Das 19.Jahrhundert gilt als Zeitalter des Reisens. Nicht nur viele Männer zog es in die ferne fremde Welt, sondern zunehmend begann auch das weibliche Geschlecht ganz entgegen seiner Rollenzuweisung als „Hausfrau“ und „Mutter“ solche Ausflüge für sich zu entdecken. Ein beliebtes Reiseziel für die EuropäerInnen war der Orient – das Morgenland als Kontrast zum europäischen Abendland. Auch die deutsche Schriftstellerin Ida Hahn-Hahn interessierte sich sehr für diesen Orient und machte sich auf den Weg zu den Orten, die sie schon von Hörensagen und von der Lektüre zeitgenössischer Texte kannte. Ihre 1844 erschienenen „Orientalischen Briefe“, die vom Publikum in der Heimat mit großer Begeisterung gelesen wurden, spiegelten ihre Erlebnisse und Erfahrungen dieser ungewöhnlichen Reise wider. Hahn-Hahns Reise in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts bedeutete die in ein Spannungsfeld, denn das Überlegenheitsgefühl des Westens gegenüber dem Osten war in dieser Zeit schon sehr ausgeprägt und die Länder des Orients waren Objekte europäischen Hegemonialstrebens. Diesen Aspekt behandelte der amerikanische Literaturwissenschaftler Edward Said in seinem berühmten Werk „Orientalism“ (erschienen 1978). Das Buch gilt als Gründungsdokument der postcolonial studies2 und bewirkte einen Paradigmenwechsel in der westlichen Welt. Said untersuchte, wie der dominante Blick des Okzidents auf den Orient einen konstruierten Dualismus zwischen den beiden Kulturräumen schuf, in dessen Folge der Imperialismus gedeihen konnte. An dieser Dichotomisierung hatten seiner Meinung nach neben Wissenschaftlern und Politikern, auch Künstler und Schriftsteller Teil, denn diese folgten in ihren Texten ebenso unbedingt dem Grundsatz der Empirie, sondern reproduzierten oft fraglos tradierte Bilder, Klischees, Topoi und schufen damit einen Kanon, der den „modernen Orientalismus“ förderte. Wie sich diese kulturelle Differenz zwischen dem Westen in dem Osten in den „Orientalischen Briefen“ der Ida Hahn-Hahn ausdrückte, soll im Folgenden geprüft werden. Es geht um die Frage, welchen Beitrag Ida Hahn-Hahn zu dem von Edward Said herausgestellten „orientalistischen Diskurs“ leistete.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hauptteil
- Ida Hahn-Hahn
- Zur Person: Ida Hahn-Hahn
- Hahn-Hahns Reise in den Orient und „Orientalische Briefe“
- „Orientalismus“
- Edward Said und sein Werk „Orientalism“
- Saids „Orientalismus“-Begriff
- „Weiblicher Orientalismus“
- Kritik an Said - postcolonial studies
- Modifikation des Said'schen „Orientalismus“
- Reisen und Schreiben als emanzipatorischer Akt
- Geschlechterrollen im 19. Jahrhundert
- Reisende Frauen
- Schreibende Frauen
- Der Orient
- Feminisierung des Orients
- Der Orient als exklusiver Erfahrungsraum für Frauen
- Kulturelle Differenz und Stereotypisierung bei Hahn-Hahn
- Kulturelle Differenz: Okzident-Orient
- Kulturelle Differenz: Europäerin – Orientalin
- Ida Hahn-Hahn
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit beschäftigt sich mit Ida Hahn-Hahns „Orientalischen Briefen“ und untersucht die Repräsentation kultureller Differenz im Reisebericht. Die Hauptaufgabe ist es, die Frage zu beantworten, welchen Beitrag Ida Hahn-Hahn zum „orientalistischen Diskurs“ leistete, wie von Edward Said beschrieben. Die Analyse konzentriert sich auf die besondere Perspektive Hahn-Hahns als Frau im 19. Jahrhundert und hinterfragt die Rolle des „Weiblichen Orientalismus“ in ihren Reisebeschreibungen.
- Der „Orientalismus“ und seine Konstruktion des Orients als „Anderes“
- Die Rolle des „Weiblichen Orientalismus“ in der Darstellung des Orients durch Frauen
- Die Verbindung von Reisen und Schreiben als emanzipatorischer Akt für Frauen im 19. Jahrhundert
- Die Repräsentation kultureller Differenzen im Kontext des Okzident-Orient-Dualismus
- Die Bedeutung der Geschlechterrollen und der individuellen Identität im Kontext des Reisens
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema „Orientalismus“ und die Besonderheit des Reiseberichts „Orientalische Briefe“ von Ida Hahn-Hahn ein. Sie beschreibt den historischen Kontext des 19. Jahrhunderts und das Spannungsverhältnis zwischen dem Überlegenheitsgefühl des Westens und dem Hegemonialstreben im Orient.
Der Hauptteil setzt sich mit Ida Hahn-Hahn und ihrem Leben, sowie ihrer Reise in den Orient und der Entstehung der „Orientalischen Briefe“ auseinander.
Darauf folgt eine detaillierte Betrachtung des „Orientalismus“-Begriffs nach Edward Said und seiner Kritik an der westlichen Sichtweise auf den Orient.
Weiterhin wird der „Weibliche Orientalismus“ beleuchtet, der die spezifische Perspektive von Frauen im 19. Jahrhundert auf den Orient in den Vordergrund stellt.
Im weiteren Verlauf werden die Möglichkeiten des Reisens und Schreibens als emanzipatorischer Akt für Frauen im 19. Jahrhundert beleuchtet.
Der Orient als Gegenstand der Reisebeschreibungen wird hinsichtlich seiner Feminisierung und seiner Rolle als exklusiver Erfahrungsraum für Frauen analysiert.
Schließlich werden die kulturellen Differenzen im Reisebericht Hahn-Hahns im Kontext des Okzident-Orient-Dualismus und der Differenz zwischen Europäerinnen und Orientalinnen beleuchtet.
Schlüsselwörter
Orientalismus, weiblicher Orientalismus, Ida Hahn-Hahn, „Orientalische Briefe“, Reisebericht, kulturelle Differenz, Stereotypisierung, Okzident-Orient, Geschlechterrollen, Emanzipation, 19. Jahrhundert.
- Arbeit zitieren
- Manja Kayser (Autor:in), 2012, Weiblicher Orientalismus? Repräsentation kultureller Differenz im Reisebericht „Orientalische Briefe“ von Ida Hahn-Hahn, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/287643