Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung in die Probleme von Desertifikation
2. Desertifikation - Verbreitung eines globalen Problems
2.1 Definition „Desertifikation" und Abgrenzung zum Begriff „encroachment"
2.2 Geographische Verbreitung von Desertifikation
2.3 Prozesse der Bodenerosion und Desertifikation
2.4 Dürren und Dürrekatastrophen als Auslöser für Desertifikation
3. Entstehung von Desertifikation vor dem Hintergrund von physischen Prädispositionen
3.1 Landwirtschaftliche Nutzung als Faktorvon Desertifikation
3.2 Sozioökonomische und politische Aspekte bei der Desertifikation
3.3 Indikatoren für Desertifikation
3.4 Zeitliche und räumliche Variabilität als Schwierigkeit bei Messmethoden und Modellierung von Desertifikation
4. Folgen für das Ökosystem und die Gesellschaft durch Desertifikation
4.1 Klimatische Auswirkungen auf das Ökosystem
4.2 Produktionsschäden in der Landwirtschaft
4.3 Veränderungen im Wasserhaushalt
4.4 Sozioökonomische Folgen am Beispiel des Nomadentums
4.5 Wirtschaftspolitische Folgen
5. Handlungsmaßnahmen gegen Desertifikation
5.1 Maßnahmen in der Landwirtschaft
5.1.1 Ökologisch angepasste Nutzung im Senegal
5.1.2 Der humanökologische Ansatz als Erosionsschutzmaßnahme in der Kalahari
5.1.3 Maßnahmen gegen Wind- und Wassererosion und ihre Erfolge
5.1.4 Maßnahmen in der Bewässerungslandwirtschaft
5.1.5 Das „Holistic Management" als ökologische Maßnahme gegen Desertifikation
5.2 Siedlungsmaßnahmen
5.3 Politische Maßnahmen
6. Vorsorge und Frühwarnung vor Desertifikation
6.1 „Soil Conservation Service" - Das Informationssystem der USA über Bodenerosion
6.2 Angepasste Vegetation als natürliche Bodenbefestigung
6.3 Das „Drought of Cycle Management" als Bewältigungsstrategie von Dürrekatastrophen
6.4 Das „monitoring system" der UNO im Zusammenhang mit dem Versicherungsschutz von Kleinbauern
7. Ausblick
8. Quellenverzeichnis
9. Abbildungsverzeichnis
10. Tabellenverzeichnis
1. Einführung in die Probleme von Desertifikation
Desertifikation gilt als ein Phänomen, das in bestimmten Klimaregionen auf der gesamten Welt zu beobachten ist. Am stärksten betroffen sind ökologisch empfindliche Regionen, wie zum Beispiel die ariden, semiariden und subhumiden Zonen. Charakteristisch für diese Bereiche sind Erscheinungen, die zu einer besonders hohen Erosionsgefahr führen. Zum einen treten die Regenzeiten in kurzen, unregelmäßigen und ungleich verteilten Abständen auf, zum anderen herrschen häufige, meist mehrere Jahre andauernde Dürreperioden mit geringen Ernteerträgen. So kann sich nur eine dünne Humusschicht mit einer sehr dünnen Vegetationsdecke entwickeln, die beispielsweise bei Starkniederschlägen oder exzessiver Landnutzung schnell erodiert und keinerlei Schutz für die Bodenschichten bietet. Obwohl die Böden dieser Zonen wenig geeignet sind, werden sie dennoch landwirtschaftlich genutzt. Die Bewohner dieser Regionen haben sich mit traditionellen Bewirtschaftungssystemen an das herrschende Klima angepasst und damit den Anbau ihre Grundnahrungsmittel gesichert. Allerdings zwingen Bevölkerungswachstum und der zunehmende Export von Nahrungsmitteln in vielen gefährdeten Regionen zu einer intensiveren Landnutzung und in der Folge zu Bodendegradation. So werden beispielsweise nicht nur „food crops" wie Sorghum oder Hirse zur eigenen Versorgung, sondern auch „cash crops" wie Erdnüsse oder Baumwolle (vgl. Kapitel 3.1) für den Weltmarkt angebaut (HAUSER 1990, S. 148).
Zusätzlich tragen die Technisierung der Landwirtschaft durch Traktoreneinsatz statt Zugtiere und die Einführung erosionsfördernder Feldfrüchte aufgrund starker Bewässerung dazu bei, dass die von Bodenerosion und Desertifikation betroffenen Gebiete weiter zunehmen. Das reduziert die Anbauflächen bei gleichzeitiger Erhöhung der Anbaumengen und führt zu einem Nutzungskonflikt sowie zur Aufgabe von traditionellen Bewirtschaftungstechniken und schließlich zur Übernutzung undAusbeutung derAgrarflächen (FELGENTREFF; GLADE 2008, S. 197).
Seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts stellt das UNO-Welternährungspro- gramm enorme Veränderungen in der Art der Nutzung von Agrarflächen auf allen Kontinenten fest, die am stärksten unter Degradation leiden (vgl. Tabelle 1 auf Seite 2). InsgesamtbeträgtderVerlustvon fruchtbarem Agrarland fünfbis sieben Millionen Hektar pro Jahr, das der Landfläche von Irland entspricht. Insgesamt gelten 30 Millionen km2, beziehungsweise ein Viertel der Erde als von Desertifikation bedroht, wodurch rund 250 Millionen Menschen unmittelbar von der Wüstenausbreitung betroffen sind (NIEDER; FRATER 2004, S. 160).
Tabelle 1: Veränderung der Flächenanteile in Ländern mit hohem Degradationsrisiko
(verändertnach MIKUS 1994, S. 116).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Wie Tabelle 1 zeigt, stieg der Anteil der Ackerflächen auf Kosten der Wald- und Weideflächen in Afrika und Südamerika deutlich an, was sowohl auf ein hohes Bevölkerungswachstum und auf die dadurch entstandene gestiegene Nahrungsmittelnachfrage hinweist, als auch durch steigende Exporte von Agrarprodukten bedingt ist. Die Nahrungsmittelversorgung der wachsenden Bevölkerung wird zum Problem, wenn gleichzeitig die notwendigen Eingriffe in den Naturhaushalt möglichst gering gehalten werden sollen, um das Gleichgewicht eines Ökosystems zu erhalten. Je intensiver die landwirtschaftliche Nutzung erfolgt, umso stärker werden die Bodenqualität und Hektarerträge reduziert.
In den folgenden Kapiteln werden Ursachen, Indikatoren und Maßnahmen bei Desertifikationsprozessen beschrieben und Lösungsansätze für den richtigen Umgang mit dieser negativen Entwicklung im Ökosystem aufgezeigt.
2. Desertifikation - Verbreitung eines globalen Problems 2.1 Definition „Desertifikation" und Abgrenzung zum Begriff „encroachment"
Bei der differenzierten Betrachtung von Desertifikation werden einige Schwierigkeiten im Hinblick auf die Definition deutlich. Im Jahre 1977 stellte die United Nation Conference on Desertification (UNCOD) in Nairobi erstmals die beiden Begriffe „desertification" und „desert encroachment" vor. Der erste Begriff definiert die UNCOD als die Degradation oder Zerstörung des „biologischen Potentials eines Landes durch menschliche Tätigkeiten, wodurch wüstenähnliche Bedingungen im Weideland, Regenfeldbaugebiet und Bewässerungsland entstehen (MENSCHING 1990, S. 2). Der zweite Begriff „encroachment" bezeichnet das „allgemeine Vorrücken der natürlichen Wüstenregionen in Randgebiete ohne kausale Hinweise" (MENSCHING 1990, S. 2) beziehungsweise ohne durch einen anthropogenen Faktor bedingt. Desertifikation wird daher auch als „man-made desert" bezeichnet, weil das anthropogene Element, also der „Eingriff des wirtschaftenden Menschen in das natürliche Ökosystem", betont wird (MENSCHING 1990, S. 1).
Die treffendste Definition verfassten Mensching und Seuffert 2001, die Desertifikation als die „Endstufe der Landschaftsdegradation durch unangepasste (landwirtschaftliche) Nutzung" beschreiben, wodurch die Landschaft „lokal, regional und zonal wüstenartige Umweltbedingungen aufweist" (GLASER 2011, S. 47). Das Endstadium der Folgen von anthropogen bedingter Erosion führt zu Desertifikation, die den Boden und die Vegetation betrifft. Das Weidepotential und die Ernteerträge werden also vermindert durch die „Ausbreitung wüstenähnlicher Verhältnisse in Gebiete, in denen sie zonal-klimatisch nicht existieren sollten" (MENSCHING 1990, S. 4).
Dabei ist zu beachten, dass Desertifikation stets in Verbindung mit physischen Voraussetzungen wie beispielsweise Klima- und Niederschlagsschwankungen in den Trockengebieten zusammen mit unangepasster Landnutzung entsteht, worauf Verwüstungsprozesse folgen und diese sich selbst verstärken (vgl. Kap. 3.1). Deshalb stellen die Klimagegebenheiten einer Region ein variierendes ökologisches Risikopotential dar, wovon Desertifikation im Hinblick auf den Zeitraum und das Maß der
Folgen menschlicher Eingriffe abhängt (GLASER 2011, S. 47).
Desertifikation ist also ein Prozess, der in ariden, semiariden und trockenen subhumiden Klimazonen der Erde statt findet, wobei anthropogene Eingriffe in den Naturhaushalt zuzüglich der Klimavariationen zur Einschränkung der Landnutzungsmöglichkeiten für den Menschen führt. Dies bedeutet eine Einschränkung der Lebens- und Überlebenschancen (MENSCHING, SEUFFERT 2001, S. 9). Allerdings erlauben die Definition und die Beschreibungen von Desertifikation Interpretationsspielräume, die je nach politischer Lage und Engagement unterschiedlich ausfallen (MENSCHING, SEUFFERT 2001, S. 11). Diese Diskrepanzen spielen bei der Verbreitung von Desertifikation und Maßnahmen gegen diesen Prozess eine bedeutende Rolle.
2.2 Geographische Verbreitung von Desertifikation
Einen wichtigen Aspekt für die Entstehung, Entwicklung und den Grad der Verwüstung stellt das ökologische Belastungsverhältnis dar. Es besteht zwischen den physischen Prädispositionen und der Bearbeitung des Ökosystems mit technischen Mitteln (MENSCHING 1990, S. 9). Das Ausmaß von Desertifikation hängt von der natürlichen Vegetation, den Böden, dem Klima, dem Relief und der Bodentextur ab. Landschaften mit geringer Bodenmächtigkeit und mit geringem Wasser- und Nährstoffgehalt zeigen eine intensivere Bodenzerstörung durch agrarische Nutzung als Regionen mit ausgeglichenem Nährstoff- und Wasserhaushalt. Daneben liefern beispielsweise Reliefformen in Trockengebieten, die wind- und sonnenexponiert liegen, eine bessere Angriffsfläche für Desertifikationsprozesse als Bereiche, die im Lee eines Gebirges liegen und mit Vegetation geschützt sind (MENSCHING; SEUFFERT 2001, S.10).
Die geographische Verbreitung von desertifikationsgefährdeten Gebieten beschränkt sich hauptsächlich auf Zonen mit ariden, semiariden und subhumiden Niederschlagssystemen, wie zum Beispiel Savannen oder Steppen der Subtropen und Tropen (MENSCHING 1990, S. 6). Diese Gebiete finden sich auf allen fünf Kontinenten, dargestellt in Abbildung 1 auf Seite 5. In diesen ausgewählten Klimazonen existieren sowohl bereits desertifizierte Bereiche in den Vollwüsten und an den Wüstenrändern (BS- und BW-Klimate), als auch noch nicht verwüstete, jedoch stark degradierte und somit gefährdete Gebiete mit Sommertrockenheit und Winterregen (AW- und CS-Klimate). Infolge der Vernichtung von Vegetation und der unangepassten Nutzungssysteme findet in diesen Bereichen aufgrund ihrer klimatischen Voraussetzungen eine regionale Ausbreitung von Desertifikation statt. An welchen Stellen innerhalb der in Abbildung 1 ausgewählten Klimate tatsächlich Desertifikation herrscht, kann aufgrund von Definitionsunterschieden nur schwer erfasst werden (vgl. Kapitel 2.1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Klimaklassifikation nach Köppen/Geiger (verändert nach WIKIMEDIA 2013).
Tabelle 2: Erläuterung der Klimaklassifikation nach Köppen/Geiger (eigene Darstellung nach MENSCHING 1990, S. 7).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Die Abstufungen von Desertifikation werden oftmals im Verhältnis zur Nutzungsintensität betrachtet. Es treten dabei entweder flächen- oder fleckenhafte Bereiche auf, wobei die Bevölkerungsverteilung eine Rolle spielt. Im Sahel entstehen beispielsweise um Siedlungen häufig Desertifikationsringe, bedingt durch die flächenhafte intensive Nutzung der Böden und die Bodenverdichtung aufgrund konzentrierter Herdenhaltung um die Siedlungsgebiete (MENSCHING; SEUFFERT 2001, S. 11). Das Problem der Verbreitung liegt in den unterschiedlichen Auffassungen von den Erscheinungsformen bei Desertifikation. Daher bleibt international ein großer Spielraum, der den wirtschaftlichen Bereich, die Ergreifung von Gegenmaßnahmen und die Erfolge in der Bekämpfung von Desertifikation betrifft.
In Tabelle 3 wird nach Tolba und Dregne der Umfang und die Verteilung der Desertifikation weltweit beschrieben. Dabei wird als Desertifikation der Prozess bezeichnet, der aufgrund von anthropogenen Eingriffen zu Einschränkungen der Landnutzungsmöglichkeiten in ariden, semiariden und trockenen subhumiden Klimazonen führt (MENSCHING; SEUFFERT 2001, S. 11). Weltweit steigt die landwirtschaftliche Nutzfläche um knapp 2000 Millionen Hektar und gleichzeitig wächst die desertifizierte Fläche um rund 1500 Millionen Hektar.
Tabelle 3: Landwirtschaftliche Nutzfläche in Millionen Hektar (MENSCHING, SEUFFERT 2001, S. 11).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Den bestimmenden Anteil in der Desertifikation nimmt Weideland ein. Diese de- sertifizierte Fläche hat sich in sechs Jahren mehr als verdoppelt, wobei aber im Regenfeldbau eine rückläufige Zahl des desertifizierten Bereichs festzustellen ist. Ursachen für die Zunahme von Weideland könnten zum einen in der verstärkten Nachfrage nach Fleisch liegen, mit der Folge von Waldrodungen für die Weidelandgewinnung, wie beispielsweise in Südamerika. Zum anderen stellen große Viehherden in vielen afrikanischen Ländern einen hohen sozialen Status dar, wodurch größere Weideflächen beansprucht werden (HAUSER 1990, S. 159). Beide Prozesse führen im klimatischen „Gunstraum" zu Überweidung und Desertifikation.
Ein weiterer Versuch, Desertifikationsgebiete zu identifizieren, stammt vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP). Nach deren Definition wurde eine Weltkarte entworfen, die verschiedene Grade von Desertifikation zeigt. Danach liegt Desertifikation immer dann vor, wenn das biologische Potential verringert oder zerstört wird und aufgrund dessen wüstenähnliche Bedingungen entstehen können (GLASER 2011, S. 48).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Abbildung 2: WorldAtlas of Desertification (DESERTIFICATIONINAFRICANCOUNTRIES 2010).
Die Gebiete in Abbildung 2 auf Seite 7 mit der Bezeichnung „very degraded soil” und „degraded soil” überschneiden sich nicht nur mit den Aw, Bs, Bw und Cs Kli- maten in Abbildung 1 auf Seite 5, sondern gehen über diese Gebiete hinaus. Das bedeutet, dass wüstenhafte Bedingungen in klimatischen „Gunsträumen" entstehen und sich dann in Regionen ausbreiten, welche mit Trockenheit oder Wassermangel selten in Verbindung stehen. Daher ist davon auszugehen, dass neben klimatischen Faktoren auch anthropogene Handlungen eine bedeutende Rolle für das Voranschreiten wüstenhafter Bedingungen spielen.
2.3 Prozesse der Bodenerosion und Desertifikation
,,Erosion is the wearing away of the land surface by rain or irrigation water, wind, ice or other natural or anthropogenic agents that abrade, detach and remove soil from one point on the earth's surface and deposit it elsewhere" (PLANT & SOIL SCIENCES eLIBRARY).
Erosion ist ein Prozess, der ständig und überall auf der Erde wirksam ist. Wo Material wie Gesteinspartikel an einer Stelle erodiert wird, akkumuliert es sich an einer anderen Stelle und legt somit einen Transportweg zurück. Dabei verändert sich die Landoberfläche und es entstehen langfristig neue Landschaftsformen wie Dünen oder Flusstäler.
Der Begriff Bodenerosion beschreibt die Vorstufe zur Desertifikation, wobei anthropogene Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Es handelt sich dabei um Erosionsprozesse, die durch menschliche Eingriffe in den Naturhaushalt intensiver wirken als auf unbearbeiteten Böden. Forschungsarbeiten weisen darauf hin, dass nach den Eiszeiten keine relevanten Erosionsprozesse bei der natürlichen Vegetation festzustellen sind, sondern erst seit der Bearbeitung des Bodens durch den Menschen für landwirtschaftliche Zwecke vor rund 6000 Jahren (FELGENTREFF; GLADE 2008, S. 191). Der Ackerbau bedingt eine verstärkte Wirksamkeit von erodierenden natürlichen Kräften wie Wasser oder Wind. Bei Starkregenereignissen erhöht sich der oberirdische Abfluss und somit die Erosionskraft des Wassers. Degradierte Vegetation aufgrund der Landnutzung setzt diesem Prozess nur geringen Widerstand entgegen und begünstigt den Abtrag der oberen Bodenschichten
(WIESE 1997, S. 89). Die Prozesse bei der Erosion durch Wasser werden in „sheet", „rill", „gully" und „splash erosion" eingeteilt. „Sheet erosion" oder Denudation bezeichnet eine flächenhafte Abspülung humusreichen Oberbodens bei fehlerhafter Bewässerung oder extremen Niederschlägsereignissen. Die „rill erosion" bildet die Vorstufe zur Gullybildung, wobei sich bei Starkniederschlägen Erosionsrillen zu Schluchten (gullies) verwandeln können (PLANT & SOIL SCIENCES eLIBRARY 2013). So entstehen beispielsweise aufgrund fehlender technischer Vorkehrungen bei der Landnutzung solche mehr oder weniger ausgeprägte Erosionsrinnen (vgl. Abbildung 3). Bei der Regentropfenerosion oder „splash erosion" treffen Regentropfen auf einen mit gering bis wenig vegetationsbedeckten Boden und sprengen Boden- oder Gesteinspartikel davon ab (vgl. Abbildung 4). Dadurch verschlammt die Oberfläche und verdichtet beziehungsweise verkrustet sich bei darauffolgender Trocknung, was zu einer verringerten Wasserleitfähigkeit und Infiltration und somit zur qualitativen Bodenverschlechterung führt (FELGENTREFF; GLADE 2008, S. 192).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.
Abbildung 3: Gullyerosion Abbildung 4: ^lüstaros^ (pLANT & SOIL
(PLANT & SOIL SCIENCES eLIBRARY 2013). SCIENCES eLIBRARY 2013).
Bei der Deflation oder der Winderosion, also dem Transport von tonigem, nährstoffreichem Feinmaterial durch Windausblasung, wird beispielsweise der Ackerboden erodiert und dessen Material an einer anderen, meist ackerbaulich ungünstigen Stelle akkumuliert. Gröbere Partikel werden bei einem Sturm meist nur über kurze Distanzen bodennah transportiert, dagegen bewegen sich feine Schluffkör
ner über Strecken von 100 bis 1000 Kilometer in mehreren Kilometern Höhe über die Geländeoberfläche (FELGENTREFF; GLADE 2008 S. 192).
Wie bei der Erosion durch Wasser, werden auch bei der äolischen Erosion unterschiedliche Prozesse beschrieben, welche je nach Korngröße als Suspension, Saltation oder „surface creep" bezeichnet werden. Bei der Suspension werden Feinpartikel bis 0,1 mm Größe parallel zur Oberfläche in der Atmosphäre transportiert und beispielsweise im Lee eines Gebirgszugs oder an einem stark bewachsenen Bereich akkumuliert. Bei der Saltation bewegen sich Partikel von 0,1 bis 0,5 mm Größe springend mit der Windrichtung über die Bodenoberfläche. Bei jedem Aufprall eines Partikels aus bis zu 30 cm Höhe werden weitere Partikel auf dem Boden angestoßen, die sich vom Boden lösen und durch die Windkraft weitertransportiert werden. Sind die Partikel zwischen 0,5 und 1 mm groß, rollen oder rutschen sie angestoßen von dem vorherig beschriebenen Prozess der Saltation über die Oberfläche, was als „surface creep" oder Reptation bezeichnet wird (vgl. Abbildung 5) (PLANT & SOIL SCIENCES eLIBRARY 2013).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Prozesse der Winderosion (PLANT & SOIL SCIENCES eLIBRARY 2013).
Bedeutende negative anthropogene Einflussfaktoren für die Bodenerosion sind die verkürzten Brachezeiten der Felder, die Ausdehnung der Ackerflächen in klimatisch ungünstige Räume hinein, Überweidung und Holzeinschlag. Auf die bearbeiteten Böden wirken Erosionsprozesse ein, wodurch ein sich verstärkender negativer Kreisprozess mit dem Ergebnis von geringer werdenden Ernteerträgen entsteht.
Die verringerte Ertragsleistung von erodierten Böden zwingt zur Ausweitung der Anbauflächen und führt zur Vegetationszerstörung, wodurch wiederum eine größere Angriffsfläche für erosive Prozesse entsteht. Problematisch wirkt sich die Bodenbearbeitung auf exponierten Lagen aus, wie beispielsweise an Hängen oder in klimatischen Extremräumen, da dort die Humusbildungsraten geringer als die Erosionsraten sind (WIESE 1997, S. 88).
Das Endstadium, die Extremform der Bodenerosion, zeigt eine verödete Landschaft, deren Böden versiegelt sind, wenig bis keine Pflanzendurchwurzelung besitzen und daher unfruchtbar geworden sind. Die Reichweite dieses so entstandenen wüstenähnlichen Gebiets kann lokal, regional oder auch zonal verlaufen, woraus sich Einschränkungen in den Landnutzungsmöglichkeiten ergeben. Die Folge ist eine Verschlechterung der Lebensbedingungen und -chancen für Mensch und Vieh (MENSCHING; SEUFFERT 2001, S. 9).
Das Ausmaß der Degradationsprozesse hängt von den Nutzungsweisen und der Vegetation im betroffenen Raum ab. Je nach Intensität der anthropogenen Eingriffe kann der Schädigungsgrad ermittelt werden, woraufhin man ein Gebiet als degradiert oder bereits desertifiziert bezeichnet. Indikatoren für degradierte Böden vor allem in randtropischen Gebieten sind ein hoher Grad an Überweidung und die Vernichtung von Steppen- und Savannenvegetation, wodurch ein Landschaftsbild von abgeschlagenen Bäumen und Büschen geschaffen wird. Dadurch können sich angrenzende Wüstengebiete in Richtung der ehemaligen Vegetationsgebiete rasch erweitern und den Beginn der Verwüstung einleiten (MENSCHING; SEUFFERT 2001, S. 8).
Mit dem Begriff „Desertifikation" wird also die Endstufe der Degradation von Regionen bezeichnet, die vorher keine Wüsten waren. Diese Landschaften haben Merkmale einer Wüste vor allem im landwirtschaftlich nutzbaren Bereich, wie trockene Böden mit geringem Wasserspeicher oder spezielle, wasserspeichernde Pflanzenarten wie Sukkuleten oder Xerophyten, welche vor dem Verwüstungsprozess noch nicht wuchsen (vgl. Kapitel 3.3).
Deshalb ist Desertifikation auch nur in ariden, semiariden und subhumiden Klimazonen mit hohen Verdunstungsraten aufzufinden, da dort die „günstigen" klimatischen Verhältnisse in Kombination mit anthropogenen Eingriffen ins Ökosystem zurAusbreitungvonWüsten führen(MENSCHING; SEUFFERT 2001, S. 8). Bodenerosion hingegen findet in allen Klimazonen statt, in denen Landschaftsbearbeitung möglich ist, wie zum Beispiel durch Tierhaltung, Ackerbau oder auch der Bau von Siedlungen, Städten und Straßen. In Trockengebieten führt Bodenerosion nahezu zwangsläufig zu Desertifikation, wenn geeignete Techniken oder Erosionsschutzmaßnahmen nicht frühzeitig eingesetzt werden.
Besonders katastrophal wirkt sich Bodenerosion im Zusammenhang mit Dürreperioden aus. Zum einen erweitert sich der erodierte Bereich auf noch fruchtbares Land, beispielsweise durch weitläufige Zerstörung der Böden aufgrund von Ackerbau sowie Austrocknen der Weideflächen, zum anderen beschleunigen Dürrephasen auf bereits degradierten Böden die Desertifikation, indem das Naturpotential des Landesweiterhin verschlechtert wird (MENSCHING 1990, S. 3).
2.4 Dürren und Dürrekatastrophen als Auslöser für Desertifikation
Dürren stellen den natürlichen Hintergrund dar, vor dem sich Desertifikation abspielt. Der Unterschied zwischen den Folgen dieser zwei Gefahren liegt in der Regenerationsfähigkeit des Ökosystems. Dürreschäden sind größtenteils reversibel, da nach Trockenphasen Jahre mit geregeltem Niederschlag folgen. Schäden, die durch Desertifikation verursacht wurden, sind irreversibel, da sich beispielsweise die ursprüngliche Vegetation verändert und sich der „neuen" Klimasituation anpasst. Deshalb stellen Dürreperioden für wirtschaftlich genutzte Räume ein stetig vorhandenes ökologisches Risikopotential dar, das räumlich, zeitlich und graduell variiert. Dabei spielt auch die ökologische Sensibilität der betroffenen Regionen eine große Rolle. In Trockenräumen wird sie beispielsweise erhöht, indem menschliche Eingriffe die Regenerationsfähigkeit des Ökosystems verringern und damit die Anfälligkeit für Bodenerosion steigern (MENSCHING, SEUFFERT 2001, S. 8). Die Dauer und Intensität einer Dürrephase wirken sich entweder stärker oder schwächer auf die Art und Weise der Landnutzung und damit auf das Ökosystem aus.
Dürre wird definiert als eine ungewöhnlich lange Periode mit unzureichenden Niederschlägen in Regionen, in denen dieser normalerweise zu erwarten ist.
Deshalb können nicht nur in Trockengebieten Trockenzeiten eintreten, sondern auch in ausreichend feuchten Zonen mit subhumidem Klima (NIEDER; FRATER 2004, S. 131). Dürreperioden und Desertifikation beeinflussen sich gegenseitig, wobei der Mensch durch die Landnutzung ebenfalls einen Einfluss auf die Intensität der Dürre und den Grad der Desertifikation ausübt (BLÖHM 1996, S. 66). So können sich nachhaltig genutzte Wasserressourcen oder unbearbeitete Böden mit Hilfe der vorhandenen Vegetation schneller von einer Trockenzeit erholen als übernutzte Ressourcen, die dem Klima ungeschützt ausgesetzt sind.
Der Tschadsee am Südrand der Sahara im zentralafrikanischen Tschadbecken liefert ein Beispiel für die Folgen von Übernutzung kombiniert mit Dürreereignissen. Dieser See gehörte zu den größten Seen Afrikas und schrumpfte aufgrund von Bewässerungsprojekten und der Dürreperiode Anfang der 70er Jahre auf ein Zwanzigstel seiner ursprünglichen Größe. Abbildung 6 zeigt den Wandel seiner Wassermenge in nur 15 Jahren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Tschadsee, Zentralafrika. Links 1972, rechts 1987 (NATIONAL GEOGRAPHIC 2007, S. 210).
Aufgrund verstärkter Wasserentnahmen für Bewässerungszwecke und dem trockener werdenden Klima, bedingt durch den Klimawandel, nimmt die Wüste überhand, was an den Riffelmustern im rechten Satellitenbild erkennbar ist. Es sind windgeformte Sanddünen, welche den nördlichen Teil des ehemaligen Sees überlagern (NATIONAL GEOGRAPHIC 2007, S. 210).
Von einer Katastrophe spricht man immer dann, wenn Menschen betroffen sind. Im Fall von Dürre bezieht sich der Schaden an der Bevölkerung auf den Nahrungsund Wassermangel und die damit eintretenden Folgen wie Hungersnöte oder Epidemien. Je nach Ausmaß korreliert eine Dürreperiode mit dem Migrationsverhalten, der Sterberate, dem Landnutzungssystem und der Wasserverfügung, wodurch wiederum die Stabilität des sozialen Systems eines Landes und das Anbauverhalten beeinflusst werden (MENSCHING 1990, S. 3). Am Beispiel der Dürre in der Sa- helzone in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist dieser Zusammenhang deutlich zu erkennen. Angeregt durch die hohen Niederschläge in den 50er und 60er Jahren wurden Großprojekte durch internationale Geldgeber finanziert, die Tiefbrunnenbauten und eine Expansion der Tierhaltung im Sahel förderten. Das sollte den Agrarsektor modernisieren, um die Sahelländer zu Exporteuren von Nahrungsmitteln zu machen. In den Jahren 1968 bis 1974 folgte eine extreme Dürrephase, woraus Flüchtlingsströme in angrenzende Länder resultierten, bedingt durch extreme Hungersnöte und Viehsterben aufgrund von Ernteausfällen. Das Ausmaß der Dürre verschärfte sich in den Jahren 1976 bis 1982 weiter, weil die Menschen bei der landwirtschaftlichen Nutzung keine Rücksicht auf das vertrocknete Land nahmen. Erst Anfang der 80er Jahre entwickelte sich das Bewusstsein vom Zusammenhang zwischen Dürre und Desertifikation, woraufhin zahlreiche Projekte zum Ressourcenschutz gegründet wurden (KRINGS 2001, S. 29), wie beispielsweise das Projekt zur ländlichen Entwicklung im Arrondissement Tahoua (vgl. Kapitel 5.1.3).
Dürre verursacht eine reduzierte oder sogar gänzlich ausbleibende Pflanzenproduktivität, wie beispielsweise der Rückgang der Hirseerträge in den semiariden Gebieten Afrikas zeigt. Deshalb sind Viehhalter zu einer Überstockung der Weideflächen gezwungen, wodurch die Pflanzendecke zerstört und deren Regenerationskraft verringert wird. Je länger eine Dürrezeit dauert, desto stärker wirken sich die Folgen auf degradierte und desertifizierte Regionen aus, da der anthropogene Eingriff während dieser Trockenjahre die Anbaugebiete zerstört und auch in Jahren mit normalen Niederschlägen dann geringe Ernten folgen. Am stärksten prägen sich die Auswirkungen bei einer Dürre in Gebieten mit einer hohen Bevölkerungsdichte aus, weil dort das verringerte ökologische Potential erst recht überbeansprucht wird und konzentrierte Bodenbearbeitung und Viehhaltung zur Ernährungssicherung stattfindet (MENSCHING 1990, S. 34-36).
Doch nicht nur für das Ökosystem haben Dürrejahre gravierende Folgen. Überall auf der Welt fordert diese Naturkatastrophe eine hohe Zahl von Toten. So starben in Indien zwischen den Jahren 1965 bis 1967 1,5 Millionen Menschen und während der vorherig beschriebenen Dürre in der Sahelzone in den Jahren 1972 bis 75 ließen rund eine viertel Million Menschen ihr Leben (NIEDER; FRATER 2004, S. 132). Weltweit leben circa 100 Millionen Menschen unter direkten Auswirkungen von Dürre, Waldbränden, Hunger und vertrockneter Vegetation auf aufgerissenen Böden. UN-Berichten zufolge dürften im kommenden Jahrzehnt rund die Hälfte der augenblicklichen Weltbevölkerung in Gebieten mit Dürregefahr leben. Für die biologische Vielfalt bedeutet dies eine Abnahme des Artenreichtums der Flora und Fauna, da die Verwüstung und Landdegradation fortschreitet und das Ökosystem somit in Dürrezeiten anfällig wird. Normalerweise könnte sich die Natur selbst von Dürrefolgen erholen, doch der steigende Bevölkerungsdruck verbunden mit unan- gepasster Landnutzung erlaubt keine Regenerationszeit (NIEDER; FRATER 2004, S. 134).
Problematisch für die Menschen in den Dürreregionen wie im Sahel ist die Tatsache, dass die Niederschläge seit 1970 mit Ausnahmen weniger Jahre stark vom Durchschnittswert abweichen. Am Übergangsbereich zur Sahara im Norden fallen durchschnittlich 200 Millimeter Jahresniederschlag, wobei sich die Niederschlagsmengen im Süden zwischen 600 und 700 Millimeter bewegen. Abbildung 7 auf Seite 16 stellt die Abweichungen der Sahelzone in den trockensten Monaten dar, sie betragen bis zu vier Zentimeter pro Monat. Das sind bis zu 20 Zentimeter weniger Niederschlag in der Zeit von Juni bis Oktober, was enorme Nachteile für die Agrarwirtschaft bedeutet. Die Folge ist eine Verschiebung der Anbaugrenze nach Süden, wodurch sich Nutzungskonflikte mit angrenzenden Ländern, Flüchtlingsströme und Bevölkerungswanderung ergeben (BLÖHM 1996, S. 66). Dabei erhöht sich die Intensität der genutzten Flächen und das Risiko von Desertifikation aufgrund intensiver Degradation.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Abweichungen vom durchschnittlichen Niederschlag im Sahel in cm in den Mo naten Juni bis Oktober (JISAO 2013).
[...]