“How to build a better Britain”. Die ‘Live Architecture Exhibition’ des Festival of Britain 1951


Hausarbeit, 2011

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die ‘Live Architecture Exhibition’ des Festival of Britain 1951
2.1. Wiederaufbau und sozialer Wohnungsbau in der Nachkriegszeit
2.2. Die ‘Live Architecture Exhibition’ innerhalb des Festival of Britain
2.3. Architektur und Wohlfahrtsstaat

3. Zusammenfassung

4. Quellen- und Literaturverzeichnis
4.1. Quellenverzeichnis
4.2. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„‘LIVE‘ ARCHITECTURE, not plans or photographs, but real houses and flats, churches, schools, shops and a market place, represent Britain’s contribution to contemporary architecture and town planning”1. Mit diesen Worten wird die Architekturausstellung rund um das ‘Lansbury Estate‘ in der offiziellen Broschüre zum Festival of Britain 1951 den Festivalbesuchern vorgestellt. Der erste Satz soll hier bereits verdeutlichen, inwiefern sich dieser Teil des Festivals von anderen Ausstellungen abhebt: Ein durch die Bombenangriffe im zweiten Weltkrieg stark in Mitleidenschaft gezogener Stadtteil Londons wurde exemplarisch für das vom Krieg zerstörte Großbritannien mithilfe zeitgenössischer Architektur wiederaufgebaut und vermittelte den Besuchern anhand fertiger und halbfertiger Gebäude einen Eindruck neuester Stadtplanung, Bauforschung und Architektur Großbritanniens.

Ziel dieser Hausarbeit soll es sein, die Rolle der ‚Live Architecture Exhibition‘ im Zusammenhang mit den Umständen der Nachkriegszeit, der Bedeutung innerhalb des Festival of Britain sowie der Politik der Labour Party und den Prämissen des Wohlfahrtsstaats zu beleuchten. Es soll geprüft werden, welche politischen, sozialen und künstlerisch-architektonischen Intentionen die Ausstellung in Poplar maßgeblich prägten und wie sich diese im Gesamtkontext des Festivals einordnen lassen.

Der erste Teil der Arbeit beschäftigt sich mit dem Wohnungsnotstand Großbritanniens in der Nachkriegszeit und dem sozialen Wohnungsbau als Voraussetzungen der ‚Live Architecture‘ rund um das Lansbury Estate. Der zweite Teil geht auf die Bedeutung der Ausstellung innerhalb des Festival of Britain ein und der dritte Teil beleuchtet schließlich den sozialen Auftrag von Architektur im Zusammenhang des Wohlfahrtsstaates sowie die Darstellung von politischen Umbrüchen innerhalb des Lansbury Estates.

Eine wichtige Grundlage dieser Arbeit bilden die Monographie von Becky Conekin und der Sammelband von Mary Banham und Bevis Hillier. Conekin analysiert umfassend die Intentionen des Festival of Britain, während Banhams und Billiers Sammelband „A tonic to the nation“ die beteiligten Architekten als Zeitzeugen teilweise selbst zu Wort kommen lässt. Rhodri Windsor Liscombe liefert mit ihrem Aufsatz einen wichtigen Beitrag zur Interpretation der ‚Live Architecture Exhibition‘ und bringt einen neuen Ansatz mit der Perspektive auf die koloniale und imperiale Bedeutung ein. Paul Addison beschreibt die Situation Großbritanniens nach dem zweiten Weltkrieg und beleuchtet den Entstehungshintergrund des Lansbury Estate. Mithilfe dieser und anderer Forschungsbeiträge konnte daher die Rolle der ‚Live Architecture Exhibition‘ innerhalb des Festival of Britain 1951 und ihre Abbildung politischer und sozialer Reformen in der Nachkriegszeit erläutert werden.

2. Die ‘Live Architecture Exhibition’ des Festival of Britain 1951

2.1. Wiederaufbau und sozialer Wohnungsbau in der Nachkriegszeit

Die Bombenangriffe im zweiten Weltkrieg verursachten in Großbritannien massive Gebäudeschäden, durch die über 400.000 Wohnsitze zerstört wurden und zu einem Wohnungsnotstand führten2. Da während des Krieges Rekonstruktion und Wiederaufbau schon allein aufgrund der fehlenden Arbeiter vernachlässigt werden mussten, kam es in der Nachkriegszeit verstärkt zu staatlichen Maßnahmen wie dem Housing Act von 1946, der durch Sozialen Wohnungsbau dazu beitragen sollte, das Angebot durch eine staatliche Förderung wie den Erwerb von Baulizenzen auszuweiten und damit eine Versorgung der Bevölkerung mit Wohnungen sicher zu stellen3. Durch die Kriegsschulden der Briten bei den Vereinigten Staaten kam es in der Nachkriegszeit zu erheblichen wirtschaftlichen Problemen, die sich auch auf den Import niederschlugen4. Das Erneuern und Wiederherstellen der Häuser wurde damit durch Engpässe von Baumaterial zusätzlich erschwert. So schränkte vor allem der Mangel an Bauholz, das aus Skandinavien oder den USA importiert werden musste, den geplanten Wiederaufbau erheblich ein5. Das Problem fehlender Behausungen spielte somit in der Politik der Nachkriegszeit besonders zu Beginn eine große Rolle und durch die durchlebte Isolation und Mobilität der Kriegszeit wurde das eigene Heim für die Menschen zusätzlich zu einem romantisch konnotierten Bild, das sich darüber hinaus mit neuen praktischen Ansprüchen und höheren Erwartungen an das Wohnen verband6.

London war als ein Hauptangriffsziel der Luftschlachten vom Wohnungsnotstand in besonderem Maße betroffen, so dass die Hauptstadt in Folge dessen auch zum „focal point of urban reconstruction“7 wurde. Durch den höheren Bedarf an Gebäuden wie Schulen, Häusern und Wohnungen, deren Aufträge meist durch „public sector developers“8 vergeben wurden, sahen sich viele Architekten in ihrer individuellen gestalterischen Freiheit eingeschränkt, da sie Designfragen nun oftmals den praktischen Ansprüchen dieser Gebäudetypen und den Vorgaben des öffentlichen Auftraggebers unterwerfen mussten9. Frederick Gibberd, einer der am ‚Lansbury Estate‘ beteiligten Architekten entgegnet dem allerdings: „Town planning was still regarded as an art and both it and architecture had not yet become so absorbed into huge government and local authority organizations that private practice was restricted“10. Es wird ersichtlich, dass der Wiederaufbau nach dem Krieg innerhalb der Architektur zu einem Umbruch führte, der aufgrund der Knappheit an Materialien und der Vielzahl benötigter Neubauten neben einer ästhetischen Orientierung immer mehr auch den praktischen Nutzen in den Vordergrund rückte, der für die moderne Architektur schließlich mehr als nur Reaktion auf fehlende Bauressourcen bedeutete.

Der britische Wohlfahrtsstaat entstand in den Jahren zwischen 1944 und 1948, die zum einen von der Koalitionsregierung unter der Führung Winston Churchills und zum anderen der Labour Regierung unter Clement Attlee geprägt waren11. Der Wohlfahrtsstaat stellte einen Konsens zwischen Kapital und Arbeit dar, indem verschiedene Sozialleistungen vom Staat erbracht und durch die Umverteilung von Vermögen ökonomische Ungleichheiten ausgeglichen werden sollten12. Die Hauptziele waren daher „full employment and an extensive range of public services“13. William Henry Beveridge legte 1942 mit dem Modell einer „nationalen Versicherung“ das Fundament des modernen Wohlfahrtsstaates, das sowohl der Labour Party als auch den Konservativen in der Nachkriegszeit als erstrebenswert galt14. Die Hauptbestandteile des Wohlfahrtsstaates waren „the extension of existing social security provision; the creation of the National Health Service; the extension of a comprehensive education system; and the creation of a public housing service”15. Als „Kronjuwel” des britischen Wohlfahrtsstaates galt dabei die Errichtung des National Health Service16. Ebenso wie die Bereiche Bildung, Gesundheit, Arbeitslosenhilfe und Rente nimmt jedoch auch die Frage der Behausung in Form von Sozialwohnungen einen besonderen Platz innerhalb des Wohlfahrtsstaates ein, in dem Sinne, dass jeder Mensch das Anrecht auf eine bestimmte Grundsicherung, die auch das Wohnen umfasst, erhält17. Der County of London Plan im Jahr 1943 zeigte als umfassende Studie die größten Probleme der Wohnsituation in London auf18. Diese manifestierten sich vor allem im Verkehrsstau, einer Vielzahl sanierungsbedürftiger Gebäude, schlecht verteilter und unzureichender Frei- und Grünflächen sowie einer ungenügenden Abgrenzung zwischen Wohn- und Industriegebieten19. Der Town and Country Planning Act von 1944 ermächtigte öffentliche Planungsbehörden dazu, „heavily blitzed areas as Reconstruction Areas“20 festzulegen, damit diese flächendeckend saniert und neu bebaut werden konnten. Die staatliche Wirtschaftsplanung der Labour Party umfasste durch die Verstaatlichung von Baurechten damit auch die Wohnungspolitik21.

Als der London County Council 1948 gebeten wurde einen Beitrag für das Festival of Britain in Form einer ‚Exhibition of Live Architecture‘ zu erstellen, fiel die Wahl für diese Ausstellung auf eine der Nachbarschaften im vom zweiten Weltkrieg besonders in Mitleidenschaft gezogenen Poplar22. Eine solche Ausstellung zur Kunst und Wissenschaft des Wiederaufbaus müsste Frederick Gibberd zufolge von großem öffentlichem Interesse gewesen sein, da in der Nachkriegszeit viele Menschen vom Wiederaufbau selbst betroffen waren23. Stadtplanung, Konstruktion und Bauwissenschaften sollten anhand einer von den Bomben des Luftkriegs zerstörten Wohngegend demonstriert werden, indem „the building themselves would form an exhibition of architecture“24. So konstatiert Gibberd zur ‚Live Architecture Exhibition‘ in Poplar: „What could be more effective than to demonstrate the possibilities inherent in good town planning, architecture and building, by putting on show part of a replanned, living community in the process of going about its daily life?“25. Der Standort Poplar, in dem sich mit den Docklands auch der größte Teil des Hafengebiets Londons befindet, wurde in Bezug auf das Festival unter anderem auch wegen seiner maritimen Bedeutung für Großbritannien ausgewählt26.

Der Namensgeber für die „Lansbury Estate“ getaufte Nachbarschaft im Bezirk Poplar wird in der zum Festival publizierten Literatur wenig bis gar nicht erwähnt27. George Lansbury war ein Politiker der Labour Party, ehemaliger Bürgermeister von Poplar und Mitglied des London County Councils28. Die Nähe der Ausstellung zur Labour Party war damit wenigstens schon in ihrer Namensgebung angedeutet. Die Fläche zwischen dem East India Dock Road, dem Limehouse Cut und einer Eisenbahnlinie betrug 124 Acres und sollte Platz bieten für insgesamt etwa 9.500 Menschen29. Für die Ausstellung selbst wurde eine kleinere Fläche innerhalb des Lansbury Estates von 30 Acres in der Nähe des East India Dock Road ausgewählt30. Zur Eröffnung des Festivals of Britain im Mai 1951 waren die Bauwerke für die Ausstellung fertiggestellt und die ersten Bewohner des Lansbury Estates dort eingezogen31. Die bereits in den Gesetzgebungen des New Towns Act und Town and Country Planning Act forcierten neuen Standards für Sozialwohnungen sollten hier exemplarisch umgesetzt werden32.

2.2. Die ‘Live Architecture Exhibition’ innerhalb des Festival of Britain

In die Zeit des Wiederaufbaus der Nachkriegszeit fielen auch die Planungen einer Nationalausstellung Großbritanniens, die in Anlehnung an die Great Exhibition in London von 1851 die Leistungen und Erfolge der Briten würdigen und zelebrieren sollte33. Die Wirtschaftskrise seit 1947 und der Ausbruch des Korea Krieges 1950 prägten das politische und wirtschaftliche Klima Großbritanniens in der Nachkriegszeit34. Das geplante Festival of Britain war nicht nur „an official celebration of Britain’s recovery from the war“35, sondern sollte auch Ablenkung und Aufmunterung für die Bevölkerung sein, ihnen nach dem Krieg ein neues nationales Selbstbewusstsein in ihrer Identität vermitteln und der Intention des Labour Abgeordneten Herbert Morrison nach vor allem die Mittelklasse ansprechen und die vorherrschende Situation voller Entbehrungen etwas besänftigen36. Becky Conekin beschreibt das Konzept des Festival of Britain zusammengefasst als „simultaneously a public celebration, an educational undertaking, and a constructed vision of a new, democratic national community“37. Auch wenn das mit einem Budget von 11 Millionen Pfund ausgestattete Festival of Britain mit der South Bank exhibition, den Pleasure Gardens in Battersea, der ‚Live Architecture‘ Ausstellung in Poplar und der Wissenschaftsausstellung in South Kensington seinen Schwerpunkt in London hatte, sollte es dennoch in ganz Großbritannien gefeiert werden38.

Das Festival wurde in kürzester Zeit organisiert und realisiert, so dass man dieses selbst als „excercise in planning“39 pars pro toto für den gesamten organisatorischen Aufwand an Stadtplanung, Architektur und Bauwesen für den Wiederaufbau in London und ganz Großbritannien betrachten kann. Architekten, Designer, Wissenschaftler und Stadtplaner arbeiteten gemeinsam und auf interdisziplinäre Weise zusammen in einem Projekt der Regierung, das die Vergangenheit und Zukunft Großbritanniens in den Mittelpunkt stellte40. Dem Bild der Zukunft kam dabei ein besonderer Stellenwert zu, indem Fortschritt und Modernität durch Wissenschaft Antworten auf die Frage „how to built a better Britain“41 geben sollten42. Dementsprechend waren auch die Ziele der an der South Bank Exhibition beteiligten Architekten ausgelegt. Der Architekt Misha Black fasst diese folgendermaßen zusammen: „The first was to demonstrate the quality of modern architecture and town planning; the second to show that painters and sculptors could work with architects and exhibition designers to produce an aesthetic unity“43. Anthony Jackson bescheinigt der Architektur des Festivals zwar, eine gelungene Symbiose zwischen Individualität und Modernität verfolgt zu haben, spricht den Gebäuden aber die besondere „Persönlichkeit“ ab: „The buildings were mannered and used fashionable motifs over a basic, anonymous modernism“44. Kritik an der Architektur des Festivals trat auch angesichts der bestehenden Engpässe von Baumaterial auf und der Frage, ob dies daher nicht besser für den akuten Wohnungsnotstand statt der nur temporären Ausstellung verwendet werden sollte45.

Abgesehen vom fehlenden Platz auf dem Gelände der South Bank Exhibition, schien auch die thematische Ausrichtung der technischen Themen einen anderen Standort als diese für eine Architekturausstellung zu rechtfertigen46. Das Lansbury Estate beinhaltete etwa 500 Häuser, Maisonette-Wohnungen und Wohnblocks, ein Einkaufszentrum, Schulen, Kirchen und Pubs47. Gezeigt werden sollte dabei vor allem „a cross section of the different kinds of development planned for Lansbury as a whole“48. Eine wesentliche Komponente innerhalb der Planung des Lansbury-Komplexes war das Prinzip der Nachbarschaften. Diese waren durch Grünflächen miteinander verbunden in der Absicht, dass sich „a new urban landscape in which the buildings are growing together as a community“49 daraus entwickelt. Dies stellte einen erheblichen Kontrast zu den beengten Wohnverhältnissen der Armutsviertel in Poplar wie auch zu den wohlhabenden Villenvororten Londons im 19. Jahrhundert dar50. Vorbilder für die Struktur und Planung des Wohngebietes waren die transatlantischen Vorortgebiete der Niederlande und Deutschlands, jedoch sollte hier nach praktischen Maßgaben eine wesentlich höhere Bevölkerungsdichte erzielt werden51. Andere „forward-looking features of the Lansbury scheme“52 waren die Errichtung einer Fußgängerzone rund um den Marktplatz, Grünflächen und Gärten, flächendeckende Transportmöglichkeiten und Gemeinschaftszentren53. Diese sozialen Bedürfnisse der Menschen wurden mit dem britischen Modernismus der 30er Jahre verbunden54. Die Festivalbroschüre versprach daher für die Zukunft ein besseres und fortschrittlicheres Leben im Lansbury Estate: „(…) people will live under conditions far happier, more spacious and convenient than in years gone by“55. Das Konzept einer innovativen Synthese von urbanen Massenwohnungen und dörflicher Nachbarschaft verwob zudem Modernität und historische Romantik und damit ganz im Sinne des Festivals of Britain Zukunft und Vergangenheit56.

Während die Anordnung der „series of neighbourly groups linked together by open spaces“57 die architektonische Neuerung im East End von London darstellte, wurde bei den Baumaterialien überwiegend auf die für London traditionellen Backsteine und purpurgrauen Schiefer zurückgegriffen58. Die gesamte Ausstellung wurde überragt von einem großen Kran, der zwar nur zur Dekoration diente, aber dem Besucher damit schon von weitem die noch nicht abgeschlossenen Bauvorhaben vor Augen führte59. Die alten viktorianischen Häuserreihen wurden durch eine Vielzahl neuer Wohnungen, angeordnet in Straßen und Plätzen, in Form von drei- oder sechsgeschossigen Wohnblocks ersetzt60. Moderne Baumaterialien wie leichter Stahl und Beton standen im Einklang mit anderen in der Nachkriegszeit erbauten öffentlichen Gebäuden wie beispielsweise Schulen61. Frederick Gibberd vermisst am anonymen Stil der Häuser und Wohnungen vor allem eine gewisse Individualität und den Mut zu ausgefalleneren Elementen: „The overall design within which we were all required to work tended to be conventional and a bit tame“62. Wirkliche Innovationen was die moderne Architektur innerhalb der Ausstellung betrifft, hätte es lediglich mit dem Design der Trinity Methodist Church unter Cecil Handisyde und dem Clock Tower am Marktplatz gegeben63.

Der allgemeine öffentliche Glaube an die technischen und sozialen Wissenschaften war auch nach den Erfahrungen des Krieges und der potentiellen Zerstörungskraft eben dieser ungebrochen64. So stellte auch die ‚Live Architecture Exhibition‘ eine Symbiose von Design und Wissenschaft dar, die als „Building science“65 bezeichnet werden kann. Die Ausstellung zeigte durch die praktische Darstellung der Gebäude, die für sich selbst standen und den theoretischen Erklärungen des wissenschaftlichen Hintergrunds in den Pavilions, dass Probleme, die bei Stadtplanung und Wohnungsbau auftraten durch den Einsatz von Designern und Wissenschaftlern als lösbar präsentiert wurden66. So wurde die gesamte ‚Live Architecture Exhibition‘ durch den Town Planning Pavilion und den Building Research Pavilion abgerundet, in denen den Besuchern die Wissenschaften hinter der ‚Live Architecture‘ vorgestellt wurden67.

Neben Diagrammen und Modellen wurde besonderer Wert auf die Darstellung der verwendeten Prinzipien von Stadtplanung und Architektur sowie der Bedürfnisse der Bewohner gelegt68. Dem erzieherischen Anspruch, den das Festival of Britain unter anderem verfolgte, wurde mit der Ausstellung des architektonischen Negativbeispiels „Gremlin Grange“ nachgegangen. Dies wurde als „jerrybuilt version of a typical speculative suburban house“69 unmittelbar vor dem Building Research Pavilion aufgestellt und verdeutlichte auf parodistische Weise, wie wichtig die Einhaltung wissenschaftlicher Prinzipien beim Hausbau waren: „It had structural cracks and leaning walls, external plaster was falling off, the damp was rising up the walls, and at the top the chimney stacks leaned dangerously“70. Damit gingen die Besucher mit sensibilisierterem Bewusstsein für „the importance of good planning and ‚scientific‘ building“71 anschließend in den Building Research Pavilion um nun Einblicke in das theoretische Hintergrundwissen zu den einzelnen Bauvorhaben zu bekommen.

Ein anderer Aspekt ist die Darstellung von Modernität im Festival of Britain. Bereits anhand der Auswahl der Architekten für die verschiedenen Projekte der ‚Live Architecture Exhibition‘ wird ersichtlich, dass es sich hierbei fast ausschließlich um eine mittlere und jüngere Generation von Architekten und damit auch meist um Vertreter moderner Architektur handelt. So war unter anderem auch Frederick Gibberds als ein Mitglied der Modern Architectural Research Group – die MARS group – für das Design des Einkaufszentrums in Lansbury verantwortlich72. Ein anderer ‚think tank‘, der das Projekt in seiner modernen Architektur beeinflusste waren die Congrès Internationaux d’Architecture Moderne (CIAM)73. Zusammen mit dem Ziel der Slumbeseitigung und der Orientierung am Garden City movement, das Ende des 19. Jahrhunderts urbanes Wohnen mit ländlichen Parks und Grünanlagen verband, waren dies die prägenden Einflüsse auf die Live Architecture Exhibition in Poplar74. Dennoch erschien der Architekturstil der Gebäude in der Ausstellung – erst recht nicht im direkten Vergleich mit dem Skylon Tower oder dem Dome of Discovery der South Bank Exhibition – nicht als explizit modern75. Im Gegensatz zu den vielen lediglich temporären Gebäuden des Festivals of Britain waren die Häuser und Anlagen in Lansbury auch nach Ende des Festivals am 30. September 1951 zu einer dauerhaften Nutzung bestimmt. Nach der Ausstellung wurde die Wohnsiedlung daher ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt: „As soon as the exhibition was over it became a living organism and continues to be so; the houses are still homes and the market square still thrives as a social focus“76. Die Bauarbeiten des Lansbury Estate dauerten insgesamt länger als die seit Baubeginn 1949 anvisierten 20 Jahre an, so dass das Projekt erst 1983 komplett fertiggestellt werden konnte77.

Die ‚Live Architecture Exhibition‘ in Poplar wurde bisher von historischen Betrachtungen zum Festival of Britain 1951 weniger berücksichtigt als dies beispielsweise bei der South Bank Exhibition der Fall ist78. Auch die Besucherzahlen des Lansbury Estate – 86.646 im Vergleich zu 8 Millionen Besuchern der South Bank Exhibition – lassen, ungeachtet von mangelnder Öffentlichkeitsarbeit und Ausschilderung in der näheren Umgebung, darauf schließen, dass sich verhältnismäßig wenig Besucher für die Themen Bauwissenschaften und Stadtplanung interessierten79. Der für das Einkaufszentrum in Lansbury verantwortliche Architekt Gibberd stellt dazu fest: „Compared with the exhibition on the South Bank Lansbury was a pretty tame affair“80. Für den ausbleibenden Publikumserfolg macht er insbesondere die Entfernung vom Zentrum des Festivals und die für den Laien relativ unpopulären Themen verantwortlich81. Weiterhin seien „exciting ‚architectural statements‘ like the Dome of Discovery”82 eher ein Anziehungspunkt in Sachen Architektur gewesen. Trotzdem räumt Gibberd der Ausstellung einen wichtigen Platz innerhalb des Festivals und großen Einfluss für alle direkt oder indirekt am Wiederaufbau Großbritanniens Beteiligten ein: „As an environment it was at that time a revelation“83. Unweigerlich kam hier vor allem der Kontrast zwischen der vom Krieg zerstörten Umgebung und den freundlichen, Optimismus verbreitenden Neubauten des Lansbury Estates zum Tragen84. Die im gesamten Festival of Britain auftauchenden Motive von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wurden auch in Poplar in Bezug auf Stadtplanung, Bauwissenschaften und Architektur thematisiert. Die überholten Standards der Vergangenheit wurden satirisch anhand des ‚Gremlin Grange‘ Hauses dargestellt, während die neuesten zukunftsweisenden Standards auf architektonischem Gebiet für den Besucher in der Ausstellung begehbar, erlebbar und damit auch gegenwärtig wurden.

[...]


1 „The Festival of Britain”. (Official Book of the Festival of Britain 1951). HMSO, 1951, S. 13.

2 Vgl. Stephen Harriott/ Lesley Matthews: Social Housing. An Introduction, Harlow 1998, S. 7.

3 Vgl. Stephen Harriott/ Lesley Matthews, S. 7.

4 Vgl. Guy Ortolano: The two cultures controversy. Science, literature and cultural politics in postwar Britain, Cambridge 2009, S. 163.

5 Vgl. Paul Addison: Now the war is over. A Social History of Britain 1945-51, London 1985, S. 63.

6 Vgl. Claire Langhamer: The Meanings of Home in Postwar Britain, in: Journal of Contemporary History 40 (2005), S. 348.

7 Paul Addison: Now the war is over, S. 71.

8 Paul Burton: Urban policy in post-war Britain, in: David Gladstone (Hrsg.): British social welfare. Past, present and future, London 1995, S. 144.

9 Vgl. Anthony Jackson: The Politics of Architecture: English Architecture 1929-1951, in: Journal of the Society of Architectural Historians 24 (1965), S. 105.

10 Frederick Gibberd: Lansbury: The Live Architecture Exhibition, in: Mary Banham/Bevis Hillier: A Tonic To The Nation. The Festival of Britain 1951, London 1976, S. 138.

11 Vgl. David Gladstone: The welfare state and the state of welfare, in: Ders. (Hrsg.): British social welfare. Past, present and future, London 1995, S. 2.

12 Vgl. Adrian Forty: Festival Politics, in: Mary Banham/Bevis Hillier (Hrsg.): A Tonic To The Nation. The Festival of Britain 1951, London 1976, S. 28.

13 David Gladstone: The welfare state, S. 2.

14 Vgl. Peter Kerr: Postwar British politics. From conflict to consensus, London 2001, S. 56.

15 Peter Kerr: The Postwar Consensus: A Woozle That Wasn't?, in: David Marsh (Hrsg.): Postwar British politics in perspective, Cambridge 1999, S. 82.

16 Vgl. Michael Hill: The welfare state in Britain. A political history since 1945, Aldershot 1994, S. 31.

17 Vgl. Jim Kemeny: Housing and social theory, London 1992, S. 64.

18 Vgl. Frederick Gibberd: Lansbury, S. 142.

19 Vgl. Frederick Gibberd: Lansbury, S. 142.

20 Paul Addison: Now the war is over, S. 75.

21 Vgl. Paul Burton: Urban Policy, S. 144.

22 Vgl. Paul Addison: Now the war is over, S. 76.

23 Vgl. Frederick Gibberd: Lansbury, S. 138.

24 Frederick Gibberd: Lansbury, S. 138.

25 Frederick Gibberd: Lansbury, S. 142.

26 Vgl. Becky Conekin: The autobiography of a nation. The 1951 Festival of Britain, Manchester 2008, S. 121.

27 Vgl. Becky Conekin: The autobiography of a nation, S. 121.

28 Vgl. Hermione Hobhouse: ‘The Lansbury Estate: Introduction and the Festival of Britain exhibition', Survey of London: Volumes 43 and 44: Poplar, Blackwall and Isle of Dogs (1994), pp. 212-223, http://www.british-history.ac.uk/report.aspx?compid=46490 (zuletzt abgerufen am 31.03.2011).

29 Vgl. Frederick Gibberd: Lansbury, S. 142.

30 Vgl. Frederick Gibberd: Lansbury, S. 140.

31 Vgl. Paul Addison: Now the war is over, S. 76.

32 Vgl. Rhodri Windsor Liscombe: Refabricating the Imperial Image on the Isle of Dogs: Modernist Design, British State Exhibitions ans Colonial Policy 1924-1951, in: Architectural History 49 (2006), S. 320.

33 Vgl. Anthony Jackson: The Politics of Architecture, S. 106.

34 Vgl. Robert Hewison: Culture and consensus. England, art and politics since 1940, London 1995, S. 61.

35 Paul Addison: Now the war is over, S. 197.

36 Vgl. Robert Hewison: Culture and consensus, S. 57.

37 Becky Conekin: The autobiography of a nation, S. 9.

38 Vgl. Robert Hewison: Culture and consensus, S. 58-59.

39 Robert Hewison: Culture and consensus, S. 61.

40 Vgl. Becky Conekin: The autobiography of a nation, S. 4.

41 Becky Conekin: The autobiography of a nation, S. 4.

42 Vgl. Becky Conekin: The autobiography of a nation, S. 4.

43 Misha Black: Architecture, Art and Design in Unison, in: Mary Banham/ Bevis Hillier (Hrsg.): A Tonic To The Nation. The Festival of Britain 1951, London 1976, S. 82.

44 Anthony Jackson: The Politics of Architecture, S. 107.

45 Vgl. Adrian Forty: Being or Nothingness: Private Experience and Public Architecture in Post-War Britain, in: Architectural History 38 (1995), S. 30.

46 Vgl. Frederick Gibberd: Lansbury, S. 138.

47 Vgl. Alison Ravetz: Council Housing and Culture. The History of a Social Experiment, London 2001, S. 181.

48 Frederick Gibberd: Lansbury, S. 140.

49 „The Festival of Britain”. (Official Book of the Festival of Britain 1951), S. 13.

50 Vgl. Rhodri Windsor Liscombe: Refabricating the Imperial Image, S. 319-320.

51 Vgl. Rhodri Windsor Liscombe: Refabricating the Imperial Image, S. 335.

52 Rhodri Windsor Liscombe: Refabricating the Imperial Image, S. 340.

53 Vgl. Rhodri Windsor Liscombe: Refabricating the Imperial Image, S. 340.

54 Vgl. Rhodri Windsor Liscombe: Refabricating the Imperial Image, S. 319-320.

55 „The Festival of Britain”. (Official Book of the Festival of Britain 1951), S. 13.

56 Vgl. Rhodri Windsor Liscombe: Refabricating the Imperial Image, S. 336.

57 Frederick Gibberd: Lansbury, S. 140.

58 Vgl. Frederick Gibberd: Lansbury, S. 140.

59 Vgl. Hermione Hobhouse: ‘The Lansbury Estate: Introduction and the Festival of Britain exhibition', Survey of London: Volumes 43 and 44: Poplar, Blackwall and Isle of Dogs (1994), pp. 212-223, http://www.british-history.ac.uk/report.aspx?compid=46490 (zuletzt abgerufen am 31.03.2011).

60 Vgl. Paul Addison: Now the war is over, S. 76.

61 Vgl. Rhodri Windsor Liscombe: Refabricating the Imperial Image, S. 340.

62 Frederick Gibberd: Lansbury, S. 140.

63 Vgl. Frederick Gibberd: Lansbury, S. 140.

64 Vgl. Rhodri Windsor Liscombe: Refabricating the Imperial Image, S. 325.

65 Becky Conekin: The autobiography of a nation, S. 71.

66 Vgl. Claire Langhamer: The Meanings of Home in Postwar Britain, S. 354.

67 Vgl. Frederick Gibberd: Lansbury, S. 143.

68 Vgl. Rhodri Windsor Liscombe: Refabricating the Imperial Image, S. 326-327.

69 Rhodri Windsor Liscombe: Refabricating the Imperial Image, S. 326.

70 Hermione Hobhouse: ‘The Lansbury Estate: Introduction and the Festival of Britain exhibition', Survey of London: Volumes 43 and 44: Poplar, Blackwall and Isle of Dogs (1994), pp. 212-223, http://www.british-history.ac.uk/report.aspx?compid=46490 (zuletzt abgerufen am 31.03.2011).

71 Becky Conekin: The autobiography of a nation, S. 120.

72 Vgl. Anthony Jackson: The Politics of Architecture, S. 107.

73 Vgl. Rhodri Windsor Liscombe: Refabricating the Imperial Image, S. 335.

74 Vgl. Rhodri Windsor Liscombe: Refabricating the Imperial Image, S. 335.

75 Vgl. Rhodri Windsor Liscombe: Refabricating the Imperial Image, S. 327.

76 Frederick Gibberd: Lansbury, S. 141.

77 Vgl. Hermione Hobhouse: ‘The Lansbury Estate: Introduction and the Festival of Britain exhibition', Survey of London: Volumes 43 and 44: Poplar, Blackwall and Isle of Dogs (1994), pp. 212-223, http://www.british-history.ac.uk/report.aspx?compid=46490 (zuletzt abgerufen am 31.03.2011).

78 Vgl. Rhodri Windsor Liscombe: Refabricating the Imperial Image, S. 317.

79 Vgl. Hermione Hobhouse: ‘The Lansbury Estate: Introduction and the Festival of Britain exhibition', Survey of London: Volumes 43 and 44: Poplar, Blackwall and Isle of Dogs (1994), pp. 212-223, http://www.british-history.ac.uk/report.aspx?compid=46490 (zuletzt abgerufen am 31.03.2011).

80 Frederick Gibberd: Lansbury, S. 141.

81 Vgl. Frederick Gibberd: Lansbury, S. 141.

82 Frederick Gibberd: Lansbury, S. 141.

83 Ebd.

84 Vgl. Frederick Gibberd: Lansbury, S. 141.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
“How to build a better Britain”. Die ‘Live Architecture Exhibition’ des Festival of Britain 1951
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Geschichtswissenschaften)
Veranstaltung
„Die Autobiographie einer Nation“. Das Festival of Britain 1951
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
20
Katalognummer
V284851
ISBN (eBook)
9783656850083
ISBN (Buch)
9783656850090
Dateigröße
546 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Festival of Britain, Großbritannien, sozialer Wohnungsbau, Nachkriegszeit, Architektur, Housing Act
Arbeit zitieren
Maxi Hoffmann (Autor:in), 2011, “How to build a better Britain”. Die ‘Live Architecture Exhibition’ des Festival of Britain 1951, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/284851

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