Die Regulierung und Steuerung von Hochschulen unterliegt spätestens seit der Liberalisierung des Hochschulrahmengesetzes im Jahr 1998 einer erheblichen Reformdynamik. Hochschulautonomie, New Public Management, Profilbildung, Exzellenz und Wettbewerb sind zentrale Stichworte im Rahmen der durchgeführten politischen Reformen und Programme.
Der politisch gewollte Ausbau einer organisationalen Selbststeuerung von Universitäten stellt die Hochschulen vor beachtliche Herausforderungen und kann als Paradigmenwechsel im Bereich der Hochschul-Steuerung betrachtet werden. In der Fachdiskussion wird der entsprechende Wandel auch als Stärkung der „managerial governance“ (bspw. de Boer et al. 2007) oder als Wandel von Universitäten hin zu „more complete organizations“ (Brunsson/ Sahlin-Andersson 2000) bzw. „organisational actors“ (Krücken/Meier 2006) beschrieben. Gleichzeitig liegt bislang eher bruchstückhaftes Wissen darüber vor, wie der veränderte Regulierungskontext von den Steuerungsakteuren in deutschen Hochschulen aufgegriffen wird, d.h. ob auf Organisationsebene tatsächlich ein Ausbau der organisationalen Selbststeuerung stattfindet, welche Steuerungsinstrumente sich bewähren und warum dies der Fall ist. Die vorliegende Arbeit geht diesen Fragen im Rahmen einer vergleichenden Fallstudie an sechs Universitäten nach.
Im Zentrum der empirischen Erhebung stehen 60 qualitative sozialwissenschaftliche Interviews mit Leitungsakteuren auf Hochschul- und Fachbereichsebene. Diese Daten werden ergänzt durch umfangreiche Dokumentenanalysen, insbesondere von Jahresberichten, Grundordnungen, Strategie- und Planungsdokumenten sowie durch Daten der amtlichen Hochschulstatistik.
Die Untersuchung zeigt, dass an fünf der sechs untersuchten Hochschulen ein zum Teil deutlicher Ausbau der organisationalen Selbststeuerung festzustellen ist, wenngleich der spezifische organisationale Charakter von Universitäten, d.h. eine weitgehend lose Kopplung mit autonomen Professionals, im Wesentlichen erhalten bleibt. Die Zusammenschau der Veränderungen ergibt ein idealtypisches Modell des Wandels von Strategie, Struktur und Kultur der Hochschulen. Auf Basis der empirischen Ergebnisse werden weiterhin zentrale externe und interne Einflussfaktoren auf den konkreten organisationalen Wandel analysiert. Schließlich werden Kosten und Nutzen sowie Risiken und Chancen der Governance-Reformen im Hochschulbereich gegenübergestellt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Universitäten unter Reformdruck – Ursachen des Wandels der Universitätssteuerung
- Neue Anforderungen und Opportunitäten für Hochschulen
- Strukturwandel zur Wissensgesellschaft
- Globalisierung und Internationalisierung der Wissenschaft
- Wandel des Staats- und Steuerungsverständnisses
- Mangelnde Anpassungsfähigkeit – Defizitdiagnosen zur traditionellen Hochschulorganisation
- Unterfinanzierung
- Strukturelle Bewegungsunfähigkeit
- Die Reform der Hochschul-Governance in Deutschland
- Staatliche Regulierung
- Externe Steuerung
- Akademische Selbstorganisation
- Hierarchische Selbststeuerung
- Wettbewerb
- Unterschiede zwischen den Bundesländern
- Konzeptioneller Hintergrund der Untersuchung
- Organisationaler Wandel aus der Sicht verschiedener Organisationstheorien
- Organisationsumwelt und organisationaler Wandel
- Organisationsinterne Determinanten organisationalen Wandels
- Strategie, Strukturen und Organisationskultur als zentrale Ordnungsmomente – das St. Galler Management-Modell und seine Übertragung auf den Hochschulkontext
- Strategie
- Aufbau- und Ablaufstrukturen
- Organisationskultur
- Rahmenmodell für eine organisationssoziologische Analyse von Universitäten
- Anlage und Methodik der Untersuchung
- Fallstudiendesign und Auswahl der Untersuchungseinheiten
- Das Fallstudiendesign
- Auswahl und Gewinnung der Untersuchungseinheiten
- Datenquellen und Erhebungsmethoden
- Analysierte Dokumente
- Problemzentrierte Experteninterviews
- Input- und Output-Indikatoren
- Feldnotizen/Forschertagebuch
- Vorgehen bei der Auswertung
- Empirische Ergebnisse
- Strategie
- Strategische Positionierung im Feld der Anspruchsgruppen
- Implementationsinstrumente und Umsetzungsstrategien
- Entscheidungsstrukturen und institutionelle Stellung der Steuerungsakteure
- Mechanismen der organisationalen Selbstbeobachtung
- Strategische Allianzen und institutionelle Kooperationen mit externen wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Einrichtungen
- Aufbau- und Ablaufstrukturen
- Gliederung der Fachbereiche und der ihnen nachgeordneten Organisationseinheiten (Departments, Institute, Fächer)
- Akademische Aufbaustrukturen jenseits von Fächern und Fachbereichen
- Interne Mittelverteilung
- Ausrichtung und Besetzung von Professuren
- Koordination von Studiengängen und Lehrveranstaltungen
- Organisationskultur
- Kooperationskultur
- Identifikation mit Universität und Fachbereich
- Akademische Werte als Element der Organisationskultur
- Fallgruppenvergleichende Analyse
- Technisch-naturwissenschaftlich ausgerichtete Hochschulen und Fachbereiche gegenüber solchen mit sozial- und kulturwissenschaftlichem Schwerpunkt
- Große gegenüber kleinen Universitäten
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Dissertation befasst sich mit dem Wandel der Universitätssteuerung in Deutschland. Sie untersucht die Bedingungen, Prozesse und Wirkungen der organisationalen Selbststeuerung an deutschen Universitäten. Die Arbeit analysiert die Herausforderungen, denen Universitäten im Kontext der Wissensgesellschaft, Globalisierung und des Wandels des Staats- und Steuerungsverständnisses gegenüberstehen. Sie beleuchtet, wie diese Herausforderungen die traditionelle Hochschulorganisation in Frage stellen und zu neuen Formen der Steuerung führen.
- Die Auswirkungen des Wandels der Wissensgesellschaft auf die Universitätssteuerung
- Die Rolle der Globalisierung und Internationalisierung der Wissenschaft
- Die Bedeutung von Selbststeuerung und Wettbewerb in der Hochschulorganisation
- Die Herausforderungen der traditionellen Hochschulorganisation
- Die Analyse verschiedener Organisationstheorien im Kontext des organisationalen Wandels
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Dissertation ein und stellt die Forschungsfrage sowie die Forschungsmethodik dar. Kapitel 2 beleuchtet die Ursachen des Wandels der Universitätssteuerung, indem es neue Anforderungen und Opportunitäten für Hochschulen sowie Defizitdiagnosen zur traditionellen Hochschulorganisation analysiert. Kapitel 3 befasst sich mit der Reform der Hochschul-Governance in Deutschland und untersucht verschiedene Formen der Steuerung, wie staatliche Regulierung, externe Steuerung, akademische Selbstorganisation, hierarchische Selbststeuerung und Wettbewerb. Kapitel 4 stellt den konzeptionellen Hintergrund der Untersuchung dar und diskutiert verschiedene Organisationstheorien sowie das St. Galler Management-Modell, um die Analyse der organisationalen Selbststeuerung an Universitäten zu ermöglichen. Kapitel 5 beschreibt die Anlage und Methodik der Untersuchung, wobei insbesondere das Fallstudiendesign, die Auswahl der Untersuchungseinheiten, die Datenquellen und Erhebungsmethoden sowie das Vorgehen bei der Auswertung im Detail behandelt werden.
Schlüsselwörter
Die Dissertation fokussiert auf die Themenfelder Organisationswandel, Universitätssteuerung, Hochschul-Governance, Selbststeuerung, Wettbewerb, Wissensgesellschaft, Globalisierung, Internationalisierung der Wissenschaft, Organisationskultur, Strategie, Strukturen und Fallstudienforschung. Die Arbeit analysiert die Herausforderungen und Chancen der organisationalen Selbststeuerung an deutschen Universitäten im Kontext des Wandels der Hochschulorganisation.
- Arbeit zitieren
- Christoph Rosenbusch (Autor:in), 2013, Organisationale Selbststeuerung in deutschen Universitäten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/285289