Einleitung
Viele Umschreibungen wurden in den Jahren gewählt, um das Verhältnis der Volksrepublik Polen und der Deutschen Demokratischen Republik zu charakterisieren. Während die sozialistische Propaganda in Polen vom „Bruderstaat“1 sprach, propagierte Wilhelm Pieck „die unverbrüchliche Freundschaft zwischen dem deutschen Volke und dem neuen Polen.“2. Nach neuerem Kenntnisstand wird hingegen die von Ludwig Mehlhorn verwendete Losung der „Zwangsverordneten Freundschaft“, die schon parteiungebundene polnische Intellektuelle zu kommunistischen Zeiten nutzten, bevorzugt.3 Wie aber stellten sich die tatsächlichen Beziehungen zwischen den beiden Staaten dar? Die beiden Staaten, geprägt von dem unsäglichen Leid des Zweiten Weltkrieges, gehörten gemeinsam dem sozialistischen Lager an. Nach außen bekundete die Propaganda die gleichen, von der UdSSR vorgegebenen Ziele, nach innen prägten alte Vorbehalte das Verhältnis zueinander. Obwohl die DDR früh die Oder-Neiße-Grenze anerkannte, existierte auf polnische r Seite lange Zeit die Angst vor Verlusten ihrer neu hinzugewonnenen Gebiete im Westen. Hingegen zweifelte die SED-Führung spätestens seit 1956, nach dem „polnischen Oktober“, an der bedingungslosen Anlehnung Polens an die sozialistische Ideologie. Misstrauen und Vorurteile herrschten nicht nur in der politische n Führung vor, sondern spiegelten sich ebenfalls in der Bevölkerung wider. Die Menschen lebten mit der Erinnerung an die Schrecken des Krieges, sei es durch das zerstörte Land, in dem sie lebten, oder durch den Verlust ihrer alten Heimat. Ließ sich trotz dieser Widersprüchlichkeit eine Freundschaft aufbauen? Was steckte hinter der öffentlich bekundeten Interessengemeinschaft? Welche Problemfelder kreuzten im Verhältnis zueinander auf? War die Oder-Neiße-Grenze tatsächlich eine „Friedensgrenze“? Wie sah die Zusammenarbeit auf den unterschiedlichen Ebenen Politik, Gesellschaft und Opposition aus? Die vorliegende Hausarbeit untersucht diese Fragen. Dabei sollen durchgängig folgende Aspekte im Blickfeld behalten werden:
Inwieweit bestimmten und instrumentalisierten Vorurteile und Propaganda die Politik ? Wie veränderte sich die gegenseitige Wahrnehmung der Bevölkerung im Laufe der Zeit?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Beziehung DDR-VRP in den Jahren 1949-1970 – Konflikte, Handlungsspielräume und Grenzen
- Erste Schritte in der Verständigung - Die „Oder-Neiße-Friedensgrenze“
- Ära Gomulka / Ulbricht – Vom „Polnischen Oktober“ zur wirtschaftlicher Zusammenarbeit
- Zwischen Freundschaft und Konflikt – Die bilateralen Beziehungen in den 1970er und 1980er Jahren
- Der pass- und visafreie Reiseverkehr - Gesellschaftliche und politische Auswirkungen
- Die Solidarnosc-Bewegung in Polen – Reaktionen in der DDR
- Konflikte um die Pommersche Bucht 1985-1989
- Opposition in der Volksrepublik Polen und der DDR – Kontakte und gegenseitige Wahrnehmung
- Bilanz
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit den Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und der Volksrepublik Polen (VRP) von 1949 bis 1989. Sie untersucht, wie sich die beiden Staaten trotz ihrer gemeinsamen Zugehörigkeit zum sozialistischen Lager in einem Spannungsfeld aus Freundschaft und Konflikt befanden. Die Arbeit analysiert die Entwicklung der bilateralen Beziehungen, die Prägung durch die Schrecken des Zweiten Weltkriegs, die Rolle der Propaganda und die Auswirkungen auf die Bevölkerung.
- Die Rolle der Oder-Neiße-Grenze und die Frage der territorialen Ansprüche
- Die Konflikte zwischen den Parteiführern Gomulka und Ulbricht
- Die Auswirkungen des pass- und visafreien Reiseverkehrs auf die Beziehungen
- Die Reaktionen der DDR auf die Solidarnosc-Bewegung in Polen
- Der Einfluss von Opposition und Propaganda auf das Verhältnis zwischen den beiden Staaten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die unterschiedlichen Perspektiven auf das Verhältnis zwischen DDR und VRP und stellt die Forschungsfragen und den Aufbau der Arbeit vor.
Das zweite Kapitel konzentriert sich auf die frühen Jahre der Beziehung, insbesondere die Regelung der Oder-Neiße-Grenze im Görlitzer Abkommen von 1950. Die Haltung der SED zum Vertrag und die Wahrnehmung der Gebietsabtretung durch die Bevölkerung werden beleuchtet.
Kapitel drei analysiert die bilateralen Beziehungen in den 1970er Jahren, insbesondere die Auswirkungen des visafreien Reiseverkehrs auf die Gesellschaft und die Politik.
Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit den Problematiken der 1980er Jahre, insbesondere der Solidarnosc-Bewegung und deren Beurteilung durch die SED. Die Reaktionen von Honecker und die Auswirkungen auf die Bevölkerung stehen im Mittelpunkt.
Das fünfte Kapitel untersucht den Grenzstreit um die Pommersche Bucht von 1985 bis 1989, der die Probleme von Unverständnis und Sprachlosigkeit in der bilateralen Beziehung aufzeigt.
Das sechste Kapitel untersucht die Opposition in der VRP und der DDR und deren gegenseitige Wahrnehmung.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: DDR, VRP, deutsch-polnische Beziehungen, Oder-Neiße-Grenze, Propaganda, Vorurteile, Solidarność, Gomulka, Ulbricht, Honecker, Reiseverkehr, Konflikte, Freundschaft, Opposition.
- Arbeit zitieren
- Corinna Schulz (Autor:in), 2004, Die Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Volksrepublik Polen - Freundschaft wider Willen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28476