Organisation und Administration der Wasserversorgung im kaiserlichen Rom um die erste Jahrhundertwende. Frontinus' "De aquaeductu urbis Romae"


Seminararbeit, 2004

27 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1) Einleitung

2) Die Wasserverteilung in Rom
2.1) Aufschlüsselung nach Versorgungsbereichen
2.2) Private Anschlüsse an das Versorgungsnetz

3) Senatsbeschlüsse über die Wasserversorgung und die Lex Quinctia de aquaeductu

4) Die cura aquarum
4.1) Die Entstehung der Verwaltungsbehörde
4.2) Der curator aquarum
4.3) Der procurator aquarum
4.4) Die familia publica und familia Caesaris
4.5) Die Finanzierung der Behörde

5) Aufgaben und Kompetenzen der cura aquarum
5.1) Instandhaltung der Wasserleitungen
5.2) Kontrolle und Rechtsschutz

6) Resümee

7) Quellen- und Literaturverzeichnis

1) Einleitung

Zwingende Voraussetzung für menschliches Leben ist Wasser. Umsomehr ist folglich eine verläßliche Wasserversorgung notwendige Bedingung für jede Art von Siedlung dörflicher oder städtischer Natur. Angesichts der klimatischen Verhältnisse im Mittelmeerraum ist gerade dort eine funktionierende und verläßliche Wasserversorgung wichtig, angesichts der dort herrschenden Niederschlags- und Grundwasserarmut und „ausgeprägter Sommertrockenheit ist die Wasserversorgung von erheblicher Bedeutung für die Siedlergemeinschaften.“[1]

Eine berechenbare und zuverlässige Wasserversorgung war (und ist) dabei nicht nur von zentraler Bedeutung für Großstädte, sie ist vielmehr eine Bedingung für deren Entstehen und Anwachsen. Gerade die antike Großstadt Rom war daher auf eine funktionierende und stetige Versorgung mit dem lebensnotwenigen Gut angewiesen. Man mag nun denken, daß die Stadt durch die Lage am Tiber ja hinlänglich mit Wasser ausgestattet war. Doch diese erste Annahme schlägt fehl. Während die Versorgung mit sauberen Wasser noch bis weit in die Neuzeit hinein keine Selbstverständlichkeit war, war das Streben der Römer offensichtlich, ihre Stadt (wie auch andere Städte) mit sauberem Wasser zu versorgen – Wasser aus dem Tiber genügte diesen Ansprüchen nicht. Während der Tiber als natürlicher Verkehrsweg und nicht als Trinkwasserquelle galt, konnte die Grund- und Quellwasserversorgung vor Ort die Bedürfnisse Roms kaum befriedigen. Aus diesem Grund – und unter der erfüllten Bedingung eines intakten und befriedete Flächenstaats - wurde 312 v.Chr. mit der Aqua Appia die erste Wasserleitung gebaut, die Wasser aus einer außerhalb des Stadtgebietes gelegenen Quelle in die Stadt führte. Auf diese folgten, bedingt durch die Notwendigkeit eines erweiterten Wasserangebots durch das Anwachsen der Stadt nach Ende des 2. Punischen Krieges,[2] die Anio Vetus 272 v. Chr, die Aqua Marcia nach 144 v.Chr. und die Aqua Tepula um 125 v.Chr..[3] Die Bereitstellung von Trinkwasser auf diese Art war dabei nicht bestimmten Gruppen vorbehalten, sondern sie sollte der gesamten Bevölkerung dienen und war daher als Aufgabe von öffentlichem Interesse anerkannt.[4] Angesichts der steigenden Bevölkerungszahl Roms bis hin zu etwa 1 Million Einwohnern (eine Zahl, die erst um 1800 wieder – in London – erreicht wurde) in bzw. seit der augusteischen Zeit, die vermutlich bis zum Anfang des 4. Jahrhunderts relativ konstant blieb,[5] mußten zur Versorgung dieser Massen mit Wasser enorme Anstrengungen unternommen werden. Doch schafften die Römer nicht nur, eine ausreichende Versorgung herzustellen – Plinius berichtet von „Überfluß an Wasser in der Öffentlichkeit, in Bädern, Fischteichen, Kanälen, Häusern, Gärten und Landgütern nahe bei der Stadt.“[6] Als Frontinus 97 n.Chr. zum curator aquarum ernannt wurde, war der Bau von Aquädukten aufgrund des rapide steigenden Wasserbedarfs (vor allem durch den zunehmenden Bau und Betrieb von Thermen) zu einer bedeutsamen Bauaufgabe der Kaiser geworden.[7] Im 1. Jahrhundert n.Chr. wurden daher drei neue Wasserleitungen gebaut, insgesamt gab es zur Zeit Frontinus’ neun Aquädukte mit einer Gesamtlänge von über 420 km.[8] Frontinus nennt diese „ein besonderes Zeichen für die Größe des römischen Imperiums,“[9] Plinius geht in seiner Bewunderung noch weiter, da man gestehen müsse, „daß es auf der ganzen Erde nie etwas Bewundernswerteres gegeben hat.“[10]

Zur Sicherung der römischen Wasserversorgung mußten die Wasserleitungen geschützt werden, angesichts der Länge dieser war dies eine umfangreiche Aufgabe. Verhindert werden mußten zum einen Verfall oder andere Alters- und Abnutzungserscheinungen durch Instandhaltung der Leitungen, zum anderen die unberechtigte Entnahme von Wasser aus diesen Leitungen, wozu es vielerlei Möglichkeiten gab und was ein großes Problem darstellte – von der Aqua Marcia z.B. berichtet Frontinus, daß es bei dieser von Leitungsanfang bis Leitungsende (in Rom) einen Schwund von annähernd 40% gab, wobei nur ein kleiner Teil aus Bauschäden resultierte.[11] Überhaupt durchzieht die Schrift Frontinus’ die Klage über weitverbreiteten Diebstahl von und Betrug mit Wasser. Eine Kernaufgabe der cura aquarum war die Abwehr all dieser die kontinuierliche Wasserversorgung bedrohender Dinge. Zu fragen ist daher im folgenden nach der Organisation und Administration der römischen Wasserversorgung durch die cura aquarum. Betrachtet werden sollen dabei auch die Fragen nach der Verteilung des Wasseraufkommens, wobei auch private Wasserkonzessionen betrachtet werden, nach gesetzlichen Bestimmungen zum rechtlichen Schutz der Leitungen und nicht zuletzt nach der Finanzierung des Ganzen. Eine Behandlung der Entstehung und Struktur der cura aquarum versteht sich von selbst.

Als Quelle dient dabei Frontinus’ Abhandlung „De aquaeductu urbis romae“ in der Übersetzung Gerhard Kühnes für die Frontinus-Gesellschaft. Im Alter von über 60, vielleicht fast 70 Jahren[12] wurde Frontin von Nerva 97 n.Chr. zum curator aquarum ernannt.[13] Seine Schrift „De aquaeductu urnis Romae“ war zur „eigenen Unterrichtung und .. Gewinnung eigener Maßstäbe“[14] wie auch zur allgemeinen Belehrung gedacht und ist eine „hydrologische Quelle ersten Ranges.“[15] Vollendet wurde die kurz nach Amtsantritt begonnene Schrift schließlich unter Traian (nach 98 n.Chr.),[16] Frontinus selbst stand vermutlich bis 103 an der Spitze der cura aquarum. [17] Seine Schrift über die römische Wasserversorgung stellt ein idealtypisches Beispiel üner römisches Amtsverständnis dar. Bis ins kleinste Detail stellt Frontinus historische, technische, juristische und admisnistrative Begebenheiten und Bedingungen dar. Im folgenden eine grobe Übersicht des Inhalts:

1 – 3: Einleitung

4 - 16: Geschichte der römischen Wasserversorgung

17 – 22: Verlauf der Leitungen vor und in Rom

23 – 63: Beschreibung der Rohrmaße

64 – 76: Wassermengen der jeweiligen Leitungen

77 – 86: Die Verteilung des Wassers

87 – 93: Verbesserungen unter Traian

94 – 130: Administration und Unterhaltung

Nur zur „eigenen Unterrichtung“ hätte er diese Schrift zwar auch schreiben können, aber nicht veröffentlichen müssen. In der Veröffentlichung spiegelt sich zum einen sein Amtsverständnis wieder, indem er die offensichtliche Unordnung innerhalb der cura aquarum (siehe dazu folgend) versucht aufzuräumen und die Arbeit seiner Nachfolger auf feste Grundlage zu stellen. Dieser Anspruch ist bereits in seiner „Stratagemata“ genannten Schrift, die er vermutlich in den späten 50er Jahren veröffentlichte, greifbar.[18] Die Zusammentsellung vorbildicher militärischer Entscheidungen in der „Stratagemata“ empfand er „als Hilfe für vielbeschäftigte Standesgenossen“[19] - beide Schriften folgen also einer sehr ähnlichen Intention.

Zum anderen verstand er seine Schrift über die römische Wasserversorgung aber auch eine Art Ersatz eines Denkmals: „Der Auwand für ein Grabmonument ist überflüssig. Die Erinnerung an uns wird fortbestehen, wenn wir es durch uner Leben verdient haben.“[20]

Dieses Streben, etwas zu tun, damit man auch nach seinem Tod seiner gedenkt, ist hier also untrennbar mit seinem vorbildichen Amtsverständnis verbunden.

2) Die Wasserverteilung in Rom

2.1) Aufschlüsselung nach Versorgungsbereichen

Grundlegend war die Zuordnung der Leitungen zu einzelnen Stadtbezirken, wobei die jeweiligen Leitungen verschieden viele Bezirke (mit-)versorgen konnten.[21] Frontinus nennt abgesehen davon drei Versorgungsbereiche, nach denen das Wasser verteilt wurde: „Zwecke des Kaisers, ... Privatleute und ... öffentliche Zwecke.“[22] Insgesamt wurden zu dieser Zeit den Angaben Frontins zufolge 14018 Quinarien an Wasser pro Tag verteilt[23] (eine Quinarie entspricht einer durchflossenen Querschnittsfläche von 4,2cm2[24]). Man war sich zwar bewußt, daß die Durchflußgeschwindigkeit auf die Abgabeleistung einwirkt[25], konnte diese Größe jedoch nicht quantitativ erfassen.[26] Nach der Schätzung di Fenizios entspricht eine Quinarie 40,6m3 Wasser pro Tag,[27] insgesamt brachten die Wasserleitungen also um die 570.000m3 Wasser täglich[28] Richtung Rom. Rechnet man diese Zahl auf das hoch, ergibt dies eine jährliche Wassermenge von über 200 Millionen m3 – mehr als doppelt so viel, als die GEW RheinEnergie AG für 2002 als Wasserverkauf nach Köln ausgibt,[29] das aktuell ähnlich viele Einwohner hat wie für das damalige Rom angenommen wird. Zur Verwaltung und Verteilung dieser Menge führte Agrippa ein Wasserkataster (welches dann von Augustus übernommen wurde[30]) ein, in dem die Verteilung des Wassers festgehalten und die Abgabe an einzelne Versorgungsbereiche und Privatabnehmer ersichtlich wurde.[31]

Die Aufschlüsselung in einzelne Versorgungsbereiche zeigt folgenden Anteil an der Wasserabgabe: Privatabnehmer 44,18 %, öffentliche Wasserversorgung 31,39 %, Kaiserliche Einrichtungen 24,43 %. Da für kaiserliche Zwecke und private Sonderberechtigte ein großer Anteil bereits außerhalb der Stadt verteilt wurde, läßt sich bei Betrachtung nur des innerhalb der Stadt verteilten Wassers der Schwerpunkt auf dem öffentlichen Versorgungsbereich erkennen: 44,21 % entfielen auf diese, während private Abnehmer 38,64 % erhielten und der Kaiser 17,15 %.[32] Dem privaten Versorgungsbereich ist der nächste Abschnitt dieser Arbeit gewidmet.

Zur Aussagekräftigkeit dieser auf der Querschnittsfläche der Leitungen beruhenden Relationen sei auf die bereits angesprochene fehlende Möglichkeit verwiesen, die tatsächlichen Wassermengen unter Berücksichtigung der Fließgeschwindigkeit zu errechnen, verwiesen. Das Verhältnis der tatsächlichen Wassermengen je Leitung mußte also nicht exakt in der selben Relation stehen wie die Querschnittsflächen zueinander. Je nach Fließgeschwindigkeit in den einzelnen Leitungen weichen die Relationen der Wassermengen zueinander von denen der Querschnittsflächen ab.

[...]


[1] Höcker, Christoph, DNP 12/2, 2003, S. 406-415, s.v. Wasserversorgung; II: Klassische Antike, hier: S. 406

[2] Vgl. Schneider, Helmuth, Einführung in die antike Technikgeschichte, Darmstadt 1992, S. 183

[3] Vgl. a.a.O., S. 410f.

[4] Vgl. Eck, Werner, Die Gestalt Frontins in ihrer politischen und sozialen Umwelt; Organisation und Administration der Wasserversorgung Roms, in: Frontinus-Gesellschaft e.V. (Hrsg.), Wasserversorgung im antiken Rom, München/Wien 19832, S. 45-78, hier: S. 63f.. Beide Texte sind als Einheit zu sehen, da Eck die Fußnoten im Anhang als Einheit anfügt.

[5] Vgl. Jongman, Wilhelm, DNP 10, 2001, S. 1077-1079, s.v. Roma; II.A.: Bevölkerung, hier: S. 1077f.

[6] Plin. nat. 36, 123, in: Plinius Secunuds, Gaius, Naturkunde, Hrsg. u. übers. von Roderich König in Zusammenarbeit mit Joachim Hopp, München/Zürich 1992, hier: S. 87

[7] Vgl. Höcker 2003, S. 411; Robinson, Olivia F., Ancient Rome. City planing and administration, London/New York 1992, hier: S. 99

[8] Garbrecht, Günther, Die Wasserversorgung Roms, in: Frontinus-Gesellschaft e.V. (Hrsg.), Wasserversorgung im antiken Rom, München/Wien 19832, S. 32-41, hier: S. 32f.

[9] Frontin 119,1, in: Kühne, Gerhard, Die Wasserversorgung der antiken Stadt Rom. Übersetzung der Schrift von Sextus Iulius Frontinus, in: Frontinus-Gesellschaft e.V. (Hrsg.), Wasserversorgung im antiken Rom, München / Wien 19832, S. 79-128

[10] Plin. nat. 36, 123

[11] Frontinus 67; Höcker 2003, S. 414. Fahlbusch erklärt diese Differenz aus unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten, vgl. Fahlbusch, Henning, Über Abflußmessung und Standardisierung bei den Wasserversorgungsanlagen Roms, in: Frontinus-Gesellschaft e.V. (Hrsg.), Wasserversorgung im antiken Rom, München/Wien 19832, S. 129-144, hier: S. 137f.. Angesichts der offensichtlich hohen Zahl von Wasserdiebstahl (siehe 4.2) scheint allein Fahlbuschs Erklärung nicht ausreichend.

[12] Um 73 n.Chr. bekleidete er erstmals das Amt eines Konsuls (vgl. dazu Hainzmann, Manfred, Untersuchungen zur Geschichte und Verwaltung der stadtrömischen Wasserleitungen, Wien 1975, S. 4), wozu man üblicherweise mindestens 42 Jahre alt sein mußte.

[13] Frontinus 1; vgl. Hainzmann 1975, S. 4

[14] Frontinus 2

[15] Sallmann, Klaus, DNP 4, 1998, S. 677f., s.v. Frontinus, S. Iulius, hier: S. 678

[16] Vgl. Hainzmann 1975, S. 5

[17] Vgl. Bruun, Christer, The Water Supply of Ancient Rome. A Study of Roman Imperial Administration, Helsinki 1991, S. 199

[18] Vgl. Eck 1983, S. 50

[19] a.a.O., S. 57

[20] Plinius ep. 9, 19, 5, nach: Eck 1983, S. 47

[21] Frontinus 79-86

[22] Frontinus 78

[23] Ebd.

[24] Vgl. Fahlbusch 1983, S.132

[25] Frontinus 35

[26] Vgl. Schneider 1992, S. 189

[27] Vgl. di Fenizio, Cl., Sulla portata degli antiqui acquedotti romani, Roma 1916, nach: Hainzmann 1975, S. 24

[28] Fahlbusch schätzt den Gesamtabfluß ähnlich auf 520.000 bis 635.000m3/Tag, vgl. Fahlbusch 1983, S. 137

[29] Vgl. www.gewkoelnag.de/unternehmen/?sub=kennzahlen&nav=5%1%0%0; Recherchedatum: 19.12.2003

[30] Frontinus 99

[31] Vgl. Geißler 1998, S. 162

[32] Frontinus 78

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Organisation und Administration der Wasserversorgung im kaiserlichen Rom um die erste Jahrhundertwende. Frontinus' "De aquaeductu urbis Romae"
Hochschule
Universität Kassel  (Fachbereich 5: Gesellschaftswissenschaften)
Veranstaltung
Die Infrastruktur des Imperium Romanum
Note
1
Autor
Jahr
2004
Seiten
27
Katalognummer
V28391
ISBN (eBook)
9783638301862
ISBN (Buch)
9783638649803
Dateigröße
615 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Organisation, Administration, Wasserversorgung, Jahrhundertwende, Frontinus, Romae, Infrastruktur, Imperium, Romanum
Arbeit zitieren
Thomas Diehl (Autor:in), 2004, Organisation und Administration der Wasserversorgung im kaiserlichen Rom um die erste Jahrhundertwende. Frontinus' "De aquaeductu urbis Romae", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28391

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