Die Todesthematik umfasst eine Vielzahl physischer und psychischer Zustandsänderungen: zuallererst das Sterben als das Versiegen aller körperlicher Vitalfunktionen, die innere Gewissheit, den Endpunkt des irdischen Daseins erreicht zu haben, aber auch die Verleugnung der nicht zu verleugnenden Existenz des Todes, schließlich Todessehnsucht, Selbstmord oder sein Versuch, dann das Resümee des gelebten Lebens mit allen Niederlagen und Erfolgen, zuletzt die Hinnahme des Unausweichlichen.
Der Tod ist ein der zentralen Themen der russischen Geistesgeschichte. Das russische Verständnis der Opposition von Leben und Tod unterscheidet sich stark von dem westlichen. Dies resultiert aus der besonderen Identität der russischen Kultur, die aus westlichen, östlichen, vor allem aber byzantinischen Einflüssen amalgiert wurde.
In der vorliegenden Arbeit werden ausgewählte Texte Tolstojs und Čechovs unter der zentralen Fragestellung untersucht, wie der Tod als existenzielles Phänomen literarisch ganz ausgestaltet werden kann. Im Verlauf der Untersuchung sollen mehrere erkenntnisleitende Fragen beantwortet werden:
• Wie spiegeln sich die persönlichen Erfahrungen der Autoren mit der Todesthematik in ihren Texten wider?
Diese Frage legt einen autointentionales Interpretationskonzept zugrunde und zielt auf eine an der Autorenbiographie interessierten Hermeneutik, die Einfluss persönlichen Erlebens in zweifellos fiktionalen Texten von Autoren sichtbar machen will.
• Welche Funktion hat der Tod in den unterschiedlichen Erzählkonzepten Tolstojs und Čechov’?
Im 19. Jahrhundert hatte der Tod im viel größeren Maße als heute eine metaphysische Funktion. Dies hing vor allem mit der starken religiösen Rückbindung zusammen, die noch nicht von der wissenschaftlich-technologischen Expansion des modernen Industriezeitalters erschüttert war. Dass es bei beiden Autoren dennoch gravierende Unterschiede gab, soll an dieser Stelle als Arbeitshypothese postuliert werden.
• Gibt es aus Sicht der Autoren ein Leben nach dem Tod?
Alle metaphysischen Erklärungsmuster des Todes stellen letztlich auf einen höheren Sinn, eine entkörperlichte, geistige Bedeutungsebene des menschlichen Lebensendes ab. Auch hier darf vermutet werden, dass Čechov ein Leben nach dem Tode eher negiert und Tolstoj den Tod eher transzendental als Heimkehr- und Versöhnungspunkt im Sinne seiner christlichen Glaubensauffassung denkt.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- THEMA UND FRAGESTELLUNG
- UNTERSUCHUNGSMETHODE
- Begriffe
- Vorgehensweise
- FORSCHUNGSSTAND
- HAUPTTEIL
- DER TOD IN TOLSTOJS FRÜHWERK
- Der mitleidende Gutsherr
- Die Legende vom Heldentod
- DER TOD IN TOLSTOJS SPÄTWERK
- Der Tod eines Juristen
- Die Bürokratisierung des Todes
- Die Lebenslüge der Lebenswelt
- Erlösung und Ewigkeit
- DER TOD IN ČECHOVS FRÜHWERK
- Der kalte Blick des Arztes
- Der Tod und die Hundeschnauze
- DER TOD IN ČECHOVS SPÄTWERK
- Der Tod in der Mönchskutte
- Die Furcht vor dem Herrn
- Die Flucht in die Erinnerung
- ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSFOLGERUNGEN
- LITERATUR
- PRIMÄRLITERATUR
- SEKUNDÄRLITERATUR
- DIGITALE QUELLEN
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die Todesthematik in den Werken von Lev Nikolaevič Tolstoj und Anton Pavlovič Čechov. Ziel ist es, die unterschiedlichen literarischen Darstellungen des Todes in den Früh- und Spätwerken der beiden Autoren zu untersuchen und die Entwicklung ihrer Sichtweisen auf das Sterben und die Frage nach dem Sinn des Lebens zu beleuchten. Die Arbeit konzentriert sich auf die literarische Gestaltung des Todes als existenzielles Phänomen und untersucht, wie die Autoren die subjektiven Erfahrungen des Sterbens, die gesellschaftlichen und kulturellen Kontexte sowie die religiösen und philosophischen Dimensionen des Todes in ihren Werken reflektieren.
- Die literarische Darstellung des Todes in den Werken von Tolstoj und Čechov
- Die Entwicklung der Sichtweisen auf das Sterben und den Sinn des Lebens bei den beiden Autoren
- Die subjektiven Erfahrungen des Sterbens und die gesellschaftlichen und kulturellen Kontexte
- Die religiösen und philosophischen Dimensionen des Todes in der russischen Literatur
- Der Einfluss der russischen Geistesgeschichte auf die Todesthematik in der Literatur
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das Thema und die Fragestellung der Arbeit vor. Sie erläutert die Untersuchungsmethode und den Forschungsstand. Der Hauptteil der Arbeit widmet sich der Analyse der Todesthematik in den Werken von Tolstoj und Čechov. Zunächst werden die Frühwerke der beiden Autoren untersucht, um die ersten Ansätze in der Darstellung des Todes zu beleuchten. Anschließend werden die Spätwerke analysiert, um die Entwicklung der Sichtweisen auf das Sterben und den Sinn des Lebens zu verfolgen. Die Zusammenfassung fasst die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit zusammen und zieht Schlussfolgerungen.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Todesthematik, die russische Literatur, Lev Nikolaevič Tolstoj, Anton Pavlovič Čechov, Frühwerk, Spätwerk, Sterben, Sinn des Lebens, subjektive Erfahrungen, gesellschaftliche und kulturelle Kontexte, religiöse und philosophische Dimensionen, russische Geistesgeschichte.
- Quote paper
- Elena Hartmann (Author), 2013, „Gut zu leben bedeutet gut zu sterben.“ Die Todesthematik in den Werken von Lev Nikolaevič Tolstoj und Anton Pavlovič Čechov, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/283337