Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Arbeitsergebnisse
2. Tabellarischer Unterrichtsverlauf
3. Bemerkungen zur Lerngruppe
4. Didaktische Reflexion
5. Methodische Reflexion
Literaturverzeichnis
Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Hauptseminar Geschichtsdidaktik Fachbereich 07 Geschichtswissenschaft
WiSe 2013/2014 Student: Christoph Hendrichs
Entwurf einer Unterrichtsstunde zum Thema „Die Revolte der Frauen in der 68er-Bewegung“
Lerngruppe: 12. Klasse (Leistungskurs Geschichte)
Thema der Reihe: Die ´68er - Mehr Demokratie für Deutschland? Thema der Stunde: Die Revolte der Frauen in der 68er-Bewegung
Problemziel: Ist die Gleichstellung von Mann und Frau unabdingbar für die
Demokratie?
1. Arbeitsergebnisse
1. Frauen waren Ende der 60er Jahre trotz des im Grundgesetz festgelegten Gleichheitsgrundsatzes deutlich benachteiligt.
2. Innerhalb der 68er-Bewegung spalteten sich Frauen ab und organisierten eigene Proteste, da ihre Bedürfnisse (vor allem im SDS) nicht ernst genommen wurden.
3. Der Aktionsrat zur Befreiung der Frau strebte eine sofortige Veränderung der gesellschaftlichen Stellung der Frau an, während für den SDS die politisch- ökonomische Revolution im Vordergrund stand.
4. Der wesentliche Gegensatz zwischen beiden Fronten bestand in der Frage, ob private Themen Gegenstand der Politik sein sollten bzw. ob private Themen nicht zugleich immer auch politische Themen sind.
5. Dass gesellschaftlich benachteiligte Gruppen ihre Belange zu politischen The- men machen können, stellt einen wesentlichen Bestandteil einer lebendigen Demokratie dar.
2. Tabellarischer Unterrichtsverlauf
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
3. Bemerkungen zur Lerngruppe
Der Geschichtsleistungskurs 12 setzt sich aus insgesamt 14 Schülerinnen und Schülern1 zusammen, wobei sich Jungen und Mädchen etwa gleich aufteilen. Dementsprechend ist der Kurs klein und übersichtlich, was die individuelle Förderung und Integration er- leichtert.
Das Kursklima, und somit auch das Lernklima, sind bemerkenswert angenehm und pro- duktiv, auch ist die Lernmotivation als überdurchschnittlich zu bezeichnen. Dabei ist jedoch zu konstatieren, dass die Arbeitshaltung der Schüler je nach verwendeter Sozial- form und Methode schwankt. So führen Rollenspiele zu hoher Motivation und Beteili- gung, während sich bei stärker theoretischen Diskussionen nur ein Teil des Kurses be- teiligt.
Dies liegt auch an der Heterogenität des insgesamt starken Kurses - während drei bis vier Schüler sich immer mit guten bis sehr guten aktiv ins Unterrichtsgeschehen ein- bringen, ist die Beteiligung des „Mittelfeldes“ je nach Thema, Sozialform und Methode unterschiedlich, während sich einige schwächere Schüler insgesamt häufig zurückzie- hen. Letzteres gilt auch für zwei durchaus leistungsfähige, aber schüchterne Schüler. Unterschiedliches Vorwissen, individuell sehr verschieden ausgeprägtes Abstraktions- vermögen und größere Unterschiede im Arbeitstempo sind bei der Materialauswahl und der Gestaltung der Arbeitsaufträge deshalb unbedingt zu berücksichtigen. Desweiteren muss die Wahl der Sozialform und Methode variiert werden, um möglichst viele Schü- ler anzusprechen.
Mit Blick auf die Konzeption der Reihen zur deutsch-deutschen Geschichte ist zu berücksichtigen, dass zwei Schüler Wurzeln in der früheren DDR haben und die Eltern eines Schülers aus Polen stammen. Auch finden sich in den Familiengeschichten mehrerer Schüler Angehörige aus dem Kreis der Vertriebenen.
4. Didaktische Reflexion
Verortung in Reihe und Lehrplan
Die Unterrichtsstunde soll als letztes Thema innerhalb der Unterrichtsreihe „Die ´68er - Mehr Demokratie für Deutschland?“ dazu beitragen, dass die Schüler abschließend ei- nen differenzierten Blick auf die ´68er-Bewegung erhalten. Nachdem politische Motive und Aktionen sowie das Leben in der Kommune II behandelt wurden, ist es wichtig, in den Blick zu nehmen, dass die Protestaktionen des Jahres 1968 keineswegs von einer in sich geschlossenen und homogenen Bewegung ausgingen. Um einen vollständigen Ein- druck von den ´68ern zu erhalten, muss berücksichtigt werden, dass die Bewegung von inneren Uneinigkeiten und Spannungen geprägt war.2 Ein geeignetes Beispiel hierfür bietet die Revolte der Frauen, die sich sowohl in öffentlichen Protestaktionen als auch in Auseinandersetzungen mit dem „Sozialistischen Deutschen Studentenbund“3 nieder- schlug. Innerhalb der ´68er-Bewegung entstand so eine Diskussion darüber, ob das Thema "Gleichstellung von Frau und Mann" ein Gegenstand politischer Diskussion sei. Eine Unterrichtsstunde zu diesem Thema setzt somit voraus, dass die Schüler bereits Kenntnisse über die politischen Absichten des SDS haben. Da die geplante Reihe eine Unterrichtsstunde zur Außerparlamentarischen Opposition vorsieht, kann davon ausge- gangen werden, dass die Schüler das für das hier vorliegende Unterrichtsthema nötige Vorwissen bereits erworben haben. Insgesamt fügt sich die Stunde insofern in die Un- terrichtsreihe ein, dass der Kampf der Frauen um Einbeziehung ihrer Anliegen in politi- sche Fragen als ein Beitrag zur Demokratisierung der BRD gewertet werden kann. In den Lehrplan der 12. Klasse kann die Unterrichtsstunde im Teilthema 3 verortet werden, in dem unter anderem vorgesehen ist, dass die Schüler „einen Überblick über die Ent- wicklung der Bundesrepublik […] gewinnen“.4
Das Thema in der Fachwissenschaft
Im Folgenden soll dargelegt werden, wie das Thema vonseiten der Fachwissenschaft dargestellt und bewertet wird. Aufgrund von zementierten gesellschaftlichen Rollenbil- dern und entsprechenden gesetzlichen Regelungen waren Frauen in den 60er Jahren hinsichtlich beruflicher und politischer Entfaltungsmöglichkeiten gegenüber Männern klar benachteiligt. Diese Benachteiligung kam für Frauen besonders deutlich zum Tra- gen, sobald sie Kinder zur Welt brachten. Die bestehenden Rollenvorstellungen ließen nicht zu, dass Männer die Aufgabe der Kindererziehung übernahmen, darüber hinaus war es um Betreuungsmöglichkeiten für „arbeitswillige“ Mütter äußerst schlecht be- stellt. Um sich Abhilfe zu verschaffen, schlossen sich Anfang des Jahres 1968 in Berlin Frauen zu einem Aktionsrat zusammen und gründeten die ersten Kinderläden. Diese Einrichtungen dienten dem Zweck, die Mütter zu entlasten, damit diese die frei gewor- denen zeitlichen Kapazitäten für politische Arbeit nutzen konnten. Im August 1968 wurde ein „Zentralrat der Kinderläden“ gegründet, dessen Führungspositionen bald von Männern besetzt waren. Diesen ging es schließlich nicht mehr um die Entlastung der Mütter, sondern sie sahen in den Kinderläden vielmehr die Möglichkeit, Stätten der an- tiautoritären Erziehung zu schaffen. Die Ignoranz vonseiten der Männer gegenüber Frauenfragen führte schließlich zum Konflikt als Helke Sander als Vertreterin des Akti- onsrates, der sich mittlerweile „Aktionsrat zur Befreiung der Frau“ nannte, eine Rede auf einer Konferenz des SDS hielt.5 Sie bat den SDS darin, sich den Anliegen der Frau- en zu öffnen, und diese nicht weiter mit dem Argument ad acta zu legen, dass es sich hierbei um private und nicht politische Probleme handele. Weiterhin formulierte sie, dass die Frauen des Aktionsrates mit Unterstützung des SDS eine sofortige Verände- rung ihrer Lebenslage anstreben wollen, ohne hiermit auf die Zeit nach der Revolution zu warten. Als Beispiele führt sie die Kinderläden ins Feld, mithilfe derer bereits ein erster Schritt zur Befreiung der Frau getan sei.6 Da der nachfolgende Sprecher des SDS nicht auf Helke Sanders Rede einging und stattdessen zum nächsten Punkt überging, bewarf eine Frau einen SDS-Vorstand mit einer Tomate. Hiermit sollte der SDS für die Ignoranz gegenüber den Interessen der Frauen abgestraft werden. Dieser symbolische Akt führte dazu, dass sich Frauen deutschlandweit organisierten und begannen, Protest- aktionen für ihre Anliegen durchzuführen. Somit revoltierten die Frauen letztlich nicht nur gegen ihre Benachteiligung in der Gesellschaft, sondern auch gegen jene, die sie innerhalb der Bewegung zu spüren bekamen.7
In der Fachwissenschaft wurde bislang wenig zur Frauenrevolte in der 68er-Bewegung geforscht, sodass die Historikerin und Journalistin Ute Kätzel als Einzige ein monogra- phisches Werk hierüber veröffentlichte.8 Da sich 1968 äußerst wenige Frauen dazu ver- anlasst sahen, autobiographische Berichte zu verfassen, fallen Quellen bezüglich indivi- dueller Problemlagen zwar insgesamt recht dürftig aus, dennoch ist es gut möglich, die Ereignisse rund um die im Jahre 1968 entstehende Frauenbewegung mithilfe von Quel- len nachzuzeichnen.
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1 Im Folgenden wird der Übersicht halber lediglich die männliche Form benutzt.
2 Vgl. Wolfrum, Edgar: Die Bundesrepublik Deutschland 1949-1990. Stuttgart 102005 (Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 23), S.332.
3 Im Folgenden abgekürzt mit „SDS“.
4 Lehrplan, S. 23.
5 Vgl. Kätzel, Ute: Die 68erinnen. Porträts einer rebellischen Frauenorganisation. Königstein/Taunus 2008, S.16; vgl. Kätzel, Ute: „Frauen suchen ihre Identität“. Die Revolte der Frauen in der 68er- Bewegung. In: Praxis Geschichte 6 (2001), S.23-24.
6 Vgl. Die neue Frauenbewegung, S. 57-61.
7 Vgl Stefanski, Michael: Die 68er-Generation vor Gericht. Untersuchungen zu den Konfliktkonstruktionen der 85er-Generation. Frankfurt am Main 2013, S. 65-66. [Im Folgenden zitiert mit „Stefanski, S.65-66.“
8 Vgl. Kätzel, Ute: Die 68erinnen. Porträts einer rebellischen Frauenorganisation. Königstein/Taunus 2008. [Im Folgenden abgekürzt mit „Die 68erinnen, S. …“]