Umfänglich kritisiert der ehemalige jüdische Professor der Romanistik Victor Klemperer in seinem bereits 1947 erschienenen und von Öffentlichkeit und Wissenschaft gleichermaßen rezipierten Werk LTI die nationalsozialistische Sprache. Seither sieht sich das Werk jedoch neben der breiten Anerkennung ebenso der fachwissenschaftlichen Kritik ausgeliefert.
Klemperer wird vorgeworfen, aufgrund seiner Betroffenheit durch den Terror des nationalsozialistischen Regimes bei seiner Kritik zu emotional vorzugehen. Oft wurde das LTI als Gesamtwerk in seiner Gattung und seinem Aufbau daher als zu unsystematisch und unwissenschaftlich bewertet. Zugleich wird der Autor auch dafür kritisiert, unsystematisch und unwissenschaftlich bei der Sammlung und Analyse des Wort- und Textmaterials gearbeitet zu haben. Sein idealistischer Sprachbegriff, sein zufälliges Sammeln des sprachlichen Materials und die Darstellung der Sprache des Dritten Reiches als Erlebnisbericht stehen dabei im Mittelpunkt der Auseinandersetzung.
Hauptaugenmerk der Kritik liegt auf der Tatsache, dass sich Klemperer bei der Analyse und Kritik der Sprache des Nationalsozialismus derselben Wörter und Stilistik bedient, die er selbst im Werk verurteilt.
Unumstritten ist, dass das Werk eindeutig von Klemperers persönlicher Betroffenheit geprägt ist und daher sprachwissenschaftlichen Standards nicht genügen kann. Nach intensiver Beschäftigung mit Klemperers Biographie, seinen Tagebüchern, der LTI und einschlägiger Sekundärliteratur, kann ich mich jedoch der referierten Kritik nicht ausnahmslos anschließen. Ziel dieser Arbeit ist es daher, aufzuzeigen, dass Klemperers LTI nur auf den ersten Blick unsystematisch erscheint und sich nicht völlig jeglicher Wissenschaftlichkeit entzieht.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Erzieherischer Zweck des LTI
- Wissenschaftlichkeit des LTI
- Unwissenschaftlichkeit
- Anlehnung an Wissenschaftlichkeit
- Sprachanalyse mithilfe der Methodologie der „Diskurstheorie“
- „Arbeit der ersten Stunde“
- Systematik des LTI
- Chronologische Anordnung des Materials
- Anordnung nach linguistisch-analytischen Sachgruppen
- Einleitung, Gliederung des LTI und Armutsthese
- Einzelwörter
- Grundstruktur der LTI-Kapitel
- Armut der Sprache des Dritten Reiches
- Inklusion und Exklusion
- Katholizismus
- Methodenwechsel
- Judenspezifische Sprache
- Verschleierung
- Verstand und Gefühl
- Probe aufs Exempel
- Zusammenschau der Systematik des LTI
- Schlussbetrachtung
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit Victor Klemperers LTI und untersucht, inwiefern das Werk trotz seiner persönlichen Betroffenheit durch den Nationalsozialismus wissenschaftliche Ansätze und Systematik aufweist. Ziel ist es, die vermeintliche Unsystematik und Unwissenschaftlichkeit des LTI zu widerlegen und aufzuzeigen, dass Klemperers Werk sowohl in seiner Struktur als auch in seiner linguistischen Analyse methodische Ansätze verfolgt.
- Erzieherischer Zweck des LTI
- Wissenschaftlichkeit des LTI
- Systematik des LTI
- Sprachbegriff und Sprachkritik
- Betroffenheit und Wissenschaftlichkeit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt Klemperers LTI als ein Werk vor, das sowohl Anerkennung als auch Kritik erfahren hat. Klemperer wird vorgeworfen, aufgrund seiner persönlichen Betroffenheit durch den Nationalsozialismus zu emotional und unsystematisch zu argumentieren. Die Arbeit setzt sich zum Ziel, diese Kritik zu widerlegen und die wissenschaftlichen Aspekte des LTI herauszustellen.
Im zweiten Kapitel wird Klemperers erzieherischer Zweck des LTI beleuchtet. Klemperer selbst betont, dass er mit seinem Werk nicht eine wissenschaftliche Arbeit im engeren Sinne schaffen möchte, sondern erzieherisch wirken will. Er sieht die Sprache des Dritten Reiches als ein Propagandamittel, das die Menschen mit dem nationalsozialistischen Gedankengut infiziert. Klemperer glaubt, dass Sprache und Denken untrennbar miteinander verbunden sind und dass Sprache das Denken beeinflussen kann.
Das dritte Kapitel befasst sich mit der Wissenschaftlichkeit des LTI. Klemperer wird vorgeworfen, unsystematisch und unwissenschaftlich bei der Sammlung und Analyse des sprachlichen Materials gearbeitet zu haben. Die Arbeit zeigt jedoch, dass Klemperers LTI durchaus methodische Ansätze verfolgt. So verwendet er beispielsweise die Methodologie der „Diskurstheorie“ und analysiert die Sprache des Dritten Reiches anhand von Einzelwörtern, Redewendungen und Satzformen.
Das vierte Kapitel untersucht die Systematik des LTI. Klemperer ordnet sein Material sowohl chronologisch als auch nach linguistisch-analytischen Sachgruppen. Die Arbeit zeigt, dass Klemperers LTI trotz seiner persönlichen Betroffenheit eine klare Struktur aufweist und dass seine Analyse der Sprache des Dritten Reiches methodisch fundiert ist.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Victor Klemperers LTI, die Sprache des Dritten Reiches, Sprachkritik, Wissenschaftlichkeit, Systematik, Betroffenheit, Erzieherischer Zweck, Sprachbegriff, Diskurstheorie, Analysemethoden, Chronologie, Linguistische Sachgruppen, und die Auseinandersetzung mit der Kritik an Klemperers Werk.
- Arbeit zitieren
- Louisa Frintert (Autor:in), 2011, Zwischen Wissenschaftlichkeit und Betroffenheit. Untersuchung des "LTI" von Victor Klemperer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/283120