Der Bildvergleich von drei Ereignisdarstellungen soll Thema dieser Arbeit sein. Das Bildmaterial bezieht sich auf das biblische Thema „Das letzte Abendmahl“, hier von Leonardo da Vinci, Jacopo Tintoretto und Tiziano Vecellio verwirklicht. Der zeitliche Rahmen betrifft den kunstgeschichtlichen Kontext der Renaissance, wobei dies eine stark vereinfachte Form der Darstellung ist. Der Begriff ist nochmals aufgesplittet in das Trecento (14. Jahrhundert), auch als Frührenaissance bezeichnet, das Quattrocento (15. Jahrhundert) und das Cinquecento (16. Jahrhundert), womit die Hochrenaissance gemeint ist. Darüber hinaus hat die Stilrichtung des Manierismus enge Kontakte zu Kunst und Künstlern dieser großen Epoche. Diese Periode setzt um 1520 ein und endet etwa Anfang des beginnenden 17. Jahrhunderts. Interessanterweise ist es erst unter dem Einfluss der Impressionisten zu einer positiven Bewertung dieses Stiles gekommen. Vorher wurde mit diesem Begriff vor allem die Abwendung von den Gestaltungsprinzipien der Renaissance verbunden. Der Manierismus galt als Verfall dieser Werte. Man mußte quasi, um zu einer vernünftigen Bewertung der folgenden Epochen zu gelangen, diesen Stil neu definieren.
Unter welchen Stilbegriff sind nun die drei Künstler einzuordnen? Während Leonardo da Vinci eindeutig in den Bereich der Hochrenaissance fällt und Jacopo Tintoretto dem Manierismus zugesprochen werden kann, ist die Sache bei Tiziano Vecellio nicht ganz so einfach. Sein Frühwerk entspricht der Formensprache der Hochrenaissance, sein Spätwerk allerdings kann als manieristisch bezeichnet werden. Und das ist der Zeitraum, der uns beschäftigen wird, denn Tizians Abendmahldarstellung stammt aus seinem Spätwerk.
Meine Aufgabe wird es nun sein, typische Elemente der Bildersprache dieser beiden Epochen zu benennen und anhand des Bildmaterials zu belegen. Zuerst muss natürlich Vorarbeit geleistet werden. Der erste Teil ist eine reine Beschreibung der Werke, während sich der zweite Teil mit seiner ikonographischen Beschreibung mit dem Bedeutungsgehalt gewisser Bildelemente beschäftigt. In der Bildanalyse schließlich soll die formulierte Fragestellung beantwortet werden.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Vor-ikonographische Beschreibung
Der Bildraum, die Personen und die Farben der Abendmahldarstellung von
1.1. Leonardo da Vinci
1.2. Jacopo Tintoretto
1.3. Tiziano Vecellio
2. Ikonographische Beschreibung der Bildelemente
3. Bildanalyse in Hinblick auf die formulierte Fragestellung
Literaturverzeichnis
Abbildungen
1. Vor-ikonographische Beschreibung
1.1. Leonardo da Vinci
Das letzte Abendmahl, Leonardo da Vinci (1497/98)
Mailand, Refektorium von Santa Maria delle Grazie
Fresko (8,90 x 4,62 m)
Der Bildraum und die Personen:
Zu Beginn möchte ich auf den schlechten Zustand des Freskos eingehen, der in einer vorher nie erprobten und sich als sehr anfällig erwiesenen Arbeitstechnik zugrunde liegt. Leonardo legte viel Wert auf das langsame Herausarbeiten seiner Figuren, was aber mit der üblichen Freskotechnik nicht möglich war, da sie ein zügiges Vorgehen beim Malen verlangt. So fasste er den mutigen, wenn auch fatalen Entschluss, sein Bild mit Öltempera auf einem Gipsgrund zu fertigen. Schon Vasari bemerkt den schlechten Zustand und schreibt: „ [...] da ich in dem jetzt laufenden Jahre 1566 das Original Leonardo`s in Mailand so übel zugerichtet sah, daß es nur noch einem verblichenen Flecken glich“. (Feddersen 1975:198) Die Farbe begann sich vom Malgrund zu lösen und die Durchfeuchtung der Wand tat ihr übriges. Im Laufe der Jahrhunderte sind zahlreiche Versuche unternommen worden das Bild zu restaurieren, den weiteren Verfall indes stoppten sie nicht. Erst das 1954 abgeschlossene Restaurierungsverfahren, in dessen Zuge die Wand trockengelegt und die Farbstückchen mittels einer Schellack-Lösung fixiert wurden, hat die Überreste des Meisterwerkes vor einer weiteren Zerstörung bewahrt. (Heydenreich 1985:4-6)
Eichholz (1998:297) verweist in diesem Zusammenhang auf das Problem, daß: „[...]die ursprüngliche Farbgebung nicht mehr oder nur noch sehr fragmentarisch vorhanden [sei]“. Hier stehen wir vor dem Dilemma, das die Farbwerte die wahrgenommen werden, nicht mehr der Intention des Künstlers entsprechen, und sich das natürlich in der Analyse bemerkbar macht, da ich ja nur von den noch erhaltenen Farbwerten ausgehen kann. Das sei eingangs erwähnt, damit nicht der Eindruck entsteht, die Beschreibung orientierte sich an der Urfassung des Originals.
Das Ereignis vollzieht sich in einem sehr weit in die Tiefe gehenden Raum, an dessen Front eine lange Tafel aufgebaut ist, die fast die gesamte Breite der Örtlichkeit einnimmt. An dieser Tafel finden insgesamt dreizehn Personen platz. Auf ihr werden Speisen bereitgestellt, und zwar auch dort, wo niemand sitzt: Auf der Seite des Betrachters nämlich, fast so, als würde man aufgefordert, dem Ereignis beizuwohnen. An den beiden flankierenden Wänden sind je vier rechteckige Wandbehänge von gleicher Größe und gleichem Abstand zueinander unter Verwendung der Fluchtpunktperspektive dargestellt. Die Wandbehänge selbst sind von dunkelbrauner Farbe und monochrom gemalt. Hier wurde auf eine detailfreudige, aber auch ablenkende Ausschmückung verzichtet, zugunsten eines scharfen Kontrastes der zwischen den dunklen Behängen und den fast weißen Wänden besteht. Die Decke ist mit gleich großen Quadern kassettenförmig gestaltet, auch hier durch die exakte Berechnung der Fluchtpunktperspektive. Und nicht nur, dass sie im Fresko selber verwendet wird, sie ist auch die Fortsetzung der Perspektive des Refektoriums. Bild und Raum verschmelzen hier zu einer unzertrennbaren Einheit. (Feddersen 1975:57-61) Am Ende des Raumes sind drei Öffnungen sichtbar: Einem großen Durchgang in der Mitte, links und rechts davon zwei kleinere Fenster. Der Durchgang ist oberhalb durch einen ohne viel Aufwand gestalteten, in der Wand eingearbeiteten Stichbogen ergänzt. Alle drei Öffnungen münden in einer Landschaft die sich in einem sehr blassen Farbton präsentiert. Leichte, in grün gemalte Gebirgszüge und ein zarter blauer Himmel werden hier sichtbar. Bei der Gestaltung des Raumes wurden aufwendige Elemente, in denen sich der Betrachter verliert, ausgeklammert. Erwähnenswert erscheint mir die Tatsache, dass die Wahrnehmung des Bildes durch eine nachträglich vorgenommene Veränderung an der Architektur des Gebäudes empfindlich gestört wird. Die Füße Christi und die der neben ihm sitzenden Jünger sowie ein Stück des Tafeltuches sind durch das Vorhaben einiger Mönche, das Refektorium und die angrenzende Küche durch eine Tür zu verbinden, nicht mehr zu erkennen. Brutal wurden hier Elemente des Bildes zerstört, um die Umbaumaßnahmen zu realisieren. (Feddersen 1975:78)
An der langen Tafel mit weißem Tischtuch sitzen Jesus und seine zwölf Jünger, und zwar alle mit ihrem Körper zum Betrachter. Auffällig ist hier, dass die Tafel viel zu klein ist für so viele Menschen. Es entsteht ein dichtes Gedränge der Akteure, welches aber entscheidend zur Belebung des Bildes beiträgt. Jesus selbst findet genau in der Mitte der Tafel und somit in der Mitte des Bildes platz. An dieser Stelle muß ich nochmals auf die Verwendung der Fluchtpunktperspektive eingehen. Leonardo läßt alle Fluchtlinien des Raumes im Haupte Christi enden. Seine Figur wird somit nicht nur durch seine Stellung im Bild, sondern auch durch diesen Kunstgriff betont. Er sitzt weitestgehend isoliert, ohne direkten Körperkontakt zu seinen Jüngern, die links und rechts von ihm postiert sind. Schaut man sich diesen Bereich genauer an, so stellt man fest, dass Jesus von einem Quadrat umschlossen ist, das durch die vordere Tischkante, den inneren Fensterbegrenzungen und der Türhöhe gebildet wird. Nur zwei Hände ragen in das Innere des Quadrates hinein. Somit beruht auch die isolierte Stellung im Bild auf einer Konstruktion und der dadurch gewonnene Freiraum betont die zentrale Figur zusätzlich. Auffällig bei diesem Bild ist auch, dass Leonardo darauf verzichtet hat, die Hauptfigur mit einem Heiligenschein zu versehen. Aber man kann hier von einer Art „architektonischem“ Nimbus sprechen. Der Stichbogen über dem großen Durchgang befindet sich direkt über Christus und rahmt die ganze Figur ein. Jesus neigt seinen Kopf leicht nach links, seine Arme sind weit von ihm gestreckt, seinen Blick hält er gesenkt, der Mund ist halb geöffnet. Der Kummer, der ihn in dieser Situation befallen hat, kommt so zur Geltung. Durch seine Kopfhaltung wird sein linker Arm akzentuiert. Die offene Hand weist auf ein vor ihm liegendes Brot. So kennzeichnet diese Geste die Einsetzung des Sakraments. Aber auch eine weitere Deutung ist zulässig: Jesus zeigt dem Betrachter mit dieser Handhaltung die Stelle, an der er eines seiner Wundmale erhalten wird. Somit wird diese Geste zu einem Opferzeichen, ein Zeichen , dass er die ihn erwartende Pein akzeptiert hat. Die ausgebreiteten Arme Christi lassen ein nach unten geöffnetes Dreieck entstehen. Diese Körperhaltung verleiht ihm eine Gemütsruhe, die gar nicht zu der Situation passt. Schließlich ist er sich seines Schicksals bewusst. Eigentlich müssten sich in seiner Haltung und Gestik Bestürzung widerspiegeln.
Die Jünger sind zu vier Dreiergruppen zusammengefasst. Je sechs Personen finden sowohl links als auch rechts von Jesus platz. Die ganze Szenerie wird von großer Aufregung beherrscht. Betroffenheit und Erschütterung, erkennbar an den Mimiken und den eindringlichen Bewegungen, erwecken diesen Eindruck. Hier kommt eine Forderung Leonardo´s zum tragen, die er in seinem Malerei-Traktat formuliert hat. Er beschreibt: „Ein guter Maler hat zwei Hauptdinge zu malen, nämlich den Menschen und die Absicht seines Geistes. Das erstere ist leicht, das zweite schwer, denn es muß durch die Gesten und Bewegungen der Gliedmaßen ausgedrückt werden. [...] Und bei all diesen Zuständen müssen die Hände in Übereinstimmung mit dem Gesichtsausdruck und somit der ganzen Person stehen.“ (Heydenreich 1958:21)
Johannes, Judas und Petrus, rechts neben Jesus postiert, bilden eine Dreiergruppe: Johannes sitzt mit zusammengefalteten Händen und nach rechts geneigtem Kopf und Oberkörper da. In dieser Haltung ist er von Jesus genauso weit entfernt wie Phillipus auf der anderen Seite, der allerdings den dritten Platz neben Jesus einnimmt. Durch diesen Akt rücken die Köpfe der ersten Dreiergruppe so eng zusammen wie bei keiner anderen auf diesem Bild. Dadurch wird die Bedeutung dieser Gruppe hervorgehoben, was auch sinnvoll ist, sitzen doch in ihr der Lieblingsjünger Christi und der Verräter. Johannes’ Gesichtszüge sind auffallend friedfertig, ja fast schüchtern. Auf seiner rechten Schulter ruht Petrus’ Hand, der sich mit energischem Gesichtsausdruck Johannes nähert. Er drängt sich so zwischen Judas und Johannes um letzteren zu befragen. In seiner linken Hand hält er ein Messer, was der Situation einiges an Brisanz verleiht. Judas wendet sein Gesicht ein wenig vom Betrachter ab, aber man erkennt dennoch sein verhärmtes Profil. Energisch klammert er seine rechte Hand um einen Geldbeutel, der dreißig Silberlinge enthält: Das Blutgeld, für das er seinen Herrn verrät. Auch er hat die Worte Christi vernommen, fährt mit seinem Oberkörper erschrocken zurück und greift mit seiner linken Hand haltsuchend nach einem Stück Brot, so dass sich diese in unmittelbarer Nähe zur rechten Hand seines Meisters befindet. Diese Figur ist durch einen in der Kunstgeschichte einzigartigen Kunstgriff betont. Sein in Schatten getauchtes Gesicht steht zwischen den hellen Häuptern der anderen Jünger, wodurch er als Verräter gekennzeichnet wird. In einer Darstellung Leonardo´s über Licht- und Schattenbegriffe heißt es: “Der Schatten gehört seiner Natur nach zur Finsternis, das Licht seiner Natur nach zur Helligkeit.“ (Eichholz 1998:290) Somit erfährt der „lichtlose“ Judas eine Klassifizierung seines Charakters allein durch seine Schattenwirkung.
Andreas, Jacobus Minor und Bartholomäus stehen an der äußeren linken Seite der Tafel. Andreas beteuert mit erhobenen Händen seine Unschuld. Sein geschlossener, nach unten gezogener Mund bekundet die Abscheu, die er für den noch unbekannten Verräter empfindet. Sein Blick allerdings ist, wohl unbewusst, auf diesen gerichtet. Durch seine aufrechte Haltung wirkt er seltsam verkrampft. Währenddessen fasst Jacobus Minor hinter ihn und berührt mit seinen Fingerspitzen soeben den Rücken des Petrus, wodurch er eine Verbindung zu der soeben beschriebenen Personengruppe schafft. Bartholomäus stützt sich mit beiden Händen auf der Tafel ab, um das Gewicht seines nach vorne übergebeugten Oberkörpers abzufedern. Sein Gesicht wendet er der Bildmitte zu und bekundet damit sein Interesse an den dortigen Vorgängen.
Links von Jesus sind Thomas, Jacobus Major und Phillipus plaziert. Diese Dreiergruppe ist durch markante Bewegungen der Akteure belebt. Jacobus Major fährt durch die gesagten Worte erschrocken zurück und streckt seine Arme weit von sich, wie einer, dem man soeben vor den Kopf gestoßen hat. Entsetzen kennzeichnet seine Gesichtszüge. Von Thomas ist nur der Kopf und die rechte Hand zu erkennen. Es scheint, als sei er von seinem Platz aufgesprungen um sich, an Jacobus Major und Phillipus vorbei, Jesus zu nähern. Sein Zeigefinger ist wie eine Drohgebärde nach oben gestreckt, als würde er sagen : „ Wenn der mir in die Finger kommt.“ Auch Phillipus hat sich von seinem Platz erhoben, deutet mit seinen Händen auf seinen Oberkörper und wendet sich so seinem geliebten Meister zu, um diesem, eher entschuldigend, mitzuteilen: „ Herr, ich habe dich nicht verraten.“ Sein unschuldiger Blick bekräftigt dies. Es fällt auf, das Phillipus alle anderen Jünger überragt, wobei die Person, die auf der anderen Seite den gleichen Platz einnimmt, Judas nämlich, am tiefsten sitzt. Eine gedachte Linie, die beide Häupter miteinander verbindet, lässt auch das Haupt Christi berühren. So werden diese drei Personen in Beziehung zueinander gesetzt .
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