sollen die rückläufigen Verkaufszahlen der physischen Tonträger kompensieren. So zeigt das Beispiel des Todes von Michael Jackson, dem King of Pop, welche enormen Einnahmen dieser mit der letzten geplanten Tournee erzielt hätte. Die Enttäuschung der Manager über den Verlust des Künstlers wird nicht nur auf emotionaler Ebene, sondern auch über den nicht erzielten Gewinn deutlich. Live Auftritte sollen aber nicht nur den Umsatzeinbruch der CD Verkäufe auffangen, sondern auch die Verluste durch illegale Musikdownloads im Internet ausgleichen, die sich im Zuge der Digitalisierung ergeben haben. Ticketpreise wurden daher innerhalb der letzten 10 Jahre auf das Doppelte erhöht. „Und so läuft die Maschinerie der Musikindustrie heute in eine andere Richtung: Einst sollten Tourneen den Plattenverkauf ankurbeln. Heute nehmen Musiker Platten auf, um mehr Fans in die Konzerte zu locken. Eine Platte ist jetzt nur noch eine Lizenz, um auf Tour zu gehen (...)“[2]
Eine entscheidende Rolle für den Erfolg eines Konzerts spielen nicht zuletzt Faktoren wie Werbung und Promotion, die auf das Event aufmerksam machen sollen. Mit Hilfe sozialer Netzwerke können Künstler heute selber aktiv für ihre Konzert werben. Auch Artikel in der lokalen Zeitung, Veranstaltungshinweise im Radio oder das Auslegen von Flyern sollte als erfolgreiches Werbemittel nicht unterschätzt werden. Fans sind in der Regel bereit, für eine gute Bühnenshow einen höheren Ticketpreis zu bezahlen. Bühnenpräsenz, Bühnenbild und Musikdarbietung spielen heutzutage eine wichtigere Rolle als früher.[3]
Es scheint so, als ob Musiker heutzutage mit Live Konzerten mehr Geld verdienen, als mit dem Verkauf ihrer CD's. Dies liegt wohl vor allem daran, dass knapp 90 Prozent der Einnahmen eines Live Konzerts an die Musiker gehen, so das Handelsblatt (siehe Abb. 4).[4]
Es lässt sich also bei Betrachtung des Gesamtmarktes feststellen, dass die CD Verkäufe mit 78 Prozent weiterhin die wichtigste Einnahmequelle bleibt. Gleichzeitig gewinnen andere Geschäftsfelder, wie Live Auftritte mit derzeit etwa vier Prozent des Umsatzes, deutlich an Bedeutung gewinnen. Lisa Ullrich, Studentin der Popakademie BadenWürttemberg, die sich vorwiegend mit dem „Digital Innovation Management“ beschäftigt, bestätigt die Annahme, dass sich der Live Sektor in einer stabilen Situation befindet. Als Grund benennt Sie den zunehmenden Wandel der Künstler hin zu „Stars zum Anfassen“,da Fans heute immer mehr Wert auf eine persönliche Bindung zum Lieblings Act legen. Somit erfreuen sich auch Musikfestivals immer größerer Beliebtheit, die gleichzeitig zu einer der wichtigsten Einnahmequellen für Künstler werden.[5]
Die täglichen Aufgaben einer Plattenfirma bestehen darin, den Künstler unter Vertrag zu nehmen, dessen Album aufzunehmen, es zu promoten und abschließend zu verkaufen. Hauptaufgabe einer Plattenfirma ist jedoch die Finanzierung der Musikproduktion und des anschließenden Vertriebs des fertigen Produkts. Der Künstler erhält von den so genannten Major Firmen einen Vorschuss pro produziertes Album und später anteilig Geld aus den Einnahmen verkaufter Alben.
Plattenfirmen werden in Major Labels und Independent Labels unterteilt. Auf beide Geschäftsformen werde ich im weiteren Verlauf meiner Arbeit noch näher eingehen.[6]
„ [...] die Einnahmen von Musikverkäufen fließen erst mal so lange an die Plattenfirma, bis das eingenommen ist, was dafür ausgegeben wurde."[7]
Sascha Eigner, Gitarrist der Band Jupiter Jones, spricht das Problem der Einnahmequelle einer Plattenfirma an. Diese muss erst ihre eigenen Kosten decken, bevor der Künstler beteiligt wird. Plattenfirmen fungieren zunächst als Geldgeber, um einem Künstler die Produktion seiner Musik ermöglichen zu können. Eigner schätzt, dass eine Band mindestens 50.000 Alben verkaufen muss, bis diese selbst daran verdient. Die Plattenfirma hingegen nutzt zunächst den Gewinnüberschuss erfolgreicher Bands, um Produktionen neuer Bands finanzieren zu können. Jedoch ist in Zeiten der Digitalisierung die Nachwuchsförderung aufgrund sinkender Plattenverkäufe kaum noch möglich. Eigner bestätigt aus eigener Erfahrung mit der Band Jupiter Jones, dass die Einnahmen heute im Wesentlichen aus Live Konzerten, Plattenverkäufen, Merchandise und Geld von öffentlich gespielten Musikstücken bestehen.[8]
Mit zunehmender Digitalisierung und den kostengünstigen Möglichkeiten des Internets greifen heute nicht mehr viele Newcomer Bands auf die Hilfe einer Plattenfirma zurück. Verträge mit Plattenfirmen werden unattraktiver, da die Dauer zwischen aufgenommenem Album und dem ersten Einkommen sehr lang sein kann. Ryan Rauscher, Projektmanager beim Kompetenzzentrum für digitales Musikbusiness der Popakademie Baden-Württemberg „SMIX.LAB", erläutert das Hauptproblem der Plattenfirmen. Durch rückgängige Einnahmen stehen ihnen weniger Geld zur Verfügung, um in neue Künstler investieren zu können. Zudem haben sich für Künstler neue Möglichkeiten der Finanzierung ergeben, auf die ich im weiteren Verlauf meiner Arbeit eingehen werde.[9] Die Aufgaben der Plattenfirmen werden durch die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung ersetzt bzw. ihre Funktionen werden heute zunehmend von anderen Akteuren übernommen.
Laura Heinrichs, zukünftige Managerin im Bereich Content und Label Relation bei Simfy, stellt die These auf, dass sich Plattenfirmen künftig verstärkt in der Künstlervermarktung engagieren werden, um rückgängigen CD Verkäufen entgegenzuwirken. Sie nennt als Beispiel und erstes Zeichen der Umstrukturierung, bereits bestehende Künstlerverträge durch die Plattenfirmen. Bei diesen Verträge profitieren Plattenfirmen bereits von den Einnahmen aus dem Live Sektor und dem Merchandising. Diese Neuorientierung zeigt, dass diese beiden Sektoren von Seiten der Industrie wahrgenommen wurden.[10]
Abschließend lässt sich sagen, dass Plattenfirmen für Künstler in der heutigen Zeit zwar immer noch eine mögliche Einnahmequelle darstellt, jedoch längst nicht mehr im Fokus steht. Plattenfirmen haben mit neuen Verträgen auf diese Entwicklungen reagiert und versuchen so, ihren Stand in der digitalen Welt aufrecht zu erhalten.
„Der Musikverlag ist ein nach kaufmännischen Grundsätzen geführtes Unternehmen, dessen Zielsetzung darauf gerichtet ist, auf eigene Rechnung und eigenes Wagnis die ihm anvertrauten musikalischen und musikdramatischen Werke seiner Autoren der optimalen künstlerischen und wirtschaftlichen Verwertung zuzuführen.“[11]
Verleger ist derjenige, der Verlagsrechte für ein Werk erworben hat. Er ist somit vertraglich verpflichtet, Tonträgerexemplare auf eigene Kosten herzustellen und zu verbreiten. Der Komponist oder Texter hat in dem Verlag einen sogenannten Verlagsvertrag, der den Verlag dazu verpflichtet das geistige Eigentum des Autors kommerziell zu verwerten. Hierzu werden Lizenzen beispielsweise an Subverlage vergeben. Musiktitel müssen vom Verlag bei der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (kurz: GEMA) angemeldet werden.[12] Mittels der Verwertung der anvertrauten Rechte generiert der Musikverlag (und somit auch der Künstler) das Einkommen. Wie schon erwähnt geschieht dies auf eigenes Wagnis des Verlags. Dabei geht es um Rechte wie Aufführungs- und Sendegebühren, mechanische Rechte und Lizenzgebühren, Notenverkauf und der Verleih von Orchestermaterialien. Musikverleger tragen das alleinige Risiko bei Investitionen. Sie werden auch als „Partner der kreativen Kräfte“ bezeichnet, da sich Künstler mit Hilfe von Musikverlagen die Verbreitung ihrer Werke ermöglichen und sich so ihre Vergütung sichern.[13]
Ursprünglich bestand die Funktion eines Verlags im Notendruck, welcher in der heutigen Unterhaltungsmusik kaum mehr nachgefragt ist. Heute steht der Verlag als Vermittler zwischen der GEMA und dem Künstler. Weitere Aufgaben, wie die Übermittlung von Auftrittsterminen, Abrechnungskontrollen, Nachberechnung und Reklamation, werden vom Verlag erledigt und dem Künstler abgenommen. Der Verlag verdient nur dann etwas, wenn der Song des Künstlers erfolgreich ist.
Promotion- und Pressearbeit sind daher von besonderer Bedeutung und nützen sowohl Verlag als auch Künstler bei der Umsatzgenerierung. Der Verlag verdient direkt an den für den verlegten Song eingehenden GEMA Gebühren, an denen somit auch indirekt und anteilig der Künstler verdient.[14]
Der Verlag als Einnahmequelle gestaltet sich für den Künstler ähnlich wie bei einer Plattenfirma. Mit den heutigen digitalen und kostengünstigen Möglichkeiten brechen bei beiden Geschäftsmodellen wichtige Umsatzquellen weg, weshalb viele Künstler auf andere Möglichkeiten der Finanzierung zurückgreifen.
2.1.2.4 MERCHANDISING
Der Begriff „Merchandising“ bezeichnet die kommerzielle Auswertung eines Titels oder Motivs durch die Herstellung und den Vertrieb von Waren aller Art, die in Beziehung zu diesen Motiven stehen.[15]
Merchandising ist somit Werbung, mit der ein Künstler Geld verdient. Merchandising Rechte werden als Lizenzen gegen Prozente des Umsatzes an Merchandiser weitergegeben. Dieser übernimmt dann die Herstellung und den Verkauf der Werbeprodukte. Dabei kann es sich um T-Shirts, Konzertprogramme, Sticker, Poster, etc. handeln, die dann beispielsweise bei den eigenen Konzerten oder in Fanshops verkauft werden.
Man unterscheidet zwei Arten des Merchandising. Zum einen das Tournee Merchandising, mit welchem bis zu 60 Prozent des Gesamtumsatzes einer Tournee erreicht werden kann. Hierbei werden Merchandising Artikel direkt am Veranstaltungsort verkauft. Zum anderen gibt es das Retail Merchandising, bei dem die Verkäufe über den Handel abgewickelt werden.[16]
In beiden Formen des Merchandising werden Nutzungsrechte übertragen. Der Merchandiser erhält das Recht, den Namen oder Fotos der Band bzw. des Künstlers auf bestimmten Gegenständen abzubilden. Er stellt die Ware auf eigene Rechnung her und organisiert Verkäufe, zum Beispiel bei Konzerten des Künstlers. Er fungiert somit ähnlich wie eine Plattenfirma.[17]
Wie bereits erwähnt nehmen neue Geschäftsfelder, unter anderem auch Merchandising, an Bedeutung zu. Mit vier Prozent des Gesamtumsatzes stehen dieses zwar noch am Anfang, haben aber innerhalb eines Jahres (von 2008 bis 2009) stark an Bedeutung zugenommen. (siehe Abb. 6).
Gerade durch das vielseitige, kostenfreie aber auch oftmals illegale Angebot im Internet müssen sich Künstler neue Vertriebswege suchen, um weiterhin von ihrer Musik leben zu können. Merchandising ist eine Lösung und gerade für neue und weniger erfolgreiche Künstler mit kleinem Budget ideal, um erstes Geld verdienen zu können. Mit verschiedenen Tools, die im Internet zur Verfügung stehen, haben Künstler aber heute schon die Möglichkeit, den Bereich Merchandising selber zu gestalten. Die verschiedenen Werkzeuge der Selbstvermarktung, zu denen auch das Merchandising gehört, werde ich im Laufe meiner Arbeit näher beleuchten.
2.1.2.5 VERWERTUNGSGESELLSCHAFTEN
Hinter dem Begriff „Verwertungsgesellschaft“ (kurz: VG) verbirgt sich eine Einrichtung, die Urheberrechte und andere Schutzrechte für mehrere Urheber zur Auswertung bringt. Die größte und bekannteste Verwertungsgesellschaft ist die GEMA, die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte. Diese verwaltet die Nutzungsrechte von Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern. Die GEMA nimmt Geld für die Aufführungs-, Sende- und mechanischen Vervielfältigungsrechte ein und verteilt diese anschließend mit entsprechenden Abzügen an die Berechtigten, also auch an die Künstler. Eine weitere Verwertungsgesellschaft, die in der Musikindustrie eine bedeutende Rolle spielt, ist die GVL, die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten. Diese verwaltet die Leistungsschutzrechte für ausübende Künstler, Tonträgerhersteller, Videoproduzenten und Filmhersteller.18
Abbildung sechs zeigt, dass immer noch acht Prozent des Gesamtumsatzes von Tonträgerfirmen aus der Einnahme von GVL Erträgen besteht und diese somit auch weiterhin eine bedeutende Einnahmequelle für den Künstler darstellt. Es ist aber zu vermerken, dass der Umsatz aus den GVL Leistungsschutzrechten seit 2006 stetig gesunken ist (siehe Abb. 4).
Die deutsche Verwertungsgesellschaft vertritt seit 1903 die Rechte der Musikschaffenden. Sie ermöglicht den Kauf von Rechten zur Musiknutzung und führt die Lizenzbeiträge von mehr als 60.000 Komponisten, Textern und Musikverlängern. Durch die zunehmende Internationalisierung bei der Nutzung geschützter Werke gibt es mittlerweile erhebliche Rechtsunsicherheiten. Mittels wachsender Möglichkeiten und der Unkontrollierbarkeit des Internets hat die GEMA bereits Erträge einbüßen müssen und somit auch indirekt die Künstler, die kein Geld mehr durch die Verwertung ihrer Rechte erhalten. Das ursprüngliche Gebührenmodell der GEMA ist somit heute nicht mehr tragfähig.[18]
Neue Technologien bieten heute vielseitige Optionen die Lizenzierung zu vereinfachen und zu beschleunigen. Rauscher stellt die These auf, dass sich neue Geschäftsmodelle und sogar konkurrierende Verwertungsgesellschaften entwickeln könnten, die das veraltete Modell angreifen. Auch Verwertungsgesellschaften verschiedener Länder werden, aufgrund des globalisierten Marktes, bald in Konkurrenz zueinander stehen.[19]
Auf die technischen Neuerungen und den digitalen Wandel hat die GEMA bisher kaum reagiert. Wettbewerber wie Youtube, Musicload und iTunes, machten der Verwertungsgesellschaft zu schaffen, die ganze neun Jahre benötigte, um den Trend der legalen Downloads und des Streamings zu erkennen. In diesen Jahren, so Tim Renner, ehemaliger Geschäftsführer von Universal Music, konnte die Gesellschaft weder Texter noch Autoren vergüten. Aufgrund der gleichbleibenden Strukturen verhinderte sie sogar das Wachstum des Digitalmarktes in Deutschland.
Mittlerweile hat sich die GEMA auf Rabatte mit neusten Wettbewerbern wie Spotify, Simfy und anderen Streaming Anbietern eingelassen und nutzt somit endlich diesen technologischen Trend für die eigenen Geschäfte.[20]
Im Jahr 2012 gewann die GEMA in Deutschland einen Prozess gegen das Videoportal Youtube. Zum Nachteil vieler Konsumenten und der Youtube Kultur gibt es nun strengere Kontrollen der hochgeladenen Musiktitel. Mit Hilfe dieses Urteils werden jetzt Urheber und ihre Werke stärker geschützt. Die GEMA besteht zudem darauf, dass alle Versionen eines Musikstückes, wie Cover-, Live-, oder Karaokeversionen ebenfalls GEMA-pflichtig werden sollen. Dieser Schritt scheint weniger im Sinne der Konsumenten und nicht der Weg mit der Digitalisierung. Eine Lösung für die gesamte Musikindustrie lässt weiterhin auf sich warten.[21]
Auf Basis der genannten Entwicklung lassen sich die rückläufigen Umsatzzahlen aus Leistungsschutzrechten erklären. Als einzige Einnahmequelle sind die Verwertungsgesellschaften somit heute für Künstler kaum mehr attraktiv. Die gesamte Sparte der Verwertungsgesellschaften muss sich den neuen Nutzungsgewohnheiten im Netz anpassen, um für Künstler wieder attraktiv zu werden.
2.1.2.6 SONSTIGE EINNAHMEQUELLEN
Eine weitere Einnahmequelle für Musikkünstler stellt die Tätigkeit als Produzent oder Verlagsgründer dar. Meistens übernehmen diese Aufgaben Künstler, die nach Beendigung ihrer aktiven Karriere selbst im Musikbusiness bzw. - Management bleiben wollen. Auch der Beruf des Musiklehrers wird nach einer erfolgreichen oder weniger erfolgreichen Karriere oft gewählt, um weiterhin mit der Musik Geld verdienen zu können. Tätigkeiten bei Musikzeitschriften, in Jugendzentren oder als Dozent an Universitäten und
Volkshochschulen werden ebenfalls genutzt, um an anderer Stelle Einnahmen erzielen und Erfahrungen im Musikbusiness weitergeben zu können.[22]
2.2 VERMARKTUNG VON KÜNSTLERN
Wenn man von der Vermarktung von Künstlern spricht, so handelt es sich eigentlich um den Begriff des Marketings. Dieser „ (...) bezeichnet alle unternehmerischen Maßnahmen, die darauf abzielen, den Absatz, d.h. den Verkauf eines Produktes zu fördern." 24 Die Vermarktungs- und Vertriebswege der Musikindustrie haben sich durch die Digitalisierung nachhaltig verändert. Neue Akteure und eine Neuverteilung der Aufgaben sind aus dieser technischen Entwicklung entstanden. In den folgenden zwei Kapiteln werden die Veränderungen der Vermarktung von Künstlern aufgezeigt, welche sich durch die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung ergeben haben.
2.2.1 KLASSISCHE VERMARKTUNG VON MUSIKKÜNSTLERN
Generell lässt sich feststellen, dass bei der ursprünglichen Vermarktung von Künstlern verschiedene Akteure beteiligt sind. Zu nennen sind hier Plattenfirmen, Verlage, Verwertungsgesellschaften, Medien und Veranstalter. Die eigentliche Vermarktung übernahm in der Vergangenheit jedoch hauptsächlich die Plattenfirma. In der Musikbranche spielten Major Companies und Independent Labels eine wichtige Rolle. Zu den vier Major Firmen, welche im Jahr 2011 die großen organisierten Tonträgergesellschaften in Deutschland darstellten, zählen EMI, Sony, Universal und Warner Music. Weiterhin gibt es zahlreiche unabhängige Musikfirmen, die so genannten Independents. Zu den Bekanntesten und Umsatzstärksten zählen Alive, Cargo Records, Edel und Groove Attack (siehe Abb. 7).
Abbildung 7: Umsatzstärkste Musikfirmen in Deutschland 2011
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle media contro)/GM Panel Sennces
Quelle: BVMI (2011): Musik in Zahlen 2010. Bundesverband Musikindustrie. Berlin. S. 17.
Das Label bildet einen klassischen Weg für Künstler in den Musikmarkt einzusteigen. Der Begriff „Label" stammt aus dem Englischen und bedeutet übersetzt „Etikett" oder „Kennzeichen". Die Bezeichnung „Musik- bzw. Plattenlabel" beschreibt ein Waren- oder Markenzeichen unter dem ein Tonträger im Handel vermarktet wird. Das Label ist eine eigenständige Abteilung in einem Tonträgerunternehmen, die für die Vermarktung von Künstlern zuständig ist. Majors führen hingegen mehrere verschiedene Labels.[23]
Hinter dem Begriff „Independents" (kurz: Indie-Label) verbergen sich vor allem kleine Firmen, die selbstständig und unabhängig, musikalisch und kulturell eigene Wege bestreiten. Sie heben sich von den Majors dadurch ab, dass sie alternativ handeln und nicht dem Mainstream folgen. Bei diesen Firmen steht Kreativität im Vordergrund.[24] Viele Künstler bevorzugen die Arbeit mit einem Indie-Label und schließen Bandübernahme Verträge ab, weil ihnen dadurch mehr Freiräume geboten werden und sie sich künstlerisch freier entfalten können.[25]
In der Plattenfirma sucht ein Mitarbeiter der Artist und Repertoire Abteilung (kurz: A&R) zunächst Talente und nimmt diese unter Vertrag. Hat der Künstler den A&R Mitarbeiter überzeugt, so muss dieser die anderen Mitarbeiter überzeugen. Danach übernimmt die Plattenfirma die Kontrolle über die Karriereplanung des Künstlers. Es erfolgt die Erstellung eines Konzepts, später die Produktion, die Promotion und die Distribution. Künstler haben in diesen Bereichen wenig Mitspracherecht und sind nur künstlerisch tätig.[26]
„Promotion, eine Mischung aus Kunst und modernem Marketing, soll das Image des Künstlers vermitteln, das Publikum auf den Künstler aufmerksam machen, den potentiellen Käufer motivieren zuzuhören, seine Identifikation mit dem Künstler verstärken und schließlich dadurch mehr Platten und Konzertkarten verkaufen."[27]
Bei der Promotion geht es nun um die konkrete Vermarktung und die Frage, wie das produzierte Produkt Bekanntheit auf dem Markt erlangen kann. Das Publikum muss beispielsweise davon erfahren, dass ein Konzert stattfindet oder ein neues Album auf dem Markt ist.
Wie erreicht ein Künstler also am schnellsten und effektivsten Aufmerksamkeit? Über welche Mittel und Wege wird der potentielle Konsument erreicht und zum Kauf animiert?
Der Kontakt zum Publikum wird meistens über Fernsehen, Funk, Werbung, Presse oder Merchandising erreicht. Unter den Begriff „Promotion" fallen Werbung und Publicity. „Als Werbung wird jede Darbietung von Botschaften bezeichnet, die mit dem Ziel erstellt wurde, Einstellungen und Handlungen von Zielpersonen zum Vorteil des Werbetreibenden zu beeinflussen."[28] Plattenfirmen oder Verlage nutzen oft die Möglichkeit einer Anzeige in einer Fachzeitschrift, wie dem „Musikmarkt", aber auch in der Tagespresse, um Aufmerksamkeit für das neue Produkt zu erlangen. Wichtig sind auch Newsletter und Werbung in Funk und Fernsehen. Effektiv sind weiterhin Plakate in Straßenbahnen oder Großwandwerbungen.[29]
Ziel von Werbung ist es, so viele Menschen wie möglich auf ein Produkt aufmerksam zu machen und so im besten Fall als Kunden gewinnen zu können. Publicity ist ein Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit, wobei Plattenfirmen meist eigene Presseabteilungen besitzen. Es gibt in der Regel direkten Kontakt zwischen Journalisten bzw. Redakteuren und den Musikern. Die Presse erhält so Auskunft über Auftritte, Autogrammstunden und neue Aktionen.[30] Die Aufgabe der Promotion übernehmen entweder die Funkbetreuer der Plattenfirmen oder freie Promotoren. Da die Funkbetreuer oft schon mit der Künstlerbetreuung ausgelastet sind, beauftragen Plattenfirmen Promotoren, die den Funk- und Fernseheinsatz der Produkte erhöhen sollen. 33
Erst der Mix aus den verschiedenen Bereichen des Marketings ermöglicht das Erreichen der geplanten Ziele. Hauptziel ist es, Aufmerksamkeit zu erlangen und das Image des Künstlers bestmöglich zu vermarkten. Zielgruppen sollten gezielt angesprochen werden um auf diese Weise eine Fanbase aufzubauen, die für den Erfolg eines Künstlers entscheidend ist.
2.2.2 NEUE AKTEURE, AUFGABEN UND WEGE DER VERMARKTUNG
„Da Wachstum in der Musikwirtschaft nicht mehr durch Neuheiten zu erzielen ist, versucht man sich mit immer neuen Fusionen und Aufkäufen. Die neueste Meldung ist, dass Universal die legendäre britische EMI schlucken wird. Die Folgen für den Markt sind fatal. Wie bei den zehn kleinen Negerlein dünnt er sich aus. Solange, bis keiner mehr übrig bleibt.”[31]
In seinem Blog mit dem Titel: „Da waren es nur noch 3...", den Tim Renner Ende 2011 veröffentlicht hat, prognostiziert er das Ende der großen Musikkonzerne. Aufgrund von Zusammenschlüssen verschiedener Firmen nimmt die Anzahl der Marktteilnehmer und die Marktgröße immer mehr ab. Diese und andere Ursachen für das vorausgesagte Sterben der Plattenfirmen, benennt Renner in seinem Werk „Kinder der Tod ist gar nicht so schlimm".
„Eine Plattenfirma sollte wissen, wann ein Song auf welche Weise produziert werden muss, um in der Masse zu funktionieren. Wo aber wurde diese Kompetenz in letzter Zeit bewiesen? [...] Beratung [...] können mittlerweile auch andere wahrnehmen."[32]
Renner ist der Ansicht, dass viele Aufgaben, die einst von Plattenfirmen übernommen wurden, heutzutage auch von anderen Akteuren erfüllt werden können. Die Vervielfältigung, Verbreitung, Promotion und der Verkauf von Tonaufnahmen etwa. Auch die Funktion von Plattenfirmen als Investor ist laut Renner heute nicht mehr gefragt, da durch die Möglichkeit der digitalen Technik die Musikproduktion heute unabhängig von großen Geldgebern sei.[33] Die großen Firmen vertrauen dennoch weiterhin auf alte Strukturen. Sie vollziehen in der Regel keine Neustrukturierung und passen sich dem digitalen Zeitalter nicht genügend an. Renner beschreibt diese Entwicklung in einem Interview mit der Tageszeitung „TAZ" als negativ, nicht nur für Plattenfirmen selbst, sondern besonders für neue Künstler:
„Die Plattenfirmen trifft es zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Sie stehen unter Druck, weil sie den Anschluss an den digitalen Markt verpasst haben. Aus historisch-juristischer Sicht muss ich aber sagen: Die Künstler haben Recht.
Die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts waren unglaublich rentabel für die großen Labels: Dank der CD haben sie Nettorenditen von 20 Prozent erlangt. Den Künstlern blieben dagegen oft nur 10 Prozent. Aber wenn es jetzt den Plattenfirmen schlechter geht, trifft das auch die Förderung neuer Künstler.,da die Bereitschaft, Risikokapital auszugeben, mit rückläufiger Profitabilität natürlich sinkt.” [34]
Die Möglichkeiten der Selbstvermarktung und des Selbstvertriebs erleichtern Newcomern dagegen den Einstieg in den Musikmarkt und erhöhen gleichzeitig den Druck auf die Tonträgerindustrie.
„Für uns Musiker bedeutete Karriere machen vor einigen Jahren schlicht von irgendjemand wichtigem „entdeckt" zu werden. Doch heute können wir unser Schicksal als Einzelkünstler oder Band selbst in die Hand nehmen."[35]
San Carlos Segundo beschreibt in seinem Artikel „Früher ging es darum, entdeckt zu werden", dass es früher vor allem darum ging, den Mitarbeiter eines Labels zu überzeugen, um später in einem Abhängigkeitsverhältnis die eigene Karriere zu bestreiten. Mit den neuen Möglichkeiten des Internets stehen Künstlern heute dagegen alle Wege offen und „(...) was jetzt noch zwischen uns und dem Erfolg steht, sind wir selbst. [...] Nie war es mehr wahr, dass ein jeder seines Glückes Schmied ist."[36]
Künstler müssen also nicht mehr erst von einer Plattenfirma entdeckt werden. Sie können sich im Internet einfach und kostengünstig selbst vermarkten. Die Möglichkeiten der digitalen Technik sind heute nicht mehr so kostenaufwändig wie früher. Wozu also noch den Umweg über eine Plattenfirma gehen? Welche Aufgaben erfüllen diese heute noch und werden sie, wie Renner prognostiziert, wirklich aussterben?
„Nach dem Jahr 2012 wird die Welt der Musik eine andere sein. Durch den Start von spotify werden wir Musik anders hören, die Charts werden auf andere Art und Weise erhoben werden und es wird wahrscheinlich nur noch zweieinhalb große Plattenfirmen geben. Naja, es könnte auch anders kommen. Zum Beispiel wenn die Majas doch Recht haben und stattdessen die Welt untergeht...”[37]
Tim Renner, der in seinem Blog „2012: Das Horoskop der Musikwirtschaft“ die neuen Entwicklungen des Musikmarktes bewertet, liefert eine weitere, tiefgreifende Prognose. Die Streaming Software „Spotify“ könnte den Untergang der Plattenfirmen weiter beschleunigen, so seine Behauptung. Spotify gibt dem Hörer die Möglichkeit, Lieder kostenpflichtig oder kostenfrei abzuspielen, indem das Unternehmen sich mit Hilfe von Werbung und verschiedener Premiumangebote finanziert. Andere Portale wie „Simfy“ oder „Juke“ haben Einschränkungen aufgrund der Forderungen der GEMA und der Freigabepolitik der Plattenfirmen hinnehmen müssen, die daher auch Spotify zu erwarten hat. Der schwedische Musikdienst, der in Deutschland ohne ein Abkommen mit der GEMA startete, ist der erste Anbieter, der ein umfassendes Gratisangebot bietet, welches es zuvor in dieser Form noch nicht gegeben hat.[38]
Das Unternehmen folgt dem Streaming Trend und nicht dem Zusammenstellen von Charts wie große Plattenfirmen, da der Wert einer CD Single früher bei mindestens dem Vierfachen eines Downloads lag. Diesen wertmäßigen Unterschied gibt es heute so nicht mehr, da gestreamte Songs aufeinander addiert werden. Tim Renner beschreibt diese Trendentwicklung als Vorteil für die Plattenfirmen, da diese an Spotify und dessen Erfolg beteiligt sein könnten.
[...]
[1] N.N. (2009): Musikindustrie. Musiker scheffeln mit Tourneen Geld. http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/musikindustrie-musiker-scheffeln-mit- tourneen-geld/3215650.html Zugriff am 18.05.2012.
[2] Ebd., http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/musikindustrie-musiker- scheffeln-mit-tourneen-geld/3215650.html Zugriff am 18.05.2012.
[3] Vgl. D.; Bernzott; Sabol 1999, S. 168ff.
[4] N.N. (2009): Musikindustrie. Musiker scheffeln mit Tourneen Geld. http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/musikindustrie-musiker-scheffeln-mit- tourneen-geld/3215650.html Zugriff am 18.05.2012.
[5] Vgl. Gespräch Ullrich 2012, V, S.2.
[6] Vgl. N.N. (2009): Die Wahrheit in die Musikbusiness. Die Träume der Musiker und die harte Realität. http://derwahrheit.wordpress.com/2009/06/15/plattenfirmen-bzw-labels/ Zugriff am 18.05.2012.
[7] Hinnekamp, Inga (2012): Dem Musiker auf's Konto geguckt. http://www.einslive.de/musik/extras/2012/urheberrecht/120423 musik online streaming.jsp, Zugriff am 18.05.2012.
[8] Ebd.: http://www.einslive.de/musik/extras/2012/urheberrecht/120423 musik online streaming.jsp, Zugriff am 18.05.2012.
[9] Vgl. Gespräch Rauscher 2012, III, S. 3ff.
[10] Vgl. Gespräch Heinrichs 2012, IV, S. 3.
[11] Sikorski 1997, S. 77.
[12] Vgl. Andryk 1998, S. 52.
[13] Vgl. Sikorski 1997, S. 78ff.
[14] Vgl. Weber, Michael (o.J.): Leitpfad durch den Musikdschungel - Teil 9 - Der Musikverlag. http://www.rockszene.de/Archiv/background/Leitpf 9.php Zugriff am 18.05.2012.
[15] Vgl. Unverzagt; Koch 2006, S. 123.
[16] Vgl. Lyng 1990, S. 369ff.
[17] Vgl. Passmann; Herrmann 2004, S. 349.
[18] Vgl. N.N. (2012): Bilanz der Verwertungsgesellschaft. GEMA-Erträge sinken trotz Mehreinnahmen im Internet. http://www.abendblatt.de/kultur-live/article2214686/Gema- Ertraege-sinken-trotz-Mehreinnahmen-im-Internet.html Zugriff am 18.05.2012.
[19] Vgl. Gespräch Rauscher 2012, III, S.3.
[20] Vgl. Renner, Tim (2011): Standortnachteil GEMA.
http://www.motor.de/motorblog/tim.renner/tim renner standortnachteil gema.html Zugriff am 18.05.2012.
[21] Kuhn, Johannes (2012): Urteil im GEMA-Streit, Youtube in der Filter-Falle, http://www.sueddeutsche.de/digital/urteil-im-gema-streit-youtube-in-der-filter-falle-1.1338111, Zugriff am 25.07.2012.
[22] Vgl. Andryk 1998, S. 63.
[23] Vgl. Unverzagt; Koch 2006, S.109.
[24] Vgl. Moser; Scheuermann 1997, S. 201.
[25] Vgl. Gespräch Ullich 2012, V, S. 4.
[26] Vgl. Lyng 1990, S. 18.
[27] Ebd., S. 363.
[28] Burow 1998, S. 152.
[29] Vgl. Lyng 1990, S. 364.
[30] Ebd., S. 364ff.
[31] Renner, Tim (2011): Da waren es nur noch drei... . http://www.motor.de/motorblog/tim.renner/da waren es nur noch drei.html Zugriff am 26.04.2012.
[32] Renner 2004, S. 271.
[33] Ebd., S. 271.
[34] Yertek, Lucie (2011): Tim Renner über die Musikindustrie. Ein Album ist keine Kunstform. http://www.taz.de/l76872/ Zugriff am 08.05.2012.
[35] Segundo, San Carlos (2008): Früher ging es darum, entdeckt zu werden. http://www.delamar.de/musikbusiness/frueher-ging-es-darum-entdeckt-zu-werden-1736/ Zugriff am 06.05.2012.
[36] Ebd., http://www.delamar.de/musikbusiness/frueher-ging-es-darum-entdeckt-zu-werden-1736/ Zugriff am 06.05.2012.
[37] Renner, Tim (2011) : 2012 : Das Horoskop der Musikwirtschaft. http://www.motor.de/motorblog/tim.renner/tim renner 2012 das horoskop der musikwirtsc haft.html Zugriff am 07.05.2012.
[38] Ebd.,
http://www.motor.de/motorblog/tim.renner/tim renner 2012 das horoskop der musikwirtsc haft.html Zugriff am 07.05.2012.