Locker an der Leine. Wie man seinem Hund das Ziehen abgewöhnt


Skript, 2008

22 Seiten

Angie Mienk (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Anhang – Guck mal, wer da zieht
Wann zieht der Hund?
Halsband und Co

Wer zieht denn nun wirklich?
Temperamente sind verschieden
Das Anlegen des Brustgeschirrs
Gewöhnung an das Brustgeschirr und Leine
Das Stopp!
Übung 1 – Slowly = Langsam
Übung 2 – Slalom
Abenteuer-Spaziergang

Richtungswechsel

Guck mal, wer da zieht..

Wir haben 1280 Hundehalter zu ihren Problemen mit ihrem Hund befragt. Das Ergebnis dieser, wenn auch nicht unbedingt repräsentativen Umfrage, war erschütternd: 29 % der Befragten, also 371 Hundehalter haben einen Hund, der wie verrückt an der Leine zieht. Was noch mehr erschüttert, ist allerdings die Tatsache, dass von diesen 371 Hundehaltern 242 wegen dieser Sache eine Hundeschule besucht haben und das „Problem“ dadurch nicht gelöst wurde – die Hunde ziehen noch immer!

Auch in unserer Praxis haben wir immer wieder Hunde, die wie eine Dampflok ihr Frauchen oder Herrchen durch die Gegend ziehen. Das wäre ja nicht weiter schlimm, wenn nicht durch diese Zieherei die Gesundheit der jeweiligen Hunde akut gefährdet wäre.

Wann zieht der Hund?

Zunächst klären wir einmal die Frage, wann ein Hund überhaupt zieht. Ein Hund, der die volle Länge seiner Leine ausnutzt, mal hier und da schnüffelt, der zieht nicht unbedingt! Die Leine ist zwar straff, der Hundeführer kann sie jedoch noch locker mit einem oder zwei Fingern halten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hier sieht man schön, wie die Leine durchhängt, obwohl Lola (Hund) sich den Weg aussucht und herum schnüffelt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

So sieht es im Idealfall aus: der Hund kann sich innerhalb der 2 m Begrenzung der Leine frei bewegen – der Spaziergang ist entspannt für beide.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hier zieht Lola wirklich. Deutlich zu sehen, wie sich der Hund ins Geschirr legt und wie der Arm des Hundeführers ausgestreckt ist. Der Hundeführer braucht hier schon die geschlossene Faust, damit ihm die Leine nicht entgleitet.

Locker an der Leine gehen bedeutet also folgendes:

- der Hund kann sich innerhalb seiner Begrenzung durch die Leine frei bewegen
- Schnüffeln, schauen und mal stehen bleiben ist in Ordnung
- an Straßen bleibt der Hund auf der dem Verkehr abgewandten Seite (wir führen also entweder rechts oder links und keineswegs den Hund immer links, wie es manchmal gelehrt wird.
- Der Hundeführer kann die Leine an der Schlaufe mit einem oder zwei Fingern halten, ohne dass sie ihm entgleitet (oder entrissen wird), auch wenn die Leine dabei manchmal voll ausgenutzt wird

Halsband und Co...

Halsbänder und Geschirre gibt es in vielen verschiedenen Ausführungen, ganz abgesehen von den sogenannten Erziehungshalsbändern oder Erziehungsgeschirre. Die wenigsten Hundehalter machen sich wirklich Gedanken um die Wirksamkeit dieser „Hilfsmittel“. Deshalb beginnen wir hier zunächst damit, die einzelnen „Ausrüstungsgegenstände“ zu erläutern.

Jede Art von Halsband wirkt zunächst auf den Hals des Hundes (wie der Name schon sagt).

Der Hals als soziales Organ des Hundes sollte jedoch vor unnötigen Einwirkungen geschützt werden. Der Hals spielt in der taktilen Kommunikation der Hunde eine wesentliche Rolle: Berührungen an der Oberseite des Halses sind nur Freunden oder befreundeten Menschen gestattet. Berührungen an der Unterseite des Halses dagegen sind nur engsten Freunden oder Familienmitgliedern gestattet (Bedenke, dass der Hund, der Dir voll und ganz vertraut, die untere Halsseite zum Streicheln offenbart.) Die Seitenpartien des Halses sind nur ganz guten Freunden vorbehalten (Pflegeverhalten). Der Hals ist auch bei uns Menschen eine sehr empfindliche Körperpartie und Berührungen am Hals sind etwas sehr intimes. Denk nur an den Ausspruch:

"Bleib mir bloß vom Hals."

Gehen wir zunächst also den Wirkungsweisen auf den Grund:

1. normales Halsband aus verschiedenen Materialien

Trägt der Hund ein Halsband, so stumpft die Empfindsamkeit für diese Signale ab, da der Hund praktisch ständig irgendwo am Hals Impulse erhält.

Den meist sehr unangenehmen Auswirkungen durch das Tragen eines Halsbandes versucht der Hund sich oftmals zu entziehen. Durch Flucht nach vorne versucht der Hund, sich den unangenehmen Auswirkungen des Halsbandes zu entziehen und schon entsteht das Ziehen an der Leine. Viele Menschen versuchen nun, dem Hund durch Leinenruck dieses Ziehen abzugewöhnen. Dass diese Methode reine Tierquälerei bedeuten, brauche ich hier wohl nicht auszuführen.

Der unangenehme Leinenruck wird vom Hund, da er einen Impuls an der Halsunterseite bekommt, als plötzlicher Angriff angesehen und löst so eine erneute Fluchtreaktion aus. Häufig gibt es aus diesem Teufelskreis kein Entkommen mehr.

Es kommt aber noch schlimmer: Ein Halsband wirkt immer auch auf die Wirbelsäule. Zwischen den Halswirbeln liegen die Bandscheiben, welche durch einen plötzlichen Ruck – beispielsweise, wenn sich der Hund erschreckt – geschädigt werden können. Stauchungen können die Folge sein. Aber auch der Kehlkopf befindet sich im Einwirkungsbereich des Halsbandes und kann durch plötzlichen Druck gestaucht oder geprellt werden. Je dünner und schmaler das Halsband ist, umso schlimmer ist die Wirkung.

Inzwischen gibt es auch Studien, die belegen, dass Hunde, die an Halsbändern geführt werden und an der Leine ziehen, durch die Einschränkung der Blutzufuhr zum Gehirn und damit auch zum Sehzentrum, öfter erblinden als andere Hunde. Ebenso sind viele Probleme an der gesamten Wirbelsäule auf das Führen des Hundes am Halsband zurückzuführen. Eine Verspannung des Halses wirkt sich auf das gesamte Skelett aus.

Gegen die Nutzung eines Halsbandes, gleich welcher Art spricht auch, dass durch Halsbänder die Verständigung der Hunde untereinander nicht nur erschwert, sondern oft genug missverständlich wird. Gehen wir mit unserem Hund an der Leine spazieren und begegnen dabei anderen Hunden, kann man vielfach gegenseitige Beschwichtigungssignale wie Wegschauen, Züngeln usw. beobachten. Diese Gesten sagen dem Gegenüber, dass man nicht kampfbereit sondern friedlich gestimmt ist. Zieht der Mensch nun am Halsband den Kopf des eigenen Hundes hoch, so signalisiert dieser unbeabsichtigt dem Gegenüber eine gewisse Bereitschaft zur Rauferei: Komm her, dir zeig ich's. Leicht entstehen allein durch solche Missverständnisse Leinenraufereien (Leinenaggression war das 3. häufigste Problem unserer Umfrage).

2. Zughalsbänder und Würgehalsbänder (mit und ohne Stopp)

Nach den obigen Ausführungen ist Dir wohl klar geworden, dass Du schon mit einem ganz „normalen“ Halsband eine Menge Schaden anrichten kannst (beabsichtigt oder unbeabsichtigt) Wie es dann mit Zug-oder Würgehalsbändern aussieht, kannst Du Dir ja nun ausmalen. Sie sind reine Tierquälerei, völlig egal, was Dein Trainer auch dazu sagt oder meint.

Zu diesem Thema möchte ich jedoch noch folgendes bemerken, weil es sehr häufig vorkommt: In manchen Hundeschulen ist das Tragen eines Brustgeschirrs gar nicht erst erlaubt oder gar die Nutzung eines Würgehalsbandes Pflicht. Diese Auffassungen beruhen immer noch auf der irrigen Annahme, man könne einen Hund nur mit Hilfe des Leinenrucks am Hals erziehen. Man soll angeblich damit die eigene „Dominanz“ unterstreichen. Die moderne Hundeerziehung kommt allerdings schon lange und auch sehr gut ohne das veraltete Hilfsmittel Leinenruck aus! Und meiner Meinung nach, taugt ein Trainer oder Hundeführer nichts, der auf Gewalt (sei sie physischer oder psychischer Natur) zurück greifen muss. Dabei ist es auch völlig gleichgültig, wie der Trainer seine Methode nennt. Gewalt kommt immer dann zum Tragen, wenn der Verstand nicht ausreicht!

Leinenführigkeit hat auch nichts mit dem „Rang“ zwischen Mensch und Hund zu tun. Viele Menschen glauben leider immer noch, ständig „den Chef raushängen lassen zu müssen“ und wählen dazu unter anderem den Leinenruck am Halsband. Es wird einzig eine (meist nur kurzfristige) Veränderung über das Meideverhalten erreicht. Wer seinen Hund so erziehen will, der sollte seine Einstellung zu seinem Tier überdenken. Wir setzen auf die Kommunikation und das Miteinander mit dem Hund, denn nur darüber ist eine wirklich freudige und tierschutzgerechte Ausbildung möglich.

3. Erziehungsgeschirre verschiedener Art

Mit der gleichen Begründung wie oben erwähnt, verbieten sich die sogenannten „Gentle-Dog“-Geschirre oder „Geh-bei-Fuß-Trainer“, die mit dünnen Riemchen unter den Achseln des Hundes einschnüren und damit auch wieder über Schmerz = Meideverhalten arbeiten.

4. Haltis und Co

Ein Halti kann, kurzfristig und richtig angewandt, bei einem großen, bereits seit Jahren dampflokartig ziehenden Hund ein Hilfsmittel sein (welches wir trotzdem ablehnen). Das Halti ist eine Art „Halfter“, es bewirkt, dass der Hundeführer den Kopf des Hundes „kontrolliert“. Das heißt: der Hund zieht nach vorne, der Hundeführer hält die Leine am Halti und zieht damit den Kopf des Hundes in seine (also Hundeführer) Richtung. Der Hund muss den Kopf wenden und kann somit nicht weiter nach vorne stürmen. Leider werden Haltis in der Regel auf Dauer und alles andere als fachgerecht angewandt. Damit man mit einem Halti seinem Hund nicht versehentlich den Hals verdreht oder ihm gar aus Versehen das Genick bricht, gehört ein Halti immer auch ins Halsband eingeschnallt. Auf der Verpackung des Original-Haltis steht das auch in der Bedienungsanleitung drauf. Leider sehe ich immer wieder Menschen, die diese Anleitung nicht befolgen. Und wieder sind mindestens Schäden an der Halswirbelsäule oder gar der gesamten Wirbelsäule abzusehen, wenn nicht Schlimmeres geschieht. Ein Halti sollte also nur in absoluten Ausnahmefällen und zusammen mit einem wirklichen Profi (also nicht Hobbytrainer X) höchstens drei Mal angewendet werden!!!

6. Brustgeschirre

Hier kommen wir nun zum „einzig Wahren“ -dem Brustgeschirr. Doch auch hier gibt es gewaltige Unterschiede:

Ein gutes Brustgeschirr soll aus einem weichen, leichten Material sein, das sich dem Körper des Hundes anschmiegt. Weder Material noch Nähte oder Nieten dürfen einschneiden. Das Material sollte waschbar sein, d.h. auch die Schnallen sollten die Waschmaschine unbeschadet überstehen. Für trockenes Wetter eignen sich mit Fleece unterlegte Geschirre, wenn es aber regnet oder der Hund schwimmt, haben sich mit Neopren unterlegte Brustgeschirre wesentlich besser bewährt.

Die Verschlüsse sollten haltbar, strapazierfähig und der Körperform angepasst sein (abgerundet). Der Rückensteg sollte fest vernäht sein, damit er beim Laufen nicht hin und her rutscht. Ideal ist es, wenn das Geschirr von 2 Seiten zu öffnen ist, dann muss der Hund nicht mit der Pfote einsteigen – jeder Hund lernt das aber auch schnell. Der Rücken- und der Bauchsteg sollten lang genug gearbeitet sein. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Verstellbarkeit des Bauchstegs. Ist er zu kurz, kommen die Seitenteile zu nah hinter den Ellbogen hoch und können dort scheuern. Optimal sitzt das Geschirr, wenn zwischen Ellbogen und Seitenteilen etwa eine Handbreit Platz ist, bei Welpen etwa 2-3 Finger breit. Die Breite der Gurte sollte dem Gewicht des Hundes angepasst sein. Manche Hunde, die das Tragen eines Brustgeschirrs noch nicht gewohnt sind, knabbern gern an den Stoffgurten herum. Deshalb den Hund niemals mit angelegtem Geschirr alleine lassen, es ist unmittelbar vor dem Spaziergang erst anzulegen und unmittelbar nach dem Spaziergang wieder abzulegen.

Welche Vorteile hat nun ein Brustgeschirr?

Ein gut sitzendes Brustgeschirr schont die Halswirbelsäule deines Hundes. Du musst wissen, dass die Wirbelsäule eines Hundes genauso wie die menschliche aufgebaut ist. Wird im Training mit z.B. einem Kettenhalsband und mit Leinenruck gearbeitet, kann es passieren, dass der vom Halsband ausgehende Druck genau zwischen zwei Wirbeln abgefangen wird, was je nach Stärke der Einwirkung sogar zu Bandscheibenverschiebungen führen kann.

Ein gutes Brustgeschirr verhindert eben alle die Nachteile, die zuvor schon besprochen wurden.

Immer wieder kommen Gerüchte auf, nach denen der Hund mit Brustgeschirr das Ziehen lernt. Das ist völlig falsch. Hunde lernen das Ziehen, wenn sie Erfolg damit haben, d.h. wenn sie weiterkommen. Und das tun sie auch am Halsband. Sie lernen das Ziehen, wenn sie vor einem Druck oder Schmerz davon laufen wollen – und das geschieht nur am Halsband.

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Locker an der Leine. Wie man seinem Hund das Ziehen abgewöhnt
Autor
Jahr
2008
Seiten
22
Katalognummer
V285905
ISBN (eBook)
9783656858072
ISBN (Buch)
9783668139176
Dateigröße
1122 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
locker, leine, hund, ziehen
Arbeit zitieren
Angie Mienk (Autor:in), 2008, Locker an der Leine. Wie man seinem Hund das Ziehen abgewöhnt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/285905

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