Die Partizipationsfunktionen. Gründe und Formen politischen Engagements


Studienarbeit, 2005

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Was ist politisch motiviertes Handeln?
2.1 Der Nichtwähler

3. Messverfahren für politisches Engagement

4. Der „Rational-Chaice-Ansatz“

5. Indikatoren für politisches Engagement
5.1 Faktor: Geschlecht
5.2 Faktor: Alter
5.3 Faktor: Bildung und Beruf
5.3.1 Faktor: sozio-ökonomische Situation
5.4 Faktor: soziales Umfeld
5.4.1 Die Wahlnorm
5.5 Faktor: Stellenwert des zu wählenden Organs

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis
7.1 Internetquellen.

1. EINLEITUNG

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Erörterung der poliitischen PArtizipation in der Bundesrepublik Deutschland. Es sollen Kriterien und Indikatoren aufgezeigt werden, die eine TEilnahme an der politischen Willensbildung sowohl positiv als auch negativ beeiflussen. Es sollen GRünde aufgezeigt werden, wie und warum sich das politische Engagement in Deutschland unter welchen Bedingungen verändert hat.

Da sich in der Literatur keine eindeutige, sich zum Teil sogar widersprechende Definitionen für den Begriff „politischer Partizipation“ finden liess, werde ich zu Beginn klären, wie er während dieser Arbeit verstanden werden soll.

Zur Erlangung von Erkenntnissen innerhalb der Partizipationsforschung werden Informationen aus Bevölkerungsumfragen verwendet, die nach statistischen Korrelationsberechnungen Rückschlüsse auf Zusammenhänge erlauben. Gerade weil die hier erörterten Erkenntnisse aufgrund von Stichprobenauswertung auf die gesamte deutsche Bevölkerung übertragen werden, werden erste Fehlerquellen für allgemein angewendete Aussagen deutlich. Diese ergeben sich dadurch, dass Befragungen generell nicht in allen Bevölkerungsschichten durchführt werden, bzw. einige Personenkreise Erhebungen nicht zulassen.

Um eine politische Beteiligung der Bevölkerung nachvollziehen zu können, habe ich das Modell des „Rational-Choice-Ansatzes“ und spezifisch das von A. Downs für den „rationalen Wähler“ angewandt. Dieses grundsätzlich einfache Modell wurde in der Literatur unterschiedlich interpretiert. Aus diesem Grund halte ich es für angemessen, ihn eingangs ebenfalls kurz zu erklären.

2. WAS IST POLITISCH MOTIVIERTES HANDELN?

Innerhalb der Disziplin der Sozialwissenschaften, widmet sich der Teilbereich der politischen Partizipationsforschung dieser Frage. Hier werden sämtliche Verhaltensweisen von Bürgern als natürliche 1 und juristische 2 Personen untersucht, die durch freiwilligen Die Partizipationsfunktion: Gründe und Formen politischen Engagements Einsatz mit ihren Handlungen darauf abzielen, auf politische Entscheidungsprozesse Einfluss zu nehmen3. Dabei wird jedes Handeln dann als politisch motiviert angesehen, wenn die politische Bedeutung dieser Aktivitäten direkt oder mittelbar zu erkennen ist.

Folgt man den Überlegung von van Deth, ist diese sehr allgemein gefasste Definition für moderne Gesellschaften problematisch, da selbst unter der Annahme einer klaren Abgrenzung der einzelnen Disziplinen das rationale Handeln von gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, privaten und politischen Bereichen beeinflusst wird. Als wichtige messbare Indikatoren für eine politische Partizipation werden hier traditionell die Beteiligung an Wahlen, Kontakte zu Politikern, die Unterstützung bestimmter Kandidaten und eine Parteienmitgliedschaft genannt. Seit den Revolten Ende der 1960er und Beginn der 1970er Jahre gehören auch Aktivitäten wie Demonstrationen, Unterschriftensammlungen oder Verkehrsblockaden zum legalen oder zumindest zum geduldeten Beteiligungsrepertoire der Bevölkerung. In Frage gestellt wird, ob und wenn wie politisch motiviertes Handeln erfasst werden soll, dass von der Führungselite als illegal geahndet und verurteilt wird, wie beispielsweise die Beteiligung an nicht genehmigten Demonstrationen, gewaltsame Ausschreitungen auf Demonstrationen, die Besetzung von leer stehenden Gebäuden oder Gewalt gegen Personen.

Die Differenzierung in legale und illegale Formen der politischen Meinungsäusserung wird auch von Kornelius berücksichtigt. Da in der Bundesrepublik Deutschland keine Wahlpflicht besteht, wird die Wahlbeteiligung als sehr kritisch betrachteter Gradmesser für politisches Engagement der Bevölkerung angesehen. Die Wahlbeteiligung und Volksentscheidungen werden daher auch als primäre Mittel der legalen Partizipation verstanden. Er weist wie Radtke darauf hin, dass sich die Formen der politischen Anteilnahme - gleichgültig ob konventionell oder unkonventionell - in den vergangenen Jahren kontinuierlich erweitert haben. So müssen neben Studentenprotesten und Friedensdemonstrationen auch Boykotte und Bürgerinitiativen als Formen politischen Engagements verstanden werden. Das Die Partizipationsfunktion: Gründe und Formen politischen Engagements Erstarken der NGO’s und das relativ neue Phänomen des transnational organisierten Kampfes gegen die Globalisierung werden als politisch motiviertes Handeln verstanden.

Schenkt man den Überlegungen von Radtke seine Aufmerksamkeit, muss gefragt werden ob nicht nur aktive Beteiligung, sondern auch mentale oder geistige Partizipation am politischen Geschehen als Engagement berücksichtigt werden muss. Das würde wiederum jede Handlung von der einfachen Beobachtung des politischen Geschehens aus einer Aussenseiterrolle bis hin zur aktiven Beeinflussung politischer Leitlinien durch den regierenden Bundeskanzler beinhalten. Gemäß dieser Definition werden aber noch keinerlei Kenntnisse über den tatsächlichen Erfolg der Partizipationsanstrengungen erzielt; also inwieweit eine versuchte Einflussnahe messbare und reale Auswirkungen auf das Ergebnis des politischen Entscheidungsprozesses hat.

2.1 DER NICHTWÄHLER

Nachdem einige Verhaltensformen angesprochen wurden, die als politisches Engagement gedeutet werden können, muss auch das Phänomen des politisch motivierten NichtHandelns erwähnt werden. Die Verweigerung sich am politischen Leben zu engagieren kann am besten durch das Wahlverhalten veranschaulicht werden. So beschäftigt sich die Nichtwählerforschung mit der Frage, was Teile der Bevölkerung dazu veranlasst, ihr politisches Mitbestimmungsrecht nicht in Anspruch zu nehmen.

Trotz der Tatsache, dass die Wahlbeteiligung in der Bundesrepublik Deutschland seit den 1970er Jahren signifikant abgenommen hat, muss hier eine Trennung von technischen und konjunkturellen, bzw. bekennenden Nichtwählern vorgenommen werden. Denn geschätzte vier bis fünf Prozent aller Wahlberechtigten sind in Wählerlisten vermerkt, ohne eine Wahlbenachrichtigung erhalten zu haben, sind in den Listen doppelt geführt, aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage zu wählen, kurzfristig verzogen oder gar gestorben. In diese Schätzung werden auch Angehörige bestimmter Glaubensgemeinschaften gezählt, die generell nicht an demokratischen Wahlen teilnehmen (Kornelius, S. 32).

Ein weiteres Problem, dass sich bei der Ermittlung von Nichtwählern ergibt, entsteht während der Datenerhebung, auf die später noch genauer eingegangen wird. Bei Die Partizipationsfunktion: Gründe und Formen politischen Engagements Bevölkerungsumfragen wird ein Teil der Befragten aufgrund „sozial erwünschten Verhaltens“ eine beabsichtigte Wahlenthaltung nur ungern zugegeben. Aus diesem Grund sind politisch motivierte Nichtwähler nur schlecht genau zu identifizieren.

Um dennoch einen relativ guten Überblick über die Quote der Nichtwähler zu erhalten, wurde beispielsweise in der Studie „Politische Partizipation in Deutschland“ diese Gruppe in bekennende Nichtwähler, noch Unentschlossene und potenzielle Nichtwähler weiter unterteilt. Das macht erst eine fundierte Ursachen- und Motivforschung möglich, da die Beteiligungsbereitschaft bzw. die tatsächliche Beteiligungsquote am politischen Geschehen als ein generelles Mass der Zustimmung und Unterstützung, bzw. der Missgunst und des Vertrauensentzugs angesehen werden kann.

Um diese Messbarkeit etwas zu relativieren, kann eine fehlende Unterstützung durch die real sinkende Wahlbeteiligung nicht nur als stillschweigender Protest, sondern auch als emotionslose Zustimmung angesehen werden (Kornelius, S. 33).

3. MESSVERFAHREN FÜR POLITISCHES ENGAGEMENT

Wie einleitend bereits erwähnt wurde, ist die Auswertung von Bevölkerungsumfragen die populärste Möglichkeit, den Grad der politischen Partizipation festzustellen. Die „allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften“ (ALLBUS) erhebt seit 1980 im Abstand von zwei Jahren Daten über Einstellungen/Meinungen, Verhaltensweisen und Sozialstruktur der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland. Die Primärdaten werden quantitativ überwiegend durch geschlossene Fragestellungen erhoben und mit Hilfe der deskriptiven Statistik ausgewertet. Zur Auswertung und einer anschliessenden Vergleichbarkeit der unüberschaubaren Datenmenge, ist es dem Befragten nur möglich aus bereits vorgegebenen Fragen eine oder mehrere Antworten zu wählen, die auf ihn am besten zutreffen.

Für eine annähernd verlässliche Aussage über die aktuelle Haltung der deutschen Bevölkerung, wird aus der Grundgesamtheit (hier: Gesamtbevölkerung) zeitnah eine „repräsentative“ Stichprobe/Teilmenge der Deutschen befragt. Die ALLBUS 1998 verwendete hierfür eine willkürliche Befragung von Haushalten, von denen jeweils nur eine Person der dort Lebenden befragt wurde. Die Auswahlchance des tatsächlich Befragten hängt dabei von der Anzahl der dort lebenden Personen ab.

Die Partizipationsfunktion: Gründe und Formen politischen Engagements Unabhängig von der Frage über die jeweilige Gewichtung der Antworten des Befragten im Zusammenhang mit der Grösse des Haushalts, muss auf eine weitere Tatsache aufmerksam gemacht werden. Formal nicht erwähnenswert, scheint es real sehr schwer eine Befragung von Haushalten, bzw. über das Telefon vollkommen willkürlich und wertungsfrei durchzuführen. Wie später noch näher erläutert werden wird, besteht auch eine Korrelation zwischen dem Bildungsstand, bzw. dem beruflichen Status und einer Partizipationsbereitschaft. Demnach wird sich ein Teil der Bevölkerung generell Befragungen entziehen und einige der ausgewählten Haushalte ihre Aussagen verweigern. Die fehlgeschlagenen Versuche einer Meinungsumfrage werden aber statistisch nicht erfasst. Bei Telefonumfragen ist außerdem zu bedenken, dass die zufällige Auswahl und Generierung von Telefonnummern aus bestimmten Wahlkreisen auch dadurch eingeschränkt wird, dass zwar viele aber eben nicht alle deutschen Haushalte ein Festnetzanschluss haben. Gegenwärtig sind etwa 95 bis 96 Prozent der Haushalte in Deutschland an das Telefonnetz angeschlossen, wobei der Trend zur ausschliesslich mobilen Erreichbarkeit wächst.

Trotz der Hinterfragung, ob jeder Bürger der Bundesrepublik Deutschland die gleiche Chance hat, an einer Bevölkerungsumfrage beteiligt zu werden, bleibt zusammenfassend festzuhalten, dass für die Repräsentativität generell weniger der relative Anteil der Stichprobengröße an der Grundgesamtheit von Bedeutung ist, sondern die absolute Größe. Es gilt daher: Je größer die Stichprobe, desto repräsentativer die Aussage über die Grundgesamtheit (Bahrenberg, S. 17 ff.).

4. DER „RATIONAL-CHAICE-ANSATZ“

Der „Rational-Choice-Ansatz“ ist ein ökonomisches Modell rationaler Wahlhandlungen, das von nutzenoptimierenden Akteuren ausgeht. Allgemein wird der Nutzen eines Gutes dadurch bestimmt, wie sehr es zur Bedürfnisbefriedigung der Individuen beiträgt. Folglich ist es jedem Menschen möglich die begehrten Güter auf ihren Nutzen zu vergleichen, nach Präferenz zu prüfen und schließlich entsprechend seiner maximalen Dienlichkeit zu handeln.

Die breite Akzeptanz dieses Ansatzes in den Politikwissenschaften, wo er auch als „Public- Choice-Theorie“ oder „Neue politische Ökonomie“ verstanden wird, beruht auf der Die Partizipationsfunktion: Gründe und Formen politischen Engagements einfachen Beobachtung, dass auch politische Akteure als egoistische Nutzenmaximierer verstanden werden. Die Theorie des rationalen Handelns, gemäß einem Zweck-Mittel-Kalkül, wurde von Max Weber erstmalig entwickelt, in der die Akteure als hominis oeconomici zusammenfasst wurden. Anthony Downs griff in seinem Werk „An Economic Theory of Democracy“ von 1957 diesen Ansatz für den rationalen Wähler auf (Glück, S. 37 ff.). In Bezug auf die Wahlbeteiligung stellt sich nun die Frage, welchen Vorteil/Nutzen die Beteiligung an Wahlen für den mündigen Bürger mit sich bringt und welche Nachteile/Kosten ihm dadurch entstehen. Als einen mittelbaren Nutzen wird das zukünftige Regierungshandeln verstanden. Somit wird das Wählen hier als eine Zukunftsinvestition betrachtet, dessen Nutzen aus der Sicht des Wählers darin besteht, dass die von ihm gewählte Partei eine subjektiv bessere Politik betreibt, als die anderen Parteien. Daraus folgt, dass ein Wähler sich nur dann bei Wahlen beteiligt, wenn sich die Ziele der gelisteten Parteien voneinander unterscheiden. Desweiteren muss es gewährleistet sein, dass die einzelne Stimme des Wählers entscheidend für den Ausgang der Wahl ist. Würde die bevorzugte Partei nämlich auch ohne dessen Beteiligung gewinnen, bzw. wäre eine Niederlage auch ohne Stimmenabgabe gewiss, gäbe es für den rationalen Wähler keinen Anlass, sich zu beteiligen. Aufgrund der gegenwärtig etwa 61,4 Mio. Wahlberechtigten4 in Deutschland, ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine einzige Stimme den Ausgang der Wahl entscheidet, vernachlässigbar. Der Theorie von A. Down folgend ist so auch der effektive Nutzen eines Wählers sehr gering.

Dem geringen Nutzen stehen jedoch unmittelbare Kosten gegenüber, die dem Wähler zum einen dadurch entstehen, dass er sich über die Ziele und die Unterschiede zwischen den gelisteten Parteien informieren muss. Die so genannten Entscheidungskosten beinhalten demnach den Aufwand der betrieben werden muss, um eine subjektiv nützlichste Wahlentscheidung verbessern zu können. Dieser Aufwand ist unterschiedlich schwer zu gewichten, wird aber aufgrund des geringen Nutzens ebenfalls sehr gering sein. Das lässt darauf schließen, dass der rationale Wähler nicht besonders gut informiert ist. Zum anderen muss der Wähler die so genannten Opportunitätskosten berücksichtigen, die ihm dadurch entstehen, dass er sich an der Wahl beteiligt, statt in dieser Zeit einer anderen Tätigkeit nachzugehen.

[...]


1 Natürliche oder Privatpersonen haben, gemäß des Grundsatzes der Privatautonomie, die Freiheit selbst Regelungen ihrer Lebensverhältnisse zu treffen und im Bezug auf politische Partizipation das Recht ihre Interessen durchzusetzen (Brox, S. 19).

2 Juristische Personen des privaten Rechts sind Vereine und Stiftungen. Zur Durchsetzung eines politischen Willens als Kollektiv sind allerdings nur Vereine zulässig. Vereine sind Personenvereinigungen zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks (Brox, S. 331).

3 Siehe dazu auch Iris A. Huth: Politische Verdrossenheit. (=Politik und Partizipation, Bd. 3); S. 151

4 Die Zahl der Wahlberechtigten bezieht sich auf die letzte Bundestagswahl vom 22. September 2002.

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Details

Titel
Die Partizipationsfunktionen. Gründe und Formen politischen Engagements
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Politik- und Sozialwissenschaften)
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
21
Katalognummer
V285785
ISBN (eBook)
9783656866091
ISBN (Buch)
9783656866107
Dateigröße
558 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Politikwissenschaft, Parteiensysteme, Wahlbeteiligung in Deutschland, aktiver Nichtwähler, Protestwähler, Politikverdrossenheit
Arbeit zitieren
Lars Bräunig (Autor:in), 2005, Die Partizipationsfunktionen. Gründe und Formen politischen Engagements, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/285785

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