Factory Outlet Center. Großflächiger Einzelhandel und planungsrechtliche Anforderungen in Deutschland


Bachelorarbeit, 2014

85 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Einleitung
1.2 Darstellung der Forschungsfrage
1.3 Ableitung der Forschungsfrage

2. Die Steuerung von Einzelhandelsansiedlungen und Factory Outlet Centern (FOC) in Deutschland
2.1 Entwicklung des deutschen Einzelhandels
2.2 Entstehung des FOC-Konzeptes
2.3 Erfordernisse der Steuerung
2.4 Ziele der Steuerung
2.5 Instrumentarien
2.5.1 Bundesebene
2.5.2 Landes- und Regionalebene
2.5.3 Kommunale Ebene
2.6 Kritische Betrachtung der Steuerung

3. Herausforderungen und Auswirkungen für den großflächigen Einzelhandel und für Factory Outlet Center in Deutschland
3.1 Restriktionen der deutschen Raumordnung für den großflächigen Einzelhandel und Factory Outlet Center und daraus resultierende Herausforderungen
3.1.1 Beispiel Ingolstadt Village
3.1.2 Beispiel IKEA-HOMEPARK Projekt Wuppertal
3.2 Auswirkungen der Restriktionen für den deutschen Einzelhandel
3.2.1 Pro Restriktionen:
3.2.2 Contra Restriktionen:
3.3 Zukunftsausblick für den großflächigen Einzelhandel und für Betreiber von Factory Outlet Centern in Deutschland

4. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang
I Experteninterview IKEA Deutschland
II Experteninterview Stadt Remscheid
III Experteninterview Decathlon
IV Experteninterview ecostra
V Profile der standardisierten großflächigen Lebensmittel-Betriebstypen
VI Gegenüberstellung von Einzelhandelsumsatz und Flächenbestand in Deutschland 79

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Verkaufsflächenentwicklung in Deutschland 1950-2000

Abbildung 2: Einzelhandelsansiedlung Tuttlingen

Abbildung 3: Das System der deutschen Raumplanung

Abbildung 4: Gegenüberstellung von Einzelhandelsumsatz und Flächenbestand in Deutschland

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Profile der standardisierten großflächigen Lebensmittel-Betriebstypen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1 Einleitung

Deutschland stellt im Vergleich zum europäischen Ausland eine Besonderheit im Um- gang mit der Zulassung großflächiger Einzelhandelsprojekte1 auf der „grünen Wiese“2 dar. Das restriktive Planungsrecht zur Sicherung der Belebbarkeit der Innenstädte ist in diesem Umfang konkurrenzlos. Die generell schon hohen Anforderungen im deutschen Planungsrecht zur Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe außerhalb der Innen- stadt, werden durch die Handlungsspielräume, die sich aus dem deutschen Planungs- recht für Kommunen, Regionen und Länder ergeben, noch ergänzt. Dabei stehen nicht nur die Interessen der großflächigen Einzelhandelsunternehmen den jeweiligen Kom- munen gegenüber. Auch die ablehnende Haltung des innerstädtischen Einzelhandels, der Kaufkraftabflüsse befürchtet und der Nachbargemeinden, die negative Auswirkun- gen auf die eigene Versorgungsstruktur befürchten wirken auf die Kommunen ein. Die höheren Verwaltungsbehörden, wie Landes- und Bezirksregierung, können ebenfalls noch ihr Veto einlegen.

Besonders deutlich wird die unterschiedliche Handhabung mit großflächigen Projekten, wenn das Beispiel Factory Outlet Center (FOC) näher betrachtet wird. Bei der Anzahl von genehmigten und entwickelten FOC hinkt Deutschland den europäischen Nachbarn Großbritannien, Italien, Frankreich oder Spanien deutlich hinterher. Im Folgenden dieser Forschungsarbeit wird zunächst ein Überblick über Stand und Entwicklung des Einzelhandels in Deutschland bis heute gegeben (2.1) und das Konzept Factory Outlet Center dargestellt (2.2). In den Gliederungspunkten 2.3 und 2.4 werden die Gründe und Ziele des Gesetzgebers für das restriktive Planungsrecht erörtert. Die rechtlichen Grundlagen und entsprechenden Instrumentarien zur Steuerung des Einzel- handels werden in 2.5 erläutert und abschließend in 2.6 kritisch betrachtet. Punkt 3 zeigt die Herausforderungen und Auswirkungen auf, die sich durch die Handhabung des deutschen Planungsrechts für die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe und FOC ergeben. Die Herausforderungen werden anhand der Beispiele IKEA- HOMEPARK Projekt Wuppertal und FOC Ingolstadt-Village erarbeitet. Zur weiteren Einordnung der Auswirkungen werden empirische Experteninterviews mit Vertretern von dem Sportfilialisten Decathlon, der Handelsberatung ecostra, dem Einrichtungshaus IKEA und der Stadt Remscheid herangezogen. Zuletzt wird ein Überblick über eine mögliche zukünftige Entwicklung im Bereich großflächiger Einzelhandel und FOCs in Deutschland gegeben. Auch dazu werden, neben Literaturquellen, die Ergebnisse der Expertenbefragungen genutzt. Punkt 4 schließt die Arbeit mit einem Fazit und gibt eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse.

1.2 Darstellung der Forschungsfrage

Aus der dargelegten Situation in der Einleitung ergab sich die Forschungsfrage der vor- liegenden Arbeit: „ Welche Vor- und Nachteile der Zulassung von gro ß fl ä chigen Einzel- handelsprojekten ergeben sich f ü r die Stadtentwicklung? “. Die Forschungsfrage diente auch als Leitfrage und konzeptioneller Rahmen für die geführten Experteninterviews.

1.3 Ableitung der Forschungsfrage

Die Darlegung der einzelnen Nachteile (pro Restriktionen) für die Stadtentwicklung sowie der einzelnen Vorteile (contra Restriktionen) in der vorliegenden Arbeit, geben ein aktuelles Meinungsbild der Marktteilnehmer, der Städte und einem unabhängigen Beratungshaus. Im Zusammenhang mit diesen Erkenntnissen, soll die Forschungsfrage Aufschluss darüber geben, ob die restriktive Haltung der Kommunen und Länder ge- genüber geplanten großflächigen Einzelhandelsprojekten tatsächlich die Innenstädte schützt und einen Mehrwert zur Stadtentwicklung bringt oder ob die Stadt in ihrer Ent- wicklung eher beeinträchtigt wird.

2. Die Steuerung von Einzelhandelsansiedlungen und Factory Outlet Centern (FOC) in Deutschland

Kapitel 2 setzt sich mit den planungsrechtlichen Instrumenten, die vom Gesetzgeber vorgegeben werden, auseinander. Dazu gehören die Raumordnungspolitik des Bundes und der Länder, bis hin zu den Kommunen und das Baurecht, mit besonderem Fokus auf die Baunutzungsverordnung (BauNVO). Für ein besseres Verständnis der Zusam- menhänge im Verlaufe dieser Arbeit, gibt das Kapitel einen Überblick über die Ent- wicklung des deutschen Einzelhandels und des FOC-Konzeptes sowie eine kurze Ein- führung in die Erfordernisse und Ziele auf denen die Steuerung basiert.

2.1 Entwicklung des deutschen Einzelhandels

Die Entwicklung des deutschen Einzelhandels ist durch die Trends verschiedener Kennzahlen geprägt. Für die Entwicklung des großflächigen Handels in Deutschland ist besonders die Veränderung der Flächennachfrage relevant. Im Rahmen der vorliegenden Bachelorarbeit, wird deswegen aus Zeit- und Umfangsgründen lediglich die Entwicklung der Fläche betrachtet.

Die Ausprägung des deutschen Einzelhandels und die unterschiedlichen Betriebstypen wie zum Beispiel Tante-Emma-Laden, Supermarkt, Einkaufszentrum oder auch Factory Outlet Center basieren alle auf dem Konzept eines Marktes oder einer Markthalle. Einer Ansammlung von Ständen, die verschiedene Waren zum Verkauf anbieten und die Be- völkerung mit Lebensmitteln, Kleidung oder auch handwerklichen Dienstleistungen versorgen. Einer der auch heute noch bekanntesten Märkte ist der Viktualienmarkt in München. Das Gründungsjahr des Marktes wird auf 1807 beziffert. Heutzutage gilt er als „Supermarkt im Freien“ und neben traditionellen Spezialitäten bietet er vor allem einen Anziehungspunkt für Touristen.3

Eine entscheidende Veränderung im Einzelhandel war die Entwicklung des Selbstbe- dienungskonzeptes. Die Idee stammt aus den USA, wurde mit leichter Verzögerung auch in Deutschland eingeführt und in Konsequenz konnten die Waren, durch das ein- gesparte Verkaufspersonal, deutlich günstiger angeboten werden.4 Die Struktur in Ein- zelhandelsfilialen veränderte sich und Personal wurde durch Fläche ersetzt. Das Ergeb- nis war ein starker Anstieg der Verkaufsflächen und somit Bedarf an räumlichen Voraussetzungen.5

Die Verlierer bei dieser Entwicklung waren in erster Linie die klassischen Supermärkte. Die in 3.2 erläuterten Vorteile der preisorientierten Discounter gegenüber den Super- märkten durch den in 2.5 erklärten § 11 der Baunutzungsverordnung führte zu einem starken Wachstum der Discountanbieter. Auch im Bereich Sortimentsvielfalt waren die Supermärkte im Nachteil, da sich hier besonders die Verbrauchermärkte du SB- Warenhäuser mit deutlich größerer Fläche, aber auch entsprechend deutlich mehr An- gebotsvielfalt etablierten (Definition der Betriebstypen, siehe Tabelle 1, Anhang V).6 Durch den heute gestiegenen Anspruch im Bereich Einkaufserlebnis der Verbraucher können sich besonders klassische Supermarktketten wie REWE und Edeka zuletzt wie- der stärker etablieren. Verbraucher sind heute bereit mehr zu bezahlen, wenn die Quali- tät der Produkte und des Marktes hoch ist. Dadurch steigert sich die Attraktivität für die Supermärkte gegenüber SB-Warenhäusern und Discountern. Mit der Einführung von Eigenmarken versuchen die klassischen Supermärkte auch auf preislicher Ebene mit den Discountern mitzuhalten.7

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 Verkaufsflächenentwicklung in Deutschland 1950-2000

Quelle: Angelehnt an: Callies 2004, S. 93

Es zeigt sich, dass sich die Verkaufsfläche in den vergangenen fünf Jahrzehnten fast verzehnfacht hat auf ca. 108 Millionen m².

Für die Betrachtung der Entwicklung des Einzelhandels im Zeitraum 2000 bis 2012 lohnt sich ein Blick in die Studie „Analyse Consumer Markets Einzelhandelsimmobilien“ von KPMG.

Die Verkaufsflächen stiegen in den Jahren 2001 bis 2011 von 111 Millionen m² auf 122,4 Millionen m² (siehe Abbildung 4, Anhang VI).8 Ein Grund für die Veränderung der Verkaufsflächenzahlen - der zukünftig an Relevanz gewinnen wird - ist der immer schneller wachsende Online-Handel. So hat sich der Umsatz im E-Commerce in den letzten sechs Jahren verdoppelt. 2011 hatte der Versandhandel einen Umsatzanteil von rund 5,3 Prozent und aktuelle Prognosen gehen von einem Umsatzanteil im Non-Food- Bereich von bis zu 20 Prozent im Jahr 2020 aus.9 Negative Folgen der steigenden Um- satzanteile des E-Commerce für den stationären Einzelhandel können Mietpreisanpas- sungen, Verkleinerung der Verkaufsflächen, Untervermietung und Schließung von Standorten sein.10

Deutschland gilt als Discounter geprägtes Land. Das resultiert nicht zuletzt aus der Handhabung des deutschen Planungsrechts und die entstehenden Vorteile für Discoun- ter, die unter Punkt 3.2 näher erläutert werden. Die zukünftige Entwicklung des deut- schen Einzelhandels wird vom Umgang des Planungsrechts mit dem Online-Handel und dessen Entwicklung abhängen. Eine Einschätzung wird im Zukunftskapitel 3.3 gegeben.

2.2 Entstehung des FOC-Konzeptes

Die Betriebsform Factory Outlet Center (FOC) gilt in Deutschland als innovativ. Dabei ist sie gar nicht so neu und selten, wie es durch die restriktive Haltung des deutschen Planungsrechts für den deutschen Verbraucher scheint. Zu einem besseren Verständnis gibt das vorliegende Kapitel einen kurzen Einblick in die Entstehung des FOC- Konzeptes.

Die Vorreiter der Factory Outlet Center (FOC) waren einzelne Factory Stores oder Fac- tory Outlets. Diese befanden sich meist neben den produzierenden Fabriken und ver- kauften Überproduktionen direkt an die umliegende Bevölkerung. Einzelne Stores gibt es auch heute noch, teilweise sind sie aber auch in Factory Outlet Center integriert wor- den.11 Ein Beispiel in Deutschland ist ein Fabrikladen von Hugo Boss in der Kleinstadt Metzingen, der zeitweise landesweit bekannt war und aus dem sich mittlerweile das größte deutsche Outlet Center - Outletcity Metzingen - entwickelt hat.12

Als erstes organisiertes FOC gilt das 1979 eröffnete Center in Freeport, Maine, USA.13 Das erste FOC in Europa entstand 1984 in Roubaix, Frankreich. Einen richtigen Auf- schwung bekam das Konzept aber erst, Anfang der 90er Jahre amerikanische Betreiber- firmen in Großbritannien investierten.14 Auch hier gab es bereits einzelne Stores, die häufig „Mill Stores“15 genannt wurden, die aber größtenteils nur der umliegenden Be- völkerung bekannt waren und deren Präsenz sich durch Mund-zu-Mund-Propaganda verbreitete. 1995 wurde das erste FOC in Großbritannien vom Entwickler McArthurG- len eröffnet. Bereits drei Jahre später gab es 22 Factory Outlet Center in Großbritanni- en.16

Außerhalb von Großbritannien sind die Zahlen der gebauten Factory Outlet Center deut- lich niedriger, aber dennoch stetig wachsend. Im März 2005 gab es in Großbritannien bereits 33 FOCs, in Italien 15, in Frankreich 11, Spanien 10 und in Deutschland nur 3.17 Den neuesten Stand liefert die Studie „Outlet Centres in Europe“ des Handelsberaters ecostra vom März 2014. Demnach gibt es aktuell 36 FOCs in Großbritannien, in Italien 23, in Frankreich und Spanien 17 und in Deutschland 10. Die geringe Anzahl in Deutschland ergibt sich hauptsächlich aus der komplexeren planungsrechtlichen Hand- habung.18

Im Entstehungsland des Factory Outlet Center Konzeptes den USA, wird ein Factory Outlet Center mit einer Mindestgröße von 4.600 m² und einer Mindestanzahl von 5 ver- schiedenen Herstellern definiert.19 Entscheidender Unterschied zu einem gängigen Ein- kaufszentrum ist der hohe Anteil an Fabrikverkaufsgeschäften. Diese sollten circa 50 bis 75 Prozent der Zusammensetzung im Outlet Center ausmachen. Die Center sind oft im „Village-Style“ gehalten, womit den Kunden der Ausflug ins Grüne suggeriert wer- den soll, ganz im Gegensatz zum klassischen Einkaufszentrum. In diesen sogenannten Dörfern befinden sich auch Restaurants oder vereinzelt Freizeitmöglichkeiten.20 Es er- geben sich verschiedene Angebotsvarianten der stark reduzierten Waren, zumeist han- delt es sich aber trotzdem um Waren guter Qualität, damit das Image der Marke beste- hen bleibt. Die gängigste Variante ist die Überproduktion von Produkten für den Ein- zelhandel. Daran anschließend werden häufig Waren aus der letzten Saison angeboten, die nicht verkauft worden sind. Neben den Waren erster Qualität werden teilweise auch Waren mit kleinen Mängeln angeboten, die das Aussehen des Produktes nur minimal beeinträchtigen. Eher selten werden Waren exklusiv für die Outlet Center hergestellt oder Produkttest21 limitiert angeboten.22

Die Standorte der FOCs liegen meist außerhalb von Wohnungsgebieten. Durch die An- gebotsvielfalt und die Bekanntheit der Markenhersteller, profitieren die FOCs von ei- nem sehr großen Einzugsgebiet.23 Zum Beispiel hat das FOC in Roermond ein Einzugs- gebiet von rd. 90 Fahrminuten und nach Angaben des Betreibers mehr als 26 Millionen potentielle Kunden.24 Dementsprechend wichtig ist eine gute Verkehrsanbindung des Standortes. Architektonisch lassen sich Factory Outlet Center nach LAUSBERG in drei Arten unterteilen. Neben dem bereits genannten „Village-Style“ gibt es auch geschlos- sene Center (Malls) und Reihenzentren (Strip Center). Die geschlossenen Center sind dem klassischen Einkaufszentrum sehr ähnlich und äußerlich kaum zu unterscheiden. Die Strip Center sind meist um einen Parkplatz angelegt, zum Beispiel in L- oder U- Form. Die einzelnen Geschäfte liegen aneinandergereiht, sind gut vom Parkplatz aus erreichbar und die Kunden kommen zwangsläufig an allen Geschäften vorbei. In den USA sind mehr als die Hälfte der FOCs in Strip Center Form. In Deutschland bestehen FOCs nur in Mall und Village Form.25 Beispiele sind das Ingolstadt Village oder Wert- heim Village. Eher Einkaufszentrumcharakter im großen Stil hat das Designer Outlet Wolfsburg. Die Verkaufsflächen der FOCs in Deutschland betragen im Durchschnitt meist 10.000 bis 15.000 m², hier unterscheiden sie sich auch nur minimal zu FOCs in den USA.26

Als innovatives Projekt gilt das 2014 eröffnete FOC in Bad Münstereifel. Entgegen des üblichen Aufbaus eines FOCs ist Bad Münstereifel ein vollkommen in die Innenstadt integrierter Standort. Es befindet sich nicht auf der „grünen Wiese“, sondern wurde in die bestehende Stadtsubstanz hineinentwickelt.27

Am Erfolg der Betriebsform FOC in den USA, aber auch in den europäischen Nachbar- ländern, lässt sich erkennen, FOCs treffen den Nerv der Kunden. Grenznahe FOC Kon- zepte, wie Roermond, zeigen, auch deutsche Verbraucher sind dieser Betriebsform zu- gänglich und der deutsche Markt bietet Potential für FOC Standorte (siehe 3.2). Wieso der deutsche Markt im Vergleich dennoch unerschlossen ist, wird im Verlauf dieser Arbeit beantwortet.

2.3 Erfordernisse der Steuerung

Die vorangegangenen Kapitel haben gezeigt, dass der deutsche Einzelhandelsmarkt aus verschiedenen Betriebsformen besteht, die sich durch unterschiedliche Größen und Sor- timentsstrukturen definieren. Das FOC-Konzept stellt eine weitere Besonderheit dar. Wieso es einer Steuerung der verschiedenen Typen bedarf, sollen die folgenden Aus- führungen zeigen.

Die Innenstadt gilt in der Regel als wichtigster Einzelhandelsplatz einer Stadt und wird durch stationären Einzelhandel versorg.28 „ [ … ]das Leitbild der lebendigen Innenstadt als einzigartiger und unverwechselbarer Identifikationspunkt[ … ] “ 29 . Laut einer Umfrage der Süddeutschen Zeitung, die SPANNOWSKY/HOLL näher betrachten, erwarten über die Hälfte der Teilnehmer gute Einkaufsmöglichkeiten und Einkaufspassagen, wenn sie nach Funktionen einer Innenstadt gefragt werden.30

Trotzdem wird besonders der großflächige Einzelhandel widersprüchlich angesehen und bedarf deswegen einer Steuerung durch Kommunen. Die Steuerungsmöglichkeiten und Instrumente zur Steuerung werden in 2.5 näher erläutert.

Auf der einen Seite bietet der großflächige Einzelhandel neue Verkaufsmöglichkeiten, auf der anderen Seite verfügt er aber zumeist über ein großes Einzugsgebiet und verursacht dadurch ein dementsprechend erhöhtes Verkehrsaufkommen. Besonders durch dieses Einzugsgebiet befürchten naheliegende Handelsbetriebe Umsatzeinbußen. Aufgrund von Parkplatz- und Platzproblemen in der Innenstadt suchen großflächige Einzelhandelsvorhaben zumeist Grundstücksflächen außerhalb der Stadt, auf der sogenannten „grünen Wiese“. Diese Bauvorhaben außerhalb der Innenstadt werden kritisch betrachtet, da sie als mögliche Gefahr für den Einzelhandel in den Zentren gelten und werden deswegen in Genehmigungsverfahren diskutiert.31

Anhand der genannten Punkte wird von Kommunen über Einzelhandelsvorhaben ent- schieden, wobei die Kommunen neutral gegenüber den einzelnen Anbietern agieren sollten. „ Geplant wird nicht, ob Einzelhandel stattfindet, sondern wo genehmigt werden kann. “ 32 Es soll also kein Eingriff in den Wettbewerb stattfinden, sondern nur in das Stadtbild.

Für jede Art von Unternehmen spielen bei der Gewinnung von Fachkräften oft soge- nannte „weiche Standortfaktoren“33 eine Rolle, dies gilt besonders für kleine Städte, wie zum Beispiel Tuttlingen in Süddeutschland und die dort ansässigen Unternehmen. Tutt- lingen wird zwar als Mittelzentrum geführt und kann auch die notwendigen Versor- gungserfordernisse für das Umland erfüllen, gilt aber trotzdem nicht als Einkaufsstadt und entsprechend auch nicht unbedingt als attraktiver Arbeitsstandort. Ein genannter Grund hierfür ist das nicht besonders ausgeprägte Stadtzentrum. Ein Großteil der Ein- zelhandelsflächen in Tuttlingen liegt in stadtnahen Gewerbegebieten.34 Aufgrund dessen ist die Stadt Tuttlingen ein sehr gutes Beispiel für das Erfordernis der Steuerung der Einzelhandelsansiedlungen in der Innenstadt und besonders der Einzelhandelsansied- lung auf der „grünen Wiese“ außerhalb der Stadt. Eine grafische Darstellung der Ein- zelhandelssituation folgt in Abbildung 2.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Einzelhandelsansiedlung Tuttlingen

Quelle: Nexiga GmbH (Abruf kostenpflichtig.)

Die Stecknadel in Abbildung 2 zeigt die Innenstadt von Tuttlingen. Die verschiedenen Punkte kennzeichnen die jeweilige Einzelhandelsansiedlung. Wie bereits von MAIER beschrieben befinden sich die meisten Punkte/Ansiedlungen außerhalb des Stadtzent- rums. Als Resultat wurde 2009 ein Zentrenkonzept erarbeitet, welches die Entwicklung von zentrenrelevanten Sortimenten35 außerhalb der zentralen Versorgungsbereiche36 verhindert. Dadurch soll Tuttlingen und besonders das Stadtzentrum attraktiver gestaltet werden.37

Der Verlust von Urbanität ist eine Gefahr, die Städteplaner und Stadtsoziologen sehen und aus der sich Erfordernisse der Steuerung ergeben.38 Durch die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsprojekte auf der „grünen Wiese“ ergibt sich für die Bewohner der Stadt eine Distanz zum Ort und führt zu sozialer Entwurzelung. Auch hieraus ergibt sich der Verlust von Attraktivität, das Fehlen weicher Standortfaktoren und im Ergebnis leidet die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt.39

Ein weiterer Gefahrenpunkt für die Stadtzentren ist das veränderte Käuferverhalten. Die Gesellschaft ist mobiler geworden und Einkaufen soll möglichst billig und schnell sein, um mehr Zeit zur Freizeitgestaltung zu haben. Großflächige Einzelhandelsprojekte au- ßerhalb der Innenstädte verfügen immer häufiger über naheliegende Freizeitmöglichkei- ten und können so auch den Freizeitbedarf der Kunden abdecken. Wenn sich der Handel an Randgebieten ansiedelt, zieht es auch die Dienstleister in diese Gebiete, da sie von den Kundenströmen leben.40

Es gibt durchaus Gefahren für die Stadtentwicklung und Argumente, die für eine Steue- rung des großflächigen Einzelhandels sprechen. Inwieweit diese der Aktualität entspre- chen und wie streng die Steuerung gelebt werden sollte, ist Gegenstand dieser Arbeit.

2.4 Ziele der Steuerung

Das Ziel der Steuerung von Einzelhandelsentwicklungen sollte die Erfüllung der erar- beiteten Erfordernisse sein. Das folgende Kapitel gibt einen kurzen Überblick wie und wo Ziele definiert werden und welche Interessenslagen daran teilnehmen. Die Ziele der Steuerung von großflächigen Einzelhandelsvorhaben werden in den Lan- desentwicklungsplänen (LEP) der jeweiligen Bundesländer festgelegt. So heißt es zum Beispiel im LEP IV des Rheinland-Pfälzischen Ministeriums des Innern und für Sport von 2008: „ Schutz der Funktionsf ä higkeit der zentralen Orte und ihrer Innenst ä dte, Ortskerne und Stadtteilzentren. “ 41

Auch der „LEP Sachlicher Teilplan großflächiger Einzelhandel des Landes Nordrhein- Westfalen“ verfolgt ähnliche Ziele bei der Steuerung des großflächigen Einzelhandels. Die Innenstädte sollen gestärkt werden und das Bauen auf der „grünen Wiese“ - also an dezentralen Standorten - möglichst verhindert werden. Wie das Land Rheinland-Pfalz macht NRW Ausnahmen für die Sicherung der Nahversorgung. Wobei der Teilplan sehr genaue Grenzen für den großflächigen Einzelhandel vorgibt. So dürfen zentrenrelevante Randsortimente42 der großflächigen Einzelhandelsnutzung mit nicht-zentrenrelevanten Sortimenten (z.B. Möbelhäuser wie IKEA) maximal 10 Prozent der Verkaufsfläche be- tragen.43

Die Ziele der Steuerung von großflächigen Einzelhandelsprojekten werden durch ver- schiedene Interessenslagen beeinflusst. Vorrangig stehen sich zwei sehr unterschiedli- che Positionen gegenüber. Die Interessen der Investoren und die Interessen der Stadt bzw. der Kommunen. Die Investoren würden gerne freie Hand haben und keinerlei Re- geln unterworfen sein, die Kommunen hingegen sind darauf bedacht, die Entwicklung ihrer Zentren so gut wie möglich zu regeln. Daneben fließen aber auch die Interessen der ansässigen Bürger und Einzelhandelsunternehmen in die Steuerung und Planung mit ein.44 „ Das Konzept der Staatsregierung verfolgt das Ziel, Standorte f ü r den gro ß fl ä - chigen Einzelhandel zu lenken und Verkaufsfl ä chen zu begrenzen. “ 45

Gelenkt oder gesteuert werden Einzelhandelsgroßprojekte mit zentrenrelevanten Sorti- menten in die integrierten Stadtlagen, also Innenstädte und Ortskerne, um die Leben- digkeit zu erhalten. Dennoch soll großflächiger Einzelhandel auch im Umland der Kerngebiete46 ermöglicht werden, damit Interessenskonflikte zwischen den Kern- und Umlandgebieten vermieden werden. Dazu werden Teile der Kaufkraft der Stadt als so- genannte Rückgriffquoten für die ländlichen Räume einkalkuliert. Stand 2002 waren in Bayern 15 Prozent Rückgriffquote festgelegt, um einen zu hohen Abfluss aus der Innen- stadt zu vermeiden und trotzdem den ländlichen Raum zu stärken.47 Das grundsätzliche Ziel zur Steuerung der Einzelhandelsentwicklung, nämlich einer Verödung der Innenstädte entgegenzuwirken, ist länderübergreifend identisch. Die de- taillierten Unterschiede der Auslegung, am Beispiel Raum Stuttgart, werden weiterfüh- rend in 3.2 thematisiert.

2.5 Instrumentarien

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Das System der deutschen Raumplanung

Quelle: Angelehnt an: Heinrichs 1999, S. 213 zitiert nach Sauter 2004, S. 102.

Entscheidend für das restriktive Planungsrecht sind die Instrumentarien, die durch den Gesetzgeber vorgegeben werden. Die deutsche Raumplanung ist in die Bundes-, Lan- des- und Regionalebene sowie in die kommunale Ebene gegliedert. Von der Bundes- ebene bis hin zu den Kommunen wird die Planung detaillierter ausgearbeitet. Wobei sich die jeweils detailliertere Planungsebene an die bereits erarbeiteten Vorgaben der höheren übergreifenden Planungsebene anzupassen hat. Bundes-, Landes- und Regio- nalplanung werden im Folgenden kurz dargelegt. Der Fokus liegt auf der detaillierten kommunalen Ebene und dem Instrument Baunutzungsverordnung (BauNVO).

2.5.1 Bundesebene

Die Raumplanung auf Bundesebene ist im Raumordnungsgesetz geregelt. Dabei geht es hauptsächlich um die Erstellung von länderübergreifenden Standortkonzepten. Dazu gehören z.B. Flughäfen oder See- und Binnenhäfen.48

Nach § 1 Abs. 1 des Raumordnungsgesetzes hat der Bund die Aufgabe den Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland durch überörtliche Raumordnungspläne zu entwickeln, ordnen und zu sichern. In § 1 Abs. 2 ROG heißt die Leitvorstellung: „ [ … ] eine nach haltige Raumentwicklung, die die sozialen und wirtschaftlichen Anspr ü che an den Raum mit seinen ö kologischen Funktionen in Einklang bringt [ … ]. “

Die Raumordnung auf Bundesebene ist letztlich nur indirekt für diese Arbeit bedeut- sam, da sie zwar die Grundlage für die weiteren Planungsebenen vorgibt, aber die wirk- lich relevanten detaillierten Planungen erst in den folgenden Ebenen vorgenommen werden.

2.5.2 Landes- und Regionalebene

Die Landes- und Regionalplanung hat die bereits erarbeiteten Vorgaben des Bundes zu beachten und bezieht sich für die eigene Planung ebenfalls auf das Raumordnungsgesetz. Zudem entwickelt die Landesebene ein eigenes Landesplanungsgesetz, auf das sich sowohl Landes- als auch Regionalplanung stützen.

In den §§ 8 - 16 des Raumordnungsgesetzes wird speziell die Raumplanung in den Ländern und Regionen geregelt. Nach § 8 Abs. 1 ROG ist von den Ländern ein landesweiter Raumordnungsplan und Raumordnungspläne für die Teilbereiche also die Regionen zu entwickeln. Inhalt dieser Pläne ist die Festlegung einer Raum- und Siedlungsstruktur. Beispielhaft ist hier die Entwicklung und Festlegung zentraler Orte oder die Bestimmung besonderer Gemeindefunktionen zu nennen.

Die Länder legen ihre Planungen im jeweiligen Landesentwicklungsplan (LEP) fest. Er weist zum Beispiel Oberzentren, Mittelzentren und Entwicklungsgebiete aus.49

2.5.3 Kommunale Ebene

Die kommunale Raumplanung wird im Baugesetzbuch geregelt. Ferner muss auch sie die bereits beschlossenen Vorgaben der Bundes-, Landes- und Regionalebene beachten. Demnach wird die Planungshoheit Baurecht auszuweisen, auf die Kommunen übertragen. Diese haben die Aufgabe, Bauleitpläne zu erstellen, unterteilt in Flächennutzungsplan und den Bebauungsplan, und diese den Zielen der Raumordnung anzupassen. Weiterführende und detailliertere Vorgaben sind in der Baunutzungsverordnung geregelt.50 Auf die Begriffe wird im Folgenden näher eingegangen.

„ Das Baugesetzbuch bestimmt die wesentlichen Grundlagen des St ä dtebaurechts. Es regelt insbesondere die Nutzung des Grund und Bodens, das hei ß t ob und in welcher Weise ein Grundst ü ck bebaut werden darf. “ 51

Wie in der obenstehenden Grafik von HEINRICHS bereits gezeigt, regelt das Bauge- setzbuch unter anderem die Anpassung der Bauleitplanung. Die Bauleitplanung wiede- rum regelt die bauliche Nutzung der Grundstücke in einer Gemeinde. Die Bauleitpläne werden an die Ziele der Raumordnung angepasst, um eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung zu gewährleisten.52 Die Aufstellung eines Bauleitplanes ist in der Verant- wortung der Gemeinden. Hervorzuheben ist hier der § 2 Abs. 2 das interkommunale Abstimmungsgebot als Instrument zur Steuerung oder Verhinderung von Einzelhandelsgroßprojekten. Das bedeutet, benachbarte Gemeinden müssen ihre Bauleitpläne aufeinander abstimmen. Ist dies nicht der Fall, können benachbarte Gemeinden gegen einen neuen Bauleitplan oder eine Veränderung klagen und damit auch gegen mögliche geplante Bauprojekte (siehe 3.1).

Es gibt zwei verschiedene Stufen von Bauleitplänen. Zum einen den Flächennutzungs- plan, auch vorbereitender Bauleitplan genannt (§ 5 BauGB), und zum anderen den Be- bauungsplan, auch verbindlicher Bauleitplan genannt (§ 9 BauGB). Im Flächennutzungsplan (FNP) wird die beabsichtigte städtebauliche Nutzung des Ge- meindegebiets in ihren Grundzügen dargestellt. Das heißt, es müssen nicht alle vorhan- denen Flächen einer Gemeinde bereits bei Erstellung ausgewiesen werden, sondern können auch zu einem späteren Zeitpunkt von der Stadt dargestellt werden. Die darge- stellten Flächen im FNP sind Flächen für die Bebauung, aber auch Grünflächen, Was- serflächen oder Flächen für den überörtlichen Verkehr. Er wird von einer höheren Ver- waltungsbehörde genehmigt und darf nur abgelehnt werden, wenn er gegen Rechts- grundlagen des Baugesetzbuches verstößt.53

Der Bebauungsplan entwickelt sich aus dem Flächennutzungsplan und ist entsprechend detaillierter gestaltet. Er regelt, ob zum Beispiel einzelne Flächen nur zur Einzelhan- delsbebauung genutzt werden dürfen (Art der Nutzung) oder auch die höchstzulässige Zahl an Geschossen in einem Gebäude (Maß der Nutzung).54 Noch genauer ist der vor- habenbezogene Bebauungsplan nach § 12 BauGB. Dieser regelt ein bereits präzise um- rissenes Projekt/Vorhaben eines Bauträgers in Abstimmung mit der Stadtplanung der Gemeinde.55 Beschlossen wird der Bebauungsplan als Satzung von der Gemeinde.56 Diese zwei Arten von Bauleitplänen sind wichtige Instrumente für Städte und Gemein- den zur Steuerung der Einzelhandelsentwicklung, besonders der großflächigen Einzel- handelsprojekte.

Sowohl FNP als auch Bebauungsplan können nachträglich durch die Stadt und Gemein- de geändert werden. Nachträglich bedeutet hier eine Veränderungssperre gemäß § 14 BauGB zu verhängen. Das gilt auch, wenn bereits ein Bauantrag, zum Beispiel durch den Entwickler eines Factory Outlet Center, vorliegt. Denn laut § 1 Abs. 3 Baugesetz- buch besteht auf die Aufstellung von Bauleitplänen kein gesetzlicher Anspruch. Wenn die Gemeinde weder FNP noch Bebauungsplan aufgestellt hat, gelten bei der Planung eines Projektes die §§ 34,35 des Baugesetzbuches.57 Demnach muss sich das Projekt nach Art und Maß der der baulichen Nutzung und Bauweise passend der Umgebung einfügen und erschlossen sein. Das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.58 Sollte also zum Beispiel in direkter Umgebung des Projektstandortes bereits ein großflächiges Bauvorhaben realisiert worden sein, wäre ein weiteres großflächiges Vorhaben ohne schädliche Auswirkungen auf die Umgebung zu planen. Auch wenn diesen Paragraphen nach, Planungsrecht für ein großflächiges Projekt besteht, kann die Stadt die Verände- rungssperre verhängen oder das Gebiet als Sanierungs- und Entwicklungsgebiet be- stimmen. Dies hat zur Folge, dass der Prozess des Planungsrechts zunächst gestoppt ist. Im weiteren Verlauf erstellt die Stadt einen Flächennutzungsplan oder einen Bebau- ungsplan, in welchem die Bebauung durch großflächigen Einzelhandel ausgeschlossen wird. So können die Bebauungspläne als Steuerungsinstrument genutzt werden.59

Die Baunutzungsverordnung ist eine Rechtsverordnung, die auf Grundlage des Bauge- setzbuches erlassen wurde. Prinzipiell konkretisiert sie die Inhalte der Bauleitpläne.60 „ Die Bestimmungen der BauNVO erg ä nzen die Vorschriften der §§ 5 und 9 BauGB ü ber den zul ä ssigen Inhalt von Fl ä chennutzungspl ä nen und Bebauungspl ä nen (Bauleit- pl ä nen). “ 61 Die Baunutzungsverordnung bietet den Gemeinden standardisierte städte- bauliche Lösungen, die den Anforderungen des Baugesetzbuches entsprechen. Im ersten Abschnitt (§§ 1-15) wird die Art der baulichen Nutzung eines Gebietes festgelegt. Hier werden einzelne mögliche Baugebiete aufgelistet und definiert. Im zweiten Abschnitt (§§ 16-21) wird das Maß der baulichen Nutzung bestimmt. Es werden Grundflächen- zahlen, Geschossflächenzahlen oder auch die Anzahl von Stellplätzen definiert.62

Relevant für die Entwicklung von großflächigen Einzelhandelsprojekten ist besonders § 11 „sonstige Sondergebiete“ der BauNVO. Hier werden Gebiete geregelt, die sich von den Baugebieten in den §§ 2-10 unterscheiden. Nach Absatz 3 sind Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nicht nur unwesentlich auf die Stadtent- wicklung auswirken können, und sonstige großflächige Handelsbetriebe mit gleicher Auswirkung auf die Stadtentwicklung nur in Kerngebieten oder in festgesetzten Son- dergebieten zulässig. Des Weiteren ist geregelt, dass die genannten Auswirkungen nur bei Objekten mit einer Geschossfläche von über 1.200 m² auftreten. Ausnahme ist die sogenannte Vermutungsgrenze, bei der bereits Objekten mit einer Geschossflächenzahl unter 1.200 m² die Auswirkungen eines großflächigen Handelsbetriebes zu Grunde ge- legt werden.63

In einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes wurde 2005 außerdem festgelegt, dass ein Einzelhandelsbetrieb ebenfalls als großflächig anzusehen ist, wenn er eine Verkaufsfläche von 800 m² überschreitet.64

Dadurch wurde die zuvor geltende Höchstgrenze von 700m² aus dem Jahre 1987 noch einmal angehoben. Damit reagierte das Bundesverwaltungsgericht auf die zwischenzeitliche Entwicklung des Einzelhandels wobei die Käuferansprüche und Erwartungen deutlich gestiegen sind und auch an dezentralen Standorten mehr Platz zur Präsentation des Warenangebots nötig ist.65

Grundsätzlich wurde in der Rechtsprechung die Möglichkeit Großflächigkeit durch die Verkaufsfläche zu definieren eingeräumt, da sich die Attraktivität von Einzelhandelsbetrieben nicht aus der Betriebsgröße, sondern auch aus der Fläche, auf der die Waren präsentiert werden, ergibt. Eine Steuerung allein über die Regelung der Geschossflächenzahl sei nach VHW nicht ausreichend, um die in §11 Abs. 2 und 3 genannten Auswirkungen des großflächigen Einzelhandels zu steuern.66

Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit ein Bauvorhaben als großflächig auszuweisen, wenn es unter einer Geschossfläche von 1.200 m² liegt und es zuzulassen, obwohl es über der Grenze zur Großflächigkeit liegt. Hierbei kommt es auf die Auslegung der Auswirkungen des Bauvorhabens gemäß § 11 Abs. 3 BauNVO an. Dies gilt es beim Bauantrag zu prüfen.67 Entsprechend dieser Flexibilität ergibt sich nach NICKEL/KOPF und dem Einzelhandelserlass NRW genügend Spielraum bei der Betrachtung von Stan- dortentscheidungen und eine Novellierung des § 11 Abs. 3 ist nicht nötig.68

Die §§ 34, 35 BauGB und § 11 Abs. 3 BauNVO sind die wesentlichen Instrumente ei- ner Kommune zur Steuerung des großflächigen Einzelhandels. In welchem Rahmen diese Instrumente ausgelegt werden und welche Auswirkungen das auf die Einzelhandels- und Stadtentwicklung hat, ist wesentlicher Bestandteil dieser Arbeit.

2.6 Kritische Betrachtung der Steuerung

Wie in den vorherigen Gliederungspunkten bereits erarbeitet, ist das Ziel der Steuerung von Einzelhandelsgroßprojekten, negative raumordnerische und städtebauliche Auswir- kungen zu vermeiden. Dass die Auslegung der Steuerungsinstrumente nicht immer auf Wohlwollen trifft und auch auf Gesetzesebene kritisch betrachtet wird, soll dieses Kapi- tel zeigen.

Investitionen sollen so in die Stadtzentren gelenkt werden, denn in Kerngebieten ist großflächiger Einzelhandel nach § 11 Abs. 3 BauNVO erlaubt. Neben den Kerngebie- ten, ist dieser sonst nur in ausgewiesenen Sondergebieten zulässig.69 Bereits 1984 äußer- te sich das Bundesverwaltungsgericht kritisch gegenüber der Nutzung des § 11 Abs.3 BauNVO zur Steuerung der Stadtentwicklung. Das Gericht stellte in Frage, ob die Handhabung der Kommunen rechtmäßig ist, wenn sie mit ihrer Planung nicht das Ziel hätten, die städtebauliche Entwicklung zu ordnen, sondern Wettbewerbsschutz für den ortsansässigen Handel leisten würden.70 Eine Kommune kann nicht dazu verpflichtet werden, planerische Voraussetzungen für bestimmte Strukturen zu schaffen. Also be- steht auch keine Verpflichtung der Kommunen, Sondergebiete in den Bauleitplänen auszuweisen. Für Einzelhandelsgroßprojekte ist es besonders in Kerngebieten schwer, sich anzusiedeln. Durch hohe Miet- und Immobilienpreise ist eine hohe Flächenrentabi- lität notwendig, um das Geschäft einträglich zu machen. Großflächige Einzelhandels- projekte leben aber von einer geringeren Miete, da sie entweder als Ankermieter für Agglomerationen71 dienen oder sich auf kostengünstigeren Flächen außerhalb der Stadt ansiedeln. Dementsprechend sind die Kerngebiete zumeist für Betriebstypen mit kleine- ren Flächen und einer höheren Produktivität rentabel. Gemäß der Aussage des BVerwG von 1984, muss eine funktionelle Ordnung bei der Stadtplanung die Möglichkeit zur Ansiedlung für Einzelhandelsgroßprojekte bieten. Das funktioniert nur bei einer groß- zügigen Ausweisung von Sondergebieten. Anderweitiges Vorgehen stellt einen politi-

[...]


1 Ab einer Verkaufsfläche von 800 m² oder einer Geschossfläche von 1.200 m² gelten Einzelhandelsbe- triebe als großflächig. Darunter fällt auch die Betriebsform Factory Outlet Center (FOC). Die Rechtsvor- schriften zur Beurteilung von großflächigem Einzelhandel finden sich in Baugesetzbuch (BauGB) und Baunutzungsverordnung (insb. § 11 Abs. 3 BauNVO). Nähere Erläuterung in 2.5.3, vgl. IHK Bonn.

2 Als „grüne Wiese“ werden im Stadtgebiet Flächen bezeichnet, die bisher nicht entwickelt wurden und perspektivisch als Baugebiet für Wohnen, Handel und Industrie ausgewiesen werden, vgl. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Dresden 2011, S.4.

3 Vgl. Schwedt 2006, S. 22 f.

4 Vgl. Ebd. S. 40 f.

5 Vgl. Spannowsky/Holl 2012, S. 2.

6 Vgl. Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen 2003, S. 10 f.

7 Vgl. Schader 2013.

8 Vgl. KPMG Analyse Consumer Markets Einzelhandelsimmobilien 2013, S. 12.

9 Vgl. Ebd. S. 13.

10 Vgl. Ebd. S. 39.

11 Vgl. Pittroff 1999, S. A3.

12 Vgl. http://www.metzingen.de/189, zugegriffen am 09.08.2014.

13 Vgl. Pittroff 1999, S. A3.

14 Vgl. Brune 2014, S. 15.

15 Mill = Weberei.

16 Vgl. Pittroff 1999, S. A3 f.

17 Vgl. Brune 2014, S. 15 f.

18 Vgl. Ebd. S. 15 f.

19 Vgl. Pittroff 1999, S. A5.

20 Vgl. Ebd. S. A5.

21 Produkttests sind Waren, die nur zur Verwendung für das FOC hergestellt und auf ihren Erfolg getestet werden, bevor sie in die Massenproduktion gehen, vgl. Lausberg 1999, S. 4.

22 Vgl. Lausberg 1999, S. 4.

23 Vgl. Ebd. S. 27.

24 Vgl. Nowicki 2011, S. 28 f.

25 Vgl. Lausberg 1999, S. 11.

26 Vgl. Ebd. S. 12, S. 27.

27 Vgl. Kölner Stadt Anzeiger 2014.

28 Vgl. Spannowsky/Holl 2012, S. 4 f.

29 Ebd. S. 4.

30 Vgl. Ebd. S. 4 f.

31 Vgl. Ebd. S. 6.

32 Spannowsky/Holl 2012, S. 8.

33 Weiche Standortfaktoren sind z.B.: Wohnqualität, Freizeitwert, gastronomisches Angebot, vgl. Haas.

34 Vgl. Maier et al. 2013, S. 37.

35 Beispiele für zentrenrelevante Sortimente sind Nahrungsmittel, Drogeriewaren, Bekleidung oder Unterhaltungselektronik, vgl. Spannowsky/ Holl 2012, S. 9 ff.

36 Ein zentraler Versorgungsbereich ist die Haupteinkaufslage in der Innenstadt. Dem Gesetzgeber nach handelt es sich hierbei um einen zu schützenden Bereich, vgl. Stadt Weiden, S. 1, § 34 Abs. 3 BauGB.

37 Vgl. Maier et al. 2013, S. 37.

38 Vgl. Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen 2003, S. 16.

39 Vgl. Ebd. S. 16.

40 Vgl. Ebd. S. 16 f.

41 GMA Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung mbH 2012, S. 10.

42 Randsortimente sind zusätzliche Sortimente, die das eigentliche Kernsortimente eines Unternehmens ergänzen, vgl. Hennig/Schneider.

43 Land NRW 2013.

44 Vgl. Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen 2003, S. 13.

45 Ebd. S. 13.

46 Kerngebiete dienen der Unterbringung von Handelsbetrieben und zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und Kultur. Zum Beispiel Geschäftsgebäude, Einzelhandelsbetriebe oder auch Wohnungen. Kerngebiete werden in § 7 BauNVO definiert.

47 Vgl. Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen 2003. S. 14 f.

48 Vgl. http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/rog_2008/gesamt.pdf, zugegriffen am 18.08.2014.

49 Vgl. Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg.

50 Vgl. Kyrein 2009.

51 Land Brandenburg.

52 Vgl. http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/bbaug/gesamt.pdf, zugegriffen am 19.08. 2014.

53 Vgl. http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/bbaug/gesamt.pdf, zugegriffen am 19.08. 2014.

54 Vgl. Ebd.

55 Vgl. Stadt Lage.

56 Vgl. http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/bbaug/gesamt.pdf, zugegriffen am 19.08.2014.

57 Vgl. Hahn Gruppe 2014.

58 Vgl. http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/bbaug/gesamt.pdf, zugegriffen am 25.08.2014.

59 Vgl. Hahn Gruppe 2014.

60 Vgl. http://www.juraforum.de/lexikon/baunutzungsverordnung, zugegriffen am 25.08.2014.

61 Ferner, Kröninger, Aschke 2008, S. 776.

62 Vgl. Ebd., S. 778 ff.

63 Vgl. Ferner, Kröninger, Aschke 2008, S. 869.

64 Vgl.http://www.bverwg.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.php?jahr=2005&nr=63, zuge- griffen am 15.08.2014.

65 Vgl. http://www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung.php?ent=241105U4C10.04.0, zugegriffen am 15.08.2014.

66 Vgl. vhw - Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V. 2008, S. 117.

67 Vgl. Nickel/Kopf 2003, S. 123 zitiert nach Sauter 2004, S. 53 f.

68 Vgl. Sauter 2004, S. 54; Land NRW 2008.

69 Vgl. Sauter 2004, S. 55 f. und vgl. Ferner/Kröninger/Aschke 2008, S. 869.

70 Vgl. Sauter 2004, S. 56 f.

71 Ankermieter ist der Mieter, der als Haupt-Frequenzbringer einer Immobilie oder einer Ansammlung (Agglomeration) mehrerer Einzelhändler gilt, Vgl. Soethe/Rohmert 2010, S. 74.

Ende der Leseprobe aus 85 Seiten

Details

Titel
Factory Outlet Center. Großflächiger Einzelhandel und planungsrechtliche Anforderungen in Deutschland
Hochschule
Europäische Fachhochschule Brühl
Note
2,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
85
Katalognummer
V286505
ISBN (eBook)
9783668569799
Dateigröße
1124 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
factory, outlet, center, großflächiger, einzelhandel, anforderungen, deutschland
Arbeit zitieren
Tim von Söhnen (Autor:in), 2014, Factory Outlet Center. Großflächiger Einzelhandel und planungsrechtliche Anforderungen in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/286505

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