»Bücher sind Wege, die nirgendwohin führen, auf die man sich aber dennoch begeben muss, um sich zu verirren und wieder zu finden oder um etwas zu finden, was auch immer, ein Buch, eine Geste, einen verlorenen Gegenstand, irgendetwas, vielleicht eine Methode, mit etwas Glück: das Neue, das, was immer schon da war.«
Roberto Bolaño in Literatur und Krankheit
Verzweiflung ist das Gefühl, das sich im Leser ausbreitet angesichts von Roberto Bolaños literarischen Ausschweifungen. Seine Texte sind Strudel, die ihm den Boden unter den Füßen entreißen. Je tiefer er gerät, desto geringer ist die Aussicht auf ein Entkommen. Der Versuch, jeder Spur zu folgen, ist zum Scheitern verurteilt. Bolaño legt Fährten aus literarischen Leckerbissen, denen der Leser nicht widerstehen kann und die ihn fast in den Wahnsinn treiben, ihn krank machen, aber ihm auch ebenso Momente des Glücks bescheren, z.B. wenn etwas ans Licht kommt, das zuvor im Dunkeln lag. Wie ein Spürhund versucht er die Rätsel zu entschlüsseln, die der Autor ihm auferlegt, bis er sich schließlich im Detail verliert. Auf der Suche nach einem Sinn und Zusammenhängen gerät der Leser an seine Grenzen, stürzt sich jedoch immer wieder mit dem Bewusstsein des Scheiterns zurück in die Flut.
Roberto Bolaño gilt als einer der herausragenden Autoren unserer Zeit. Die Werke, die er im Jahrzehnt bis zu seinem Tod im Jahr 2003 veröffentlicht hat, haben Vorbildfunktion für junge Schriftsteller und bezeichnen einen Wandel in der Weltliteratur. Angesichts dieser Aussage stellt sich die Frage, wie sich Bolaños Poetik gestaltet und welche Aspekte seiner Texte tatsächlich einen Wandel in der Literatur bezeichnen. Es gilt herauszufinden, was ihn von anderen Autoren unterscheidet und letztlich dazu führte, dass in der literarischen Diskussion und Kritik von einer Bolaño-Mania die Rede ist.
In einer postmodernen Welt befindet sich das Individuum in einer Krise. Bedeutungen und Sinnstrukturen lösen sich auf, Medien und Technik bestimmen den Alltag und der Mensch verliert sich in der Anonymität der Masse. Generell wirken sich gesellschaftliche Entwicklungen auf die Literatur aus, die in der Konsequenz die Prämissen der Zeit aufgreift. Seit der Moderne tendieren Gattungen dazu, sich aufzulösen und mit anderen Gattungen und Genres zu vermischen. Dieses Phänomen kann auch in Bolaños Texten ausgemacht werden und soll in der vorliegenden Arbeit am Beispiel des Kurzgeschichtenbandes Llamadas telefónicas verdeutlicht werden.
Inhaltsverzeichnis
- THEORETISCHE GRUNDLAGEN ZUR POETIK DER KURZGESCHICHTE
- Die Kurzgeschichte als literarische Gattung
- Definitionen und Merkmale – Poetiken lateinamerikanischer Autoren ...
- Horacio Quiroga – Vorläufer in Lateinamerika (1878-1937) ..
- Jorge Luis Borges – Der Kritiker (1899-1986).
- Julio Cortázar (1914-1984)
- Ricardo Piglia - Bolaños Freund (1941)
- Tendenzen der postmodernen Kurzgeschichte
- ZUR POETIK BEI ROBERTO BOLAÑO
- Ethik und Ästhetik
- Der Infrarrealismus
- Ursprünge - Aristoteles und Platon ………………..\n
- Die Bedeutung des Exils
- Autobiografie und Fiktion
- Strukturelle Entleihungen aus der Kriminalgeschichte
- Der Leser als Detektiv
- Die Rolle des Erzählers
- Intertextualität - Der literarische Schatten.
- Grenzüberschreitungen
- Consejos sobre el arte de escribir cuentos
- LLAMADAS TELEFÓNICAS - ZWISCHEN AUFLÖSUNG UND REKONSTRUKTION
- Fragmentierung
- Teil I - Der Autor als fragmentierte Figur
- Teil II - Fragmente verschiedener Realitäten
- Teil III - Die Frau als fragmentierte Figur
- Grenzüberschreitungen
- William Burns - Metamorphose und Auflösung von Sinn ………...\n
- Arturo Belano - Zwischen Realität und Fiktion, Zeit und Raum
- Clara und Llamadas telefónicas - Intertextualität
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Magisterarbeit untersucht die Poetik des chilenischen Autors Roberto Bolaño im Kontext der lateinamerikanischen Kurzgeschichte. Sie analysiert Bolaños Text „Consejos sobre el arte de escribir cuentos“ sowie den Kurzgeschichtenband „Llamadas telefónicas“ und untersucht, inwiefern Bolaño die Grenzen der traditionellen Kurzgeschichte überschreitet. Die Arbeit konzentriert sich auf die Frage, wie Bolaños Werk die Gattungsmerkmale der Kurzgeschichte neu definiert und welche Aspekte seiner Poetik einen Wandel in der Weltliteratur markieren.
- Die Poetik der Kurzgeschichte in Lateinamerika
- Bolaños Infrarrealismus und seine Auswirkungen auf die Erzählstruktur
- Die Rolle des Erzählers und die Intertextualität in Bolaños Werken
- Die Fragmentierung und Rekonstruktion von Realität und Fiktion in „Llamadas telefónicas“
- Die Bedeutung des Exils und der Grenzüberschreitungen in Bolaños Schreiben
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel dieser Arbeit beleuchtet die Entwicklung der lateinamerikanischen Poetik der Kurzgeschichte. Es werden Definitionen und Arbeitsweisen bedeutender lateinamerikanischer Autoren wie Horacio Quiroga, Jorge Luis Borges, Julio Cortázar und Ricardo Piglia vorgestellt. Darüber hinaus werden die Tendenzen der Kurzgeschichte in der Postmoderne erläutert.
Das zweite Kapitel widmet sich Bolaños Poetik. Es werden seine Aussagen zu einer Theorie der Kurzgeschichte aus verschiedenen Interviews und Essays zusammengetragen und systematisiert. Die Analyse von „Consejos sobre el arte de escribir cuentos“ zeigt, wie er die zuvor erarbeiteten Aspekte in der Praxis anwendet.
Das dritte Kapitel analysiert den Kurzgeschichtenband „Llamadas telefónicas“. Es werden die erzählerische Praxis Bolaños anhand der zuvor genannten Aspekte untersucht, insbesondere die Fragmentierung und Rekonstruktion von Realität und Fiktion sowie die Rolle des Erzählers und die Intertextualität in den einzelnen Texten.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den zentralen Themen der lateinamerikanischen Kurzgeschichte, der Poetik von Roberto Bolaño, dem Infrarrealismus, der Fragmentierung und Rekonstruktion von Realität und Fiktion, der Rolle des Erzählers, der Intertextualität und den Grenzüberschreitungen in Bolaños Werken. Darüber hinaus werden wichtige Autoren wie Horacio Quiroga, Jorge Luis Borges, Julio Cortázar und Ricardo Piglia sowie der Kurzgeschichtenband „Llamadas telefónicas“ behandelt.
- Quote paper
- Jolanta Mihelcic (Author), 2012, Kurzgeschichten bei Roberto Bolaño. Poetik und Praxis des Erzählens ausgewählter Texte und des Kurzgeschichtenbandes "Llamadas telefónicas", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/286725