Truppenabzug aus Afghanistan bis Dezember 2014

Ist der Abzug der Bundeswehrsoldaten verantwortungsvoll?


Hausarbeit, 2009

23 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Der Truppenabzug der Bundeswehrsoldaten
2.1 Sicherheitsverantwortung in afghanischer Hand
2.1.1 Derzeitige Sicherheitslage
2.1.2 Derzeitiger Ausbildungsstand der afghanischen Sicherheits­kräfte
2.2 Gründe für den Abzug
2.2.1 Abschwächung der Ziele der Isaf-Mission
2.2.2 Es gibt keine militärische Lösung für Afghanistan
2.2.3 Wiederherstellung der Souveränität Afghanistans
2.2.4 Mangelnder Rückhalt für den Einsatz
2.3 Argumente gegen einen übereilten Truppenabzug
2.3.1 Ist Deutschland für die derzeitige Sicherheitslage mitver­antwortlich?
2.3.2 Das deutsche Engagement muss glaubwürdig bleiben , , ,
2.3.3 Deutschlands Eigeninteresse an einem erfolgreichen Aufbau
2.3.4 Worst Case-Szenario
2.4 Deutschlands geplantes Engagement nach 2014 16

3 Schluss

1 Einleitung

Bis Dezember 2014 wollen die Alliierten 1 ihre Kampftruppen aus Afghanistan vollständig abgezogen haben,2 Damit ziehen sieh auch die Soldaten der Bundes­wehr vom Hindukuseh zurück. Die konkrete Jahreszahl, das Jahr 2014, nannte die Bundesregierung zum ersten Mal im Januar 2011,3 Diese Hausarbeit wird sieh mit der Frage auseinandersetzen, ob und inwieweit der festgelegte Abzugstermin der Bundeswehrsoldaten eine Gefährdung für die afghanische Sieherheitslage und einen erfolgreichen Wiederaufbau bedeuten könnte.

Ein Problem, das sieh während der Hausarbeit abzeiehnete, war der noch nicht abgeschlossene Prozess des bearbeiteten Themas, So waren noch keine Fach­artikel zu finden, die sieh mit der weiteren Entwicklung seit 2013 beschäftigen. Um also die Lage der letzten Monate mit zu berücksichtigen, beziehe ich mich zusätzlich auf aktuelle Zeitungsberichte. Des Weiteren beziehe ich mich auch auf Faehartikel, die vor 2011 verfasst wurden, als der Abzugstermin noch nicht fest­stand, In diesen Artikeln wurde jedoch häufig versucht, die weitere Entwicklung einzusehätzen und potentielle Risiken - etwa die Gefahren eines verfrühten Trup­penabzuges - aufzuzeigen.

Im Folgenden werde ich mich hauptsächlich auf die mögliche Einwirkung des deutschen Truppenabzuges auf Afghanistans Sieherheitslage konzentrieren. Neben der Betrachtung der derzeitigen Situation in Afghanistan und Meinun­gen zur möglichen Entwicklung nach dem vollständigen Truppenabzug werde ich auch kurz beschreiben, welches weitere Engagement die Bundesrepublik nach 2014 plant,

2 Der Truppenabzug der Bundeswehrsoldaten

Im Dezember 2014 endet nach 13 Jahren die von der NATO 4 geführte International Security Assistance Force 5 (Isaf), dessen erklärtes Ziel es war, in Afghanistan für nachhaltige Sicherheit und Entwicklung zu sorgen, welche schließlich in die volle Verantwortung der afghanischen Regierung übergeben werden sollte,6 Die geplan­te Verantwortungsübergabe im Dezember 2014, beziehungsweise der bereits im Juli 2011 eingeleitete Übergabeprozess 7, lassen vermuten, dass das genannte Ziel der Isaf-Mission bald erreicht sei. Immerhin hat die Bundesregierung bekundet, ihre Truppen nur abzuziehen, wenn die sieherheitspolitisehe Lage es erlaube. Und die von der Bundesregierung genannten Bedingungen für einen verantwor­tungsvollen Truppenabzug waren, dass dadurch weder die noch verbleibenden deutschen Soldaten, noch die Nachhaltigkeit des Übergabeprozesses gefährdet würden,8 Um die Sicherheit des verbleibenden Personals zu gewährleisten, wür­den »[,,,] Sieherungskräfte sowie Kräfte mit der Befähigung zur Evakuierung [,,,]« eingesetzt,9 Diese Bedingungen werden jedoch nicht von jedem Beobachter als realisierbar angesehen. So äußerte Elke Hoff, die sieherheitspolitisehe Sprecherin der FDP-Fraktion, Bedenken darüber, dass der Truppenabzug gefahrlos von­statten gehen könne. Bereits während die Aliierten mit der Organisation ihrer Soldaten beschäftigt seien, würde die Sieherheitslage kritisch,10

2.1 Sicherheitsverantwortung in afghanischer Hand

Noch fragwürdiger als die Sieherheitslage der deutschen Truppen während des Übergabeprozesses ist es um die Sicherheit Afghanistans nach dem Truppenab­zug bestellt. Von da an hängen nachhaltige Sicherheit und Entwicklung von zwei Bedingungen ab, welche bis zum Übergabetermin im Dezember 2014 erfüllt sein müssten:

-1, Die Sieherheitslage müsste von ausreichender Stabilität sein.
-2, Die afghanischen Soldaten und Polizisten müssten genügend ausgebildet sein, um die alleinige Verantwortung für diese Sieherheitslage tragen zu können.

Um beurteilen zu können, ob das Erreichen dieser Bedingungen innerhalb der verbleibenden 1 1 ¡2 Jahre realistisch ist, werde ich im Folgenden unterschied­liche Ansichten zum derzeitigen Stand von Sieherheitslage und Ausbildungsgrad aufführen und gegenüberstellen. Auffällig ist dabei, dass jene, die tagtäglich vor Ort am Einsatz beteiligt sind, die Situation negativer beurteilen, als die politi­schen Entseheidungsträger, 2.1.1 Derzeitige Sicherheitslage

Zur derzeitigen Sieherheitslage in Afghanistan gibt es unterschiedliche Eindrücke und Meinungen, So räumt die Bundesregierung in ihrem »Fortschrittsbericht Af­ghanistan «{10} vom November 2012 zwar ein, dass die Sicherheit in vielen Teilen des Landes noch instabil sei, verweist jedoch anschließend auf die Fähigkeiten der Afghan National Security Forcesn,11 also der Nationalarmee und der Nationalpo­lizei, das Sieherheitsproblem weitestgehend eigenständig in den Griff zu bekom­men, Weiter heißt es im Bericht, dass landesweit ein positiver Sieherheitstrend zu verzeichnen sei, wobei allerdings deutliche regionale Unterschiede eingeräumt werden. Regierungsfeindliche Kräfte, von denen die Taliban die größte Fraktion darstellen, blieben weiterhin handlungsfähig. Außerdem bestünde eine wachsende Bedrohung durch sogenannte Innentäter innerhalb der ANSF. Diese Innentäter bedeuteten mit ihren Anschlägen sowohl eine Gefahr für afghanische Sieherheits- kräfte als auch für Isaf-Soldaten, Dennoch spricht der Bericht von »[,,,] erneut weniger Sicherheitsrelevante[n] Zwischenfälle[n] [,,,]« sowie einem »[,,,] leicht po­sitivein] Trend [...]«, der sieh weiter fortführe,12 Weiterhin heißt es, dass die af­ghanische Bevölkerung laut repräsentativer Umfrage der Asia Foundation 13 mitt­lerweile optimistischer in die Zukunft blicke, als noch vor einem Jahr, Auch wäre die Anzahl jener, die um ihre Sicherheit besorgt seien im Vergleich zum Vorjahr um 8 % gesunken,14

Trotz dieser positiven Tendenz gibt die Sieherheitslage manchen Afghanen noch Grund zur Besorgnis, In einem Artikel aus »DIE ZEIT« vertritt der af­ghanischer Dolmetscher Tarik Ayub 15 die Meinung, dass der »Fortschrittsbericht Afghanistan« die Situation sogar noch beschönige. Im Bericht stünde, dass es in Afghanistan aufwärts gehe und sieh der Einsatz gelohnt habe, doch das seien »[,,,] alles Lügen! Die Lage ist schlecht!«, so Ayub. Besonders verheerend sei die Situation in den Provinzen, wo Aufständische die Wege kontrollierten und immer wieder Menschen entführt würden. Viele Gegenden dort seien von der Zivilisa­tion abgesehnitten und niemand wüsste, wer dort herrsche,16 Natürlich handelt es sieh dabei um den subjektiven Eindruck einer Einzelperson, der nicht reprä­sentativ ist. Dennoch formuliert Ayub darin ein mögliches Problem: Trotz eines Aufwärtstrends ist die Sieherheitslage zurzeit noch immer nicht ausreichend, um nach 2014 ein stabiles Afghanistan zu gewährleisten,

2.1.2 Derzeitiger Ausbildungsstand der afghanischen Sicherheitskräfte

Mit dieser teilweise noch kritischen Sieherheitslage, welche auch von der Bun­desregierung eingestanden wird, werden nach der Übergabe die afghanischen Si- eherheitskräfte fertig werden müssen. Von ihrem Ausbildungsgrad und ihrer Leis­tungsfähigkeit wird demnach die Zukunft von Afghanistan abhängen. Auch zum derzeitigen Stand der Truppen- und Polizeiausbildung gibt es sehr unterschied­liche Siehtweisen, So verweist Michael Steiner, Sonderbeauftragter der Bundes­regierung und Vorsitzender der internationalen Kontaktgruppe für Afghanistan und Pakistan, darauf, dass die 300,000 afghanischen Soldaten und Polizisten mit jedem Tag besser und professioneller würden und die Aufgabe der Isaf-Mission im Dezember 2014 »[...] weitgehend erfüllt [,,,]« sei. Auch die Bundesregierung hält in ihrem »Fortschrittsbericht Afghanistan« fest, dass die ANSF mittlerweile so gut ausgebildet sei, dass sie auf »[...] Bedrohungslagen in vielen Fällen selbständig und effektiv reagieren [,,,]« könne, 17 18 Als Beispiel führt der Bericht auf, dass die ANSF im September 2012 landesweite Ausschreitungen eindämmen konnte, die ein islamfeindliehes Video ausgelöst hatte. Das eigenständig koordinierte Vor­gehen der Sieherheitskräfte konnte die Eskalation gewaltsamer Übergriffe gegen ausländische Organisationen oder internationale Einrichtungen verhindern,19 Des Weiteren trügen die ANSF bereits die Verantwortung für 75 % der afghanischen Bevölkerung (Stand: Mai 20 1 2), 20 Unabhängige Beobachter beurteilen die Lage weniger optimistisch. Laut einem Bericht der International Crisis Group 21 sind afghanische Armee und Polizei derzeit noch überfordert. Laut einem Artikel in der Woehenzeitung »Die Zeit« vom Februar 2013 ließ sieh sogar ein namentlich nicht genannter Bundeswehrgeneral zu der Aussage hinreißen, dass es an allem mangele, »[,,,] was übers Gewehrhalten hinausgeht,«22 war dürfte es sieh da­bei um eine überspitzte Bemerkung handeln, dennoch stellt es die optimistischen Darlegungen der Bundesregierung in Frage, Und auch andere westliche Militär­experten bekunden inoffiziell, dass die afghanischen Sieherheitskräfte noch nicht eigenständig agieren und man sie häufig zum Handeln antreiben müsse; so erklär­te Oberstleutnant Andreas Kühne - Kommandeur des Panzergrenadierbataillons 4-01 Hagenow 23 - noch im November 2012, dass man die afghanischen Soldaten »[,,,] eben ein bissehen aufs Pferd setzen [,,,]« müsse,24

Von afghanischer Seite werden umso mehr Zweifel laut. So zeigte sieh Mah- bubullah Saidi, Verwaltungsehef des Distrikts Atiabad25, verunsichert über die Zeit nach 2014, Die afghanischen Sieherheitskräfte seien noch nicht genügend ausgebildet und ausgerüstet, so Saidi,26 Und sogar der »Fortschrittsbericht Af­ghanistan« führt beunruhigende Tendenzen zur derzeitigen Lage der ANSF auf. So sei die Zahl der getöteten afghanischen Soldaten und Polizeikräfte im Jahr 2012 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 48 % angestiegen. Dies sei auf die Übernahme der Sieherheitsverantwortung und einer deutlichen Erhöhung der Truppenstärke zurüekzuführen, heißt es im Bericht,27 Bedenkt man jedoch, dass die Sollstärke - also die maximale Truppengröße - nahezu erreicht ist28 und die Isaf -Soldaten noch zur Unterstützung vor Ort sind, zeichnet sich ein alamierendes Bild zur Sicherheitslage nach 2014.

[...]


1 Unter Alliierten sind hier alle Nationen zu verstehen, die sich zur International Security Assistance Force (Isaf) zusammengeschlossen haben.

2 [10] vgl. S. 5.

3 [3] vgl. S. 53.

4 North Atlantic Treaty Organization.

5 Im Folgenden als Isaf-Mission abgekürzt.

6 [11 vgl. S. 87.

7 [171 vgl.

8 [121 vgl· S. 6.

9 [14] zitiert S. 6.

10 [41 vgl. u. zitiert S. 45.

11 Im Folgenden als ANSF abgekürzt.

12 [10] vgl. S. 5.

13 Bei der Asia Foundation handelt es sich um eine Nicht-Regierungs-Organisation, die sich der Verbesserung der Lebensumstände innerhalb Asiens verschrieben hat und dafür unter anderem Gutachten erstellt. ([25] vgl.)

14 [10] vgl. S. 6.

15 Tarik Ayub arbeitet als Dolmetscher für die Konrad Adenauer-Stiftung in Kabul. ([16] vgl. S.3.)

16 [16] vgl. u. zitiert. S. 3.

17 [10] vgl. u. zitiert S. 5.

18 [8] vgl. u. zitiert S. 95.

19 [101 vgl· S. 15.

20 [Dl vgl.

21 Bei der International Crisis Group handelt es sich um eine NGO, die internationale Konflikte analysiert und Vorschläge zu dessen Lösung erarbeitet. ([16] vgl. S. 3.)

22 [16] vgl. u. zitiert S. 3.

23 [211 vgl-

24 [18] vgl. u. zitiert.

25 Atiabad ist ein Distrikt der nordöstlichen Provinz Kunduz.

26 [18] vgl.

27 [10] vgl. S. 12-13.

28 [10] vgl. S. 13.

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Details

Titel
Truppenabzug aus Afghanistan bis Dezember 2014
Untertitel
Ist der Abzug der Bundeswehrsoldaten verantwortungsvoll?
Hochschule
Universität Münster
Autor
Jahr
2009
Seiten
23
Katalognummer
V284349
ISBN (eBook)
9783656845577
ISBN (Buch)
9783656845584
Dateigröße
664 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
truppenabzug, afghanistan, dezember, abzug, bundeswehrsoldaten
Arbeit zitieren
Benjamin Klemen (Autor:in), 2009, Truppenabzug aus Afghanistan bis Dezember 2014, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/284349

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