Kindesmisshandlung. Formen, Folgen und Möglichkeiten der Prävention in der Sozialen Arbeit


Bachelorarbeit, 2014

50 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Definitionen
2.1 Soziale Arbeit
2.2 Gewalt gegen Kinder
2.3 Posttraumatische Belastungsstorung

3 Kindeswohl - Kindeswohlgefahrdung

4 Formen von Kindesmisshandlung
4.1PhysischeMisshandlung
4.2 Psychische Misshandlung
4.3 Vernachlassigung
4.4 Sexuelle Gewalt

5 Rechtliche Grundlagen

6 Risikofaktoren/Ursachen

7 Folgen

8 Prevention
8.1 Praventionsziele
8.2 Praventionsformen
8.3 Praventionskonzepte
8.3.1 Elternbriefe
8.3.2 Elternkurse/ -bildung
8.3.3 Konzepte Fruher Hilfen
8.3.4 Sozialraumorientierte Pravention
8.3.5 Praventionsarbeit mit (potentiellen) Opfern
8.3.6 Theaterpadagogische Pravention

9 Zusammenfassung

Quellenverzeichnis

1 Einleitung

Gerade Kinder haben ohne eigene Schuld weltweit haufig unter den verschiedenen Formen der Gewalt zu leiden. Dazu zahlen auch Erscheinungsformen von Gewalt wie Kinderhan- del, -armut, -soldaten, hohe Sterblichkeitsraten oder Fluchtlingskinder.[1] Kindesmisshand- lung tritt als Soziales Problem in den letzten Jahren verstarkt in das Bewusstsein der Ge- sellschaft.[2] Sie gilt als haufigste Form von Gewalt gegen Kinder, weil sie weltweit und in allen Kulturen zu finden ist. Es gibt kaum Moglichkeiten sie zu kontrollieren.[3] Die Folgen sind vielfaltig, einschneidend und fast immer vorhanden. Deswegen ist sie eine der schwersten Formen von Gewalt, die Kinder erleben mussen.

Im Jahr 2013 gab es laut polizeilicher Kriminalstatistik [4].650 Falle von „Misshandlung von Schutzbefohlenen“A in Deutschland, wovon 3.525 Taten Kinder unter 14 Jahre betra- fen.[5] Zu beachten ist dabei allerdings, dass die Zahl der Dunkelziffer, also die Anzahl nicht bekannt gewordener Falle, als sehr hoch eingeschatzt wird.[6]

Diese Fakten verdeutlichen die Wichtigkeit einer Auseinandersetzung mit dem Thema Kin- desmisshandlung. Die Medien berichten fast taglich uber Falle von familiarer Gewalt, da gerade durch diese starke Medienprasenz das Interesse der Gesellschaft an dieser Proble - matik sehr hoch ist.

Die Forschung zum Thema steckt noch in ihren Anfangen, denn erst seit den 1980er Jahren wurde diese Problematik durch die feministische Bewegung verstarkt an die Offentlichkeit getragen. Das wird schon bei dem Versuch der Definition von Kindesmisshandlung deut- lich, da es eine Vielzahl von Begriffsbestimmungen gibt und keine einheitliche, die in allen Kreisen Verwendung findet.

Bei professionellen SozialarbeiterInnen, die mit Kindern arbeiten, ist eine ausfuhrliche Be - schaftigung mit dieser Problematik unvermeidlich, denn Professionalitat setzt ein entspre - chendes Wissen voraus, um sachgerecht handeln und arbeiten zu konnen. Dabei ist nicht nur Wissen uber Kindesmisshandlung wichtig, sondern in vielen Arbeitsbereichen der Ju- gendhilfe, nimmt die Praventionsarbeit einen immer grofieren Stellenwert ein. Dies erfor- dert eine Auseinandersetzung mit den Entstehungsbedingungen von Gewalt, denn nur wenn klar ist auf welcher Grundlage sie entsteht, konnen darauf aufbauend Preventions - maBnahmen und Interventionsmoglichkeiten erarbeitet werden.

Aus der Thematik ergeben sich folgende Fragestellungen:

Welche Formen von Gewalt existieren und was zeichnet diese aus?

Welche rechtlichen Grundlagen zum Thema Kindesmisshandlung gibt es und was bedeuten diese far die professionelle Arbeit?

Welche Folgen kann das Erleben von Gewalt fur die Kinder haben und wie erklaren sich auf dieser Basis Resilienzfahigkeiten?

Welche Risikofaktoren und Ursachen fur Gewalt gegen Kinder werden in der Literatur be- schrieben, wie konnen, auf dieses Wissen aufbauend, Praventionskonzepte im Allgemeinen aussehen und welches Potential bietet theaterpadagogische Praventionsarbeit im speziel- len?

Nach Auswahl und Sichtung geeigneter und relevanter Literatur werden zunachst einige wichtige Begriffe zum Thema definiert. Als nachstes wird kurz bestimmt was Kindeswohl beziehungsweise Kindeswohlgefahrdung bedeutet, um eine Wissensgrundlage fur die vor- liegende Arbeit zu schaffen. Danach werden die verschiedenen Formen der Kindeswohlge­fahrdung einzeln herausgearbeitet und beschrieben, um anschlieBend auf die gesetzlichen Grundlagen zum Thema Gewalt an Kindern einzugehen. Im Anschluss daran werden die Risikofaktoren und Ursachen fur Misshandlung herausgearbeitet und dann im nachsten Ka- pitel die Folgen fur die von Gewalt betroffenen Kinder beschrieben. Aufbauend auf dieses Wissen konnen dann zuletzt Ziele, Formen und Konzepte der Praventionsarbeit beschrie­ben werden. AbschlieBend folgt ein Uberblick uber wichtige, in vorliegender Arbeit ge- wonnene, Erkenntnisse und eine zusammenfassende Wertung in Hinsicht auf die Fragestel- lungen.

Aufgrund des auBergewohnlich groBen Umfangs des Themas Gewalt wird sich in dieser Arbeit ausschlieBlich auf den Bereich der familiaren Gewalt bezogen und auf andere For­men von Gewalt, wie zum Beispiel strukturelle oder institutionelle Gewalt, nicht eingegan- gen. Nur so kann der gegebene Rahmen der vorliegenden Arbeit eingehalten werden. Auch die Formen der elterlichen- und geschwisterlichen Gewalt oder die Gewalt von Kindern gegen die Eltern, werden in dieser Ausarbeitung nicht behandelt.

Anzumerken ist auch, dass die Formulierung Eltem stellvertretend fur alle moglichen Ar- ten von Erziehungsberechtigten, wie zum Beispiel die Grofieltern oder Pflegeeltem, ver- wendet werden wird, da die Eltern in den meisten Fallen die Erziehung ihrer Kinder uber- nehmen und somit die primaren Bezugspersonen fur die Kinder darstellen.

2 Definitionen

2.1 Soziale Arbeit

Definition der Sozialen Arbeit von dem Deutschen Berufsverband fur Soziale Arbeit e.V. (DBSH):

„Soziale Arbeit versteht sich als Menschenrechts-Profession. Sie handelt auf der Ba­sis wissenschaftlicher Erkenntnisse und entsprechend begrundbarer Methoden. Sie hilft Menschen, eine befriedigende Teilhabe am Leben zu erreichen. Sie unter stutzt die Gesellschaft in ihrer sozialen und demokratischen Verpflichtung. Sie handelt auf der Basis besonderer berufsethischer Verpflichtungen. Die Profession Soziale Arbeit hilft Einzelnen, Gruppen und dem Gemeinwesen bei der Losung von Problemen, die nicht uber pflegerische, gesundheitliche und privatrechtliche Dienste zu losen sind. Die Profession Soziale Arbeit hilft der Politik, in dem sie mogliche Ursachen fur Pro- blemlagen benennt (Handlungsforschung) und zu gleich uber neu entstehende Pro- blemlagen informiert (Fruhwarnsystem). Die Profession Soziale Arbeit hilft der Ge­sellschaft, indem sie unmittelbar den sozialen Zusammenhalt fordert, daruber hinaus gesellschaftliche Veranderungsbedarfe anmahnt, zu deren Umsetzung beitragt und Teilhabe aller Burgerlnnen ermoglicht und unterstutzt. Die Profession Soziale Arbeit handelt auf der Grundlage von Schlusselkompetenzen, die wiederum Grundlage fur die Anwendung besonderer Methoden sind."[7]

2.2 Gewalt gegen Kinder

Wie bereits in der Einfuhrung erwahnt, ist es nicht moglich, eine einheitliche und allge- meingultige Definition des Phanomens Gewalt an Kindern beziehungsweise familiare Ge­walt zu finden. Die Moglichkeiten, den Begriff zu definieren, sind vielfaltig, da Gewalt ein sehr komplexes Phanomen darstellt. Deswegen kann man weite und enge Begriffsbestim- mungen entwickeln. Weite Definitionen lassen Raum fur verschiedene Einzelphanomene, die keinesfalls alle aufgezahlt werden konnen. Sie beziehen auch Erziehungspraktiken, bei denen nicht sofort klar ist, ob sie bereits als Gewalt zahlen, mit ein. Das sind zum Beispiel kurzzeitiges Einsperren oder Anschreien. Enge Deutungen dagegen, grenzen den Begriff stark ein und formulieren die Inhalte des Phanomens ganz genau.[8]

Die verschiedenen Ansichten, was als gewalttatig gilt und was nicht, sind dabei immer von den momentanen individuellen und gesellschaftlichen Vorstellungen von Werten und Nor- men abhangig.[9] Auch kulturelle Einflusse nehmen einen grofien Stellenwert ein. Je nach kulturellem Standpunkt kann ein Verhalten in einem Land als Erziehungsmethode legiti- miert sein und im nachsten als Misshandlung gelten.[10] Die Vernachlassigung von Madchen aufgrund des Verstandnisses von weiblicher Minderwertigkeit in Indien ist ein Beispiel fur Erziehungspraktiken, die auf den kulturellen Standpunkt zuruckzufuhren sind. Die ver- schieden Definitionen von Gewalt und Kindesmissbrauch stellen somit immer subjektive Einstellungen dar.

Nachfolgend wird eine Definition fur Kindesmisshandlung aufgefuhrt und gilt als Ver- standnisgrundlage fur die vorliegende Arbeit.

Das Kinderschutz- Zentrum Berlin definiert Kindesmisshandlung wie folgt:

,, Kindeswohlgefahrdung ist ein das Wohl und die Rechte eines Kindes beeintrach- tigendes Verhalten oder Handeln bzw. ein Unterlassen einer angemessenen Sorge durch Eltern oder andere Personen in Familien oder Institutionen, das zu nicht- zu- falligen Verletzungen, zu korperlichen und seelischen Schadigungen und/ oder Ent- wicklungsbeeintrachtigungen eines Kindes fuhren kann, was die Hilfe und eventuell das Eingreifen von Jugendhilfe- Einrichtungen und Familiengerichten in die Rech­te der Inhaber der elterlichen Sorge im Interesse der Sicherung der Bedurfnisse und des Wohls eines Kindes notwendig machen kann.“[11]

2.3 Posttraumatische Belastungsstornng (PTBS)

Die PTBS erfolgt als Reaktion auf ein belastendes Ereignis.

Sie ,, (...) ist gekennzeichnet durch eine Reihe von Einzelsymptomen wie wiederhol- te, aufdringliche Erinnerungen (...), belastende Alptraume, (...) emotionale Ab- stumpfung, z.T. Amnesien, haufig auch Tendenzen zur erhohten Reizbarkeit (...),“[12],,(...) Gleichgultigkeit gegenuber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umge- bung gegenuber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitaten und Situationen, die Erinnerungen an (...) [die traumatische Erfahrung] wachrufen konnten. (...) Angst und Depression sind haufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten.“[13]

Nach dem belastenden Ereignis kann es Wochen bis Monate dauern bis sich erste Sympto - me der Posttraumatischen Belastungsstornng zeigen.

3 Kindeswohl - Kindeswohlgefahrdung

Eine Auseinandersetzung mit dem Thema Kindesmisshandlung fordert als erstes eine Be - schreibung des Phanomens an sich. Es muss geklart werden, was Kindeswohl uberhaupt bedeutet und wie sich, darauf aufbauend, Kindeswohlgefahrdung definieren lasst.

Der Begriff des Kindeswohls ist eine Bezeichnung, die nicht genau definiert werden kann, da es nicht moglich ist, Kindeswohl objektiv zu bestimmen. Es bedarf somit immer einer Auslegung. Im juristischen Jargon bezeichnet man dies als ,,unbestimmten RechtsbegriffA[14] Laut Bundesgerichtshof bezeichnet der Begriff der Kindeswohlgefahr­dung ,,eine gegenwartige, in einem solchen Mafie vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schadigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lasst.“[15]

Generell gilt: Ein Kind benotigt fur eine gesunde Entwicklung vor allem Nahrung, Pflege, Zuwendung, Forderung, Erziehung und Bildung.[16] Kleinkinder und Sauglinge bis zum 5.

Lebensjahr sind besonders haufig Opfer von Kindesmisshandlung, denn sie sind vollkom- men auf die Versorgung durch die Eltern angewiesen. Aufierdem sind die Folgen von Ver- nachlassigung bei sehr jungen Kindern besonders schnell erkennbar. Erfolgt keine ausrei- chende Flussigkeitszufuhr, trocknen sie sehr schnell aus. Dies fuhrt aufierdem ziemlich schnell zum Tod des Kindes. Studien belegen eindrucklich, dass Kinder bis zum ersten Le - bensjahr deutlich haufiger sterben als injedem anderen Entwicklungsstadium.[17] Die Halfte aller Todesfalle betreffen Kinder unter einem Jahr und 90 Prozent der Kinder sind junger als 3 Jahre.[18]

Kleinkinder erweitern ihren Handlungsspielraum rasant und zeigen deutlich, dass sie uber diesen selbstverantwortlich bestimmen mochten. Hat ein Kleinkind zum Beispiel aus der Tasse trinken gelernt, lasst es sich ungern dabei helfen, auch wenn die Halfte verschuttet wird. Dies ist ein Teil der gesunden kindlichen Entwicklung. Klar ist, dass ein gesundes Er- ziehungsverhaltnis auch beinhaltet, diese Handlungsspielraume weiter auszubauen und sich anzutrainieren. Die Eltern bestimmen dabei die Grenzen, in denen sich das Kind be- wegen und selbstverantwortlich entscheiden kann. Dabei geht es vor allem darum, dafur zu sorgen, dass das Kind sicher ist, aber auch es nicht zu uberfordern. Die Entscheidung der Eltern steht dabei manchmal im Gegensatz zu dem Wunsch des Kindes, was unvermeidlich zu Streit fuhrt.[19]

,,Der Wunsch nach Selbstbehauptung ist allgegenwartig, wo Menschen zusammenleben“.[20] In einem gesunden Miteinander innerhalb der Familie, werden Aufgaben immer wieder neu arrangiert und zwischen den Familienmitgliedern aufgeteilt. Jeder hat das Recht mitzu- bestimmen und sich in das Familienleben einzubringen.

Klar ist, dass Kinder von Geburt an in einem Abhangigkeitsverhaltnis zu ihren Eltern ste- hen und sich darauf verlassen mussen, dass diese sich verantwortungs- und liebevoll um sie kummern.[21] Deswegen ist das Erziehungsverhaltnis von Eltern zum Kind unvermeidbar als Machtverhaltnis angelegt.[22] Sich selbst als Elternteil nicht als Inhaber aller Rechte und das Kind, darauf basierend, nicht als rechtlosen Raum zu sehen, ist nicht immer einfach. Besonders in Situationen in denen sich Eltern eventuell uberfordert fuhlen ist dies beson­ders schwer. Die Macht, welche die Eltern uber die Kinder haben, wird in solchen Situatio -nen schnell ausgenutzt und zu Mitteln der Gewalt, als vermeintlichen letzten Ausweg, ge- griffen.

Kindeswohlgefahrdung beschreibt deswegen ein Verhalten von Sorgeberechtigten, das un- vereinbar mit den kindlichen Entwicklungsbedurfnissen ist, so dass „mit ziemlicher Si- cherheit eine erhebliche Beeintrachtigung in der Entwicklung des Kindes droht“.[23] Sie um- fasst alle Formen der Gewalt wie korperliche, seelische und sexuelle Gewalt aber auch Vernachlassigung. Aufierdem gilt auch das Nichtstun der an der Gewalt indirekt beteiligten Dritten als kindeswohlgefahrdend.[24]

Die Schwierigkeit besteht dabei darin, zu unterscheiden, welches elterliche Verhalten als erzieherisch tolerierbar gilt und was nicht mehr geduldet werden kann und somit als Kin­deswohlgefahrdung angesehen wird. Eindeutig ist, dass die Schwellen zwischen „guter“ und „schlechter“ Erziehungsmethode fliefiend sind.[25] Besonders im professionellen Um- gang mit gefahrdeten und betroffenen Kindern, ist es fur die Sozialarbeiterlnnen oft schwierig abzuschatzen, wie verantwortungsbewusst die Eltern in der Erfullung der kindli­chen Bedurfnisse sind und ab wann sie eingreifen mussen.[26] Nicht zuletzt wegen dieser Schwierigkeiten kommt es immer wieder zu Fallen von Kindstotung obwohl die Eltern be - reits Hilfsmafinahmen erhalten haben.

4 Formen von Kindesmisshandlung

Auch eine genaue Beschaftigung mit den verschieden Formen der Gewalt an Kindern ist wichtig fur die Arbeit im Bereich der Kindesmisshandlung, denn es muss klar sein, was al- les moglich ist. Das heifit, mit welchen Formen man als professionelle/r Sozialarbeiterln zu rechnen hat, wie diese sich voneinander unterscheiden was sie beinhalten.

Im Folgenden werden die verschieden Arten genau beschrieben und voneinander abge- grenzt, auch wenn diese Abgrenzung in der Realitat eher selten so genau moglich ist. Die Einteilung der verschiedenen Formen erfolgt eher theoretisch und idealtypisch.[27] Zum Bei- spiel geht die Form des sexuellen Missbrauchs fast immer mit korperlicher Gewalt einher.[28]

Generell wird familiare Gewalt in der Literatur einheitlich in vier Formen unterteilt. Dazu gehoren korperliche, psychische und sexuelle Misshandlung und die Vernachlassigung. Einzelne Autoren beschreiben allerdings auch andere Formen wie zum Beispiel die der fo- talen Misshandlung. Dazu zahlen zum Beispiel „(...) Gewalttatigkeiten gegen eine schwangere Frau (...), rauchen, chronische[r] Alkoholmissbrauch und Missbrauch von Drogen (...).‘‘[29]

Im Folgenden wird nur auf die vier Hauptformen eingegangen.

4.1 Physische Misshandlung

Diese Form umfasst alle korperlichen Handlungen, die das Kind physisch und psychisch schadigen (konnten), aber auch das Unterlassen angebrachter Verhaltensweisen zum Bei­spiel zum Schutz des Kindes, was physische Beeintrachtigungen zur Folge hat (haben konnte).

Das Beschadigen von Dingen, die das Kind besitzt, wird als Unterart der physischen Ge­walt angesehen, hat allerdings auch einen starken psychischen Gewaltcharakter. Hierbei dient das Eigentum des Kindes als Ersatz fur das Kind beziehungsweise dessen Korper.

Es ist moglich, innerhalb des Bereichs des physischen Kindesmissbrauchs noch einmal zwischen leichten (zum Beispiel kneifen, drucken, festhalten) und schweren Formen zu differenzieren. Als schwer wird generell alles bezeichnet, was eindeutige Anzeichen der Misshandlung (zum Beispiel Bruche, innere Blutungen, Schnitte oder Verbrennungen) hin- terlasst.[30] Durch diese eindeutigen Anzeichen, ist sie die deutlichste und fur Aufienstehende am einfachsten erkennbare Form der Kindesmisshandlung.[31]

Gunther Deegener beschreibt einige mogliche Verhaltensweisen, die zur physischen Miss­handlung gezahlt werden: ,,(...) Ohrfeigen, Schlagen (...), Stofien von der Treppe, (...) Schutteln eines Kleinstkindes, Verbrennen (...), Einklemmen (...), eigenen Kot essen und Urin trinken lassen, Wurgen, Vergiftungen.“[32]

4.2 Psychische Misshandlung

Die psychische Kindesmisshandlung wird in der Literatur auch als seelische oder emotio- nale Gewalt bezeichnet.

Diese Form der Gewalt ist Teiljeder anderen Misshandlungsform. Jede korperliche und se- xuelle Misshandlung oder Vernachlassigung beinhaltet auch immer eine emotionale Kom- ponente. Deswegen ist sie nur schwer eindeutig von den anderen Formen zu trennen.[33]

Sie beschreibt ein Verhalten von Erwachsenen, das zum Beispiel gekennzeichnet ist durch Abwertung, Lieblosigkeit, emotionale Kalte und/ oder Boshaftigkeit.[34] Aufierdem beinhal­tet sie inadaquate und ungenugende Beziehungsformen und - -verhaltnisse.[35] Dazu zahlen zum Beispiel „Ablehnung, Isolation, keinerlei Wertschatzung, Uberbehutung, (...) Terrorisieren, Erniedrigen (...)“[36], Bedrohung, Verspottung, Liebesentzug oder emo­tionale Erpressung. Aufierdem auch das in Kauf nehmen von traumatischen Erfahrungen des Kindes und die Missachtung der kindlichen Personlichkeit und deren Selbstbestim- mungsrecht.[37] Auch das Miterleben von elterlicher Gewalt gegeneinander, ohne selbst Op- fer von Gewalt zu werden, wird als psychische Gewalt angesehen.

Emotionale Gewalt hinterlasst nicht immer eindeutige, auf die Misshandlung zuruckfuhr- bare, Misshandlungsspuren, aber doch entstehen tiefgreifende und nachhaltige Schadigun- gen der Entwicklung und Personlichkeit der Kinder.

Besonders verheerend fur die Personlichkeitsentwicklung der Kinder ist es, wenn ihnen uber Jahre hinweg eine negative Grundhaltung entgegengebracht wird und sie keine positi - ve Lebenseinstellung vermittelt bekommen. Sie sind somit nicht in der Lage ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln, was wiederum Auswirkungen auf die eigene Stressverar- beitung und Frustrationstoleranz hat.[38]

4.3 Vemachlassigung

Diese Form gilt als die haufigste Art der Kindesmisshandlung, allerdings gibt es hierzu nur wenig empirische Studien, die einen Verbreitungshinweis liefern konnten. Bei Vemachlas­sigung handelt es sich fast ausschliefilich um dauerhafte, kontinuierliche Unterlassung ad- aquater elterlicher Handlungen. Nur selten handelt es sich um vereinzelte Ereignisse.[39] Es geht hierbei um das Unterlassen von Verhaltensweisen durch die Sorgeberechtigten „[...] auf Grund unzureichender Pflege undKleidung, mangelnder Ernahrung undgesund- heitlicher Fursorge, zu geringer Beaufsichtigung und Zuwendung, nachlassigem Schutz vor Gefahren sowie nicht hinreichender Anregung und Forderung motorischer, geistiger, emotionaler und sozialer Fahigkeiten.“[40]

Es ist moglich, in verschiedene weitere Unterformen zu differenzieren. Eine Unterschei- dung stellt die aktive- und passive Vemachlassigung dar. Dabei beschreibt die aktive Form die absichtliche, wissentliche Nichterfullung der kindlichen Grundbedurfnisse. Passiv da- gegen bedeutet, dass die Vemachlassigung auf Grund von mangelndem Wissen oder feh- lender Aufmerksamkeit beziehungsweise eingeschrankter Urteilsfahigkeit stattfindet.[41] Al­lerdings ist die Unterlassungshandlung der meisten Eltern vor allem eine aktive und ab­sichtliche Handlung.[42]

Aufierdem unterscheiden einige Autoren zwischen korperlicher- und emotionaler Vemach­lassigung. Dabei bezieht sich die physische Form auf alle korperlichen Bedurfnisse des Kindes, deren Gesundheitszustand und Sicherheit. Die emotionale Vemachlassigung dage- gen beschreibt sich standig verandernde, inadaquate und/ oder unklare Beziehungsfor- men.[43]

Besonders von Vemachlassigung betroffen sind sehr junge oder gesundheitlich beeintrach- tigte Kinder, die nicht in der Lage sind, sich selbst zu helfen oder auf sich aufmerksam zu machen.[44]

Als Folge von Vemachlassigung ist ein breites Spektrum von Auffalligkeiten beim Kind bis hin zu Tod moglich. Oft werden korperliche und geistige Entwicklungsverzogerungen, Personlichkeitsstorungen und soziale Problematiken als Resultat langfristiger Vernachlassi- gung beobachtet.[45]

4.4 Sexuelle Gewalt

Sexuelle Gewalt beschreibt nicht allein den Vergewaltigungsprozess an sich, sondern be- zieht sich vielmehr auf das ganze Spektrum von sexuellen Praktiken, die gegen den Willen einer Person vollzogen werden. Dazu zahlen zum Beispiel auch Exhibitionismus, verbale sexuelle Gewalt und Beruhrungen.[46] Auch die Ablehnung von empfangnisverhutenden Mit- teln oder von Kondomen zum Schutz vor sexuell ubertragbaren Krankheiten, stellt einen sexuellen Missbrauch dar.[47] Gerade bei Kindern ist auch die Form der sexuellen Ausbeu- tung zu nennen, bei der Minderjahrige zu (kauflichen) sexuellen Handlungen gezwungen werden.[48]

Sexueller Missbrauch geht dabei immer auch mit psychischer Gewalt einher. Oft werden die Kinder von den Missbraucherlnnen durch Drohungen gezwungen, Stillschweigen und Geheimhaltung zu wahren. Sie nutzen ihre emotionale Beziehung zum Kind aus, um ihre eigenes Verlangen zu befriedigen.[49]

Es gibt eine Vielzahl an Begriffsbestimmungen von sexueller Gewalt. Dabei kann zwi- schen engen und weiten Definitionen unterschieden werden. Enge Interpretationen bezie- hen sich dabei ausschliefilich auf sexuelle Handlungen, bei denen Korperkontakt besteht. Als weite Definitionen werden dagegen Ubergriffejeglicher Art verstanden. Ausschlagge - bend dafur ist, dass die Handlungen das Kind moglicherweise schadigen konnen.[50]

Folgende Definition von sexueller Gewalt wird dieser Arbeit zugrunde gelegt:

[...]


[1] Deegener 2005, 54

[2] Cierpka2008, 17 ff

[3] Dlugosch2010, 19

[4] BMI2013, 66

[5] BMI2013, 66

[6] Martin 2009, 127

[7] DBSH 2014

[8] Sommer 2002, 60 ff

[9] Dlugosch2010, 19

[10] Mertens u.a. 2011, 20 f

[11] Kinderschutz- Zentrum Berlin 2009, 32

[12] Okon u.a. 2013, 250

[13] Krollner u.a. 2014

[14] Wiesner 2005, 289 f

[15] Schmid u.a. 2006 nach BGH FamRZ 1956, 35

[16] Schrapper 2008, 57

[17] Ziegenhain 2009, 142

[18] Kriegeru.a. 2007, 29

[19] Flury Sorgo 2008, 338 f

[20] Flury Sorgo 2008, 338

[21] Rudolph 2007, 7

[22] Groll 2005, 237

[23] Meysen2008, 21

[24] Wiesner 2005, 290

[25] Krieger u.a. 2007, 20

[26] Schrapper 2008, 58

[27] Mertens u.a. 2011, 26

[28] Deegener 2005, 38

[29] Kapellau.a. 2001 inLamneku.a. 2006, 120

[30] Kriegeru.a. 2007, 14 f

[31] Lamneku.a. 2006, 120

[32] Deegener 2005, 37

[33] Kriegeru.a. 2007, 14

[34] Martin 2009, 123

[35] Mertens u.a. 2011, 32

[36] Martin 2009, 123

[37] Cierpka 2008, 41

[38] Lamneku.a. 2006, 117 ff

[39] Kriegeru.a. 2007, 17

[40] Deegener 2005, 37

[41] Deegener 2005, 37

[42] Martin 2009, 126

[43] Mertens u.a. 2011, 33

[44] Kriegeru.a. 2007, 17

[45] Mertens u.a. 2011, 33

[46] Hartwigu.a. 2003, 17

[47] Mark 2005, 65

[48] Mertens u.a. 2011, 33

[49] Deegener 2005, 38

[50] Hartwigu.a. 2003, 17

Ende der Leseprobe aus 50 Seiten

Details

Titel
Kindesmisshandlung. Formen, Folgen und Möglichkeiten der Prävention in der Sozialen Arbeit
Hochschule
Fachhochschule Erfurt
Note
1,5
Autor
Jahr
2014
Seiten
50
Katalognummer
V287956
ISBN (eBook)
9783656882169
ISBN (Buch)
9783656882176
Dateigröße
688 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kindesmisshandlung, formen, folgen, möglichkeiten, prävention, sozialen, arbeit
Arbeit zitieren
Cindy Scharfenberg (Autor:in), 2014, Kindesmisshandlung. Formen, Folgen und Möglichkeiten der Prävention in der Sozialen Arbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/287956

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Kindesmisshandlung. Formen, Folgen und Möglichkeiten der Prävention in der Sozialen Arbeit



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden