Es ist kaum eine steuerliche Betriebsprüfung vorstellbar, in der nicht über den Bilanzposten Rückstellungen zwischen dem Steuerpflichtigem und seinem Berater einerseits und dem Prüfer des Finanzamtes andererseits intensiv gesprochen wird. Dies hängt damit zusammen, dass Rückstellungen unmittelbar gewinn- und steuermindernd wirken, ohne jedoch sofort Ausgaben auszulösen. Sie können deshalb ein bedeutendes Instrument der Innenfinanzierung sein.
Die Steuerminderung ist bei der Körperschaftsteuer in Wahrheit nur eine Steuerstundung, denn später ergibt sich bei Auflösung (Verbrauch) der Rückstellung wegen Wegfall des Grundes der umgekehrte Effekt einer Gewinnerhöhung (ohne dass gleichzeitig Umsätze realisiert worden sind). Doch sind die Liquiditätsvorteile und gesparte Zinsen durchaus bedeutsam. So verwundert es auch nicht, dass im Jahr 2009 die Rückstellungsquote bei den Großunternehmen der deutschen Industrie im Durchschnitt 12 % des Gesamtkapitals beträgt.
Bei Einzelkaufleuten und Personengesellschaften, die ihren Gewinn nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermitteln, kann sich wegen der tariflichen Progression gem. § 32a EStG sogar eine echte Steuerersparnis ergeben. Diese Wirkung tritt dann ein, wenn der Verbrauch der Rückstellung zu einem Zeitpunkt stattfindet, zu dem der Unternehmer mit seinem Einkommen in einem niedrigeren Bereich der Progressionstabelle liegt als bei Bildung der Rückstellung.
Es wäre jedoch verkürzt, Rückstellungen ausschließlich unter dem Aspekt ihrer steuerlichen Bedeutsamkeit zu betrachten. Sie spielen auch für die Handelsbilanz eine große Rolle. Hauptzweck der Handelsbilanz ist es, zum (Bilanz-)Stichtag den Gewinn unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes vorsichtig zu ermitteln und einen zutreffenden Überblick über die Vermögenslage zu geben. Dabei spielen Rückstellungen, die definitionsgemäß das Vermögen belasten, eine wichtige Rolle: sie verhindern, dass sich der Kaufmann „zu reich“ rechnet, indem Posten nicht gezeigt würden, die zum Stichtag noch einen gewissen Grad an Ungewissheit aufweisen.
Regelmäßig stellt sich die Frage, ob ein belastender Sachverhalt gezeigt werden muss oder nicht. Für die Antwort spielt das Kriterium wirtschaftliche Verursachung die entscheidende Rolle.
Ziel dieser Arbeit ist es, im vorgegebenen Umfang einen Überblick über die Bedeutung der wirtschaftlichen Verursachung für die Bildung von Verbindlichkeitsrückstellungen zu geben und unterschiedliche Ansätze [...]
Inhaltsverzeichnis
- A. Einführung.
- I. Der Rückstellungsbegriff
- 1. Rückstellungen unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten.
- 2. Statische Bilanztheorie
- 3. Dynamische Bilanztheorie.
- II. Verbindlichkeitsrückstellungen
- 1. Handelsrechtliche Vorschriften gem. § 249 HGB
- 2. Steuerrechtliche Regelungen gem. §§ 5 und 6 EStG ..
- 3. Regelungen nach IAS 37..
- B. Analyse der jüngsten BFH-Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Verursachung...
- I. Drei wichtige Urteile zur Rückstellungsproblematik aus 2011
- 1. Nachbetreuungsverpflichtungen bei Lebensversicherungsverträgen.........
- 2. Zulassungskosten eines Pflanzenschutzmittels.
- 3. Rückkaufverpflichtungen aus Kfz-Mietverträgen....
- II. Grundgedanken des BFH zur wirtschaftlichen Verursachung...
- 1. Dogmatische Betrachtung.
- 2. Folgerungen......
- C. Lösungsansätze der Literatur zur wirtschaftlichen Verursachung......
- 1. Die Alimentationsformel von Moxter.
- 2. Das Kriterium der Unentziehbarkeit.
- D. Zusammenfassung und Ausblick..\n
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Bedeutung der wirtschaftlichen Verursachung für die Bildung von Verbindlichkeitsrückstellungen im deutschen Bilanzrecht. Sie analysiert die jüngste Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Problematik der wirtschaftlichen Verursachung und beleuchtet unterschiedliche Lösungsansätze aus der Literatur. Ziel ist es, einen umfassenden Überblick über die aktuelle Diskussion und die unterschiedlichen Perspektiven auf dieses wichtige Merkmal der Rückstellungsbildung zu geben.
- Das Konzept der wirtschaftlichen Verursachung und seine Bedeutung für die Bildung von Rückstellungen
- Die Rechtsprechung des BFH und ihre dogmatischen Grundlagen
- Kritische Analyse der gängigen Lösungsansätze in der Literatur
- Die Bedeutung der wirtschaftlichen Verursachung im Kontext des Handels- und Steuerrechts
- Ausblick auf zukünftige Entwicklungen und Herausforderungen im Bereich der Rückstellungsbildung
Zusammenfassung der Kapitel
Der erste Teil der Arbeit widmet sich dem Begriff der Rückstellung. Hier werden zunächst die verschiedenen Arten von Rückstellungen sowie deren Unterscheidung zu Rücklagen dargestellt. Anschließend wird die Rolle der Rückstellungen unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten beleuchtet, wobei insbesondere die statische und dynamische Bilanztheorie sowie die Bedeutung der Rückstellungen für den Gläubigerschutz im Vordergrund stehen. Der Fokus liegt auf Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten, die im zweiten Teil der Arbeit im Detail betrachtet werden.
Der zweite Teil der Arbeit befasst sich mit der jüngsten Rechtsprechung des BFH zur wirtschaftlichen Verursachung. Es werden drei wichtige Urteile aus dem Jahr 2011 analysiert, die sich mit der Problematik der Nachbetreuungsverpflichtungen bei Lebensversicherungsverträgen, den Zulassungskosten eines Pflanzenschutzmittels und den Rückkaufverpflichtungen aus Kfz-Mietverträgen befassen. Der Schwerpunkt liegt auf der Analyse der dogmatischen Grundlagen und der Folgerungen, die sich aus der Rechtsprechung des BFH für die praktische Anwendung der wirtschaftlichen Verursachung ableiten lassen.
Im dritten Teil der Arbeit werden zwei prominente Lösungsansätze aus der Literatur vorgestellt: die Alimentationsformel von Moxter und das Kriterium der Unentziehbarkeit. Die Entstehung, der Inhalt und die Relevanz dieser Ansätze werden im Kontext der aktuellen Rechtsprechung kritisch beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Begriffen des Bilanzrechts, insbesondere mit der Definition von Rückstellungen und ihrer Abgrenzung zu Rücklagen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Konzept der wirtschaftlichen Verursachung im Kontext der Bildung von Verbindlichkeitsrückstellungen, wobei die Rechtsprechung des BFH und die gängigen Ansätze der Literatur analysiert werden. Die Arbeit beleuchtet die Bedeutung der wirtschaftlichen Verursachung für den Gläubigerschutz und die Ermittlung des Gewinns im Rahmen des Handels- und Steuerrechts.
- Quote paper
- Hans-Joachim Frhr. von Malsen-Ponickau (Author), 2012, Die Bedeutung der wirtschaftlichen Verursachung für die Bildung von Verbindlichkeitsrückstellungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/285699