Umringt von zahlreichen Medienvertretern und verdienten Parteigenossen betritt Anfang 2012 der chinesische Politiker Xi Jinping unter den Ovationen des Publikums das Rednerpult zur Feier des 30jährigen Bestehens der aktuellen Verfassung der Volksrepublik China. Auf den Schultern des im gleichen Jahr angetretenen Staatspräsidenten und Generalsekretärs der Kommunistischen Partei ruhen zu dieser Zeit die Hoffnungen sowohl chinesischer Reformer wie auch westlicher Beobachter auf rechtsstaatliche Umgestaltungen des chinesischen Systems hin zu einem auf Gewaltenteilung, Demokratie und Achtung der Verfassung begründeten Konstitutionalismus.
Und tatsächlich, zu diesem symbolträchtigen Anlass scheint er die in ihn gesetzten Erwartungen nicht zu enttäuschen: Statt dem Thema wie sein Vorgänger an der Spitze der KPCh, Hu Jintao, auszuweichen, unterstreicht Xi unter den Augen der medialen Öffentlichkeit, dass niemand, keine Organisation und keine Einzelperson, über der Verfassung stünde, dass die von ihr garantierten Bürger- und Menschenrechte auf allen Ebenen eingehalten werden müssten und dass China sich zum Konstitutionalismus bekenne.
Die durch die Medien und die sozialen Netzwerke rasend schnell verbreitete Nachricht von Xis Bekenntnis zu den in der chinesischen Verfassung garantierten Bürgerrechten und der Durchsetzung des Prinzips des Rule of Law gegenüber allen Mitgliedern der Gesellschaft setzte in der Folge eine öffentlich wie privat geführte Debatte über die Perspektiven konstitutionalistischer Reformen in China in Gang, die bis heute anhält.
Doch was bedeutet diese erste, öffentliche Nutzung des Worts „Konstitutionalismus“ in einem positiven Zusammenhang in einem Land, in der anders als im Westen jeder Geste, jedem Ort und eben jedem Wort ein besondere Bedeutung zukommt und in der deswegen nichts dem Zufall überlassen wird? Verheißt sie bereits den Sieg des reformorientierten, gar den westlichen Konzepten des Rechtsstaats nacheifernden Flügels der Partei über die alte Nomenklatura? Und wie stehen die Chancen für eine zumindest mittelfristige Realisierung konstitutionalistischer Prinzipien in China?
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Der Status Quo des Konstitutionalismus in China
- a. Der Stellenwert der Verfassung
- b. Die Unabhängigkeit der Justiz
- c. Die Rolle der Kommunistischen Partei
- III. Reform des Systems durch das System
- a. Liberale und Reformer
- b. Die Maoisten
- c. Die Nationalisten
- IV. Reformbestrebungen jenseits des Systems
- a. Zivilgesellschaftliches Engagement
- b. Der Druck der internationalen Gemeinschaft
- c. Die wirtschaftliche Öffnung
- d. Unvorhergesehene Ereignisse
- e. Die Rolle der medialen Öffentlichkeit
- V. Am Scheideweg zwischen Reform und Stagnation
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert den aktuellen Stand des Konstitutionalismus in China und untersucht verschiedene Reformansätze, die sowohl innerhalb des Systems als auch von externen Akteuren angestrebt werden. Sie beleuchtet die Herausforderungen und Chancen, die sich aus dem Spannungsfeld zwischen Reform und Stagnation ergeben.
- Der Status Quo des Konstitutionalismus in China
- Die Rolle der Verfassung und der Kommunistischen Partei
- Reformansätze innerhalb und außerhalb des Systems
- Die Bedeutung der internationalen Gemeinschaft und der medialen Öffentlichkeit
- Die Frage nach der Zukunft des Konstitutionalismus in China
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Ausgangspunkt der Arbeit dar und beleuchtet die Bedeutung des Konstitutionalismus in China im Kontext der politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Sie führt in die Thematik ein und stellt die zentralen Fragestellungen der Arbeit vor.
Kapitel II analysiert den Status Quo des Konstitutionalismus in China. Es beleuchtet den Stellenwert der Verfassung, die Unabhängigkeit der Justiz und die Rolle der Kommunistischen Partei. Es werden die Herausforderungen und Grenzen des bestehenden Systems aufgezeigt.
Kapitel III untersucht verschiedene Reformansätze, die innerhalb des Systems angestrebt werden. Es stellt die Positionen von liberalen Reformer, Maoisten und Nationalisten dar und analysiert deren Einfluss auf die politische Landschaft Chinas.
Kapitel IV widmet sich Reformbestrebungen jenseits des Systems. Es beleuchtet das zivilgesellschaftliche Engagement, den Druck der internationalen Gemeinschaft, die wirtschaftliche Öffnung, unvorhergesehene Ereignisse und die Rolle der medialen Öffentlichkeit.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Konstitutionalismus, die Verfassung, die Kommunistische Partei Chinas, Reformansätze, Rechtsstaatlichkeit, Zivilgesellschaft, internationale Beziehungen, Medien und die Zukunft Chinas.
- Quote paper
- Tim Alexander Hagemann (Author), 2014, Perspektiven des Konstitutionalismus in China, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/286500