Der politische Bürger bei Aristoteles und Locke


Seminararbeit, 2014

15 Seiten, Note: 2,3

Marcel Lo (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Aristoteles
a) Die Polis und ihre Staatsordnung
b) Der Mensch als zoon politikon

3. John Locke
a) Locke´s Staatstheorie im Vergleich zu Aristoteles

4. Der moderne Bürgerbegriff

5. Aktualität Aristoteles

6. Resümee

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Alle politischen Staatstheoretiker haben das Ziel, in ihren Theorien die beste Ordnung für eine menschliche Gemeinschaft zu finden. Dabei besteht ein grundlegendes Problem, denn es gibt verschiedene Ansätze, wie der Mensch anzusehen ist. Manche Theoretiker betrachteten den Menschen, als bloßen Untertanen. Er soll sich dem Staat komplett unterwerfen und erhält im Gegenzug Schutz, Eigentums- und/oder Persönlichkeitsrechte, durch den Regenten. Andere politische Philosophen sahen den Menschen als Bürger, also als ein politisch handelndes Wesen, an. Er soll sich nicht bloß unterordnen, sondern die Politik seines Staates mitgestalten und somit gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Nur auf diese Weise kann man vom Menschen als Bürger im Staat sprechen.

Auch Aristoteles sah den Menschen, als ein in Staaten lebendes Wesen an und prägte damit den Begriff des Bürgers für die griechischen Stadtstaaten. Des Weiteren gilt dieser antike Philosoph als der Begründer der politischen Wissenschaft. Seine Theorien werden bis heute gelehrt, analysiert und diskutiert. Demnach könnte man zu dem Schluss kommen, dass für die heutige Zeit immer noch eine gewisse Aktualität, in seinem Werk, zu finden ist. Auch wenn einige Ansichten, wie beispielsweise die Rechtfertigung der Sklaverei, als längst überholt zu werten sind.

Diese Seminararbeit soll sich zunächst dem aristotelischen Werk "Politik" widmen. Hier soll gezeigt werden, was Aristoteles unter dem Begriff des politischen Bürgers versteht. In diesem Zusammenhang soll zunächst die Staatsordnung der antiken Stadtstaaten beleuchtet werden. Die Darstellung dieses antiken Philosophen wird später den Ansichten Lockes gegenüber gestellt. Der Theoretiker der frühen Neuzeit ist in seiner Staatstheorie auch besonders auf den Menschen und die Bedingungen des Zustandekommen eines Staates eingegangen. Im Anschluss soll der moderne Bürgerbegriff dargestellt werden. Hierbei wird gezeigt, wie der Bürger heute gesehen wird, was der Staat von ihm erwartet und was er ihm im Gegenzug zugesteht. Diese Betrachtung geht von einem Bürger, der in einem Verfassungsstaat mit einer repräsentativen Demokratie lebt, aus. Danach wird die Aktualität des aristotelischen Werkes diskutiert, um zu zeigen, was heute aus der Lehre des Aristoteles noch Bestand hat. Außerdem soll damit gezeigt werden, welche Gedanken und Praktiken heute nicht mehr zeitgemäß sind, bzw. auf Grund von modernen Auffassungen durch gesellschaftliche Umbrüche, nicht zur Anwendung kommen. Um meine Arbeit abzurunden, lege ich am Ende in einem Resümee die wichtigsten Punkte noch einmal dar.

2. Aristoteles

a) Die Polis und ihre Staatsordnung

Das gesamte Modell der Herrschaft beruht auf einem anthropologischen Herrschaftsmodell. (Bellert 1996: 4) Der Staat gilt nach Aristoteles als eine Gemeinschaft, die als menschliche Einrichtung anzusehen ist. Der Mensch will von der Natur her in einer geordneten politischen Gemeinschaft leben. Dabei strebt er nach dem höchsten Gut. Dieses und das Ziel jedes Handelns ist die Glückseligkeit. (Bien 1985: 4) Dieses vollendet Gute, nach dem jeder strebt, lässt sich aber nicht klar definiert. Es steht dennoch außer Frage, dass es nur seiner selbst willen erreicht werden soll, es muss sich demnach selbst genügen. Somit ist die Glückseligkeit das Vollendete sich selbst Genügende, dass als das Endziel jeden Handelns angesehen werden kann. (Bien 1985: 10 - 11)

Ein Staat entsteht durch die Vereinigung von Individuen. Diese Vereinigung beginnt schon im Kleinen. So bilden Frau und Mann, schon der Fortpflanzung wegen, eine Einheit. Diese entstehende Familie, wird als oikos bezeichnet. Außerdem liegt es in der Natur der Menschen, dass es Herrschende und Beherrschte gibt. Im oikos besteht eine hierarchische Ordnung, so ist es natürlich, dass der Mann dem Haushalt vorsteht. Derjenige der mit seinem Verstand arbeitet und die Gabe hat, über den Fortbestand der Gruppe nachzudenken ist ein natürlicher Herrscher. (Bien 1990: 1 - 3) Derjenige der nur die Kraft seines Leibes zur Verfügung hat und das von ihm Vorgesehene ausführt, gilt als beherrschtes Wesen. Somit besteht im oikos eine despotische Herrschaft über die Familie und die dazugehörigen Sklaven. (Engi 2006: 250) Obwohl Sklaven und Frauen von ihren Herren bzw. Männern beherrscht werden, sind sie nicht als gleich anzusehen. So werden Sklaven eher als "Werkzeuge" angesehen, die wie Ochsen oder andere Nutztiere ausgebeutet werden dürfen. Die Verbindung von Mann, Frau und Sklave zielt auf die reine Lebenserhaltung ab. Die Fortpflanzung und der Schutz gelten als die Gründe dafür, dass Menschen Gemeinschaften bilden. (Eldred 2010: 12) Somit ist auch die Rolle der Frau, als Mutter, klar definiert.

Aus dem Zusammenschluss von Familien entstehen, auf Arbeitsteilung beruhende, Dorfgemeinschaften. Diese werden als kome bezeichnet. Der Grund für diese Verbindungen ist in der Befriedigung von Bedürfnissen, die über den reinen Selbsterhalt hinausgehen, zu finden. (Bien 1990: 3) Menschen besorgen Alltägliches um ihrer Existenzwillen, aber das Miteinander ermöglicht dieses erst. D.h. im Zusammenschluss vieler Familien zu einem Dorf kann nicht nur das Alltägliche, wie z.B. Beschaffung von Nahrung, bewerkstelligt werden, sondern auch Überalltägliches. Dies sind Aufgaben die, die Leistungsfähigkeit eines Haushalts übersteigen, wie z.B. der Bau eines Hauses, bei dem viele Menschen arbeitsteilig mithelfen müssen. Diese Arbeitsteilung ermöglicht eine weitestgehende Autarkie der Polis. Diese Selbstständigkeit sorgt für ein Wohlleben der Bewohner. Dieser Begriff schließt die Vollendetheit des Lebens und des Miteinanders ein. Diese bestimmen sich durch die Fortpflanzung, den lebenssichernden Schutz und die Umgebung. (Eldred 2010: 15 - 17) Dennoch brauchen auch diese Gemeinschaften einen Herrscher. Dieser hat die Aufgabe dafür zu sorgen, dass die gesellschaftlichen Regeln aufrecht gehalten werden. Dennoch ist jeder Mann, auch wenn er Beherrschter in der Gemeinschaft ist, noch Herrscher seiner Familie. Diese Ordnung erkennen die Menschen an, da sie glauben, dass die Götter, nach deren Ebenbild sie geschaffen wurden, auch nach dieser Ordnung leben. So haben selbst die Götter einen König unter sich. (Bien 1990: 3 - 4)

Verbinden sich nun mehrere Dorfgemeinschaften entsteht ein Staat. Diese Stadtstaaten werden als Polis bezeichnet. Diese Einrichtung hat die vollendete Selbstgenügsamkeit erreicht und ist, um des Lebenswillens entstanden. D.h. Menschen haben von Natur aus den Drang sich in Gruppen zu vereinigen, deshalb bilden sie Lebensgemeinschaften und Staaten. Der Mensch ist also ein staatliches Wesen. Doch eine Gründung eines Staates ist kein reiner Instinkt, wie bei Tieren. Der Mensch erkennt was gut oder schlecht, was gerecht oder ungerecht ist. Darüber hinaus kann er seine Meinung äußern, da er, anders als ein Tier, Logos besitzt. Deshalb können Menschen Streitigkeiten mit Worten lösen und müssen nicht gleich zu den Waffen greifen. Dazu bedarf es aber einer intellektuellen und moralischen Fähigkeit. Doch die Moralität ist eine Sache des Staates. Denn nur ihm obliegt es Rechte, also die herrschende Ordnung für den Staat, an die Menschen heranzutragen. Nur aus diesen Rechten heraus, kann letztlich entschieden werden was als gerecht gilt. (Bien 1990: 4 - 6) Die Definition der Polis beinhaltet auch, dass sie auf ein Ziel ausgerichtet ist. Dieses Gut wird aber nicht näher formuliert. Es wird aber ausdrücklich nicht, aus den Interessen der Bewohner oder einem Kompromiss von pluralistischen Einflüssen gewonnen. Es ist als das Gemeinwohl anzusehen. Dieses Gut ermöglicht den Bürgern ein tugendreiches und glückliches Leben. (Bellert 1996: 5) Die Polis bietet den Bürgern die Lebensgrundlage, aufgrund derer sie politisch fungieren können. Sie bleibt auch bestehen, wenn ihre Bürger beschließen, sich an einer anderen Stelle niederzulassen. (Trapp 1988: 212) Demnach definiert sich ein Staat aus der Gesamtheit der Bürger, die hinreicht, um sich selbst zum Leben zu genügen. (Bien 1990: 79)

b) Der Mensch als zoon politikon

Wie schon angesprochen ist der Mensch im hohen Grade staatenbildend, zwar sind manche Tiere das auch, aber er besitzt als einziges Lebewesen Logos. Dies ermöglicht ihm zwischen Gut und Schlecht, zwischen Gerecht und Ungerecht zu unterscheiden. (Bien 1990: 4 - 5)

Der Mensch ist ohne eine Gemeinschaft nicht vorstellbar, da er auf sie angewiesen ist. So ist der Mensch ohne Polis nicht nur nicht ethisch unvollkommen, sondern auch nicht lebensfähig. (Bellert 1996: 4) Der Mensch als zoon politikon kann sich nur in der Polis frei entfalten. Diese Aussage wird durch Negativbeispiele unterstützt, in dem ein Mensch der außerhalb des Staates lebt, als schlechter Mensch oder als ein höheres Wesen gesehen wird. (Bien 1990: 4) Der Mensch gilt nach Aristoteles auch nur als gut, wenn er ein guter Bürger ist und sich an der Staatsführung beteiligt. (Goodman 2008: 95) Die gesamte Staatstätigkeit hängt vom Handeln der Staatsmänner, die als Gesetzgeber und Richter fungieren, ab.

Die Verfassung ist als bloße Ordnung für die Bewohner des Staates anzusehen. Der Begriff des Bürgers hingegen ist schwieriger zu definieren. Denn dieser Begriff ist abhängig, von der herrschenden Staatsform. Beispielsweise kann ein Mensch in einer Demokratie als Bürger bezeichnet werden, während er in einer Oligarchie nicht mehr als solcher anzusehen ist. Zunächst ist festzustellen, dass die Bezeichnung Bürger sich nicht aus dem bloßem Wohnsitz heraus definiert. Denn auch Sklaven leben in Staaten und können nicht als Bürger bezeichnet werden. Denn die Bürger eignen sich nur ihre Arbeitsleistung an, deshalb können Sklaven nicht als frei bezeichnet werden.1 (Trapp 1988: 218) Gerade diese Freiheit ist aber ein wichtiger Bestandteil des Bürgerbegriffes. Auch über die Teilhabe an der bloßen Gerichtsbarkeit kann der Bürger nicht ausgemacht werden. Diese Form der politischen Tätigkeit kann auch durch Menschen, die den Maßstäben eines Bürgers nicht genügen, beispielsweise durch Verträge eingeräumt werden. Auch Kinder und Alte können nicht als vollständige Bürger bezeichnet werden. Diese kann man höchstens als "werdende" oder "ausgediente" Bürger ansehen. Ehrlose und Verbannte, also Individuen die das Recht der Gemeinschaft missachten, sind ebenfalls keine Bürger. Der Begriff des Bürgers bestimmt sich am treffendsten, durch die wechselseitige Teilnahme an dem Gericht und der Regierung. Dennoch muss hierbei einiges geregelt werden. So kann man bestimmte Ämter nur einmal, oder erst wieder nach Ablauf einer Frist, bekleiden. Nun könnten diese Personen, welche zur Zeit nicht in einem Amt sind, zwar als nicht obrigkeitlichen Personen angesehen werden, aber da sie dennoch Teilhabe besitzen sind sie trotzdem Teil der Regierungsgewalt. Somit ist ein Bürger eine Person die an der Regierungsgewalt teil hat. (Bien 1990: 76 - 79) Außerdem muss es sich bei einem Bürger um einen freien, erwachsenen Griechen handeln, um alle Kriterien für die Definition zu erfüllen. (Nederman 2008: 17) Dennoch bestimmt die Verfassung den Bürgerbegriff für den jeweiligen Staat genau. In verschiedenen Verfassungen definiert sich der Bürger anders. Der hier definierte Bürgerbegriff gilt also nur für Demokratien. In anderen Verfassungen kann man diesen Begriff zwar auch finden, aber da der Bürger dort zumeist keine politische Mitsprache besitzt, ist er lediglich Einwohner bzw. Beherrschter. In diesen Verfassungen wird beispielsweise die Gerichtsbarkeit von Behörden geregelt. Doch wenn man den Bürgerbegriff ausweitet, kann er auch für nichtdemokratische Verfassungen verwendet werden. Denn in einigen von diesen Staaten, werden Personen mit Amtsbefugnissen versehen, die beratend oder richtend tätig werden können. Somit kann man allgemein zu dem Schluss kommen, dass ein Bürger ein Bewohner eines Staates ist, dem es zusteht an der beratenden oder richterlichen Gewalt teilzunehmen. (Bien 1990: 76 - 79)

Die Ämter sollen abwechselnd bekleidet werden. So solle auch einmal ein anderer für das Wohl desjenigen sorgen, der bisher für dessen Wohl gesorgt hat. Die Bürde des Amtes soll weitergeben werden, um dafür zu sorgen das sich möglichst viele, um nicht zu sagen alle, Bürger am Staatswesen beteiligen können. Außerdem sollen so auch despotische Entgleisungen der Amtsträger vermieden werden. Denn ein Staat soll eine Gemeinschaft freier Menschen sein und nicht durch Machtmissbrauch und eigensinnige Handlungen der Regierenden in eine Tyrannei gestürzt werden. (Bien 1990: 89 - 90)

Die Polis muss die richtigen Rahmenbedingungen für die sozialen Tugenden schaffen. Denn nur so kann der Mensch Tugenden, wie z.B. der Freundschaft der Bürger untereinander, nachgehen. Der Bürger ist von seinem Wesen her immer ein freier Mensch. Doch frei kann nur derjenige sein, der über materielle Güter verfügt und somit nicht in einem Sklavenverhältnis steht. Außerdem soll nur derjenige herrschen dürfen, dessen Vernunft seine eigenen Leidenschaften zügeln kann. (Bellert 1996: 4)

Somit ist festzuhalten, dass in einer perfekten Gesellschaft jeder Bürger Freiheit besitzen soll. Darüber hinaus sollen die Bürger über ausreichend Besitz verfügen und vor allem tugendhaft sein. (Goodman/Talisse 2008: 20)

[...]


1 Diese Art der Ausbeutung ist nach Trapp als eine Voraussetzung für die Polis anzusehen.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Der politische Bürger bei Aristoteles und Locke
Hochschule
Technische Universität Dresden
Note
2,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
15
Katalognummer
V283711
ISBN (eBook)
9783656833956
ISBN (Buch)
9783656833963
Dateigröße
429 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
bürger, aristoteles, locke
Arbeit zitieren
Marcel Lo (Autor:in), 2014, Der politische Bürger bei Aristoteles und Locke, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/283711

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