Mit seiner komischen Oper ohne Gattungsbezeichnung hat Richard Wagner im Jahre 1868 die Latte hoch gelegt. Waren drei Jahre zuvor, bei der Uraufführung der musikalisch extrem schwierig zu realisierenden Handlung von Tristan und Isolde im Hof- und Nationaltheaters die kleinen Theater mit ihren Parodien dem Original zuvor gekommen, so war dies bei den Meistersingern von Nürnberg nicht der Fall, denn hier hatte Richard Wagner bereits die Parodie selbst mitgeliefert. Zunächst einmal die Parodie auf seinen eigenen Sängerkrieg auf Wartburg, als dessen „Satyrspiel“ er seine Meistersinger bezeichnet hat, dann aber auch in der Meistersinger-Handlung selbst. Wie Alfred Lorenz trefflich nachgewiesen hat, ist bereits der zweite Akt eine Parodie auf den ersten, und dies nicht nur in musikalischer Hinsicht, sondern bis in szenische Details hinein. Und im Schlussakt, beim Sängerwettstreit auf der Festwiese, parodiert Beckmesser den Wortlaut von Walthers Preislied. Im Sinne eines modifizierten musikalischen Parodieverfahrens verändert aber auch Walther von Stolzing textlich und musikalisch sein in Sachsens Schusterstube erstmals vorgetragenes Preislied.
Weitere szenische Parodien der an Parodieverfahren und -Strukturen in sich bereits überreichen Handlung der Meistersinger von Nürnberg schienen also wenig sinnvoll, wenn nicht ganz ausgeschlossen.
Erst das nachfolgende Jahrhundert wagte sich an Parodien auf Wagners Die Meistersinger von Nürnberg.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Wendelin Weißheimers „Meister Martin und seine Gesellen“
- Anton Urspruchs „Das Unmöglichste von Allem“ nach Lope de Vega
- Scheintod als soziale Rettung - Max von Schillings' Oper Der Pfeifertag
- Ludwig Thuilles Lobetanz und Gugeline
- Lobetanz
- Gugeline
- Siegfried Wagners Herzog Wildfang
- Richard Strauss' Feuersnot
- „Die Schneider von Schönau“, Komische Oper von Jan Brandts-Buys
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die Rezeption der Meistersinger von Nürnberg in der komischen Oper nach Wagner. Sie untersucht, wie die folgenden Komponisten und ihre Werke auf Wagners Meistersinger Bezug nehmen und sich gleichzeitig von ihnen abgrenzen:
- Die Verwendung und Transformation von Motiven und Strukturen aus Wagners Meistersinger
- Die Entwicklung der komischen Oper als Genre im Kontext der Wagner-Nachfolge
- Die Bedeutung des humoristischen Elements in der komischen Oper und seine Verbindung zur Wagner'schen Tradition
- Die Herausforderungen und Chancen, die die Rezeption eines so bedeutenden Werks wie der Meistersinger für nachfolgende Komponisten darstellten
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung beleuchtet die kompositorischen Besonderheiten der Meistersinger von Nürnberg, die eine Parodie der eigenen Handlung darstellen, und die Herausforderung für nachfolgende Komponisten, neue Ansätze in der Rezeption dieses komplexen Werks zu finden.
- Das Kapitel über Wendelin Weißheimers „Meister Martin und seine Gesellen“ stellt die Verbindung zu E. T. A. Hoffmanns Novelle „Meister Martin der Küfner und seine Gesellen“ her, die die Grundlage für Weißheimers Oper bildet. Es analysiert die musikalische Gestaltung, die musikalischen Motive und die humoristischen Elemente, die sich auf Wagners Meistersinger beziehen.
- Das Kapitel über Anton Urspruchs „Das Unmöglichste von Allem“ beleuchtet, wie Urspruch die Meistersinger-Tradition in seinen literarischen Stoff integriert und gleichzeitig eigenständige komische Elemente einführt.
- Das Kapitel über Max von Schillings' Oper Der Pfeifertag untersucht die Rolle des Scheintods als soziales und dramatisches Element, das in der Nachfolge der Meistersinger eine besondere Bedeutung erhält.
- Das Kapitel über Ludwig Thuilles „Lobetanz“ und „Gugeline“ analysiert die Entwicklung von Thuilles Bühnenwerken, die sich in der komischen Oper von Wagner abgrenzen und gleichzeitig dessen Einflüsse spürbar machen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen der komischen Oper, der Meistersinger-Rezeption, der Wagner-Nachfolge, der humoristischen Elemente in der Musik, der Intertextualität und der Genre-Entwicklung in der Oper. Es werden Werke von Wendelin Weißheimer, Anton Urspruch, Max von Schillings, Ludwig Thuille, Siegfried Wagner, Richard Strauss und Jan Brandts-Buys analysiert.
- Quote paper
- Prof. Dr. Peter P. Pachl (Author), 2012, Frühe Meistersinger-Rezeption und ihre Auswirkungen auf die komische Oper in der Wagner-Nachfolge, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/287765