EU-Osterweiterung und die Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt


Bachelorarbeit, 2014

52 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Einleitung.

Europäische Integration und Arbeitskräftemigration
Der Weg zur EU-Osterweiterung
Arbeitnehmerfreizügigkeit und Übergangsbestimmungen.
Mikro- und Makroökonomische Erklärungsansätze
der Migration

Theoretische Analyse der Auswirkungen von

Arbeitskräftemigration
Faktorbewegung in der klassischen Außenhandelstheorie
Heckscher-Ohlin-Modell
Zuwanderung im klassischen Arbeitsmarktmodell
Homogener Arbeitsmarkt
Heterogene Teilarbeitsmärkte
Zuwanderung bei Lohnrigidität

Deskriptive Analyse
Die tatsächlichen Folgen von Zuwanderung

Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Anhang
Abbildungen
Tabellen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

Bis heute war Europa die Hoffnung Sloweniens,

jetzt wird Slowenien zu Hoffnung Europas.“

Der slowenischen Ministerpräsident, Anton Rop, äußert diese Aussage auf dem grenzüberschreitenden Platz zwischen Italien und Slowenien. Mit die- sem Satz versucht er die Vorteilhaftigkeiten der Einigung Europas für beide Seiten, sowohl für die neuen Mitglieder als auch für die bereits bestehenden Staaten der EU, zu verdeutlichen. Er weist darauf hin, dass beide Seiten von einander profitieren und die gegenseitige Unterstützung zu Erreichung ihrer Ziele benötigen. Den alten Mitgliedsstaaten sollte durch die Erweiterung geholfen werden gegen den demografisch bedingten Rückgang des Arbeits- kräfteangebots anzukämpfen und zugleich der Zugang zu den osteuropäi- schen Absatzmärkten erleichtert wird. Die neuen Staaten sollen in erster Li- nie die langersehnte Freiheit eines stabilen demokratischen Systems genie- ßen können und zu gleich zusammen mit der Union sowohl politisch als auch wirtschaftlich zu wachsen.

Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems, ergab sich erst- malig die Chance die europäischen Völker des Kontinents wieder zu verei- nigen. Denn trotzt oder grade wegen der Vielseitigkeit der Mitgliedstaaten in ihrer Geschichte, Mentalität und Kultur ist das was die Europäische Union bereits seit über 50 Jahren ausmacht, der stabile Zusammenhalt und die da- mit verbundene innereuropäische Friedenssicherung. Die EU- Osterweiterung war ein weiterer Meilenstein zu Sicherung und Verwirkli- chung dieser Ziele. Durch den endgültigen Beitritt war es den neuen Staaten nun möglich all die für die Mitgliedstaaten geltenden Grundrechte zu genie- ßen. Hierbei gestaltet sich allerdings auch die Problematik des Beitritts zu Union. Insbesondere wurde die Geltung der Arbeitnehmerfreizügigkeit Sei- tens der Bevölkerung der alten Mitgliedstaaten debattiert. Denn jede Neuge- staltung des Systems ruft Veränderungen hervor und diese sind meistens mit der Ungewissheit und Furcht vor dem Neuen verbunden. Vor allem in Deutschland, wegen der geographischen Nähe zu den MOE-Staaten und der momentanen ökonomischen Unattraktivität der GIPS-Staaten1 aufgrund der Schuldenkrise2, waren die Befürchtung vor einer Flutwelle an billigen Ar- beitskräften aus osteuropäischem Raum, groß. Zwar kennt man die wirt- schaftlichen Vorteile von Arbeitsmigration bereits aus der deutschen Ge- schichte in den 60er Jahre, dennoch haben nicht alle Bundesbürger die Er- weiterung befürwortet. Im Jahr 2004 lehnten, laut der Konrad-Adenauer- Stiftung, rund 59% aller deutschen Bürger die Osterweiterung ab und emp- fanden diese als zu „zu früh“3. Die Ablehnung wurde überwiegend im Hin- blick auf die mit der Arbeitsmigration verbundenen Gefährdung der Arbeits- plätze von inländischen Bürgern, als auch über die Senkung des Lohnni- veaus im Zuge der Arbeitnehmerfreizügigkeit, argumentiert.

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird es überprüft wie sich die Arbeits- migration auf die Ökonomie des Zuwanderungslandes auswirkt. Dabei wird das Augenmerk auf die Arbeitsmarkteffekte gelegt. Zielsetzung ist es zu untersucht ob die tatsächlichen Folgen der Arbeitsmigration mit den Be- fürchtungen und Skepsis der deutschen Bevölkerung übereinstimmen. Wur- den die einheimischen Arbeitskräfte durch die „billig Arbeitskraft“ aus Ost- europa vom Arbeitsmarkt verdrängt? Oder hilft uns die Zuwanderung dem demografischen Wandel und dem anwachsenden Fachkräftemangel entgegen zu wirken und ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum des Landes zu si- chern?

In den folgenden Sätzen wird die Vorgehensweise dieser Arbeit dargelegt. Den Ausgangspunkt bildet im ersten Kapitel die Auslegung des europäi- schen Integrationsprozesses. Dabei wird in Kürze sowohl auf die histori- schen Hintergründe der Eingliederung als auch auf das Zustandekommen des Beitrittes eingegangen. Es wird ein allgemeines Bild über die Voraussetzun- gen einer Mitgliedschaft und sich daraus ergebenen Vorteile vermittelt. Da- ran anknüpfend wird auf den Gegenstand der Arbeit eingegangen, insbeson- dere die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Hierbei erfolgt sowohl die definitorische Begriffsklärung der Übergangsbestimmungen als auch die Auslegung dieser in der Anwendung. Im Anschluss wird auf die Leitfrage, was genau die Menschen dazu bewegt zu immigrieren, anhand von verschieden Theorie der Migrationsforschung eingegangen.

Der Schwerpunkt des zweiten Kapitels wird auf die theoretischen Effekte der Zuwanderung gelegt. Hierbei wird zunächst die klassische Außenhan- delstheorie mit Mobilität des Faktors Arbeit zur Analyse und anschließender Beurteilung herangezogen. Dabei wird der Prozesse der Lohnangleichung in Folge des internationalen Tauschs zwischen zwei Ländern mit einer unter- schiedlichen Ausstattung des Faktors Arbeit verdeutlicht.

Des Weiteren wird das Modell des neoklassischen Arbeitsmarktes betrachtet. Dabei liegt die Arbeitskräftemengenanpassung als auch die damit verbunde- ne Lohnanpassung bedingt durch Arbeitsmigration im Mittelpunkt der Ana- lyse. Darauf aufbauend wird die Untersuchung in ihrer Komplexität erwei- tert. Es werden die ökonomischen Auswirkungen auf die einheimischen Ar- beitskräfte als auch auf deren Lohnniveau aufgrund der unterschiedlichen Qualifikationsstruktur der Migranten betrachtet.

Abschließend im letzten Kapitel werden die aus dem theoretischen Teil er- mittelten Szenarien im Zuge der Arbeitsmigration mit der derzeitigen Be- standaufnahmen der wirtschaftlichen Lage verglichen. Die Konzentration der Untersuchung wird auf den deutschen Arbeitsmarkt gelegt. Hierbei wer- den Wachstumsindikatoren der deutschen Ökonomie untersucht. Es wird jedoch auch ein Einblick in das gesamte europäische Geschehen vermittelt.

Europäische Integration und Arbeitskräftemigration

Der Weg zur EU-Osterweiterung

Die Europäische Union wurde im Jahre 1951 von den Gründungsstaaten Frankreich, Bundesrepublik Deutschland und den Beneluxstaaten als Euro- päische Gemeinschaft für Kohle und Stahl gegründet, mit dem Hauptziel den innereuropäischen Frieden zu sichern. In den darauf folgenden Jahren erwei- terte sich die Gemeinschaft kontinuierlich. Am 01. Mai 2004 fand die fünfte und größte Erweiterung in der Geschichte der europäischen Integration statt.

Die Union wurde um zehn weitere Mitgliedsstaaten ergänzt4, acht Mittel- und Osteuropäische Staaten, sowie zwei Mittelmeerinseln traten dem Bünd- nis bei. Als am 1. Juli 2003 Kroatien und 1. Januar 2007 sowohl Rumänien als auch Bulgarien die Zustimmung für den Beitritt erteilt wurde expandierte die Mitgliederanzahl der Union auf rund 28 Länder und rund 507,4 Millio- nen Einwohner5.

Der Erweiterung wird eine besondere Bedeutung zugeschrieben, da diese das europäische Volk, welches Jahrzehntelang durch den Eisernen Vorhang ge- trennt war, vereinigt und somit Frieden und Stabilität auf europäischen Bo- den sichert. Einige der MOE-Staaten stellten bereits Mitte der 90er Jahre, nach dem Zerfall der UdSSR, einen Antrag auf Mitgliedschaft. Im Jahre 1998 nahm die Europäische Kommission offizielle Verhandlungen über den Beitritt mit einigen Bewerbern auf. Sobald einem Staat offiziell der Status eines Beitrittskandidaten zugesprochen wird, führt dies nicht zwangsläufig zu dem Beginn der Beitrittsverhandlungen. Die Anwärter müssen bestimmte Voraussetzungen vor dem Erlangen der Mitgliedschaft erfüllen. Hierbei handelt es sich um die sogenannten Kopenhagener Kriterien6. Diese setzen sich aus drei Kriterien zusammen, die von den MOEL erfüllt werden müssen und zugleich als Maßstab für die Beitrittsfähigkeit der Kandidaten dienen.

Hierzu zählen politische und wirtschaftliche Kriterien (funktionsfähige Marktwirtschaft und die Fähigkeit dem Wettbewerbsdruck des Binnenmark- tes standzuhalten, politische stabiler demokratischer Rechtsstaat, der die Menschen und Minderheitenrechte achtet)7. Als drittes Attribut komplettiert die Übernahme des acquis communautaire8 die Kopenhagener Kriterien9. Darüber hinaus richtet sich ein Punkt primär an die Europäische Union bzw. an die innere Reform der EU, da diese die Aufnahmefähigkeit von Interes- senten gewährleisten und dabei die Dynamik der europäischen Integration gewährleisten muss10. Diese Kriterien dienen der Vorbereitung des Beitrittes der neuen Mitgliedstaaten zugleich ist es auch eine Hilfestellung für die alten Staaten, da auch diese sowohl ihre Märkte als auch ihre Bevölkerung auf die Erweiterung vorbereiten müssen. Für die MOEL stellten sich die Kriterien zum Teil als eine Herausforderung dar. Da die wirtschaftliche als auch teil- weise die politische Lage, dem europäischen Niveau angeglichen werden musste. Ob ein Land europäisch ist oder nicht wird nicht anhand von geogra- fischen oder historischen Merkmalen gemessen. Nach Art. 49 des EU- Vertrags „kann jeder europäischer Staat der die in Art. 2 genannten Werte achtet und sich für ihre Förderung einsetzt, beantragen, Mitglied der Union zu werden“11.

Nach langjährigen Vorbereitungen der Aufnahme, wurde im Jahre 2002 in Kopenhagen endgültig der Beschluss zur Osterweiterung gefasst. Bereits 2003 stimmte, das Europäische Parlament dem Beitritt zu und legte diesen in dem Beitrittsvertrag von 200312 fest. Dieser wurde am 16. April 2003 in Athen von allen beteiligten Parteien unterzeichnet und wurde somit am 1. Mai 2004 rechtskräftig. Ein langer Weg der Entwicklung ermöglichte fast ein viertel Jahrhundert später den postkommunistischen Staaten den Beitritt zu der Union.

Arbeitnehmerfreizügigkeit und Übergangsbestimmungen

Ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union genießt verschiedene Freiheiten und sich daraus ergebene wirtschaftliche als auch politische Vorteile. Die Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes, dient der Verwirklichung von Zielen der EU. Durch den Abbau von Barrieren resultiert eine Steigerung der Wirtschaftlichkeit, des allgemeinen Wohlstandes und der Stabilität im euro- päischen Raum. Der Binnenmarkt basiert auf vier Grundfreiheiten der Uni- on13. Eine von diesen Grundfreiheiten ist die Personenfreizügigkeit, diese impliziert dass jeder Bürger der Europäischen Union die Fähigkeit besitzt sich innerhalb des europäischen Raumes frei zu bewegen und seinen Auf- 11 Art. 2 EU, : „ die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechts- staatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich Rechte der Person.“ enthaltsort autonom zu bestimmen. Diese Freizügigkeit schließt ebenfalls das Niederlassungsrecht14 sowie die Arbeitnehmerfreizügigkeit15 mit ein16.

Dieser Rechtsspruch hat zu Folge, dass jeder Unionsbürger die freie Wahl des Arbeitsplatzes in jedem Mitgliedsstaat der EU besitzt. Dabei besteht ein Diskriminierungsverbot17, welches besagt, dass jede Art von Ungleichbe- handlung zwischen den ausländischen und einheimischen Bewerbern rechtswidrig ist18. Dieser Tatbestand impliziert, dass die deutschen Arbeit- nehmer nun um die Arbeitsplätze mit den Migranten konkurrieren, da diese durch den Rechtsspruch gleichgestellt werden. Dies traf jedoch, in der inlän- dischen Bevölkerung, nicht nur auf Zustimmung und Vorfreude. Um all die- ser Skepsis entgegen zu wirken und sowohl die deutschen Staatsbürger, als auch den einheimischen Arbeitsmarkt auf die Osterweiterung und die damit verbundene Arbeitnehmerfreizügigkeit vorzubereiten, wurde das sogenannte „2+3+2 Model“ entwickelt19. Dieser Drei-Phasen-Plan stellte fest, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit in den ersten zwei Jahren ohne Begründung ein- geschränkt blieb, zumindest in Deutschland. Nur wenige von den alten EU- Länder20 erlaubten es, mit Hilfe von nationalen Gesetzten, ab Beginn der Osterweiterung, die uneingeschränkte Zuwanderung von Arbeitsmigration21.

Die Regelung sah es vor, dass in der ersten Phase von zwei Jahren nach dem Beitritt, die europäischen Arbeitsmärkte für die Arbeitsmigranten aus den neuen Mitgliedsstaaten geschlossen blieben. Es bestand jedoch nach wie vor das Arbeitsgenehmigungsrecht, wodurch Saisonarbeiter und Gastarbeiter weiterhin die Möglichkeit hatten mit einer Arbeitserlaubnis einer befristetet Tätigkeit in Deutschland nachzugehen. Vor dem Ende der ersten Frist wird die Funktionsweise der Übergangsregelungen überprüft. Anhand dieser Re- vision erfolgt die Urteilung darüber, ob das kandidierende Land die Ziele des Beitrittsvertrags erreicht hat und somit ein vollständiges Mitglied der EU ist und jede sich daraus ergeben Freiheit im europäischen Raum genießen kann.

Wenn hingegen die Urteilung über den Progress der Entwicklung negativ ausfällt, wird die Übergangsfrist um weitere drei Jahre verlängert22. Wäh- rend der zweiten Phase von drei Jahren besteht für die alten Staaten die Möglichkeit die Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit jederzeit auf- zuheben und ihren Arbeitsmarkt für die Arbeitsemigranten zu öffnen. Die alten Mitgliedsstaaten haben die Möglichkeit den Übergang auf die maxima- le Dauer von sieben Jahren hinauszuzögern, allerdings nur wenn „erhebliche Störungen“ vorliegen. Dies taten beispielsweise die Bundesrepublik und Österreich im Falle von Bulgarien und Rumänien. Am 1. Mai 2011 endet für die EU-8 die Gültigkeit der Übergangsbestimmungen und somit eröffnet sich ein uneingeschränkter Zugang zu dem deutschen Arbeitsmarkt. Analog gilt die Regelung für die EU-2 ab dem 1. Januar 201423.

Mikro- und Makroökonomische Erklärungsansätze der Migration

Der Begriff, „Migration“, wird in der Literatur nicht allgemein gültig defi- niert24, u. a wird es als ein Grenzüberschreitender Wanderungsprozess oder als eine dauerhafte Verlagerung des Lebensmittelpunktes beschrieben25. Fest steht, dass Migration immer auf Wunsch von einer Verbesserung des Le- bensstandards entsteht. Diese Verbesserung kann ökonomischer, politischer oder sozialer Natur sein. Die Forschung des Migrationsverhaltens befasst sich mit den Antrieben der Wanderung und dessen Auswirkungen auf das Ab- und Zuwanderungsland. In dem folgenden Abschnitt wird sowohl ein Überblick über die wichtigsten Theorien der Migrationsforschung vermittelt, als auch eine genaue Betrachtung der Motivatoren von Wanderung vorge- nommen. Dabei wird die Konzentration der Analyse auf die ökonomischen Determinanten der Wanderungsmotive gelegt. Es werden sowohl makro- als auch mikroökonomische Motive analysiert. Die makroökonomischen Ansät- ze legen den Schwerpunkt der Forschung auf die gesellschaftliche Ebene. Hierbei wird die Wanderung anhand von volkswirtschaftlichen Kennzahlen wie Arbeitslosenquote oder der Infrastruktur eines Landes entschieden26.

Auf der mikroökonomischen Ebene hingegen werden die Determinanten der Migrationsentscheidung des Individuums analysiert, wie Karriereaufstiegs- chancen, Familienzusammenführung etc. Die klassischen Migrationsforschung 27 befasst sich mit den makroökonomi- schen Motiven der Migration. Die internationale Wanderung wird als Folge einer Angleichung zwischen zwei Regionen mit einem Überschuss an Be- völkerung einerseits und einem Arbeitskräftemangel andererseits erklärt28. Demnach trägt die der räumlichen Mobilität29 dazu bei, dass die Ineffizienz am Markt, in Form von Ungleichgewichtsniveau, beseitigt wird und die Ökonomie sich in einem vollkommenen Zustand befindet.

Piore M. erklärt in seiner Theorie des dualen Marktes, die Entstehung der Arbeitsmigration durch fehlerhafte makroökonomische Bedingungen am Arbeitsmarkt30. Demnach kommt es zu internationalen Wanderung aufgrund eines Nachfrageüberschusses der Unternehmen. Diese Theorie teilt den Ar- beitsmarkt in zwei Sektoren auf, nämlich in einen primären und einen se- kundären Sektor. Der primäre Sektor ist durch Kapitalintensivität und quali- fizierte Arbeitskräfte gekennzeichnet, der sekundäre hingegen durch Arbeits- intensivität und gering qualifizierte Angestellte31. Die einheimischen Ar- beitskräfte präferieren den primären Segmentierungsbereich aufgrund des höheren Lohnniveaus, besseren Arbeitsbedingungen und Aufstiegschan- cen32. Infolgedessen entsteht im sekundären Segment ein Mangel an Ar- beitskräften, der durch Arbeitsmigration ausgeglichen wird. Denn die Mig- ranten akzeptieren beispielsweise eher das niedrigere Lohnniveau, da es ver- gleichsweise dennoch höher ist als das heimische. Die Ineffizienz am Ar- beitsmarkt, in Form von einem Nachfrageüberschuss, wird ausgeglichen und das Einkommen von Migranten erhöht sich33. Folglich profitieren beide Sei- ten von der Zuwanderung. Diese Theorie besteht jedoch nur solange es sich um befristete Arbeitskräfte handelt, denn sobald die Migranten sich in dem Einwanderungsland niederlassen, werden sie auch den primären Sektor an- streben.

Anlehnend an die klassische Theorie formulierte Ravenstein G. im Jahr 1889 das Gravitationsmodell der Migration. Das Modell besagt, dass ein signifi- kant hoher Zusammenhang zwischen dem Migrationsvolumen und der geo- graphischen Nähe des potenziellen Zuwanderungslandes besteht34. Die Ent- fernung ist demnach ebenfalls eine wesentliche Determinante des Verhaltens von potenziellen Migranten. Der Anreiz zu Migration nimmt mit der Entfer- nung ab35, da die sich aus der Wanderung ergebenen Transaktionskosten das zusätzliche Einkommen übersteigen würden. Dies impliziert u. a, dass das Volumen an Arbeitsemigranten aus Polen nach Deutschland deutlich höher ausfallen müsste, als die Zuwanderung aus Rumänien. Diese These wird im letzten Kapitel anhand von Zuwanderungszahlen belegt.

Eine weitere Theorie der makroökonomischen Migrationsforschung ist die, Push and Pull- Theory, entwickelt von Lee E. im Jahre 1972. Lee dividiert alle bestehenden Migrationsmotive in zwei Kategorien auf. Zum einen die sogenannten „Pull-Faktoren“ und zum anderen die „Push-Faktoren“36. Die Pull-Faktoren, die anziehenden Determinanten des Ziellandes, üben einen positiven Einfluss auf das Migrationsverhalten von Individuen. Dies sind sowohl ökonomische als auch soziale Faktoren. Hierzu zählen z. B ein höhe- res Lohnniveau, bessere Aufstiegschancen, hohe Umweltqualität, aber auch die Stabilität des politischen Systems und das Gesundheitssystem im poten- ziellen Einwanderungsland. Push-faktoren sind im Gegensatz dazu all die abstoßenden Faktoren des Heimatlandes, demnach die negativen Umstände die das Migrationsverhalten begünstigen. Dazu zählen etwa hohe Arbeitslo- sigkeit, fehlende soziale Sicherung37. Laut Lee, besitzen alle Individuen ein Migrationspotenzial, dieser kommt zum Vorschein wenn der Lebensstandard der Zielregion besser, als die Situation im Heimatort ist, mit anderen Worten wenn die Summe der Pull-Faktoren die der Push-Faktoren überwiegt38.

Auf der mikroökonomischen Ebene der Forschungsansätze ist die Theorie des Humankapitalansatzes von Sjaastad aus dem Jahr 1962 erwähnenswert. Hier wird die Entscheidung für oder gegen die Migration als eine individuel- le Investition in das Humankapital betrachtet39. Das Individuum wird seinen Lebenspunkt dahin verlagern, wo die sich in Abhängigkeit von der jeweili- gen Humankapitalausstattung ergeben Erträge, am höchsten sind40. Da von einem rational denkenden Individuum ausgegangen wird, das stets sein Nut- zen bzw. sein Einkommen zu maximieren versucht und vollständig infor- miert ist, wird es die Migration anhand von einer Kosten-Nutzen-Analyse41 fixieren. Die vollständigen Informationen erlauben es dem potenziellen Mig- ranten die zukünftigen Ereignisse und die sich daraus resultierenden Kosten oder Erträge abzuschätzen42. Sowohl die Kosten als auch die Erträge können materieller oder immaterieller Natur sein43. Die materiellen Kosten setzten sich beispielsweise aus Umzugskosten oder bürokratischen Aufwendungen zusammen. Die immateriellen hingegen beziehen sich auf sozialen oder psy- chischen Belastungen, wie das Verlassen der Familie oder die Trennung von Freunde. Den Kosten gegenüber stehen die zu erwartenden Erträge im Aus- land. Hierzu gehören ebenfalls monetär als auch immaterielle Zugewinne, wie ein höheres Einkommen, niedrige Arbeitslosenquote sowie gar eine län- gere Lebenserwartung. So wird sich das Individuum für die Migration ent- scheiden, wenn die Erträge die Kosten der Wanderung übersteigen, dieser Zusammenhang verdeutlicht dass je höher die individuelle Humankapital- ausstattung der Person ist, desto eher wird sie immigrieren. So wird eine jüngeres Individuum eher auswandern als ein älteres, da die Erträge des jün- geren, aufgrund der noch längeren bevorstehenden Erwerbszeit, höher sind44.

[...]


1 Zu den GIPS-Staaten zählen: Griechenland, Italien, Portugal und Spanien.

2 Nähere Informationen zu den genauen Hintergründen der Schuldenkrise 2009,Siehe: Falk, I. (2012), S. 110 ff.,

3 Vgl. Bürgin, A. (2004), Spiegel Online.

4 Die neuen Mitgliedsstaaten sind: Polen, Ungarn, Lettland, Litauen, Estland, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik, Zypern und Malta.

5 Vgl. Statistisches Bundesamt: Stand 1.01.2014

6 Diese Kriterien wurden am 22.Juni 1993 vom Europäischen Rat in Kopenhagen, in Vorbe- reitung auf die EU-Osterweiterung verabschiedet.

7 Vgl. Weidenfeld, W. (2013), S. 30-33.

8 Ein gemeinschaftlicher Besitzstand, dieser setzt sich zusammen aus allen Rechten und Pflichten, die für die Mitgliedstaaten der EU verbindlich sind und von den Beitrittskandida- ten akzeptiert werden müssen. Nähere Informationen Siehe: Pechstein. M., Koenig, C. (2000), S.218 ff., sowie Weidenfeld, W. (2013), S. 31.

9 Vgl. Pechstein. M., Koenig, C. (2000), S.426 ff.

10 Vgl. Europäische Kommission

11 Art. 2 EU, : „ die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechts- staatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich Rechte der Person.“

12 Dies ist ein Abkommen zwischen MOEL und EU. Der Inhalt bezog sich u. a. auf die Übergangsbestimmungen und die finanziellen Hilfestellungen.

13 Zu den vier Freiheiten zählen der Freier Warenverkehr, die Personenfreizügigkeit, Dienst- leistungsfreiheit und Freier Kapital- und Zahlungsverkehr. Diese sind im Vertrag über die Arbeitsweise der EU fundamentiert. Ausführlich Darlegung Siehe: Weinefeld, W. (2013), S. 181 ff.

14 Vgl. Art. 49 AEUV

15 Vgl. Art. 45. AEUV

16 Vgl. Jerabek, M. (2011), S. 238-240.

17 Vgl. Art. 48 Abs. 2 EGV

18 Vgl. Belke u. Hebler (2002), S. 122.

19 Von den Übergangsbestimmungen waren Malta und Zypern ausgenommen.

20 Irland, England und Schweden

21 Vgl. Jerabek, M. (2001), S. 238.

22 Vgl. Jerabek, M. (2011), S. 240.

23 Für Kroatien gelten aktuell noch die Übergangsregelungen bis zum 30. Juli 2015 (Ende der ersten Phase).

24 Vgl. Geis , M. (2005), S. 7.

25 Vgl. Dvorak, J., Mückler , H. (2011), S. 165.

26 Vgl. Motte, J., Ohliger R., von Oswald, A. (1999), S. 259.

27 Zurückzuführen auf Adam Smith. In dem Werk „Wealt of nations“

28 Vgl. Düvell, F. (2006), S. 79.

29 Wird als die Bewegung von Individuen oder Gruppen innerhalb eines geographischen Raumes definiert. Es wird hierbei von verschiedenen Arten der Mobilität ausgegangen. Nähre Erläuterung Siehe: Schäfer. B, Zapf, W.(2001), S. 529ff., sowie Ette, A., Sauer, I. (2010), S. 21-22.

30 Vgl. Düvell, F. (2206), S. 82., sowie Schomaker, R., Müller, C., Knorr. (2012), S. 76.

31 Die Qualifizierten verfügen meist über ein Hochschulstudium oder eine Berufsausbil- dung, die Unqualifizierten hingegen verfügen nicht über zweijährige Berufsausbildung.

32 Vgl. Düvell, F. (2006), S. 82., sowie Tippelt, R., Schmidt. B. (2005), S. 108-109.

33 Vgl. Grochowska, M. (2011), S. 247.

34 Vgl. Düvell, F. (2006), S. 80 ff.,; Schomaker, R., Müller, C., Knorr, A. (2012), S. 46.

35 Vgl. Fassman, H., Dahlvik, J. (2012), S. 74.

36 Vgl. Fassman, H., Dahlvik, J. (2012), S. 76.

37 Vgl. Belke, A., Hebler, M. (2002), S. 127.

38 Vgl. Fassmann, H., Dahlvik, J. (2010), S. 76-77.

39 Vgl. Belke, A., Hebler, M. (2002), S. 125.

40 Vgl. Ette, A., Sauer, I. (2010), S. 96, ;Bodvarsson Ö., Van Berg, H. (2013), S. 33-34.

41 Vgl. Ette, A., Sauer, I. (2010), S. 95.

42 Vgl. Heiduk, G. S. (2005) S. 66.

43 Vgl. Düvell, F. (2006), S. 83.

44 Vgl. Geis, M. (2005), S. 25.

Ende der Leseprobe aus 52 Seiten

Details

Titel
EU-Osterweiterung und die Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen
Note
1,7
Autor
Jahr
2014
Seiten
52
Katalognummer
V287007
ISBN (eBook)
9783656873860
ISBN (Buch)
9783656873877
Dateigröße
902 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Osterweiterung, EU, Arbeitsmarkt, Arbeitnehmerfreizügigkeit, Arbeitskräftemigration, EU-Erweiterung
Arbeit zitieren
Inna Baier (Autor:in), 2014, EU-Osterweiterung und die Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/287007

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