Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Seine Herkunft und frühen Jahre
3. Seine Vorstellungen und Ideen
4. Seine Feindbilder und Gegner
5. Seine Bewunderer und Anhänger
6. Sein Nachwirken und Einfluss
7. Fazit
8. Literatur
9. Internetquellen
1. Einleitung
„Es ist sehr wesentlich zu unterscheiden, zwischen dem, was man vergessen kann und dem, was man nicht vergessen darf.“[1] So formulierte es einst der deutsche Dichter, Schriftsteller und Aphoristiker Erich Limpach. Es gibt Zeiten, die mit Ereignissen verbunden sind, die unser Gedächtnis bis heute prägen, die unser Handeln beeinflussen und die manch einen von einer historischen Schuld sprechen lassen. Für die deutsche Geschichte ist vor allem die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts entscheidend. Eine Zeit des Nationalismus, in der die Demokratie in Deutschland den fanatischen Ideen weniger und letztendlich dem radikalisierten Willen des Volkes beugen musste. Das Aufkommen und Wirken des Nationalsozialismus ist eine Epoche, die bis heute nicht vergessen wurde und auch nicht vergessen werden darf. Der deutsche Faschismus forderte mehr als 13 Millionen Tote (ohne Einbeziehung der Kriegshandlungen), derer auch heute noch gedacht wird.[2] Wenn man diese Zeit auf Limpachs Zitat überträgt, dann handelt es sich um Ereignisse, die die Menschen aller Nationen nicht vergessen dürfen.
Die Ursprünge dieser Katastrophe liegen nicht allein in dem Nationalismus eines aufstrebenden Kaiserreichs oder dem „Großen Krieg“, der das Schlachtfeld weg von der Ehre hin zu einem schmutzigen Ringen führen sollte. Um die Ideen wiederzufinden, die sich Adolf Hitler als Führer des Deutschen Reiches zu seinem Leitbild und zu der Grundlage seiner Bewegung machte, muss man weiter in die Vergangenheit zurückblicken, in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. In eine Zeit und an einen Ort, deren Zusammenhang man heutzutage anscheinend in die Kategorie „was man vergessen kann“ eingeordnet hat. Denn bereits vor Hitler lebte ein Mann in Österreich, der sich als „Führer“ bezeichnete und der sich von seinen Jüngern stets mit einem „Heil“ grüßen ließ.
Die Rede ist von Georg Schönerer, dessen Radikalismus ihn auf die österreichische Nationalbühne bringen sollte. „Auf die Frage, wer Georg Schönerer gewesen ist, erhält man von jüngeren Menschen außerhalb des niederösterreichischen Waldviertels nur selten eine befriedigende Antwort.“[3] Dies scheint aufgrund seines Einflusses und seiner Bedeutung für den Nationalsozialismus umso erstaunlicher. Seine Vorstellungen und Feindbilder, insbesondere sein Antisemitismus prägten das Denken und Handeln Hitlers und seiner Anhänger. Sein Leben, sein Wirken und sein Einfluss auf eine breite Masse und vor allem auf einen jungen Adolf Hitler sollen die Themen dieser Arbeit sein. Was waren Schönerers Ideen? Gegen wen wendete er sich und wer folgte ihm? Wie gravierend ist sein Einfluss und wie ist sein Nachwirken zu bewerten? Diese Fragen werde ich in den folgenden Kapiteln erörtern.
2. Seine Herkunft und frühen Jahre
Georg Heinrich Schönerer wurde 1842 als Sohn eines Eisenbahnbauers und einer Fabrikantentochter in Wien geboren.[4] Sein Vater Matthias Schönerer war leitender Ingenieur beim Bau der ersten Schieneneisenbahn auf dem europäischen Festland zwischen Linz und Budweis. Er wurde 1856 zum Direktor der Kaiserin-Elisabeth-Westbahn ernannt und erhielt bei deren Eröffnung im Jahre 1860 vom Kaiser den Orden der Eisernen Krone Dritter Klasse, welcher mit dem erblichen Adelsprädikat "Ritter von" verbunden war.[5] Sein Sohn durfte sich also nach dem Ableben des Vaters als Georg Ritter von Schönerer bezeichnen. Sein Praktikum als Landwirt absolvierte letzterer auf den Gütern des Fürsten Johann Adolph Schwarzenberg, der eine wirtschaftliche Erneuerung des Landadels anstrebte. Diese Jahre waren für Georg Schönerer von „prägender Bedeutung“.[6] Hier entwickelten sich auch seine zukünftigen Sympathien für Preußen und die Dynastie der Hohenzollern. Am 3. Juli 1866 konnte er die Auswirkungen der Schlacht von Königsgrätz miterleben. Der persönliche Umgang mit preußischen Offizieren war grundlegend für sein Bild über Bismarck und den späteren Kaiser Wilhelm I.[7] Im Jahre 1869 übertrug Matthias Ritter von Schönerer die Verwaltung der „Gutshofsiedlung Rosenau bei Zwettl samt Barockschloß und Grundbesitz im Ausmaß von etwa 120 Hektar“ seinem Sohn Georg.[8] Nachdem dieser 1873 „als Vertreter der Landgemeinden der Bezirke Waidhofen an der Thaya und Zwettl“ gewählt wurde, trat er im selben Jahr bei seiner ersten Rede im Parlament der Regierung kritisch gegenüber. „Thron, Altar, Heer, Industrie und Liberalismus“ waren die Ziele seiner Äußerungen.
Er schloss sich dem Fortschrittsklub an, verließ diesen jedoch nach wenigen Jahren, da er dessen Ansichten in nationaler und wirtschaftlicher Sicht nicht teilte bzw. diese als nicht radikal genug erachtete.[9] 1878 schloss er eine seiner weniger gewordenen Reden vor dem Parlament mit folgendem Satz: „Immer lauter und lauter hört man in den deutschen Kronländern den Ruf: Wenn wir nur schon zum Deutschen Reich gehören würden.“[10] In diesem Jahr machte er zudem seine ersten antisemitischen Bemerkungen. Seine Feindseligkeit gegenüber Juden war bis dato eher zweitrangig und von untergeordneter Rolle, denn zunächst konzentrierte er sich auf wirtschaftliche Probleme und Fragestellungen.[11] Das Jahr 1882 war entscheidend für Georg Ritter von Schönerer, da von nun an die „Alldeutsche Bewegung“ sein Leben beeinflussen sollte. Seine Vorstellungen und Ideen reiften heran und sein Radikalismus wurde deutlicher und prägender für seinen Charakter.[12]
3. Seine Vorstellungen und Ideen
Schönerer war ein Verfechter eines Großdeutschen Reiches. Er war ein Befürworter der Hohenzollern-Dynastie und ein Anhänger der preußischen Führung, die die Geschicke des Deutschen Reiches seinen Vorstellungen entsprechend leiteten. Er war einer von vielen Deutschösterreichern, die „den Ausschluß aus dem Deutschen Bund als Schmach“ empfanden.[13] Sein Ziel und Wunsch war der Anschluss der deutschen Teile Österreichs an das Reich. Ein Satz Bismarcks, den er Zeit seines Lebens bewunderte und dem er Huldigungsbriefe zukommen ließ, wurde zu Schönerers Losung: „Unsere Politik muß sein, daß kein Fußbreit deutschen Landes an den Feind verloren gehe und kein I-Tüpfelchen deutschen Rechtes geopfert werde.“ Die Hohenzollern seien zudem das wahre Herrschergeschlecht „aller Deutschen“.[14] Aus seiner Distanz und Kritik gegenüber dem österreichischen Herrscherhaus der Habsburger machte Schönerer kein Geheimnis. Er erklärte sich somit selbst zum Staatsfeind und stand in den 1880er Jahren unter ständiger polizeilicher Beobachtung.[15] Er versuchte immer wieder der Großmachtpolitik der Habsburger Einhalt zu gebieten, sobald es um Angelegenheiten ging, die den süd-ost-europäischen Teil des Landes betrafen. Schönerer stellte sich als Hauptredner gegen die Okkupation Bosniens und der Herzegowina. Dieses Vorgehen sei seiner Meinung nach gegen die Interessen der Deutschen gewesen, da deren finanzielle Belastung zunehmen und sie als eine Minderheit zurücklassen würde.[16]
Um diesen Folgen vorzugreifen, wurde unter Schönerers Führung das „Linzer Programm“ erarbeitet. Neben einigen Sozialreformen forderte dieses Dokument die Umgestaltung des Vielvölkerstaates Österreich-Ungarn. So sollten die Deutschösterreicher zum einen finanziell entlastet und zum anderen die Zahl der Juden im Reich verringert werden.[17]
Unter seiner Führung wurde das „Deutschtum“ in der Donau-Monarchie „zu einer Glaubenssache und einer Art Religion“.[18] Er versuchte das Germanentum innerhalb Österreichs wieder aufleben zu lassen, indem Monatsnamen geändert wurden und man eine neue Zeitrechnung begann. Von nun an galt nicht mehr Christi Geburt als das Jahr null, sondern die Schlacht von Noreja, in der 113 v. Chr. die Kimbern und Teutonen ein Heer der Römer erstmals besiegen konnten und die Germanen auf die Bühne der Weltgeschichte traten.[19] Neugeborenen wurden germanische Namen gegeben und das Sonnwend, das Jul- und Ostarafest mit beschworener deutscher Vergangenheit und deutschen Liedern gefeiert.[20] „Die Wiener Floskeln 'Servus' und 'Prosit' wichen dem altgermanischen 'Heil!'“ und „nach dem altgermanischen Brauch ließ sich Schönerer als alleiniger und unumschränkter 'Führer' huldigen.“[21] Organisationen, deren Miglieder sich auf ihre germanischen Wurzeln beriefen, schossen aus dem Boden. So zum Beispiel der Deutschbund, der Volksbund oder der Germanen- und Wälsungsorden, dessen Zeitschrift, Runen, mit einem Hakenkreuz verziert war.[22]
4. Seine Feindbilder und Gegner
Bereits vor Schönerers radikaler Phase existierte in Österreich ein politischer Antisemitismus, der sich vor allem in Schriften und Werken wie „Der Sieg des Judenthums über das Germanenthum“[23] oder „Die Judenfrage als Racen-, Sitten- und Culturfrage“[24] ausdrückte. Auch sogenannte „Reformvereine“, vor allem die „Westfälische Reform“, übten starken Einfluss auf die nachfolgenden Generationen aus. So ließen sich auch die Studentenbewegungen und ein politisch noch unerfahrener Georg Schönerer von diesen beeinflussen.[25]
Dieser wurde mit einem politisch orientierten Hass gegenüber anderen Gruppierungen konfrontiert. Unter seiner Führung sollte der Antisemitismus zu einem parteilichem Programm werden und an eine breite Masse adressiert sein.
[...]
[1] Vgl. http://www.aphorismen.de/suche?f_thema=Vergessen&seite=3.
[2] Vgl. http://comlink.de/cl-hh/m.blumentritt/agr259.htm.
[3] Vgl. Trischler, Georg Schönerer, S.4.
[4] Vgl. Trischler, Georg Schönerer, S.4-5.
[5] Vgl. Trischler, Georg Schönerer, S.4.
[6] Vgl. Trischler, Georg Schönerer, S.5.
[7] Vgl. Trischler, Georg Schönerer, S.6.
[8] Vgl. Trischler, Georg Schönerer, S.6.
[9] Vgl. Pulzer, Politischer Antisemitismus, S.182.
[10] Vgl. Trischler, Georg Schönerer, S.8-9.
[11] Vgl. Pulzer, Politischer Antisemitismus, S.182.
[12] Vgl. Trischler, Georg Schönerer, S.10.
[13] Vgl. Hamann, Hitlers Wien, S.339.
[14] Vgl. Hamann, Hitlers Wien, S.341.
[15] Vgl. Hamann, Hitlers Wien, S.341.
[16] Vgl. Hamann, Hitlers Wien, S.340.
[17] Vgl. Hamann, Hitlers Wien, S.343.
[18] Vgl. Hamann, Hitlers Wien, S.347.
[19] Vgl. Hamann, Hitlers Wien, S.350.
[20] Vgl. Hamann, Hitlers Wien, S.347-348.
[21] Vgl. Hamann, Hitlers Wien, S.349.
[22] Vgl. Pulzer, Politischer Antisemitismus, S.248.
[23] Vgl. Pulzer, Politischer Antisemitismus, S.105.
[24] Vgl. Pulzer, Politischer Antisemitismus, S.108.
[25] Vgl. Pulzer, Politischer Antisemitismus, S.109.