Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Entwicklung und Komplexität der Beziehung zwischen Religion und Werbung
2 Mögliche Verwendung und Funktionen der Religion in der Werbung
3 „Die Erschaffung Adams“
3.1 Vorikonographische Beschreibung
3.2 Bildaufbau
3.3 Formale Bildbeschreibung
3.4 Inhaltliche (ikonografische) Bildanalyse
4 „Die Erschaffung Adams“ in der Werbung
5 Zusammenfassung
6 Literatur
7 Abbildungsverzeichnis
8 Abbildungsanhang
Einleitung
„Werbung prägt unsere Gesellschaft grundlegend. Sie ist eines der größten medialen Ereignisse unserer Kultur, dem wir uns auch gar nicht entziehen können“
Gerd Buschmann (Gerd Buschmann 2003)
Der Anspruch der Religion, im Leben der Menschen sinnstiftend zu wirken, wird auch in unserer heutigen Mediengesellschaft aufrechterhalten, die zugleich in ho- hem Ausmaß auch als Werbegesellschaft bezeichnet werden kann. Der Ausspruch des bekannten evangelischen Religionspädagogen Gerd Buschmann über die All- gegenwärtigkeit der Werbung lässt die Frage aufkommen, wie die Religion diesen Anspruch behaupten kann, besonders auch unter dem Gesichtspunkt, dass wir in der Werbung ständig mit Gott und Religion konfrontiert werden: Produkte werden mit Hilfe von Religion beworben. Werbestrategen bauen auf den Bekanntheitsgrad von Engeln und Teufeln, Apfel und Schlange, Himmel und Hölle - und ein Groß- teil der heutigen Medienkonsumenten schaut sich diese Werbung täglich an, ob in der Werbepause von TV-Sendungen oder in Zeitschriften. Aber auch die Wer- bung, die ihre Aussage mit Hilfe religiöser Motive vermittelt, will nicht die Bot- schaft der Religion vermitteln, sondern den Betrachter so manipulieren, dass er die beworbenen Produkte kauft.
Neutraler formuliert dient Werbung allgemein der Kommunikation zwischen den verschiedenen Akteuren eines Marktes. In den meisten Fällen sind das die Unternehmen als Anbieter und die potentiellen Konsumenten des jeweiligen Angebots, die der Anbieter über seine Produkte informieren und vom Erwerb/ Konsum seiner Produkte überzeugen will.
Mit diese Arbeit versuche ich es zeigen, warum für die Werbung die christlichen Elemente so wichtig sind. Die nicht selten komplizierten Beziehungen zwischen Religion und Werbung sollen unter dem Aspekt untersucht werden, ob man nur über Ausnutzung der Religion (oder auch religiöser Kunst) sprechen kann oder ob auch die Seite der Religion von dieser Beziehung profitieren kann. Ich werde in der vorliegenden Arbeit einzelne Verwendungen und Funktionen reli- giöser Motive in der Werbung betrachten, um dann das Fresko „Die Erschaffung Adams“ von Michelangelo zu analysieren. Daran anschließend werden einige Bei- spiele der Verwendung von „Die Erschaffung Adams“ in der Werbung aufgeführt und interpretiert werden. Zum Abschluss folgt ein kurzes Fazit dieser Arbeit.
1 Entwicklung und Komplexität der Beziehung zwischen Religion und Werbung
Was hat die Religion mit Werbung zu tun? Nach Manfred L. Pirner gibt es einige Gründe, die dafür sprechen, dass die Auseinandersetzung mit der Werbung in der Theologie notwendig ist. Zunächst ist zu beobachten, dass die Werbung religions- ähnliche Funktionen in unserer Gesellschaft ausfüllt und religionsähnliche Grund- strukturen hat. Bis heute spricht man über den Kapitalismus, dem die Werbung als Mittel dient, als Religion, der die christliche Religion ersetzen soll, eine Betrach- tungsweise, die in erster Linie von theologischer Seite geäußert wird. Die Ähn- lichkeit basiert dabei auf der Hauptaufgabe von Werbung, die Produkte unter Be- achtung der Grundbedürfnisse und Sehnsüchte der Menschen zu inszenieren. In diesem Sinne kann sie eine Appellstruktur haben, die den religiösen Verheißungen einer besseren Welt oder eines neuen Lebens ähneln. Aber Gemeinsamkeiten gibt es nicht nur in der übergeordneten Funktion von Werbung und Religion, sondern auch in der Praxis. Werbeagenturen übernehmen sehr oft Motive und Strukturen aus der christlichen Tradition und integrieren diese in der Inszenierung eines Pro- duktes.
Die Werbung spielt auch eine ethische Rolle in unserer Gesellschaft, die ohne sie und auch ohne die Problematiken, die sich daraus ergeben können, kaum mehr vorstellbar ist. In diesem Zusammenhang ist die Beziehung zwischen Religion und Werbung aus zwei Perspektiven zu behandeln: Werbung als Religion und Religion in der Werbung. Darüber hinaus ergibt sich die Frage, ob und inwieweit die Kirche Werbung für ihre eigenen Zwecke benutzen kann und wie stark sie sich an die Mechanismen der öffentlichen Kommunikation anpassen soll. Besonders pikant ist hierbei die Tatsache, dass die Werbung teilweise die Strategien und Strukturen der missionarischen Tradition übernimmt.
Schließlich bietet der Sozialisationsfaktor einen Ansatzpunkt für eine positive Gestaltung der Beziehung zwischen Religion und Werbung. Kinder und Jugendliche nehmen sich die für ihr eigenes Leben notwendigen Welt-, Menschen- und Wertvorstellungen oft aus der Werbung. In diesem Zusammenhang könnte die Werbung durch die Kirche religionspädagogisch verwendet werden. Es muss dann aber eine doppelte theologische Arbeit geleistet werden, die einerseits die analytisch-hermeneutische Wahrnehmung und andererseits die kritische Auseinandersetzung mit sich selbst voraussetzt (vgl. Pirner 2003, S. 11 f.).
Wie ich es schon angedeutet habe, waren und sind die Beziehungen zwischen Werbung und Religion sehr komplex und kompliziert. Es ist aus historischer Perspektive ein Übergang von rein kritischen und negativen Einstellungen bis zu werbungsfreundlichen Ansätzen zu beobachten.
Eine frühe Auseinandersetzung mit der Religion in der Werbung fand im Jahre 1921 statt, in der Zeit der Weimarer Republik. Die Kirche musste in Deutschland nach dem Ende des Kaiserreiches die Trennung vom Staat verkraften, wie es durch die 1919 in Kraft getretene Verfassung festgelegt worden war. In der Zeit- schrift „Die Kultur der Reklame‘‘ beschäftigten sich Pastor Paul Holstein und Ul- rich Berner mit dieser Thematik und sahen zu diesem sehr frühen Zeitpunkt be- reits für die Kirche Chancen in der Reklame, indem sie Reklame mit der werben- den Tätigkeit Jesu gleichsetzten und versuchten, innerkirchliche werbekritische Ansichten zu widerlegen. Ein Erfolg blieb Holstein und Berner damals allerdings verwehrt; kritisch-negative Auseinandersetzungen mit der Werbung blieben wei- terhin dominant.
So finden wir im Nachkriegsdeutschland gegen Ende der 1950er Jahre grundsätz- lich die Überlegungen zum manipulativen Charakter der Massenwerbung, die vor allem auf dem Bestseller des Amerikaners Vance Packard, „Die geheimen Verfüh- rer“ (1958), basieren. Ausgehend von den Erfahrungen der NS-Zeit und von den Entwicklungen der amerikanischen Konsumgesellschaft sprach man oft wer ist „man“? Oder handelt es sich um Packard? vom „manipulierten Menschen“ (Pirner 2003, S. 14f) in einer „außengelenkten Gesellschaft“(ebd.). Dabei wurde die Er- höhung des „Lebensstandards“ (ebd.) als einziger Lebenssinn betrachtet. Das Menschenbild ist bei Packard eindeutig negativ getönt. Ähnliche Auffassungen finden sich auch bei Ulrich Beers, der die Medien als „geheime Miterzieher der Jugend“ (ebd.) bezeichnet. Daraus folgt eine Sicht der Medien als Gefahr. Immer- hin wurde dadurch die Problematik des Einflusses von Medien thematisiert und für weitere Diskussionen geöffnet (vgl. Pirner 2003, S. 13ff.)
Sehr stark wird der Mechanismus der Werbung von Walter Künneth in seinem Buch „Werbung und Ethik“ (1957) kritisiert. Allerdings lehnt er Werbung als Teil der gesellschaftlichen Kommunikation nicht vollkommen ab, sondern er stellt sich eine Umorientierung von Werbung in die Richtung echter Bedürfnislenkung vor (Künneth, Walter:1957, S.15). Diese Überlegung wurde von Waldemar Wilken in den 1960er Jahren fortgeführt und konkret auf die Kirche übertragen, die in seinen Augen genauso wie andere Institutionen für ihr Angebot werben sollte. Sie sollte dabei aber nicht das anbieten, was sich die Menschen wünschten, sondern viel- mehr das, was ihr von ihrem Herrn aufgegeben war. Hier zeigt sich das Kernpro- blem der theologischen Wahrnehmung von Werbung, nämlich das Verhältnis von menschlichen Bedürfnissen und christlicher Botschaft als dem, was Menschen wirklich brauchen. Die konventionelle kommerzielle Werbung kann sehr viel fle- xibler das ansprechen, was einfache Bedürfnisbefriedigung verspricht, während die Kirche, wenn sie an ihren Werten festhält, durchaus auch Inhalte vermitteln muss, die für den Werbeadressaten unbequem sind (vgl. Pirner: 2003, S. 15f).
In der 1970er und 1980er Jahren fand in der Bundesrepublik Deutschalnd noch eine weitere Verstärkung der kritischer Sichtweisen auf Werbung statt. Die Kon- sumwerbung wurde aus sozialwissenschaftlicher und philosophischer Sicht als Teil des kapitalistischen Systems gesehen, der, manipulativ auf das Unbewusste wirkend, narkotisierend zur politischen Ruhigstellung der Massen beiträgt. So sah Karl-Werner Bühler 1973 Werbung als eine Art der Trivialreligion. Danach ver- spricht Werbung den Menschen Glück, wodurch sie in eine Abhängigkeit vom Konsum geraten, die sich nicht befriedigen lässt (vgl.ebd.S.16ff). Schließlich be- hauptete zehn Jahre später Yorick Spiegel, dass die Produzenten von Konsumpro- dukten alles das ausbeuteten, was noch heilig sei, und forderte als Konsequenz eine konkrete Grenzziehung zur Eindämmung von Werbung, was auch schon zu- vor von Bühler vorgeschlagen worden war (vgl. Spiegel: 1986, S.12ff) und vgl. Bühler: 1973, S. 117f) .
Für die 1990er Jahre lässt sich dann eine Akzentverschiebung konstatieren. Jetzt wurden auch in der Wissenschaft durchaus positive Seiten der Werbung und ihrer Funktion für unsere Gesellschaft gesehen. So sind die Überlegungen von Kar- l-Heinrich Bieritz kennzeichnend, dass auch der Christ und die Theologie sich der „neuen Religion“ des „Kult-Marketing“ (Bieritz: 1999, S.42) nicht entziehen könnten. Man ist also gezwungen, sich mit dem ökonomischen System auseinan- derzusetzen. Insofern scheint die Gesellschaft „im System gefangen“ (Ebd. S.49)zu sein, sollte man vielmehr aber die rituellen Vollzüge des christlichen Glaubens im Sinn eines „Gegen-Zeichens“ oder der „Gegen-Spiele“ (ebd.)verste- hen. Kultur der christlichen Glauben sollte als Alternative für den kommerziali- sierten „Erlebniskultur“ (ebd.) dargestellt werden.
Die von Bieritz ausgehenden Ansichten lassen sich am besten in Form einiger Thesen systematisch darstellen, wobei diese Thesen durch die Ausführungen weiterer Wissenschaftler ergänzt werden (vgl.ebd. S33ff.)
Erstens spiegelt die Werbung die tiefsten existenziellen (auch religiösen) Be- dürfnisse der Menschen wider. Deshalb verfügt sie über einen enormen diagnosti- schen Wert. Daraus folgt die Annahme, dass die Aussage, Werbung schaffe erst „künstliche“ Bedürfnisse statt wirklicher, nicht oder nur teilweise zutrifft. Es soll- te klar werden, dass Werbung nur dadurch konkrete Kaufbedürfnisse wecken kann, dass sie tieferliegende anthropologisch-allgemeine oder kulturell-bedeutsa- me Grundbedürfnisse anspricht, die unter anderem natürlich auch den Bereich der Religion betreffen. Außer Acht kann aber nicht gelassen werden, dass Werbung den Zeitgeist und die aktuelle Lebenswelt nicht nur reflektiert, sondern auch mit- gestaltet und kanalisierend prägt. Dabei unterscheidet Bernd Beuscher zwischen „Bedürfnis“ und „Begehren“ (Bauscher: 1999 S.118) und nennt folgendes Beispiel: Die Werbung eines Mineralwassers sollte in Verbindung mit dem „Durst nach Leben“ gebracht werden und umfasst somit nicht nur menschliche Grundbedürfnisse, sondern auch den sogenannten „Hunger“ nach Leben, der auf einer höheren Stufe als das Bedürfnis firmiert (vgl. ebd. S. 110ff).
Zweitens könnte die Tätigkeit der Werbung als eine Art heilsamer Konkurrenz und der Herausforderung zur Selbstkritik verstanden werden. Weil wir es in der Markt- wirtschaft mit einem Kampf ums Überleben auf dem Markt zu tun haben, sind die Unternehmen und ist damit auch die Werbung gezwungen, sich an den Bedürfnis- sen der Kunden zu orientieren. Das ist in Wirtschaft, Werbung und Gesellschaft ein normaler Zustand. In der Kirche bereitet dieser Punkt aber immer noch viele Probleme, die gelöst werden müssen, wenn die Kirche überlebensfähig bleiben will.
Drittens ist es nicht generell negativ zu bewerten, dass religiöse Symbole in der Werbung häufig verwendet werden. Das verweist im Gegenteil auf die Tatsache, dass sie in unserer Kultur immer noch präsent und wirksam sind. Daraus könnten für die Kirche allgemein und speziell auch den Religionsunterricht möglicherwei- se Rückschlüsse gezogen werden. Motive wie Engel, Teufel, Abendmahl oder auch ein konkretes Kunstwerk wie „Die Erschaffung Adams“ sind inmitten der modernen Bilderflut immer noch oft anzutreffen, was die Frage erlaubt, inwieweit hier ein Ausdruck der Lebendigkeit christlicher Traditionen vorliegt und ob nicht auch Werbung zur Aufrechterhaltung christlicher Anliegen dienen kann, z. B. wenn eine Werbung für den Wodka „Sin“ den christlichen Sündenbegriff ins Spiel bringt.
Viertens ist zu beachten, welche Lernchancen aus theologischer bzw. religions- pädagogischer Sicht in der Werbung liegen. Die Analyse von Werbung kann zur symbolischen Wahrnehmungskompetenz und zur Förderung der Symbolisie- rungsfähigkeit der Rezipienten beitragen und damit nach Beuscher die Wirkung der Lehre Jesu erhöhen (vgl. Beuscher:1999 S. 120ff), wobei Martina Kumlehn in diesem Zusammenhang vor vorschnellen Urteilen warnt und rät, eher vorsichtig zu bleiben und positive sowie negative Aspekte zu beachten (vgl.Pirner: 2003. S. 27ff).
2 Mögliche Verwendung und Funktionen der Religion in der Werbung
Religiöse und auch mythische Bildmotive findet man verstärkt seit den 1990er Jahren in der Werbung. Es lassen sich verschiedene Anwendungsformen in der Werbung feststellen.
Werbung zitiert religiöse Begriffe, Formeln oder Bilder, spielt auf sie mit ironischer Brechung an und erzeugt dadurch Witz. Dabei wird aber nicht nur die Aufmerksamkeit des Kunden erreicht. Der Produkt vermag vielmehr mit göttlicher Sprache und Autorität zu sprechen und damit Respekt zu erlangen.
Abb. 1: Werbeanzeige Ruhrgas
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(URL: http://www.theophil-online.de/Bilder/Sonstige/werbung/erdgas.jpg, Stand: 28.08.2012)
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