Die Sprache der Politik im Interview mit Mariano Rajoy vom 16. November 2011


Hausarbeit, 2012

18 Seiten, Note: 2,0

Sandra S. (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Sprache der Politik
2.1 Politische Lexikologie
2.2 Sprachverwendung und Sprachfunktion in der Politik
2.3 Politische Textsorte: Das Interview

3 Gegenstand der Analyse: Entrevista a Rajoy 16. November
3.1 Mariano Rajoy und die Partido Popular (PP)
3.2 Aussagen Rajoys
3.2.1 Europapolitik
3.2.2 Arbeitslosenquote
3.2.3 Wirtschaftszweige
3.2.4 Steuern/Kürzungen
3.2.5 Bildungs- und Gesundheitspolitik
3.2.6 Weitere Themen
3.3 Die Sprache der Politik im Interview mit Mariano Rajoy

4 Schlussbetrachtungen

5 Literaturverzeichnis
5.1 Quellen
5.2 Sekundärliteratur

1 Einleitung

Als vor knapp einem Jahr die Präsidentschaftswahlen in Spanien anstanden, befand sich der Staat bereits in einer schweren wirtschaftlichen Krise. Umso wichtiger erschien es, als Präsidentschaftskandidat vertrauenswürdig zu wirken, die Bürger sollten den Glauben fassen, dass die neue Regierung aus der Krise herausfinden würde. Es folgten Wahlkampfaktionen wie das „Cara a Cara“[1] oder die „Gran debate a cinco“[2]. Im Zuge des Wahlkampfs strahlte der spanische Fernsehsender Televisión Española (TVE) am 16. November 2011 zusätzlich ein Interview mit Mariano Rajoy aus. Der Kandidat der konservativen Partido Popular (PP) stellte sich den Fragen der Moderatorin Pepa Bueno und kündigte Besserungen in nahezu allen Bereichen der spanischen Politik an. Dass diese Ankündigungen ebenso utopisch wie meinungsbildend und stimmrelevant waren, sollte Rajoy bereits zur Zeit des Interviews geahnt haben. Vier Tage nach dem Interview wurde Rajoy zum neuen spanischen Ministerpräsidenten gewählt, was er vermutlich nicht zuletzt auch seinen großen Ankündigungen zu verdanken hat.

Heute hat er viele seiner Versprechen nicht eingehalten, einige sogar ins Gegenteil verkehrt. Doch war ihm diese Entwicklung bereits vor einem Jahr bewusst? Ging er mit seinen Ankündigungen lediglich auf Stimmfang? Oder glaubte er selbst an seine Pläne? Und hätte man bereits zur Zeit des Interviews merken können, dass er sich seiner Sache nicht so sicher ist, wie es schien? Welche Auffälligkeiten finden sich in Sprache, Mimik und Gestik Rajoys? Diese Fragen sollen im Folgenden geklärt werden. Die Sprache Rajoys spielt bei dieser Untersuchung die größte Rolle, doch auch Gestik und Mimik des spanischen Präsidenten während des Interviews sollen Aufschluss darüber geben, ob er log – oder vielleicht selbst an sein Programm glaubte. Um zunächst eine Analysegrundlage zu schaffen, werden im ersten Teil der Arbeit die Merkmale und Untersuchungsgegenstände der Sprache der Politik im Allgemeinen und im Interview dargestellt, im Anschluss wird das Interview selbst analysiert.

2 Die Sprache der Politik

Die Sprache der Politik kann als Wechselspiel zwischen Sprache und Politik betrachtet werden, wie es Walther Dieckmann (1969) in seiner Einführung in die Sprache der Politik beschreibt.[3] Oder sie wird schlicht als unabkömmlich gesehen, wie bei Heiko Girnth (2002) beschrieben:

„Politiker appellieren an die Emotionen ihres Publikums, sie buhlen um seine Zustimmung und sie werben für ihre Überzeugungen. Dies geschieht im Wesentlichen in und durch Sprache. Sprache ist nicht nur ein Instrument der Politik, sondern überhaupt erst die bedingung ihrer Möglichkeit.“[4]

Die Sprache der Politik besteht dabei vor allem aus einem bestimmten typologischen Wortschatz und aus speziellen Sprachstilen sowie Sprachfunktionen. Zusätzlich spielen auch verschiedene rhetorische Mittel und generell die Form der politischen Sprache – Rede, Interview, Manifest – eine Rolle. All diese Faktoren sollen im Folgenden erläutert werden, um im Anschluss das Interview mit Mariano Rajoy zu analysieren.

2.1 Politische Lexikologie

Ein wichtiger Bestandteil der Sprache der Politik ist ihre Lexikologie. Die politische Lexikologie untersucht den Wortschatz der politischen Sprache. Dabei wird die Aufmerksamkeit auf „bestimmte Arten von Wörtern, bestimmte Eigenschaften von Wörtern und bestimmte Verwendungsweisen von Wörtern“[5] gerichtet. Es wird untersucht, welche Wörter überhaupt zum Wortschatz der Politik zählen, wie häufig sie verwendet werden und wie brisant sie im Einzelnen sind.[6]

Vor allem Ausdrücke des „Diskurswortschatzes“ und Schlagwörter spielen eine große Rolle.[7] Der Diskurswortschatz besteht aus dem Zusammenschluss von „palabras y expresiones que forman parte del discurso político español más reciente“.[8] Es geht folglich um Wörter, die die sozialen und politischen Umstände beschreiben, die zur entsprechenden Zeit in Spanien vorherrschen. Darunter zählen für die außenpolitischen Beziehungen unter anderem Worte wie „convergencia“, „euro“, „construcción europea“ oder „globalización“.[9] Innenpolitisch kommen vor allem Worte wie „estado confederal“, „nacionalidades“, „nacionalismo democrático“, „frentismo“ oder „autodeterminación“ vor.[10]

Schlagwörter hingegen sind die „auffälligste Erscheinung der politischen Meinungssprache“.[11] Für sie ist es besonders kennzeichnend, dass sie zu bestimmten Zeiten besonders häufig auftreten. Sie haben eine „große Vorkommenshäufigkeit, wenn die mit ihnen verbundenen Diskurse brisant sind“.[12] Schlagwörter haben eine appellative Funktion, sie lösen emotionale Reizwirkungen aus und sollen ein bestimmtes Handeln erwirken.[13]

Zum inhaltlichen Vokabular der politischen Sprache zählen „Institutionsvokabular, Ressortvokabular, Interaktionsvokabular und Ideologievokabular“.[14]

Vor allem das Ideologievokabular spielt eine große Rolle in der Sprache der Politik. Es vereint drei Merkmale: ideologische Begriffe bezeichnen etwas mit denotativen Merkmalen, bewerten etwas mit evaluativen Merkmalen oder fordern mit deontischen Merkmalen zu etwas auf.[15]

2.2 Sprachverwendung und Sprachfunktion in der Politik

Sprache wird in der Politik genutzt, um Wähler von sich oder einer Partei zu überzeugen, seine eigene Partei zu einem bestimmten Projekt zu bewegen oder Debatten mit anderen Parteien für sich zu entscheiden.

Doch Sprache erfüllt in der Politik vor allem immer eine bestimmte Funktion: die „gesellschaftliche Kontrolle“, wie es Dieckmann beschreibt. Und diese gesellschaftliche Kontrolle ist vor allem auf die politische Kontrolle im staatlichen Handeln bezogen.[16]

In der Politik soll folglich wie in allen Lebensbereichen Sprache einen bestimmten Zweck erfüllen. Sie soll den Zuhörer oder Gesprächspartner zu etwas bewegen. Im Falle der Sprache der Politik ist dem sprachlichen Zeichen eine appellative Funktion zuzuordnen, da die Meinung des Adressaten beeinflusst werden soll. Für eine weitere Erklärung ist unter anderem das Organon-Modell nach Bühler anwendbar.

In dem Modell vermittelt ein Sender über ein sprachliches Zeichen Gegenstände und Sachverhalte an einen Empfänger, er drückt sich auf eine bestimmte Art und Weise aus – beispielsweise mit einer bestimmten Sprache der Politik und appelliert mit der Darstellung der Gegenstände und Sachverhalte an den Empfänger. Die Sprache dient dem Sprecher in dieser Darstellung sinnbildlich als Werkzeug zur Durchsetzung seiner Ziele. Sprache hat nach Bühler drei Funktionen: die Darstellungs-, Ausdrucks- und Appellfunktion.[17]

Alle drei Funktionen finden auch in der Sprache der Politik Anwendung.

2.3 Politische Textsorte: Das Interview

Das politische Interview stellt eine besondere Form der politischen Sprache dar. Der Politiker kann sich zumeist nicht so ausgiebig darauf vorbereiten, wie auf eine ausgearbeitete politische Rede, es können spontane und kritische Fragen gestellt werden, auf die eine Antwort verlangt wird. Das Interview gilt somit als eine der Formen „zwischenmenschlicher Kommunikation“.[18]

In der spanischen Presse gibt es verschiedene Formen des Interviews, die auf viele unterschiedliche Arten klassifiziert werden können. Im Folgenden wird der Klassifikationsversuch nach Natascha Rodrigues[19] vorgestellt.

Ihrer Meinung nach ist die einfachste Klassifikationsmöglichkeit die Unterscheidung zwischen dem „Interview zur Sache“ und dem „Interview zur Person“. Hierbei steht die unterschiedliche „kommunikative Zielsetzung“ im Mittelpunkt der Klassifikation.[20] Beim Interview zur Person stellt der Interviewer die Persönlichkeit des Interviewten in den Vordergrund, es soll ein Bild des Befragten vermittelt werden. Im Gegensatz dazu stehen beim informierenden Meinungs-Interview zur Sache die Einstellungen und Erklärungen des Interviewten zu einer bestimmten Sache im Mittelpunkt. Hier ist zumeist die Aktualität von Bedeutung.[21]

Rodrigues stellt zudem das kritische Meinungs-Interview vor, bei dem die Meinung des Interviewten zusätzlich kritisch hinterfragt wird.[22]

Bei der Analyse eines Interviews ist es zudem von Bedeutung, in welcher Kommunikationssituation das Interview stattfindet. Es wird unterschieden zwischen Live-Interviews, telefonischen Interviews oder aufgezeichneten Gesprächen.[23] Hierbei ist auch der Grad der Vorbereitetheit des Interviewten zu betrachten. Ein „intensiv vorbereiteter“ Sprecher hat Unterlagen zum Thema erhalten und benutzt Daten und Stichworte für seine Antworten. Routiniert vorbereitet ist er, wenn ihm die Thematik „aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit, seiner Ausbildung oder seiner Interessen vertraut ist“, und unvorbereitet geht Derjenige in ein Interview, der mit einem ihm nicht vertrauten Thema konfrontiert wird.[24]

Zusätzlich werden die sprachlichen Mittel untersucht, die Interviewer und Interviewter verwenden. Darunter fallen unter anderem „personale Referenzausdrücke, Abtönungspartikel, Modalpartikel, Satzadverbien und (...) Verben des Glaubens, Fühlens und Denkens.“[25]

3 Gegenstand der Analyse: Entrevista a Rajoy 16. November 2011

Zur genauen Analyse des hier thematisierten Interviews werden zunächst mit einigen allgemeinen Informationen die Rahmenbedingungen des Gesprächs erläutert.

Der spanische Fernsehsender Televisión Española (TVE) strahlte am 16. und 17. November 2011 Interviews mit den Hauptkandidaten der Präsidentschaftswahl Spaniens aus. Am 16. November 2011 wurde das Interview mit Mariano Rajoy von der Partido Popular (PP) und einen Tag später das Gespräch mit Alfredo Peréz Rubalcaba von der Partido Socialista Obrero Español (PSOE) gezeigt. Beide Interviews erschienen im „Telediario“, den Tagesnachrichten des Senders.[26]

Moderatorin der Interviews war Pepa Bueno, eine bekannte spanische Nachrichtenmoderatorin, die im Zuge der Entlassungen kritischer Journalisten durch die spanische Regierung den Sender bereits im Juni 2012 freiwillig verließ.[27]

Zu den Themen im Interview mit Mariano Rajoy zählten die wirtschaftliche Lage Spaniens, Steuern und die Arbeitslosenquote, das Ende der ETA und gesellschaftliche Themen wie das Abtreibungsgesetz und die Ehe zwischen Homosexuellen. Das Interview dauerte 34 Minuten und enthielt 34 Fragen von Seiten der Moderatorin. Heute, rund 10 Monate nach dem Wahlkampf-Interview haben sich die meisten von Rajoys Ankündigungen entweder nicht bewahrheitet oder sogar ins Gegenteil umgekehrt. Im Folgenden soll daher der auch Zusammenhang zwischen sprachlichen Merkmalen und Wahrheit und Lüge in der politischen Sprache untersucht werden.

Das Gespräch wurde live ausgestrahlt, was Rückschlüsse auf die Kommunikationssituation zulässt. Da es zwar einerseits um Mariano Rajoys persönliche Meinung zu den verschiedenen politischen Aspekten geht, andererseits aber auch um die Politik an sich, ist es eine Mischung aus dem Interview zur Person und dem Interview zur Sache.

3.1 Mariano Rajoy und die Partido Popular (PP)

Mariano Rajoy Brey ist der Vorsitzende der Partido Popular (PP). Er wurde 1955 in Santiago de Compostela geboren und studierte 1978 Recht an der Universität seiner Geburtststadt. Er begann seine politische Karriere 1981 in der Alianza Popular (Volksallianz) aus der 1989 die heutige PP entstand. [28] Die Alianza Popular war ein Zusammenschluss aus „Reforma Democrática“, „Unión del Pueblo Español“, „Acción Democrática Española“, „Democracia Social“, „Acción Regional“, „Unión Social Popular“, „Unión Nacional Española“ und weiteren kleineren Gruppierungen. [29]

Im September 1989 wurde die Alianza Popular in Partido Popular umbenannt, im darauffolgenden Jahr wurde José María Aznar zum Vorsitzenden gewählt. Die rechtskonservative Partei war seither politischer Gegner der sozialistischen PSOE.
Rajoy ist bereits seit 1989 Mitglied im spanischen Parlament. 1996 wurde er Bildungsminister, 2001 Innenminister und am 21. Dezember 2011 schließlich Ministerpräsident. Bereits von 1996 bis 2004 bildete seine Partei unter Aznar die spanische Regierung. 2004 war er selbst Präsidentschaftskandidat, damals gewann

[...]


[1] Cara a Cara: Rededuell aller Präsidentschaftskandidaten am 7. November 2011

[2] Gran debate a cinco: Debatte mit den Kandidaten um verschiedene politische Themen der Wirtschafts- und Sozialpolitik am 9. November 2012.

[3] vgl.: Dieckmann, Walther (1969): Sprache in der Politik. S.7.

[4] Girnth, Heiko (2002): Sprache und Sprachverwendung in der Politik. S.1.

[5] vgl.: Schröter, Melani (2009): Vom politischen Gebrauch der Sprache. S.15.

[6] vgl.: ebd. S.15.

[7] vgl.: ebd. S.16.

[8] vgl.: Fernández Lagunilla, Marina (1999): La lengua en la comunicación política II. S.10.

[9] vgl.: ebd.

[10] vgl.: ebd.

[11] vgl.: Dieckmann, Walther (1969): Sprache in der Politik. S.101.

[12] vgl.: Schröter, Melani (2009): Vom politischen Gebrauch der Sprache. S.17.

[13] vgl.: Dieckmann, Walther (1969): Sprache in der Politik.. S.104.

[14] vgl.: Klein, Josef (1989): Wortschatz, Wortkampf, Wortfelder in der Politik. S. 5 f. - zitiert nach: Girnth, Heiko (2002): Sprache und Sprachverwendung in der Politik. S.50.

[15] vgl.: Girnth, Heiko (2002): Sprache und Sprachverwendung in der Politik. S.51.

[16] vgl.: Dieckmann, Walther (1969): Sprache in der Politik. S.28.

[17] Karl Bühler (1999): Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. S. 24 ff.

[18] vgl.: Berens, Franz-Josef (1975): Analyse des Sprachverhaltens im Redekonstellationstyp „Interview“. S.15.

[19] vgl.: Rodrigues, Natascha (1996): Das Interview in der spanischen Presse. S.43 ff.

[20] vgl.: Rodrigues, Natascha (1996): Das Interview in der spanischen Presse. S.43.

[21] vgl.: ebd. S.47.

[22] vgl.: ebd. S.48.

[23] vgl.: ebd. S.57.

[24] Berens, Franz-Josef (1975): Analyse des Sprachverhaltens im Redekonstellationstyp „Interview“. S.44.

[25] vgl.: Rodrigues, Natascha (1996): Das Interview in der spanischen Presse. S.69-70.

[26] Vgl.: Maeso, Antonio (2011): Entrevistas en TVE: Mariano Rajoy.

[27] Vgl.: Periodico (2012): Pepa Bueno deja por sorpresa TVE tras anunciar su fichaje por la SER.

[28] Vgl.: Biographie Mariano Rajoy.

[29] vgl.: Geschichte der Partido Popular.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Sprache der Politik im Interview mit Mariano Rajoy vom 16. November 2011
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
18
Katalognummer
V287263
ISBN (eBook)
9783668641143
ISBN (Buch)
9783668641150
Dateigröße
527 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
sprache, politik, interview, mariano, rajoy, november
Arbeit zitieren
Sandra S. (Autor:in), 2012, Die Sprache der Politik im Interview mit Mariano Rajoy vom 16. November 2011, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/287263

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