Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
A Einleitung
B Definitionen
I Mikrostaat
1 Definitionsversuch „Mikrostaat“
2 Liechtenstein ein Mikrostaat?
II Die Europäische Union als Staatenverbund
III Demokratische Mitbestimmung
C Zwischen Selbständigkeit und Offenheit -Das Fürstentum Liechtenstein
I Geschichte
1 Vom Mittelalter bis zur Aufnahme in den Rheinbund
2 Vom wirtschaftlichen Aufschwung bis zur Gegenwart
II Das politische System des Fürstentums Liechtenstein
D Die Verwirklichung einer Vision - Die Entwicklung des europäischen Staatenverbundes
I Geschichte
1 Vom Zweiten Weltkrieg bis zur Europäischen Gemeinschaft
2 Vom Kalten Krieg bis zum Vertrag von Lissabon
II Das politische System der Europäischen Union
1 Europäisches Parlament
2 Rat der Europäischen Union
3 Europäische Kommission
4 Der Europäische Rat
E Die Europäische Union und das Fürstentum Liechtenstein im
Vergleich - Die Bedeutung der politischen Stimme eines Bürgers
I Die Wiedergabe von Bürgerpräferenzen
II Ganzheitlichkeit und Konsistenz der Politik
F Ausblick
Quellenverzeichnis
A Einleitung
Mit dem Thema „Mikrostaat vs. Staatenverbund - Das Fürstentum Liechtenstein und die Europäische Union im Vergleich“ möchte ich ein kleines, relativ unabhängiges Gebilde einem komplexen Mehrebenensystem gegenüberstellen. Dabei werde ich die Frage aufgreifen, wie sich das Fürstentum Liechtenstein als Mikrostaat im Vergleich zur Europäischen Union als Staatenverbund im Hinblick auf die demokratische Mitbestimmung der Bürger entwickelt hat. Im Mittelpunkt der Fragestellung steht dabei, welches der beiden Systeme besser in der Lage ist, die politischen Wünsche und Bedürfnisse der jeweils betroffenen Bürger, mit dem besonderen Augenmerk auf Wahlen und direktdemokratischen Elementen, wiederzugeben.
Das Interesse an diesem Thema und als Hauptmotiv für diese Fragestellung ergab sich u. a. durch Gespräche im Bekanntenkreis, die in den Süden - hauptsächlich in die Schweiz - gezogen sind. Persönliche Erfahrungen durch einen Besuch in Liechtenstein verstärkten die Motivation sich mit der Antagonie zwischen den Entwicklungen in der EU (z. B. die Unzufriedenheit in einigen Ländern Europas durch Ausschreitungen) und den vergleichsweise idyllischen Verhältnissen im Fürstentum auseinanderzusetzen.
Der erste Teil der Arbeit soll sich mit den Definitionen beschäftigen, die für die dann nachfolgenden Ausführungen benötigt werden. Dabei werden die Begriffe „Staatenverbund“ und „Mikrostaat“ untersucht, um einen Einblick in die Unterschiede zwischen den Systemen zu geben. Zudem wird die „demokratische Mitbestimmung“ erläutert.
Die zwei nachfolgenden Kapitel behandeln jeweils die EU sowie das Fürstentum Liechtenstein, um die Vergleichsobjekte genauer vorzustellen. Dabei soll der bisherige Werdegang aufgezeigt und in einem historischen Abriss präsentiert werden. Ebenso werden die jeweiligen politischen Systeme dargestellt und die dazugehörigen Institutionen erläutert.
Der vierte Abschnitt stellt diese Systeme dann gegenüber. Aus Platz- und Zeitgründen wird die vorliegende Arbeit auf die Kriterien der „Wiedergabe von Bürgerpräferenzen“ sowie der „Ganzheitlichkeit und Konsistenz der Politik“ beschränkt.1 Diese Kriterien wurden gewählt, weil an diesen gut deren Organisationsformen veranschaulicht und verglichen werden können. Dabei ergibt sich eine nicht zu unterschätzende Schwierigkeit beide Systeme aufgrund des unterschiedlichen Aufbaus zu vergleichen.
Abrunden wird die Arbeit mit einem Blick in die Zukunft beider Systeme, in der auf mögliche Entwicklungstendenzen eingegangen wird. Kurzum: Ich möchte die Geschichte darstellen, die Gegenwart bewerten und einen Ausblick wagen.
Für die Analyse des Bearbeitungsgegenstandes wird geeignete Fachliteratur herangezogen, die getrennt zu einzelnen Fragen des Themas verfasst wurden. Konkret beziehen sich die Texte auf die Europäische Union und auf das Fürstentum Liechtenstein jeweils für sich. Vergleichende Darstellungen liegen bislang nicht vor. Eigene Erfahrungen und Mitschriften aus vergangenen Vorlesungen und Seminaren sowie aktuelle Darstellungen und Statistiken aus dem Internet tragen zur Ergänzung der Analyse bei.
B Definitionen
I Mikrostaat
1 Definitionsversuch „Mikrostaat“
Eine explizite und eindeutige Definition von „Mikrostaat“ gibt es bislang nicht. Weder die Vereinten Nationen noch die Europäische Union waren dazu in der Lage.2 Vielmehr legten sie dafür Kriterien fest, unter welchen Voraussetzungen kleine Länder als Mikrostaaten subsumiert werden können. Die Vereinten Nationen definieren Mikrostaaten „meistens als Staaten mit unter einer Million Einwohner“ .3 Die Europäische Union bedient sich ebenso des Kriteriums der Einwohnerzahl, das diese sich bei der Stimmengewichtung oder bei der Zahl der Abgeordneten widerspiegelt.4 Daraus lässt sich erkennen, dass die Größe der Fläche eine untergeordnete Rolle spielt. So könnte nach dem Kriterium der Vereinten Nationen die Kooperative Republik Guyana ein Mikrostaat sein.5Fraglich ist deshalb, ob eine Eingrenzung des Staatsgebiets vorgenommen werden sollte, um dem Begriff „Mikrostaat“ gerecht zu werden. Ehrhardt meint dazu, dass „für die Schaffung der Definition auf die Angabe einer Gebietsflächengröße zu verzichten [ist], weil sich der Zweck, den die Größenangabe verfolgen müsste, schwerlich begründen ließe“67. Dies gilt sowohl für Höchst- als auch Mindestgröße. Hinsichtlich der Einwohnerzahl schlägt er die Höchstbevölkerungszahl von 300 000 Einwohner zu. Dies begründet er damit, dass Staaten mit weniger Einwohnern nicht in der Lage seien, „völkerrechtliche Rechte und Pflichten wahrzunehmen“ . Somit lässt sich folgender Definitionsvorschlag festhalten:
„Der Mikrostaat ist eine unabhängige, effektive politische Einheit auf zugehörigem Gebiet mit weniger als 300 000 Einwohnern, die völkerrechtliche Rechte und Pflichten von Staaten nicht hinreichend wahrnehmen kann. “8
2 Liechtenstein ein Mikrostaat?
Die Frage ist nun, ob Liechtenstein unter der vorgenannten Definition als Mikrostaat zu subsumieren ist. Das Fürstentum Liechtenstein hat 36 010 Einwohner9und liegt damit weit unter der Grenze von 300 000 Einwohnern. Es tritt ebenso unstrittig als unabhängige, effektive politische Einheit auf, sodass auch dieses Kriterium erfüllt ist. Unumstritten ist zudem, dass das Fürstentum nicht hinreichend in der Lage ist, völkerrechtliche Rechte und Pflichten zu erfüllen. Zwar engagiert sich Liechtenstein in Bereichen, wie der Terrorismusbekämpfung und in der Umweltpolitik, jedoch gibt es ausreichend Indizien (z. B. keine eigene Währung, Wahrnehmung auswärtiger Interessen teilweise durch die Schweiz) dafür, dass das Fürstentum keine völkerrechtlichen Rechte und Pflichten wahrnehmen kann. Zweifellos kann somit beim Fürstentum Liechtenstein von einem Mikrostaat gesprochen werden.
II Die Europäische Union als Staatenverbund
Der erste Leitsatz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 30.06.2009 zum Vertrag von Lissabon erfasst mit dem Begriff „Staatenverbund“ eine „enge, auf Dauer angelegte Verbindung souverän bleibender Staaten, die auf vertraglicher Grundlage öffentliche Gewalt ausübt, deren Grundordnung jedoch allein der Verfügung der Mitgliedstaaten unterliegt und in der die Völker - d. h. die staatsangehörigen Bürger - der Mitgliedstaaten die Subjekte demokratischer Legitimation bleiben“10. Bislang wird unter dieser Definition nur die Europäische Union subsumiert. Als Abgrenzung zu einem Bundesstaat behalten dabei die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ihre Souveränität. Die Definition legt jedoch auch ganz bewusst dar, dass die Staaten stärker zusammengeschlossen sind, als ein loser Staatenbund.
III Demokratische Mitbestimmung
Um auf die Vergleichsobjekte näher eingehen zu können, muss ein Mindestmaß an demokratischer Mitbestimmung vorliegen. Diese
Mitbestimmung ist durch demokratische Institutionen (z. B. den Deutschen Bundestag mit den gewählten Repräsentanten) oder Partizipationsverfahren (z. B. die Wahl zum Bundestag oder Volksentscheide) möglich und legitimiert die Demokratie als solche.1112Die Teilhabe daran kann durch die Wahrnehmung des aktiven (Teilnahme eines Wahlberechtigten an einer Wahl durch Abgabe seiner Stimme/n) wie auch des passiven Wahlrechts (Recht auf Kandidatur bei Wahlen) erfolgen. Die demokratische Mitbestimmung ist somit die Möglichkeit zum Ausdruck der politischen Beteiligung durch das Volk, meist mittelbar durch Repräsentanten.
C Zwischen Selbständigkeit und Offenheit - Das Fürstentum Liechtenstein
I Geschichte
1 Vom Mittelalter bis zur Aufnahme in den Rheinbund
Das heutige Gebiet Liechtensteins entstand zur Zeit des Römischen Reiches innerhalb des Gebietes der Räter. Während und nach der Völkerwanderung siedelten sich die Alemannen in diesem Gebiet an, welches im 8. Jahrhundert in das Fränkische Reich eingebunden wurde. In der Zeit zwischen dem 10. Jahrhundert und 1152 gehörte Rätien dem Grafen von Bregenz. Nachdem die Grafen ausstarben, wurde Rätien durch Erbteilungen aufgesplittert. Eine der Grafschaften, die Grafschaft Vaduz, wurde 1396 reichsunmittelbar, d. h. seither war der Aufbau einer eigenen Landeshoheit möglich.
[...]
1 Vgl. zu den Kriterien Rentsch, S. 315.
2 Gstöhl, S. 102.
3 ebd.
4 ebd.
5Die kooperative Republik Guyana umfasst eine Fläche von 214 970,00 km2 bei 744 768 Einwohnern. Das entspricht in etwa der Größe Weißrusslands, wobei auf 207.600,00 km2 ca. 9,6 Millionen Einwohner Platz finden. Vgl. http://www.welt-blick.de/staat/guyana.html und http://www.welt-blick.de/staat/weissrussland.html (jeweils Stand Juli 2011 geschätzt).
6Ehrhardt, S. 88.
7Ehrhardt, S. 94.
8Ehrhardt, S. 102.
9http://www.llv.li/amtsstellen/llv-as-bevoelkerung/llv-as-bevoelkerung- bevoelkerungsstatistik_per_30_juni.htm, Stand: 30.06.2010.
10 BVerfG, 2 BvE 2/08 vom 30.06.2009, Absatz-Nr. 1, http://www.bverfg.de/entscheidungen/es20090630_2bve000208.html.
11 Kißler, Greifenstein und Schneider, S. 26.
12 http://www.europeonline-magazine.eu/kleines-fuerstentum-ganz-gross_47505.html.