Seit gut einem Jahrzehnt erreichen uns auch im deutschsprachigen Raum zunehmend Veröffentlichungen, die die Bedeutung der individuellen Motivationsausrichtung für die Genese sinnorientierter Beschäftigung und damit den Aufbau eines erfolgreichen und glücklichen Lebens nachweisen. Da die Suche nach dem Glück die Menschheit seit Jahrtausenden beschäftigt, intendieren die durchaus empirisch orientierten Ansätze nicht die Aufdeckung bahnbrechend neuer Erkenntnisse. Sie setzen jedoch nach jahrzehntelang behavioristisch orientierter Psychologie existentiell bedeutsame Themen wie Freude, Erfüllung und Sinnorientierung in den Mittelpunkt ihrer Untersuchungen. Dabei zeichnen sich die neueren Konzepte der Emotions- und Motivationsforschung in Methodik und Terminologie durch sehr kreative Ansätze aus. Sie wirken innovativ und praxisrelevant für viele Gesellschaftsbereiche, nicht zuletzt für den Sport und die Pädagogik. Zu den Hauptrichtungen gehören dabei die Attribuierungsforschung (SELIGMAN et. al.) sowie die Flow-Forschung1 nach CZIKSZENT-MIHAYLI.
Angeregt durch die Ergebnisse und Konzepte dieser Richtungen, richtet die vorliegende Untersuchung besonderes Augenmerk auf das Phänomen Flow und seine Konsequenzen im Rahmen des pädagogischen Alltages. Als freudvolle Selbsterfahrung beim Tun ist dieses Phänomen ausschlaggebend für eine positive Entwicklung der Lernbiographie der Schüler weit über die Erfahrungen schulischen Lernens hin-aus. Es ist einer der entscheidenden Faktoren dafür, ob sich die Weichenstellungen des Lebens an einer reagierenden, konsumierenden, also extern gesteuerten Lebenshaltung orientieren oder zu einer eher intrinsisch motivierten Richtung führen, zur Freude am Tun ohne große Abhängigkeiten von äußeren Belohnungen. [...]
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung
2 Themenentwicklung
2.1 Inspiration durch Unterrichtserfahrung
2.2 Vorüberlegungen zur Umsetzung des Themas
3 Theoretischer Hintergrund
3.1 Relevante fachwissenschaftliche Modelle als Basis der vorgestellten Konzeption
3.2 Flow-Forschung und Flow-Modell
3.2.1 Die Komponenten des Flow
3.2.2 Passung von Herausforderung und Können als Hauptdimensionen des Flow-Modells
3.2.3 Weitere Begriffe der Flowforschung
3.2.4 Anwendung des Flow-Modells im Sport
3.3 Motivationsforschung und Motivationsmodelle
3.3.1 Intrinsische versus extrinsische Motivation
3.3.2 Motivationsmodell der Aufgabenorientierung
3.3.3 Parallelen zwischen Flow- und Motivationsmodellen
3.4 Bezugnahme zu Lehrplänen und Richtlinien
4 Methodische Entwicklung und Durchführung des Konzepts
4.1 Vorüberlegungen und Bedingungsanalyse
4.1.1 Lerngruppe und Kursthema
4.2 Lernziele und pädagogische Perspektiven
4.2.1 Allgemeine Lernziele
4.2.2 Übergreifende thematische Zielsetzung
4.2.3 Pädagogische Perspektiven
4.3 Methodisch-didaktische Entscheidungen und Durchführung des Konzepts 20
4.4 Der DFB-Parcours als zentrales Instrumentarium
4.4.1 Beschreibung des DFB-Parcours
4.4.2 Der DFB-Parcours unter mehrperspektivischen Aspekten
4.5 Überblick über die Unterrichtsreihe
4.6 Zuordnung der Lehrerfunktionen
4.7 Reflexion und Selbsteinschätzung der Schüler
5 Evaluation
5.1 Erstbilanzierung des Unterrichtsvorhabens
5.2 Evaluation relevanter Aspekte und ausgewählter Unterrichtseinheiten
5.3 Interpretation der Ergebnisse unter Berücksichtigung der Zielsetzung
5.4 Exemplarische Darstellung von Schülerreflexionen
6 Gesamtreflexion und Ausblick
Literaturverzeichnis
1 Einführung
Seit gut einem Jahrzehnt erreichen uns auch im deutschsprachigen Raum zunehmend Veröffentlichungen, die die Bedeutung der individuellen Motivationsausrichtung für die Genese sinnorientierter Beschäftigung und damit den Aufbau eines erfolgreichen und glücklichen Lebens nachweisen. Da die Suche nach dem Glück die Menschheit seit Jahrtausenden beschäftigt, intendieren die durchaus empirisch orientierten Ansätze nicht die Aufdeckung bahnbrechend neuer Erkenntnisse. Sie setzen jedoch nach jahrzehntelang behavioristisch orientierter Psychologie existentiell bedeutsame Themen wie Freude, Erfüllung und Sinnorientierung in den Mittelpunkt ihrer Untersuchungen. Dabei zeichnen sich die neueren Konzepte der Emotions- und Motivationsforschung in Methodik und Terminologie durch sehr kreative Ansätze aus. Sie wirken innovativ und praxisrelevant für viele Gesellschaftsbereiche, nicht zuletzt für den Sport und die Pädagogik. Zu den Hauptrichtungen gehören dabei die Attribuierungsforschung (SELIGMAN et. al.) sowie die Flow-Forschung[1] nach CZIKSZENTMIHAYLI.
Angeregt durch die Ergebnisse und Konzepte dieser Richtungen, richtet die vorliegende Untersuchung besonderes Augenmerk auf das Phänomen Flow und seine Konsequenzen im Rahmen des pädagogischen Alltages. Als freudvolle Selbsterfahrung beim Tun ist dieses Phänomen ausschlaggebend für eine positive Entwicklung der Lernbiographie der Schüler weit über die Erfahrungen schulischen Lernens hinaus. Es ist einer der entscheidenden Faktoren dafür, ob sich die Weichenstellungen des Lebens an einer reagierenden, konsumierenden, also extern gesteuerten Lebenshaltung orientieren oder zu einer eher intrinsisch motivierten Richtung führen, zur Freude am Tun ohne große Abhängigkeiten von äußeren Belohnungen.
Die Hausarbeit verfolgt daraus abgeleitet insgesamt folgende Zielrichtungen:
- Thematisierung und Aufmerksamkeitsausrichtung auf das Flow-Phänomen im Unterricht;
- Unterrichtsinszenierung unter Minimierung flow-behindernder Faktoren und Maximierung flow-fördernder Faktoren;
- Anleitung der Schüler zur Reflexion ihrer Selbsterfahrung;
- Bewusstseinsförderung der Schüler für die Bedeutung intrinsischer Motivation.
2 Themenentwicklung
2.1 Inspiration durch Unterrichtserfahrung
Während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland fand in der Ausbildungsschule des Referendars eine Projektwoche statt, in der aus aktuellem Anlass das Fußballspiel nach offiziellen FIFA-Regeln angeboten wurde. Die Projektgruppe (7./8. Jahrgang) bestand zunächst aus 34 Schülerinnen und Schülern und musste aus organisatorischen und didaktischen Gründen in eine homogene und eine heterogene Gruppe geteilt werden. In der homogenen Gruppe befanden sich alle Schüler, die Vorerfahrung im Fußballsport aufweisen konnten. Die heterogene Gruppe setzte sich aus unerfahrenen und erfahrenen Schülerinnen und Schülern zusammen, so dass eine eklatante Differenz im Leistungsniveau der einzelnen Schüler vorlag. Die erste Gruppe konnte sich auf relativ hohem Spielniveau voll entfalten und spielte sich über einen langen Zeitraum in einen Rausch hinein. Während des Spiels Elf gegen Elf auf einem 110-Meter-Feld übernahm der Referendar sowohl die Schiedsrichter- als auch die Lehrerfunktion. Um die Abseitsregeln zu berücksichtigen, musste er sehr viel Laufarbeit leisten und war so aktiv am Spiel beteiligt. Dabei fiel auf, dass für die Schüler der Referendar zunehmend zum „echten“ Schiedsrichter (z.T. auch Feindbild) wurde. Das Spiel bekam mit der Zeit eine eigene Dynamik und man hatte das Gefühl, die Schüler waren in ihren Handlungen völlig selbstvergessen. Das Phänomen, welches sich hier zeigte, war dem Verfasser aus seiner eigenen Spiel- und Sportbiographie nicht unbekannt - Flow-Erleben. Nun kam die Frage auf: Wie würde sich das Spiel in der heterogenen Gruppe entwickeln?
Der Kontrast zwischen den beiden Gruppen war zunächst erheblich. Bei der heterogenen Gruppe kam es erst nach deutlich modifizierten Regeln zu einem akzeptablen Spielfluss. Dennoch blieb insgesamt die optimale Passung im Spielgefüge aufgrund der zu heterogenen Mischung in dieser Lerngruppe aus. Spätestens an dieser Stelle stellte sich der Referendar die Frage, wie dem Flow-Erleben im Unterrichtsalltag verstärkt Chancen eingeräumt werden können.
2.2 Vorüberlegungen zur Umsetzung des Themas
Das Erlebnis im Rahmen des Sportprojekts wirkte nach. Auf der einen Seite wurde bewusst, dass nichts so lern- und leistungsfördernd wirkt wie das „Üben im Flow“, die Selbsterfahrung eines mühelos und doch hochintensiv fließenden Bewegungs- oder Tätigkeitsablaufs. Diese Tatsache sollte auf jeden Fall für die eigene pädagogische Arbeit erhalten bleiben. Auf der anderen Seite war deutlich, dass viele Bedingungen des Schulalltags weder geeignet sind, die Flow-Erfahrung der Lernenden zu fördern, noch die Lehrkräfte zu unterstützen, diesen Aspekt präsent zu haben.
Da die Ausbildungsschule schwerpunktmäßig einen integrativen Ansatz verfolgt, liegt durch die Einbindung behinderter Schülerinnen und Schüler in den Sekundarstufen I und II eine besonders starke Leistungsheterogenität gerade auch im Sportunterricht vor. Die optimale Passung zwischen Herausforderung und Kompetenzniveau, einer der wesentlichen Faktoren für die Flow-Erfahrung (s. Kap. 3.3.2), ist daher im Unterricht nicht leicht zu erreichen. Die guten Rahmenbedingungen der Schule, ihre vielfältigen und offenen Konzeptionen und die Möglichkeit des Unterrichtsangebotes durch zwei Lehrkräfte in den Integrationsklassen, kommen jedoch dem erhöhten Leistungsanspruch des integrativen Unterrichts entgegen. Obwohl sich die Thematik „Flow“ immer wieder punktuell ergab, und auch die Ausrichtung der Richtlinien eindeutig Legitimation für übergreifende Zielsetzungen liefert, zeigte sich erst einmal keine geeignete Unterrichtssituation, das Thema pädagogisch und didaktisch aufbereitet umzusetzen.
Kurzfristig vor Beginn des zweiten Schulhalbjahres wurde der Lehrkraft aus organisatorischen Gründen ein neuer Kurs (12. Jahrgang) zugeordnet. In dieser Lerngruppe schienen die Vorraussetzungen mit einiger Wahrscheinlichkeit so gelagert zu sein, dass zusätzlich zur obligatorischen Lernzielsetzung für den Kurs eine thematisch übergreifende Ausrichtung der Unterrichtsinhalte auf das Flow-Erleben sinnvoll erschien. So ergab sich die Entscheidung für die Erprobung einer Unterrichtskonzeption in diesem Kurs.
3 Theoretischer Hintergrund
3.1 Relevante fachwissenschaftliche Modelle als Basis der vorgestellten Konzeption
Im Folgenden soll die Entwicklung der Flow-Forschung mit den für die vorliegende Arbeit relevanten Aspekten, Begriffen und Konzeptionen vorgestellt werden. Anschließend werden aus der umfangreichen und hochkomplexen Motivationsforschung einige für die Pädagogik und den Sport relevanten Begriffe (re-)aktiviert sowie neuere Modellentwürfe skizziert. Die Verbindung altbekannter Weisheiten der klassischen (Motivations-)Pädagogik mit den anschaulichen und prozessorientierten Begriffen und Modellen der Flow-Forschung soll dazu dienen, eine übergreifende konzeptionelle Richtschnur für die Unterrichtplanung zu entwickeln.
3.2 Flow-Forschung und Flow-Modell
In einer Vielzahl menschlicher Bereiche findet man somit einen bemerkenswert übereinstimmenden seelischen Zustand, der so befriedigend ist, dass Menschen um seinetwillen oftmals ein komfortables Leben aufgeben. In vielen Fällen ist die Wichtigkeit dieses Erlebens durch scheinbare äußere Handlung verdeckt (...) Bei genauerem Hinsehen verlieren diese Ziele an Gewicht und entpuppen sich als Pseudo-Ziele, die der äußeren Aktivität Berechtigung, Richtung und Regeln verschaffen. Entscheidend ist aber das Tun selbst, der Prozess. (CIKSZENTMIHALY, 1985, S. 60)
Mihály CIKSZENTMIHALY (sprich: tschik-sent-mi-hayi), Professor für Psychologie an der Universität von Chicago, sammelte in über 30-jähriger Forschungsarbeit Erfahrungsberichte von und Messergebnisse an Menschen, die es zu hohen Leistungen im Beruf, beim Sport oder auf anderen Gebieten gebracht hatten. Dabei erhielt er immer wieder übereinstimmende Schilderungen über einen psychophysischen Zustand der höchsten, dennoch mühelosen Konzentration, verbunden mit Selbstvergessenheit und völliger Hingabe an die jeweilige Aufgabe. Eine Orientierung an Erfolg oder Versagen war in diesem Zustand nicht gegeben, jedoch hochgradige Motivation verbunden mit fließenden (Glücks-)Gefühlen, die diesen Prozess des Flow am besten beschreiben. Die neurobiologischen Korrelate der sich im Flow befindenden Menschen ergaben dabei keine erhöhte kortikale Aktivität. Sie weisen auf äußerst effiziente Hirntätigkeit hin, “fließend“ angepasst und optimal koordiniert mit den Anforderungen der jeweiligen Tätigkeit. Mit Flow (englisch: fließen, rinnen, strömen) wird das lustbetonte Gefühl des völligen Aufgehens in einer Handlung bezeichnet. Der Harvardpsychologe Goleman, Pionier auf dem Gebiet der Emotionalen Intelligenz, schildert den Vorgang so:
Dabei tritt Fließen in den Bereichen auf, wo Menschen mit all ihren Fähigkeiten in Anspruch genommen werden. Eine allzu leichte Aufgabe erzeugt Langeweile, eine zu schwierige Angst. Fließen ist vielleicht das Äußerste, wenn es darum geht, die Emotionen in den Dienst der Leistung zu stellen. Beim Fließen sind die Emotionen nicht nur beherrscht und kanalisiert, sondern positiv, voller Spannung und auf die vorliegende Aufgabe ausgerichtet (...) Es ist ein Zustand, in dem man ganz in dem aufgeht, was man tut, ihm seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt, wo das Bewusstsein nicht mehr vom Handeln getrennt ist. (1997, S. 120)
Dabei ist die Vorstufe der Fließtätigkeit, also der Fähigkeit, seine Kräfte hochkonzentriert aber mühelos einer Aufgabe zuzuwenden, anfangs mit einem Rückkopplungseffekt verbunden. Die beginnende Ausführung der jeweiligen Tätigkeit kostet dabei oft Überwindung, Übung und Disziplin. Hat sich die Konzentration jedoch eingestellt, gewinnt sie ihre eigene Kraft, befreit von emotionaler Unruhe und wird zum Selbstverstärker, zum intrinsischen Motiv. „Fließen" ist dabei die Vorbedingung jeder Meisterschaft, sei es im Beruf oder anderen Disziplinen. Menschen, die früh die Erfahrung des „Fließens“ bzw. fließenden Lernens machen, begünstigt u.U. dadurch, dass sie dazu erzogen wurden, haben im Erwachsenenalter eine deutlich höhere Erfolgswahrscheinlichkeit, komplexen, höchst qualifizierten Ausbildungs- und Berufsanforderungen zu genügen. Sie erleben Lernen in weitaus größerem Maße als lustvoll als ihre weniger erfolgreichen Mitmenschen und haben dadurch lebenslang Vorteile. Sie verfügen so über einen lebenslang wirkenden Mechanismus der Selbstentwicklung, Selbsterweiterung durch Bewegungs-, Lern- und Handlungsfreude. Bei persönlichen Rückschlägen gelingt die Regeneration schneller, Selbstvertrauen und Enthusiasmus brechen selten über längere Zeit ein (vgl. GOLEMAN 1997, SELIGMAN 1990). Es ist erwiesen, dass der Erwerb, die Integration der psychophysischen Fähigkeit des „Fließens“ als elementar wirkende, sich selbstständig erneuernde Antriebskraft für das Selbstvertrauen, die Intentionalität sowie die sozialen und auch intellektuellen Kompetenzen eines Menschen lebenslang positiv und dynamisierend zu wirken vermögen (vgl. Goleman, 1997, S. 119f).
3.2.1 Die Komponenten des Flow
CIKSZENTMIHALY fand in seinen Studien, unabhängig von der Art der jeweiligen Tätigkeit, immer wieder übereinstimmende Anzeichen, die den Flow charakterisieren. Sie werden als die neun fundamentalen Dimensionen oder Komponenten beschrieben (2000, S. 24):
1. Balance zwischen Herausforderung und Können;
2. Verschmelzung von Körper und Geist;
3. Klare Zielsetzung;
4. Eindeutiges Feedback;
5. Konzentration auf die bevorstehende Aufgabe;
6. Kontrolle;
7. Befangenheit ablegen;
8. Subjektive Wahrnehmung der Zeit;
9. Autotelisches Erlebnis.
Nicht alle Komponenten müssen gemeinsam vorhanden sein.
3.2.2 Passung von Herausforderung und Können als Hauptdimensionen des Flow-Modells
Eines der stärksten Anzeichen von Flow, nämlich das Verschmelzen von Handlung und Bewusstsein, setzt nach allen Forschungserkenntnissen voraus, dass die Aufgabe zu bewältigen ist, d.h. eine Aufgabe muss im Bereich der Leistungsfähigkeit des Ausführenden liegen. CIKSZENTMIHALY nannte diese konzeptionelle Hauptdimension später die HK-Balance, d.h. die Balance zwischen Herausforderung und Können. Dieser anschauliche Terminus wird auch in den hier folgenden Darstellungen benutzt werden, um die Passung der Aufgabenanforderung im Unterricht mit dem persönlichen Kompetenzniveau der Schüler zu beschreiben (s. Kap. 4).
Im folgenden wird das Flow-Modell anhand einer Graphik nach BRÄUTIGAM dargestellt (s. Abb. 1), da in der Beschreibung des Fallbeispiels die prozessartig verlaufende Motivationsentwicklung sehr deutlich wird:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Optimale Erfahrung (nach C SIKSZENTMIHAYLI 1992) in Anlehnung an B RÄUTIGAM (1994) in der Zeitschrift: Sportunterricht 43 Heft 6, S. 239
"Die beiden theoretisch wichtigsten Dimensionen der Erfahrung - Herausforderung und Fähigkeiten - sind auf den beiden Achsen des Diagramms dargestellt. Der Buchstabe A steht für Alex, einen Jungen, der gerade Tennisspielen lernt. Am Anfang hat Alex (A1) praktisch keine Fähigkeiten, und seine einzige Herausforderung besteht darin, den Ball über das Netz zu schlagen. Das ist nicht sehr schwierig, aber Alex hat vermutlich Spaß daran, weil der Schwierigkeitsgrad für seine rudimentären Fähigkeiten gerade richtig ist. An diesem Punkt gerät er vermutlich in flow. Aber lange kann er dort nicht bleiben. Nach einer Weile und einiger Übung verbessern sich seine Fähigkeiten, und er langweilt sich, wenn er nur den Ball übers Netz schlägt (A2). Vielleicht trifft er auch auf einen geübteren Gegner und merkt, dass es größere Herausforderungen für ihn gibt, als nur den Ball zu treffen - hier wird er einige Unsicherheit spüren (A3) und sich um seine schlechte Leistung sorgen. Weder Langeweile noch Unsicherheit sind positive Erfahrungen. Daher wird Alex motiviert sein, in den Flow-Zustand zurückzugelangen. Aber wie stellt er das an? Wir schauen wieder auf die Abbildung und sehen, dass Alex nur eine Möglichkeit hat, wenn er gelangweilt ist (A2) und wieder in flow geraten will. [...] Er setzt sich ein neues, schwierigeres Ziel, das seinen Fähigkeiten entspricht - zum Beispiel, einen Gegner zu schlagen, der nur ein wenig geübter ist als er - und Alex wäre wieder im flow (A4). Wenn Alex unsicher ist, besteht der Weg zurück zum flow darin, seine Fähigkeiten zu verbessern. Theoretisch könnte er auch seine Herausforderungen verringern und in den gleichen Flow-Zustand zurückkehren, in dem er begann (A1), aber in der Praxis ist es schwierig, Herausforderungen nicht anzunehmen, wenn man weiß, dass es sie gibt. Das Diagramm zeigt, dass A1 und A4 Situationen beschreiben, in denen Alex sich im flow befindet. Beide Zustände sind recht erfreulich, doch sie unterscheiden sich darin, dass A4 eine komplexere Erfahrung darstellt als A1. Sie ist komplexer, weil eine größere Herausforderung dazugehört und dem Spieler größere Geschicklichkeit abverlangt wird. Auch wenn A4 komplex und erfreulich ist, stellt es doch keine stabile Situation dar. Wenn Alex weiterspielt, werden ihn entweder die immer gleichen Möglichkeiten auf dieser Ebene langweilen, oder er wird unsicher und frustriert aufgrund seiner relativ geringen Fähigkeiten. Daher wird ihn die Motivation, wieder Spaß zu haben, zurück in den Flow-Kanal treiben, aber nun mit höherer Komplexität als bei A4. Diese Dynamik erklärt, warum Flow-Aktivitäten zu Wachstum und Entdeckungen führen. Man kann die gleiche Sache auf gleicher Ebene nicht lange genießen. Entweder langweilt man sich, oder man wird frustriert, und dann drängt einen der Wunsch, wieder Spaß zu haben, dazu, sich anzustrengen oder neue Möglichkeiten zu finden, seine Fähigkeiten anzuwenden." (CSIKSZENTMIHAYLI, 1992, S. 106ff)
3.2.3 Weitere Begriffe der Flow-Forschung
Ein im Rahmen der Flow-Forschung häufig auftauchender Terminus ist das Wort „autotelisch“. Dieser Begriff setzt sich aus zwei griechischen Worten zusammen: auto (selbst) und telos (Ziel). „Üben wir eine autotelische Tätigkeit aus, so tun wir etwas um seiner selbst willen, weil es das Hauptziel ist, dies zu erleben“ (CIKSZENTMIHALY, 2001, S. 153f). Unterschieden werden dabei autotelische Aktivitäten, Personen und Erlebnisse:
- Autotelische Aktivitäten sind Handlungsmuster, welche unmittelbare intrisiche Belohnungen maximieren. Zwar kann man wahrscheinlich bei jeder Tätigkeit Spaß haben; aber einige Tätigkeitsformen eignen sich viel besser dazu als andere.
- Eine autotelische Person ist jemand, der fähig ist, an dem, was er tut, Spaß zu finden, unabhängig davon, ob er dafür äußere Belohnungen erhält.
- Autotelisches Erleben ist ein psychologischer Zustand, der auf konkretem Feedback beruht und insofern als Verstärkung wirkt, als er in Abwesenheit anderer Belohnungen das Verhalten andauern lässt.
3.2.4 Anwendung des Flow-Modells im Sport
Die Ergebnisse der Flow-Forschung zeichnen sich auch im deutschsprachigen Raum durch einen zunehmenden Bekanntheitsgrad aus. Ihr praktischer Einsatz ist bereits im Management einzelner Wirtschaftunternehmen zu finden. Auch in der Pädagogik, u.a. beim Instrumentallernen, gibt es Ansätze für erfolgreichen Einsatz des Konzepts. Die Berücksichtigung des Flow-Modells im Bereich sportbezogener Forschung ist punktuelll zu finden (Lehrstuhl ALLMER, DSHS Köln). Die aktuellen Ansätze der Sportwissenschaft lassen sich insgesamt eher aus der Motivationspsychologie (s. Kap. 3.3) ableiten. Beispiele für eine didaktische Aufbereitung des Flow-Modells für den schulischen Sportunterricht scheinen noch nicht vorzuliegen. Obwohl das Phänomen Flow in keiner Weise nur bei Bewegungsaktivitäten und schon gar nicht nur im Sport auftaucht, bietet der Sport hervorragende Chancen, sich durch körperliche Betätigung höchste physische und mentale Freude zu verschaffen.
CIKSZENTMIHALY und JACKSON bringen in ihrer Gemeinschaftspublikation den speziellen Anwendungsbezug des Modells zum Sport unter folgendem Blickwinkel zum Ausdruck:
„Sport bietet eine Fülle von Gelegenheiten, Flow zu erleben. Dennoch gelingt es den meisten Sportlern nicht, sich in diesen Zustand zu versetzen, und viele Trainer betrachten ihn als etwas Unerreichbares und Geheimnisvolles. Wenn Sportler Flow erleben, geschieht es in der Regel ganz zufällig. Das ist nicht überraschend, da die Bedingungen, die dazu führen, Flow zu erleben, Sportlern und Trainern nicht ausreichend erklärt worden sind. (...) Tatsache ist jedoch, dass es einer Kombination von erhöhter Bewusstheit und einer Reihe verschiedener Faktoren bedarf, um den Weg dafür zu ebnen, Flow zu entdecken.“ (2000, S. 7)
CIKSZENTMIHALY und JACKSON beabsichtigen mit ihrer Publikation, das Verständnis der Sportler und Trainer für die Flow-Komponenten zu vertiefen, sodass es zu einer effektiveren und gezielten Nutzung der Grundprinzipien in der Praxis kommen kann. Beide Aspekte dieses Anliegens, der Physische wie der Mentale, sollen dabei für das hier vorliegende Unterrichtskonzept übernommen werden.
3.3 Motivationsforschung/Motivationsmodelle
Eine seit Jahrzehnten anhaltende, höchst umfangreiche Forschung der Motivationspsychologie erbrachte eine Vielzahl von Theorien und Modellen, auf die im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden kann. In Schule und Unterricht sowie im Sport und anderen Bereichen sind mittlerweile viele Begriffe und Wirkzusammenhänge aus dieser Forschungstradition (u.a. HECKHAUSEN et al.) etabliert, und werden für erzieherisch tätige Fachkräfte als selbstverständliches Wissen vorausgesetzt. Dazu gehört auch der Terminus Leistungsmotivation. Er umfasst die Beweggründe eines Menschen, ein erstrebenswertes Ziel durch Aktivierung eigener Anstrengung zu erreichen.
In den zunehmend komplexer werdenden Modellen wird seit den 80er Jahren die Interaktion der in der Person liegenden Motive mit situativen Anreizen betont. Als wesentlicher Faktor, neben der Bewertung der Attraktivität eines Ziels, ist dabei auch die subjektiv eingeschätzte Erfolgswahrscheinlichkeit der handelnden Person bedeutsam für die Aktivierung ihrer Anstrengungsbereitschaft. Eine mittlere Aufgabenschwierigkeit scheint dabei motivationspsychologisch optimal, allerdings nur für Personen mit erfolgsorientiertem Leistungsmotiv. Für den Schulalltag gehört es zum pädagogischen Standardprogramm, die Erfolgs- bzw. Misserfolgsorientierung der einzelnen Schülerinnen und Schüler zu erkennen und in der Unterrichtsgestaltung zu berücksichtigen. Gerade im Sportunterricht sind dabei die durch Erfolgserwartung leistungsaktiven bzw. durch Misserfolgserwartung gehemmten, übungsvermeidenden Kinder und Jugendlichen schnell zu identifizieren. Um optimale Förderung zu erreichen gibt auch die Motivationspsychologie deutliche Hinweise auf die individuell anzupassende Aufgabenschwierigkeit. Dieser Aspekt stimmt überein mit der HK-Balance als Hauptkomponente des Flow-Modells. Bei großen Jahrgangsklassen mit heterogenem Leistungsniveau und nicht ausreichenden Lehrkapazitäten stößt man wieder auf die bekannten Grenzen, was aber nicht verhindern sollte, diesen pädagogischen Anspruch aufrecht zu erhalten. Die Modellentwicklung der Erfolgs-/ Misserfolgsorientierung wurde in den USA (SELIGMAN et al.) im Rahmen der Attribuierungsforschung weiterentwickelt. Hierbei zeichnete sich ab, dass die Attribuierung von Erfolgen bei erfolgsorientierten Menschen („Optimisten“) in Bezug gesetzt wird zur eigenen Kompetenz. Misserfolge hingegen werden eher auf äußere Faktoren geschoben. Bei den „Pessimisten“ (misserfolgsorientiert) verläuft die Attribuierung genau umgekehrt. Sie erleben Misserfolg eher als Folge ihres eigenen Versagens und schieben erreichte Erfolge auf Außenvariablen, z.B. glückliche Umstände. Der Ansatz von SELIGMAN hatte bedeutsame Folgen für kognitiv ausgerichtete Ansätze (Mentaltraining) u.a. im Leistungssport und in der Psychotherapie. Kenntnis und Berücksichtigung des beschriebenen Wirkzusammenhangs dürften aber auch für die Motivationsförderung im Schulunterricht äußerst fruchtbar sein.
3.3.1 Intrinsische versus extrinsische Motivation
Das mittlerweile ausdifferenzierte theoretische Konzept, u.a. durch DECI & RYAN (1985), beschreibt unterschiedliche psychologische Anreizmodelle für das menschliche Verhalten. Im pädagogischen Alltag gehört es grundsätzlich zum vertrauten Repertoire, wenn auch häufig sehr vereinfacht durch die Begriffe Primär- und Sekundärmotivation gekennzeichnet. Wegen der Bedeutsamkeit für die vorliegende Arbeit wird es in tabellarischer Form wie folgt dargestellt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Nach E. DECI & R. RYAN (1985)
Intrinsische und extrinsische Motivation schließen sich nicht grundsätzlich aus und können zugleich in derselben Tätigkeit wirken. Allerdings sind beide nicht einfach kumulierbar: Extrinsische Motivation, die z.B. durch künstliche Anreize eine vorhandene intrinsische Motivation teilweise oder ganz verdrängt und die Wertigkeit der Handlungsfolgen durch den sog. Korrumpierungseffekt verschiebt, stellt häufig auf lange Sicht das dominante Antriebskonzept für die Psyche des Menschen dar.
3.3.2 Motivationsmodell der Aufgabenorientierung
Eine individuelle Bezugsnorm und Betonung von Aufgabenorientierung beeinflusst die Entwicklung des Erfolgsmotivs günstig und leistet damit einen Beitrag zur Entwicklung eines positiven Selbstkonzepts. Nach ALFERMANN/STOLL (2007, S. 124) verfolgt Aufgabenorientierung Ziele, die sich direkt auf die Lösung und Meisterung der Aufgabe selbst beziehen. Es liegt also vorrangig ein intraindividueller Bezugsmaßstab vor. Ob jemand in seinem Leistungsverhalten eher aufgaben- oder eher wettbewerbsorientiert ist, wird als gelernte, relativ stabile Disposition (Motiv) aufgefasst[2]. ALFERMANN und STOLL führen dazu aus: In einer Vielzahl von Untersuchungen hat sich herausgestellt, dass Aufgabenorientierung mit intrinsischer Motivation, mit mehr Freude und Spaß am Sport, mit Ausdauer auch nach Misserfolg und mit einer sinnvollen Aufgabenwahl mittlerer Schwierigkeit einhergeht. Insgesamt ähneln aufgabenorientierte Personen den Erfolgszuversichtlichen bzw. Hochmotivierten, und sie ähneln den intrinsisch Motivierten, die sich insbesondere von der Aufgabe selbst herausgefordert fühlen.
Trainer und Lehrer sollten daher auch in ihrem Unterricht die Betonung mehr auf die Erreichung von Aufgabenzielen legen als von Wettbewerbszielen, den individuellen Leistungsfortschritt statt den Vergleich mit anderen betonen und darauf achten, individuell mittelschwere Aufgaben zu stellen bzw. anzubieten, da sie den größten motivationalen Anreiz bieten. Das motivationale Klima sollte somit insgesamt, und das gilt für alle Altergruppen, die Leistungsverbesserung und Meisterung von Aufgaben hervorheben. (ALFERMANN & STOLL, 2007, S. 126)
3.3.3 Parallelen zwischen Flow- und Motivationsmodellen
Die unter Kapitel 3.3.2 dargestellten Konzepte zeigen sich fast deckungsgleich mit den Ergebnissen der Flow-Forschung. Die Überschneidungen der in der Flow-Konzeption bedeutsamen Faktoren mit den Konstrukten der Motivationsforschung sollten deutlich geworden sein. Allerdings legt die Flow-Forschung den Schwerpunkt auf die persönliche Erfahrung des Flow als unüberbietbares Hochgefühl. Sie betont den damit verbundenen inneren Antrieb zentral, während die Motivationsforschung sich durch zunehmend differenziertere Modelldarstellungen der Wirkzusammenhänge aller beteiligter Faktoren auszeichnet.
3.4 Bezugnahme zu Lehrplänen und Richtlinien
Die vorliegenden Richtlinien und Lehrpläne des Landes Nordrhein-Westfalen ergeben sowohl in ihren übergeordneten als auch den fachbezogenen Vorgaben eine Vielzahl von Orientierungshinweisen zur Zielausrichtung des Bildungsprozesses. Das Lernen, insbesondere in der Sekundarstufe II, soll mehrperspektivisch, fachübergreifend und vernetzend sowie unabhängig von dem im Unterricht erworbenen Kontext auf Transfer ausgerichtet sein. Dazu folgende Auszüge:
Durch fachübergreifendes und fächerverbindendes Lernen wird eine mehrperspektivische Betrachtung der Wirklichkeit gefördert, und es werden damit auch übergreifende Einsichten, Fähigkeiten, Arbeitsmethoden und Lernstrategien entwickelt. (RuL SII, 1999, S. XVIII)
Sie[3] müssen Inhalte und Methoden wiederholen, im neuen Zusammenhang anwenden und ihre Lernprozesse reflektieren können, um fachliche und überfachliche Lernstrategien langfristig aufzubauen. In der methodologischen Reflexion werden Lernen und Erkenntniserwerb selbst zum Lerngegenstand. (...) Lernprozesse sollen durch komplexe Aufgabenstellung geleitet werden. Solche Aufgaben bedingen multiperspektivische und mehrdimensionale Sichtweisen. (RuL SII, 1999, S. XIX)
Die in der vorliegenden Arbeit entwickelte Konzeption orientiert sich an diesen Vorgaben. Das Unterrichtsfach Sport wird genutzt, um einen affektiv/motivationalen Aspekt des Bildungsprozesses zu thematisieren, der durch die fachbezogene Bewegungsschulung im Sport gut erfahrbar ist, jedoch in seiner fach- und unterrichtsübergreifenden Bedeutung der Reflexion unterzogen wird. Dabei wird das hier genutzte Modell dem Fachbereich der Psychologie entliehen, womit eine wechselseitige Vernetzung über Fachgrenzen hinaus gegeben ist. Durch die Betonung des affektiv/motivationalen Aspekts der vorgelegten Konzeption wird zusätzlich die Verbindung zu der durch die Richtlinien betonten Wertorientierung geknüpft.
Ein erziehender Sportunterricht ist wertorientiert. Er leitet an, sinnerfüllt an der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur teilzunehmen, und fördert personale Identität auch über den Sport hinaus. (RuL SII, 1999, S. XLV)
Die vorliegende Konzeption erfüllt damit die pädagogische Leitidee des Doppelauftrags für den Sportunterricht: „Entwicklungsförderung durch Bewegung, Spiel und Sport und Erschließung der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur“ (RuL SII, 1999, S. XXIX). Richtlinienbezogene Erläuterungen zur fachbezogenen Unterrichtsgestaltung werden in Kapitel 4 folgen.
4 Methodische Entwicklung und Durchführung des Konzepts
4.1 Vorüberlegungen und Bedingungsanalyse
Wie unter Kapitel 2.2 skizziert, ergab sich für den Lehrer im zweiten Schulhalbjahr 2007 die kurzfristige Zuordnung eines 12er Kurses mit Schwerpunkt Fußball/Basketball. Die Teilnehmer dieser Lerngruppe hatten sich „freiwillig“ für den Bereich Sportspiele (Inhaltsbereich 7) entschieden. Es war daher insgesamt von einem persönlichen Interesse für die Fachthematik, erhöhter Motivation und Vorerfahrungen der Schüler[4] auszugehen. Diese Voraussetzungen, so die Annahme des Verfassers, erhöhten die Chancen, das Thema Flow im Rahmen des vorgegebenen engen Zeitraums mit einiger Erfolgswahrscheinlichkeit im Unterricht umzusetzen. Nach kurzer Beobachtungsphase, in welcher die Vorannahmen bestätigt wurden, entschied sich der Verfasser für die pädagogische und didaktische Aufbereitung des Themas im Rahmen des genannten Kurses. Ein Problem waren die doch recht kurzen Unterrichtseinheiten von 67,5 Minuten (3 x 45 : 2). Um vertieftes Flow-Erleben zu erfahren, sind nach allen vorliegenden Erkenntnissen ca. 30 Minuten Handlungsaktivität notwendig. Eine kurze organisatorische Phase, ein Warming-Up sowie die Zeit für die reflektierend-kognitive Nachbereitung der Unterrichtserfahrung mussten zusätzlich pro Unterrichtseinheit berücksichtigt werden. Um den kognitiven Phasen überhaupt eine Chance zu geben, wurde dafür ein thematisch strukturierter Fragebogen entwickelt, der jeweils vor Ende des Unterrichts von den Schülern bearbeitet werden musste. Für die Gesamtdurchführung der zentralen Unterrichtseinheit (DFB-Talentparcours) musste jedoch eine verlängerte Zeitspanne von insgesamt 135 Minuten angesetzt werden. Hierzu musste von der Schulleitung eine Sondergenehmigung erteilt werden. An dieser Stelle soll noch einmal erwähnt werden, dass Flow-Erfahrung durch Berücksichtigung bestimmter Faktoren gefördert werden kann. Sie kann nicht direkt ausgelöst werden. Die Umsetzung der Konzeption im Rahmen einer möglichst flow-fördernden Unterrichtsinszenierung ist daher das Ziel.
4.1.1 Lerngruppe und Kursthema
Der bereits genannte Sportkurs der Jahrgangsstufe 12 (n=27 Schüler) hat zweimal in der Woche Sport und behandelt schwerpunktmäßig die Themen Fußball und Basketball. Die Unterrichtseinheiten gliedern sich in jeweils 67,5 Minuten.
Durch langfristige Verletzungen sowie Erkrankungen u.a. reduziert sich die anwesende Schülerzahl durchschnittlich auf 20 bis 23 Teilnehmer pro Sportstunde. Was den Fußballsport betrifft, bringen alle Schüler mäßige bis sehr viel Vorerfahrung aus ihrem privaten oder Vereinssport mit. Drei Schüler liegen, vom Gesamtleistungsniveau aus betrachtet, deutlich unter dem Durchschnitt der Gruppe. Insgesamt kann man aber den Kurs als relativ homogen einschätzen. Das soziale Klima in diesem Kurs ist mittelmäßig bis gut. Die Schüler haben nur vereinzelt geringfügige Erfahrung mit der Einbeziehung kognitiver Phasen. Die Bereitschaft, persönliche Empfindungen und Erlebnisse in der Gesamtgruppe zu verbalisieren, ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Einige Schüler haben (noch) keine andere Perspektive als die des Leistens kennen gelernt.
Die motorischen Fähig- und Fertigkeiten der Lerngruppe können insgesamt als gut bezeichnet werden. Bei sechs bis acht Schülern kann man von einem sehr guten Niveau im Bereich Fußball, bei vier Schülern von einem sehr guten Niveau im Bereich Basketball sprechen. Ein für das gemeinsame Lernen etwas erschwerender, aber altersentsprechend recht typischer Faktor ist die starke Fixierung auf die jeweils bevorzugte Sportart. Die übergreifende Thematisierung des Themas Flow und die dafür speziell aufbereitete Didaktik (s. Kap. 4.5) wurde in den Fußballunterrichtseinheiten eingesetzt.
4.2 Lernziele und pädagogische Perspektiven
Im Folgenden werden die allgemeinen Lernziele für den Kurs aufgezählt, um dann die zentrale und übergreifende Zielsetzung zu präzisieren. Anschließend werden Einzelziele und thematische Gesamtzielsetzung mit den „Pädagogischen Perspektiven auf den Sport in der Schule“ (vgl. RuL SII, 1999, S. XXXff) verbunden.
4.2.1 Allgemeine Lernziele
Ausgehend von den sachlichen, didaktischen und methodischen Überlegungen sowie den Voraussetzungen der Lerngruppe leiten sich folgende Lernziele für die Unterrichtsreihe ab:
Motorische Lernziele:
- Die Schüler erweitern durch die vielfältigen Inhalte ihre Bewegungserfahrungen und ihr Bewegungsrepertoire.
- Die Schüler verbessern die Feinform ihrer Schuss- und Passtechniken.
- Die Schüler verbessern ihre Wahrnehmungsfähigkeit bezüglich des Krafteinsatzes bei Flanken, Langpässen und Kunststößen.
- Die Schüler verbessern ihre Koordinationsfähigkeit und ihre Geschicklichkeit beim Dribbeln.
- Die Schüler verbessern die Grobform ihrer Kopfballtechnik.
Kognitive Lernziele:
- Die Schüler erweitern ihr fachliches Handlungswissen, indem sie Kenntnisse über die Rahmenvorgaben des Schulsports, die pädagogischen Perspektiven und die Gestaltung eines Unterrichtsvorhabens erwerben.
- Die Schüler erfahren, dass Sport unter verschiedenen Sinnperspektiven betrieben werden kann, und sind in der Lage, ihre Erfahrungen mit ihren eigenen Bedürfnissen zu verknüpfen.
- Die Schüler erweitern ihre Lernkompetenz, indem sie ihre Bewusstseinserfahrung reflektieren und Handlungsziele selbst festlegen.
- Die Schüler verbessern durch die Reflektionsphasen und die gegenseitigen Korrekturen ihre Kommunikationskompetenz und Urteilsfähigkeit.
- Die Schüler steigern durch ihre verbesserte Motivationsfähigkeit ihre Handlungsfähigkeit sowohl im Sport als auch im gesellschaftlichen Kontext.
Sozial-affektive Intentionen:
- Die Schüler steigern ihre Teamfähigkeit, indem sie in Gruppen arbeiten, kooperieren und kommunizieren.
- Die Schüler schulen ihre Sozialkompetenz, indem sie lernen, sich verantwortungsbewusst und fair im Wettkampf zu verhalten.
4.2.2 Übergreifende thematische Zielsetzung
Neben den aufgeführten Lernzielen stehen für die vorgelegte Konzeption themenübergreifend folgende Hauptlernziele im Vordergrund:
Hauptlernziele:
- Die Schüler sollen einen intensiven psychophysischen Bewusstseinszustand (Flow) über einen längeren Zeitraum erleben um dadurch eine sich selbstver-stärkende intrinsische Motivation zu entwickeln.
- Erfahrungsgewinn
- Die Schüler sollen, unabhängig vom Ausmaß ihrer persönlichen Erfahrung, für die Bedeutung des Flow-Phänomens und der damit verbundenen Motivationsförderung sensibilisiert und zur diesbezüglichen Reflexion befähigt werden.
- Erkenntnisgewinn
4.2.3 Pädagogische Perspektiven
Im Folgenden wird die Legitimation des Konzeptes anhand der Richtlinien und Lehrpläne für Nordrhein-Westfalen (1999) aufgezeigt. Die nordrhein-westfälischen Richtlinien und Lehrpläne für Sport fordern von den Sportlehrkräften eine verbindliche Orientierung des Sportunterrichts an sechs pädagogischen Perspektiven und die Verknüpfung dieser Perspektiven an einem Unterrichtsgegenstand. Es scheint folgerichtig, das übergreifende Unterrichtsthema „Flow-Erleben“ mit der pädagogischen Perspektive A zu verknüpfen. Die Perspektive A „Wahrnehmungsfähigkeit verbessern, Bewegungserfahrungen erweitern“ beinhaltet u.a.: „die sinnlichen Empfindungen, die mit Bewegungen im Sport verbunden sein können, reizen zu weiterer körperlicher Aktivität und tragen dazu bei, die Freude an der Bewegung zu erhalten“ (RuL SII, 1999, S. 26). Im Sport sollen Schüler unter dieser Perspektive lernen, andere oder neue Bewusstseinszustände zu erleben. Der Schulsport bietet exemplarische Situationen, in denen diese Art der Selbsterfahrung unter Anleitung erprobt werden kann (vgl. RuL SII, 1999, S. 29).
Darüber hinaus, bedingt durch die Zuordnung des Kurses in das Bewegungsfeld „Sportspiele – Spielen in und mit Regelstrukturen“, fließt die Perspektive E „Kooperieren, wettkämpfen und sich verständigen“ in das Konzept mit ein. Die Schüler sollen begleitend Sozialkompetenz, Teamfähigkeit und Fairness durch das Mit- und Gegeneinander im Fußballspiel erwerben.
Bezogen auf das Mannschaftsspiel Fußball muss begleitend auch die Perspektive D „Das Leisten erfahren, verstehen und einschätzen“ einbezogen werden. Vor allem bei der Absolvierung des DFB-Sportabzeichens und innerhalb der Fußballspiele nach offiziellen Regeln kam diese Perspektive zur Geltung.
4.3 Didaktische Entscheidungen und Durchführung des Konzepts
Zur konkreten Unterrichtsgestaltung, sowohl unter dem Aspekt der allgemeinen Lernzielförderung als auch zur themenzentrierten Schwerpunktsetzung und Zielorientierung, wurde der Talentparcours des Deutschen Fußballbundes (DFB-Talentparcours) ausgewählt. Dazu ergeben sich folgende Erläuterungen:
4.4 Der DFB-Talentparcours als zentrales Instrumentarium
Der DFB-Talentwettbewerb findet in regelmäßigen Abständen deutschlandweit in verschiedenen Städten statt. Der Referendar begleitete Anfang 2006 die Schulauswahl des IGS zum obengenannten Wettbewerb als Betreuer. Dort machte er auch zum ersten mal konkrete Erfahrungen mit dem Talentsuchsystem und dem für die vorliegende Konzeption zentralen Instrumentarium – dem DFB-Talentparcours. Der Anreizwert der Übungen und Anforderungen innerhalb des Stationsbetriebs fiel allen Teilnehmern sofort ins Auge. Die methodische Struktur überzeugte durch klaren Aufbau und nachvollziehbares Regelsystem. Für die verschiedenen Altersstufen lag ein gestaffeltes normiertes Punktesystem vor, sodass auf Anhieb eine individuelle Passung von Fähigkeiten und Anforderungen (HK-Balance) ermöglicht wurde. Der Parcours hatte einen hohen Motivationsanreiz. Die Schüler zeigten über Stunden sowohl Anstrengungsbereitschaft als auch freudvolles Engagement. Der Verfasser entwickelte die Idee, den DFB-Parcours im Rahmen einer Projektwoche oder in anderer Form in der Gesamtschule anzubieten. Für die Gestaltung der hier vorgestellten Unterrichtsreihe erschien er äußerst passend und wurde somit zum zentralen Instrumentarium.
4.4.1 Die Beschreibung des DFB-Talentparcours
Der Parcours, mit insgesamt sieben Übungen bzw. Testaufgaben, hat zwei Hauptziele. Zum einen dient er als Auswahlverfahren für mögliche Fußballtalente und Nachwuchsspieler, zum andern besteht die Möglichkeit, ab einem Alter von zehn Jahren aufwärts ein offizielles DFB-Fußballabzeichen zu machen. Sowohl für mögliche Talente als auch für DFB-Abzeichenanwärter findet die Leistungsbeurteilung über ein differenziertes Punktverteilungssystem des DFB statt. Die Aufgaben innerhalb des Tests bestehen aus den Grundelementen der Fußballtechnik wie z.B. Innenrist- und Spannstöße, Passen, Dribbeln, Kopfballspiel, Flanken und Jonglieren. Der Aufbau des Parcours ist relativ aufwendig, da bei den meisten Stationen bestimmte Abstände zwischen Hütchen, Pylonen oder Linien abgemessen werden müssen. Des weiteren benötigt man diverses Material wie Absperrband, Langbänke und mindestens zwei Großfeldtore sowie ein Kleinfeldtor. Als einzelne Person sollte man etwa 90 Minuten für den Aufbau und etwa 20 Minuten für den Abbau einplanen. Für die praktische Durchführung des Zirkels sind je nach Schülerzahl ca. 90 bis 140 Minuten einzuplanen. Die Überschreitung der Unterrichtszeit wurde, wie bereits erwähnt, in diesem Fall von der Schulleitung genehmigt. Für den Aufbau standen dem Lehrkraft keine Schüler zur Verfügung, da diese bis zur Sportstunde Unterricht hatten. Der Talentparcours wird an dieser Stelle als Unterrichtsverlaufsplan dargestellt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Einbindung des Parcours sowie einzelner Parcoursbausteine in die Unterrichtsreihe wird unter Kapitel 4.5 erläutert.
4.4.2 Der DFB-Parcours unter mehrperspektivischen Aspekten
Bereits beim Kennenlernen des Parcours (vgl. Kap. 4.4) fiel dem Lehrer der ausgesprochen hohe Anreizwert der Übungen mit ihrer motivationsauslösenden Wirkung für die beteiligten Schüler[5] auf. Schon bevor die vorliegende Arbeit konzipiert wurde, traf er daher die Entscheidung, nach einer Einsatzmöglichkeit für den Parcours an der Ausbildungsschule zu suchen. Insbesondere die bei den Schülern beobachtete Spielfreude und Konzentration, ließ schon beim Ersteindruck auf mögliche flow-fördernde Faktoren schließen. Bei genauerer Analyse lassen sich jedoch mehrere Elemente des Parcours mit den Komponenten[6] des Flow-Modells verbinden.
Sie lauten:
- Klare Zielsetzung;
- Eindeutiges Feedback;
- Konzentration auf die bevorstehende Aufgabe;
- Möglichkeiten der HK-Balance.
Ein besonderer Vorzug des Parcours ist, dass er in erster Linie aufgabenorientiert angelegt ist und auch mit diesem Schwerpunkt in die Unterrichtsgestaltung übernommen wurde. Eine Wettbewerbskomponente, die bei fortgeschrittenen „Fußballern“ einen starken Motivationsanreiz bedeutet sowie Freude und Spannung steigert, ist jedoch durch das Punktesystem (intraindividueller und interindividueller Maßstab) ebenso gegeben. Auch die Wettbewerbsmöglichkeit an einzelnen Stationen (vgl. Kap. 4.5), bietet der jeweils übenden Kleingruppe die Chancen, eine mehr oder weniger betonte Wettbewerbskomponente mit einzubauen. Da die Übungen am Parcours u.a. auf den Erwerb des DFB-Abzeichens ausgerichtet werden können, dient dieser Anreiz als gewünschte Herausforderung (HK-Balance) für die eher leistungsstarken Spieler bzw. Schüler. In der Unterrichtsreihe wurden Bausteine bzw. Einzelstationen des Parcours unter thematischer Schwerpunktsetzung in den einzelnen Unterrichtseinheiten erneut aufgegriffen, mit Übungsvarianten erweitert und jeweils mit einer Spielphase kombiniert. Die Spielphase diente dem Einsatz der jeweils vorher geübten Elemente im spielerischen Kontext. Das freie Spiel kam ebenso der zentralen Erwartung der Lerngruppe entgegen, die bei komplett freier Wahl die gesamte Unterrichtszeit mit „Spielen, Spielen, Spielen“ ausgefüllt hätte. Dieses Anliegen wurde in der Unterrichtsstunde „Spielen wie die Profis“ (s. Kap. 4.5) erfüllt, allerdings unter Vorgabe der offiziellen FIFA-Regeln, sodass in diesem Fall das Spielen unter differenzierteren Regelvorschriften und veränderten Rahmenbedingungen (Zeit, Spielfeldgröße etc.) geübt wurde. Damit wurde das freie Spiel zur erhöhten Herausforderung (Flow-Komponente: HK-Balance). Gleichzeitig wurde durch die Erhöhung der Komplexität der Regelstruktur den allgemeinen Lernzielforderungen für den Bereich „Sportspiele“, besonders in der Sekundarstufe II, entsprochen (vgl. RuL SII, 1999, S. 15). Die plakative Themenbezeichnung für die einzelnen Stunden diente u.a. auch dazu, die Aufmerksamkeitsausrichtung der Schüler während des Unterrichts thematisch zu zentrieren (Flow-Komponente).
In der vorausgehenden Passage wurde auf didaktische Aspekte im Hinblick auf die möglichst flow-fördernde Unterrichtsgestaltung eingegangen. Hierbei zeigten sich bereits deutlich Bereiche der Überschneidung zu allgemeinen Lernzielen für den Kurs. Trotz der Akzentuierung der Flow-Thematik ist entsprechend der Richtlinien (vgl. S. 25) natürlich auch die allgemeine fachbezogene Förderung sicherzustellen. Der DFB-Parcours eignet sich auch unter diesem Aspekt hervorragend zur Lernzielförderung, insbesondere zur Technikschulung. Differenzierte Erläuterungen sind der tabellarischen Darstellung der U-Reihe zu entnehmen.
4.5 Überblick über die Unterrichtsreihe
Die Unterrichtsreihe ist auf sieben Unterrichtseinheiten konzipiert und fand in der Zeit vom 23.03.2007 bis zum 07.05.2007 statt. Dabei wird der DFB-Parcours zu Beginn der Reihe für die Leistungsdiagnostik und am Ende der Unterrichtsreihe zur abschließenden Leistungsbeurteilung genutzt.[7] Die Trainingseinheiten zwischen diesem Ausgangs- und Schlusspunkt der Reihe setzen sich u.a. aus den einzelnen Bausteinen bzw. Technikaufgaben des DFB-Parcours zusammen. Alle Parcours-Elemente finden sich der Reihe nach wieder. Die einzelnen Unterrichtsstunden haben daher je nach Technikschwerpunktsetzung dieselben Bezeichnungen, wie die einzelnen Übungsstationen. Die Verteilung der Stunden ist der tabellarischen Übersicht zu entnehmen. Im Folgenden soll ein Gesamtüberblick über die Durchführung der Unterrichtsreihe gegeben werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.6 Zuordnung der Lehrerfunktionen
Im folgenden wird auf die Lehrerfunktionen eingegangen, die während der Durchführung der Konzeption gefordert sind. Die Entwicklung und Umsetzung des Konzepts setzt in hohem Ausmaß die Funktion des Innovierens voraus. Da der DFB-Talentparcours an der Gesamtschule erstmalig durchgeführt wurde, ist auch unter diesem Aspekt die Funktion des Innovierens gefordert. In den Funktionsbereich des Organisierens fallen vor allem Planung, Aufbau, Durchführung und Auswertung des DFB-Talentparcours.
Während der Durchführung der Unterrichtsreihe findet eine ständige Evaluation der Ergebnisse statt. Der Lehrer reflektiert den Verlauf des Unterrichts und wägt ab, welche Inputs im Verlauf der Reihe hilfreich und sinnvoll sein könnten. Nach jeder Unterrichtsstunde werden die Schüler dazu angehalten, in einem Fragebogen Lernziel, Lernzuwachs und vor allem den eigenen Erlebenszustand während der Belastungsphasen zu reflektieren. Bei den Technikschulungen und der Bereitstellung von unterschiedlichen Lernsituationen fällt die Funktion des Unterrichtens zwar nicht weg , im Sinne eines inhaltlich von der Lehrkraft vorgegebenen Sporttreibens und einer experimentellen Lernerfahrung tritt sie jedoch in den Hintergrund. Der Lehrer muss den zeitlichen Rahmen beachten und die anfänglichen und abschließenden Gesprächsphasen leiten. Der Talentparcours dient u.a. dazu, zu Beginn der Unterrichtsreihe das Technikniveau der einzelnen Schüler zu diagnostizieren. Am Ende der Reihe hingegen lässt sich anhand des genormten Punktesystems des Parcours auf differenzierte Art und Weise die Leistung eines jeden Einzelnen beurteilen.
4.7 Reflexion und Selbsteinschätzung der Schüler
Sowohl zur systematischen Datenerfassung als auch zur Sicherstellung der kognitiv-reflektierenden Mitarbeit der Schüler (vgl. RuL SII, 1999, S. 19) wurden im Rahmen der Unterrichtskonzeption insgesamt drei unterschiedliche Fragebögen eingesetzt. Der Fragenkomplex des ersten Bogens „Daten zur Spiel- und Sportbiographie“ sollte dabei erfassen, ob über die verschiedenen Entwicklungsphasen der einzelnen Schüler ein „roter Faden“[8] in Bezug auf Interessen und Bewegungserfahrungen zu erkennen war. Ergebnisse, abweichende Antworttendenzen und Auffälligkeiten sollten u.a. für die Unterrichtgestaltung Hinweise liefern.
Der zur Flow-Erfassung eingesetzte Fragebogen[9] sollte zum einen die Erfahrung bzw. Erfahrungsintensität eines möglichen Flow-Erlebens dokumentieren. Er sollte gleichzeitig sicher stellen, dass die Schüler im Anschluss an die aktive Bewegungsphase ihre Selbstwahrnehmung auf das Erlebte zentrieren lernen und der Reflexion unterziehen.[10]
Der dritte, zur Reflexion der gesamten Unterrichtserfahrung eingesetzte Bogen, forderte eine komplexere Auseinandersetzung, u.a. mit eigenständiger kognitiver Bearbeitung des affektiv/motivationalen Aspektes der Unterrichtsreihe.
Da es bei der Datenerfassung durch die ersten beiden Bögen erst einmal um die möglichst genaue Selbsteinschätzung durch die Schüler ging und opportune Antworten im Hinblick auf den Lehrer vermieden werden sollten, wurden die Bögen mit einem gleichbleibenden Codenamen[11] durch die Schüler gekennzeichnet. So waren die individuellen Erfahrungsverläufe über die Gesamtreihe gesichert. Der dritte Fragebogen musste, da er deutlich komplexere Anforderungen stellte, als Hausaufgabe bearbeitet werden. Weil er in die Leistungsbewertung miteinbezogen wird, war es notwendig, ihn mit dem persönlichen Namen zu kennzeichnen.
5 Evaluation
Im Folgenden wird eine zusammenfassende Bilanz aus Sicht der Lehrkraft gezogen. Anschließend werden zu den relevanten Fragestellungen und Annahmen dieser Arbeit sowohl quantitativ erfasste Daten, als auch Ergebnisse in qualitativer Form dargestellt. Dabei handelt es sich um Beobachtungen und Interpretationen der Lehrkraft sowie Selbsteinschätzungen und -bewertungen der Schüler.
Die so entwickelte Evaluation soll daraus folgend Argumentationshilfe geben, inwieweit die Kernziele dieser Arbeit erreicht wurden. Abschließend werden Möglichkeiten erläutert, innovative Ansätze der vorliegenden Konzeption sowohl für die IGS als auch für den pädagogischen Alltag insgesamt weiter zu nutzen.
5.1 Erstbilanzierung des Unterrichtsvorhabens
Obwohl die praktische Unterrichtsgestaltung, insbesondere die organisatorischen Maßnahmen zur Parcoursarbeit, erhöhten Aufwand forderte, bewertet der Verfasser den Ablauf der Unterrichtsreihe insgesamt als positiv. Die Motivation der anfänglich rein auf das Spielen fixierten Schüler konnte im Rahmen der U-Reihe deutlich gesteigert werden. Bis auf wenige Ausnahmen zeigten sich die Schüler engagiert bei der praktischen Bewältigung der Übungsreihe. Auch für die Kombination der Sportpraxis mit kognitiv-reflektierenden Unterrichtsanteilen konnte bei den meisten Schülern nicht nur Akzeptanz, sondern zunehmend interessierte und reflektierende Mitarbeit erreicht werden (s. Kap. 5.3).
5.2 Evaluation relevanter Aspekte und ausgewählter Unterrichtseinheiten
Aus der Vielzahl erhobener Daten soll zuerst der zentrale Aspekt „Flow-Erleben“ betrachtet werden. Dazu werden die einzelnen Selbsteinschätzungen der teilnehmenden Schüler entsprechend ihrer Einstufungen auf der „Flow-Skala“ (Fragebogen2) dargestellt.[12] Die in der tabellarischen Übersicht dargestellten Flow-Erfahrungswerte beziehen sich dabei auf die Unterrichtseinheit 1: Durchführung des DFB-Parcours.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Einzelbewertungen der Schüler bezogen auf Flow-Erleben im DFB-Parcours (n=20)
In der nächsten Darstellung (Blockdiagramm) wird die summierte und auf den Mittelwert berechnete Einschätzung der Schüler zu den einzeln abgefragten Flow-Komponenten deutlich. Der mit Flow-Score bezeichnete letzte Block bildet den Mittelwert der Gesamtsumme aller Einschätzungen ab. Das Blockdiagramm zeigt damit den „Flow-Gehalt“ des Parcours.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Mittelwerte der erlebten Flow-Komponenten der Schüler beim Absolvieren des DFB Parcours; maximal erreichbarer Wert 5
Die dritte Übersicht stellt die gemittelten Flow-Gesamtwerte für alle erfassten Unterrichtseinheiten dar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 2: Mittelwerte der geschätzten Flow-Komponenten für die einzelnen Unterrichtseinheiten
5.3 Interpretation der Ergebnisse unter Berücksichtigung der Zielsetzung
Die vorliegenden Übersichten zeigen die Selbsteinschätzungen der Schüler zum Flow-Erleben in Bezug auf die einzelnen Einheiten der Unterrichtsreihe. Dazu wurde die Unterrichtseinheit „Durchführung des DFB-Parcours“ exemplarisch einer differenzierten Darstellung unterworfen.[13] Obwohl die vorliegende Hausarbeit nicht den Anspruch verfolgt, ein experimentell exaktes Design[14] vorzulegen, kann man doch insgesamt einen deutlichen Trend der Daten in Richtung Flow-Erleben erkennen. Alle Bewertungen ab Stufe 4, bei maximal möglicher Einstufung bis Stufe 5, sind dabei als deutlicher Indikator für das Erleben der Flow-Komponenten anzusehen. Aus Tabelle 1 wird deutlich, dass viele Einzelbeurteilungen der Schüler tatsächlich bei der Höchsteinstufung lagen. Einige wenige Schüler hatten anscheinend kein Flow-Erleben und gaben dementsprechend auch niedrige Einschätzungen ab. Dadurch werden die Mittelwerte reduziert.[15] Da die Schüler ihre Selbsteinschätzungen anonym erbrachten, können die Bewertungen insgesamt als valide betrachtet werden. Das in dieser Konzeption zentral gesetzte Instrumentarium „DFB-Parcours“ erfüllte sowohl beim Gesamtdurchlauf wie auch in der sequentiellen Bearbeitung seiner Einzelelemente im Rahmen der Fußballreihe voll und ganz die Erwartungen. Obwohl seine Aufgabenstellungen einem fortgeschrittenen Schwierigkeitsgrad zuzuordnen sind, wurde der Parcours von den Schülern angenommen. Die Einzelbewertungen der Schüler für den Gesamtdurchlauf wie auch für die Arbeit an Einzelstationen in den übrigen Unterrichtseinheiten sind vergleichbar mit dem von der Lerngruppe grundsätzlich favorisierten freien Spiel (s. Tab. 2). Der Parcours ist sowohl zur allgemeinen Lernzielförderung als auch zur flow- und motivationsfördernden Unterrichtsgestaltung für einen Oberstufen-Fußballkurs hervorragend geeignet (vgl. Schülerstatements, s. Kap. 5.3). Seine Struktur fordert insbesondere die Konzentration der Schüler auf einen Aufgabenausschnitt. Er vermittelt den Schülern die Selbsterwartung bzw. Selbsterfahrung, dass seine Aufgaben zu bewältigen sind (HK-Balance). Obwohl die Unterrichtsreihe jeweils am Freitag Nachmittag, also nach einer anstrengenden Schulwoche durchgeführt wurde, zeigen die Bewertungen insgesamt einen hohen Spaßfaktor. Eine leichte Abwärtstendenz zu dieser Flow-Komponente ist bei der Unterrichtseinheit 4 zu erkennen. Hierzu ist zu erläutern, dass diese Unterrichtseinheit als einzige in einem Hallendrittel stattfinden musste. Es ergaben sich, im Vergleich zum Außenunterricht, erschwerte Bedingungen, u. a. ein hoher Lärmpegel und zu wenig Platz.
Als Gesamtbilanz kann festgehalten werden, dass die im Rahmen dieser Arbeit konzipierte Unterrichtsgestaltung das Flow-Erleben der Schüler förderte und somit das erste Kernziel (s. Kap. 4.2.2) erreicht wurde.
5.4 Exemplarische Darstellung von Schülerreflexionen
Die hier folgenden Darstellungen bilden die Ergebnisse zum kognitiv-reflektierenden Anteil der Unterrichtsreihe ab. Dazu war, wie erläutert, ein vorstrukturierter Fragebogen zur Bearbeitung in Form einer Hausaufgabe an die Schüler ausgegeben worden. Während der Rücklauf bei den anonymisierten Fragebögen durch den Lehrer nicht vollständig kontrollierbar war und daher auch nicht alle Schüler schriftliche Rückmeldungen gaben, wurden bei der Bearbeitung der Hausaufgabe alle Schüler[16] (n=25) erfasst. Bis auf wenige Ausnahmen wurde die Aufgabe differenziert bearbeitet. Der Lehrer erhielt überwiegend positive Rückmeldungen zu allen im Fragebogen 3 aufgezählten Aspekten.
An dieser Stelle sollen in Auszügen die Reflexionen der Schüler zum Thema Flow, zur Interaktion zwischen Flow und Motivation aber auch zu (fach-)übergreifenden Aspekten dargestellt werden. Die Darstellungen sind aus der Perspektive des zweiten Hauptziels der Konzeption (s. Kap. 4.2.2) zu betrachten. Sie werden in Auszügen und gebündelt unter den hier relevanten Aspekten aufgeführt:
Flow-bezogene Statements:
- Ich wollte nicht, dass die Stunde vorbei geht.
- Ich hatte kein Zeitgefühl mehr.
- Flow heißt alles in diesem Moment zu vergessen und sich nur auf die Sache zu konzentrieren.
- Man ist so engagiert, dass man die Zeit vergisst.
Flow-behindernde Faktoren:
- Leute, die Fußball nicht ernst nehmen.
- Hitze
- Körperliche Schwäche, Müdigkeit
- Eindeutig unterlegen zu sein.
- Fehler
- Stress/Schulstress
- Private Probleme
- Fehlendes Talent
- Wenn man den Sport nicht gerne macht.
- Immer das gleiche zu tun.
- Wut
- Angst vor Verletzungen
- Angst Fehler zu machen
- Schlechte Stimmung im Team
- Wenn die Gruppenzusammenstellung nicht passend war oder viele egoistische Spieler dabei waren.
Wechselwirkung von Motivation und Flow:
- Wenn ich voll motiviert bin, dann ist der Flow auch gleich da.
- Immer wenn man motiviert ist, verfliegt die Zeit.
- Umso motivierter man ist, desto eher hat man ein Flow-Erlebnis.
- Man muss sich motivieren können um Erfolg in einer Sache zu haben.
- Beide Eigenschaften sind immer miteinander verbunden.
- Um ein Flow-Erlebnis zu verspüren, bedarf es immer Eigenmotivation.
- Das Flow-Erleben ist der Haupt-Motivationsgrund für das Ausüben sportlicher Aktivitäten.
- Der Flow wird umso stärker, je mehr man sich in die sportliche Aktivität reinhängt.
- Flow verstärkt Motivation. Flow führt zu einer anderen Zeitwahrnehmung, wodurch sportlich mehr möglich ist. Gehe davon aus, dass die Konzentration extrem hoch in diesem Moment ist.
- Ohne Motivation kann man kein Flow erleben.
- Wenn ein Spieler nicht motiviert ist, so wünscht er sich, dass das Spiel schnell vorbei ist. Er wird sich nicht aufs Spiel sondern auf die Zeit konzentrieren.
(Fach-)übergreifende Bezüge:
- Wenn man in der Schule an einer Aktivität Freude hat, beginnt man vielleicht auch im persönlichen Leben damit.
- Motivation ist eine wichtige Sache im Leben. Ohne Motivation hat man keine Ausdauer und verfehlt sein Ziel. Nicht umsonst gibt es den Spruch: „Am Ball bleiben.“
- Ohne die innerliche Motivation und das dazugehörige Selbstbewusstsein hätte ich es in meiner Schullaufbahn nie geschafft. Bin kein Hängertyp.
- Innerliche Motivation kann einem bei allem helfen. Sie im richtigen Moment zu aktivieren ist das Problem.
- Alles im Leben fällt einem leichter, wenn man innerlich motiviert ist.
- Sport allgemein fördert Koordination, Konzentration und die physische Leistung sowie vieles mehr. All diese Fähigkeiten sind sowohl im privaten als auch im schulischen Leben von großer Bedeutung.
- Während meiner schulischen Entwicklung ist mir aufgefallen, dass wenn es um etwas ging, oder mir etwas extrem wichtig war, ich oft so motiviert war, dass sich meine Noten so verbessert haben, dass ich meine Ziele erreicht habe.
- Die sportliche Aktivität wirkt sich positiv auf meine schulischen Leistungen aus und ist daher von großer Bedeutung für meinen zukünftigen Schulabschluss.
- Wenn ich mich für meine schulische und persönliche Entwicklung mehr motivieren würde, hätte ich vielleicht mehr Flow-Erlebnisse.
Sonstige Statements:
- Der Sportunterricht vermischt mit psychologischen Hintergründen hat mir sehr gut gefallen.
- Es war nicht schlecht, sich nochmals über die Wichtigkeit meiner Motivation klar zu werden.
- Die Unterrichtsreihe ist psychologisch gesehen sehr sinnvoll und interessant.
- Sport für ein ausgewogenes Leben.
- Sport als Lichtblick des Schulalltags.
- Der Parcours hat mir gut gefallen, da man sehen konnte, wo die eigenen Stärken liegen.
Wie aus den Einzelzitaten ersichtlich, ergaben sich eine Vielzahl von Zustimmungen und Erkenntnissen. Selbst Schüler, die aufgrund ihrer biographischen Vorerfahrung bereits ein hohes Leistungsniveau erreicht hatten und daher auf der fachbezogenen Ebene keinen nennenswerten Lernfortschritt erzielen konnten, langweilten sich nicht, sondern konnten aus dem mehrperspektivisch aufgebautem Angebot profitieren. Sie erweiterten ihren Blickwinkel oder entdeckten in dem bis dato unbekannten Parcours eine neue Herausforderung, die mit viel Freude und Motivation aufgegriffen wurde. Die noch anstehende Option, im Rahmen der Projektwoche durch besondere Leistungen das DFB-Fußballabzeichen erwerben zu können, hielt und hält für diese (wettbewerbsorientierten) Schüler die Motivation hoch, ein psychologischer Aspekt, der in der Hausaufgabe durchaus bewusst reflektiert wurde. An dieser Stelle muss auch erwähnt werden, dass ein Schüler weder Flow-Erleben erfuhr, noch die dazu gestellten Fragen bearbeitete. Er äußerte, einen rein kognitiven Anspruch (Wissenserwerb, vertieftes Regellernen) zu haben, und ließ sich auf emotionales Erleben nicht ein.[17] Drei Schüler zeigten nicht ausdrücklich einen speziellen Anspruch, arbeiteten aber nur oberflächlich angepasst, d. h. nicht vorrangig intrinsisch motiviert mit. Für diese Schüler wurde das thematisch akzentuierte Anliegen der Konzeption nur ansatzweise erreicht. Die übrigen Schüler zeigen in ihren Reflexionsergebnissen auf, dass sie durch kognitiv-reflektierende Bearbeitung des Themas einen mehr oder weniger vertieften Erkenntnisgewinn erzielen konnten. Die Zielerreichung für das Hauptziel 2 (s. Kap. 4.2.2) ist damit insgesamt gegeben. Die methodische Vorgehensweise erwies sich als geeignet.
6 Gesamtreflexion und Ausblick
In der vorliegenden Arbeit wurde der Versuch unternommen, das der psychologischen Forschung entstammende Flow-Modell pädagogisch und didaktisch so aufzubereiten, dass im Rahmen einer Fußballunterrichtsreihe die Chancen der Schüler, Flow zu erleben, optimiert werden. Dabei wurde methodisch der Parcours des DFB eingesetzt, adaptiert für den Schulunterricht und die hier akzentuierte Zielrichtung. Das Unterrichtsprojekt wurde, über die Einschätzungen des Lehrers hinaus, auf der Basis systematisch erfasster Schülerbewertungen evaluiert.
Die anstrebte Zielsetzung, zum einen, das Phänomen Flow in der Bewegungsausübung möglichst zu erleben, zum andern, für dieses Phänomen bewusst sensibilisiert zu werden, konnte erreicht werden. Die wechselseitige Beziehung zwischen Flow und intrinsisch ausgerichteter Motivation wurde der reflektierenden Auseinandersetzung unterzogen und von den Schülern sowohl fachübergreifend wie auch für ihre persönliche Entwicklung thematisiert.
Obwohl an der Ausbildungsschule des Referendars durchaus mehrperspektivische Unterrichtsgestaltung, auch im Sportunterricht, praktiziert wird, dürfte die Einbindung und Aufbereitung innovativer Konzepte der Psychologie für den Unterricht einen gewissen Innovationswert haben. Dazu ein Hinweis von J. BAUER[18] (vgl. LOCH, 2007): „Es geht um die Anwendung der Motivationsforschung auf Kinder und Jugendliche.“ BAUER bemängelt die Vernachlässigung dieser Erkenntnisse, die er ironisch als “Neurobiologie der Schule“ bezeichnet. Die hier bearbeitete Konzeption dürfte ein Beitrag in diese Richtung sein. Der genutzte DFB-Parcours wurde erstmalig an der IGS eingesetzt. Da er sich als sehr reizvoll erwies, soll er, nicht nur um die U-Reihe sinnvoll zu beenden, in der nächsten Projektwoche eingesetzt werden.
So wird er für eine erweiterte Schülerzahl und interessierte Fachkollegen zu einer möglichen Anregung. Der Referendar überlegt darüber hinaus, für die Schule ein Profil als Fußball-Eliteschule anzuregen.[19]
Nicht unerwähnt soll ein letzter Hinweis bleiben. Die Einbeziehung innovativer Konzeptionen reicht nicht, wenn die unterrichtende Lehrkraft kaum die verfolgten Ziele verkörpert. Ihre eigene Werteausrichtung spiegelt sich in der Haltung der Schüler wider. Dazu A. HOFFMANN: „Die fachdidaktischen Modelle werden von den Schülern nicht so stark wahrgenommen..“. Jedoch stellt er einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Normenvermittlung durch den Sportlehrer und den Verhaltensabsichten der Jugendlichen fest (Universität Tübingen, 2007).
Abschließend muss der Referendar bekennen, dass trotz seines bereits vor dieser Arbeit vorhandenen Bewusstseins für die so motivierende Flow-Erfahrung die Umsetzung dieser Erkenntnis in eine Unterrichtskonzeption eine Herausforderung war. Im Laufe der vertieften Bearbeitung ergaben sich jedoch zunehmend Möglichkeiten der kreativen und praxisbezogenen Vernetzung vorher nicht gesehener Aspekte. Dadurch wurde auch seine Motivation für die kommende Praxis ermutigt.
Literaturverzeichnis
ALFERMANN, D. & STOLL, O. (2005). Sportpsychologie – Ein Lehrbuch in 12 Lektionen. Band 4. Aachen: Meyer & Meyer.
BRÄUTIGAM, M. (2006). Sportdidaktik – Ein Lehrbuch in 12 Lektionen. Band 3. Aachen: Meyer & Meyer.
BRÄUTIGAM, M. (1994). Spaß als Leitidee jugendlichen Sportengagements. Konsequenzen für die Sportdidaktik? In: Sportunterricht 43. Heft 6, S. 236-244. Hofmann: Schorndorf.
CIKSZENTMIHALY, M. (2005). Das Flow-Erlebnis – Jenseits von Angst und Langeweile: im Tun aufgehen. Stuttgart: Klett-Cotta.
CIKSZENTMIHALY, M. (2001). Lebe gut! – Wie Sie das beste aus Ihrem Leben machen. München: DTV.
CIKSZENTMIHALY, M. (1992). Das Geheimnis des Glücks. Stuttgart: Klett-Cotta.
CIKSZENTMIHALY, M. & JACKSON, S. A. (2000). Flow im Sport. München: BLV.
Goleman, D. (1997). E motionale Intelligenz. München: Deutscher Taschenbuch Verlag.
GÜNZEL, W. & LAGING, R. (2001). Neues Taschenbuch des Sportunterrichts. Band 1. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren.
LOCH, H. (2007). Wer Lehrer verspottet, demotiviert auch die Schüler. In: General-Anzeiger. Ausgabe vom 26./27.05.2007.
MENZE-SONNECK, A. (2004). Schade, dass ich keinen Handstand kann! – Fallen als Wagnis im Turnen. In: Sportpädagogik. Heft 4, S. 35-43. Friedrich: Seelze.
Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaften und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen (1999). Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe II – Gymnasium / Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen. Frechen: Ritterbach.
RHEINBERG, F. (2004). Motivationsdiagnostik. Göttingen: Hogrefe.
Internetadressen
http://www.dfb.de/index.php?id=500131
http://www.mbjs.brandenburg.de/media/lbm1.a.1233.de/talentwettbewerb.pdf
http://de.wikipedia.org/wiki/Flow_%28Psychologie%29
http://de.wikipedia.org/wiki/Mihaly_Csikszentmihalyi
http://www.uni-regensburg.de/Fakultaeten/phil_Fak_II/Paedagogik/Harteis/flow.pdf
http://de.wikipedia.org/wiki/Motivation
http://www.uni-tuebingen.de/uniqvo/pd/pd-2007-02.html
[...]
[1] In der vorliegenden Arbeit wird die Flow-Forschung aus Praktikabilitätsgründen und aufgrund ihrer spezifischen Perspektiven als eigenständiger Bereich dargestellt. Konstrukte und Modelle, die nicht der Flow-Forschung entstammen, werden unter Motivationsforschung/Motivationsmodelle zusammengefasst.
[2] Aufgaben- und Wettbewerbsorientierung schließen sich, vor allem bei Leistungssportlern, grundsätzlich nicht aus. In der Flow-Forschung wird die Wettbewerbsorientierung u.a. der Suche nach Herausforderungen zugeordnet. Eine ausdifferenzierte Darstellung zu diesem Teilaspekt kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden.
[3] Sprich: Die Lernenden.
[4] An der Unterrichtsreihe nahmen nur Jungen teil. Daher wird in den diesbezüglichen Darstellungen nur die maskuline Form „Schüler“ verwendet.
[5] Es wird die maskuline Form verwendet, da nur Jungen anwesend waren.
[6] Differenzierte Darstellung unter Kapitel 4.5
[7] Die abschließende Durchführung des DFB-Parcours (Unterrichtseinheit 7) musste aus organisatorischen Gründen in die nächste Projektwoche eingebaut werden. Damit ist es den Teilnehmern der Gruppe freigestellt, ihre Lernprogression einem eindeutigen Feedback zu unterziehen. Für die sehr leistungsstarken Schüler bedeutet die Möglichkeit einen motivierenden Anreiz (Wettbewerbsorientierung). Für die leistungsschwächeren Schüler besteht die Möglichkeit eher aufgabenorientiert zu arbeiten (Passung der HK-Balance).
[8] Mögliche autotelische Vorerfahrungen der Schüler können im Rahmen dieser Arbeit nicht berücksichtigt werden.
[9] Die Fragen des Bogens erfassen die erlebten Flow-Komponenten und erheben den subjektiv eingeschätzten Lerngewinn.
[10] Der Fragebogen 2 konnte wegen ungünstiger Rahmenbedingungen in einer Unterrichtseinheit nicht bearbeitet werden.
[11] Die Schüler zogen im Losverfahren den Namen eines Fußball-Nationalspielers.
[12] In der Flow-Skala wird die Abstufung der Erlebnisqualität von 1 bis 5 vorgegeben, weil diese Reihenfolge den Schülern aus der schulischen Leistungsbenotung vertraut ist. Für die statistische Auswertung (Summe/Durchschnittswerte) wurde umgekehrt verfahren. Die höchste Bewertung erhielt 5 Punkte, die geringste 1 Punkt.
[13] Die Darstellung der Auswertung der übrigen Unterrichtseinheiten kann aus Platzgründen in diesem Ausmaß nicht erfolgen, was für das Kernanliegen dieser Arbeit nicht relevant ist.
[14] Der Lehrer ist kein Versuchsleiter, sondern hat in erster Linie die geforderte Unterrichttätigkeit zu erbringen. Sie evaluiert in diesem Kontext die Ergebnisse der Hauptthematik.
[15] Eine erweiterte statistische Auswertung, z. B. zur Streubreite, kann an dieser Stelle nicht geleistet werden, ist aber durch die einzelnen Einstufungsangaben für den interessierten Leser nachzuvollziehen.
[16] Zwei Schüler fehlten während der Unterrichtsreihe.
[17] Er war einer von zwei Schülern, die in den biographischen Daten angaben, in der Kindheit nicht gefördert worden zu sein.
[18] J. Bauer ist Leiter eines von der Bundesregierung unterstützten Schulprokjekts.
[19] Modellfunktion könnte in diesem Zusammenhang eine Gesamtschule aus Gelsenkirchen haben, die als Fußball-Eliteschule vom DFB ausgezeichnet wurde.
- Arbeit zitieren
- Ashoka Arora (Autor:in), 2007, Entwicklung eines Konzepts zur Förderung intrinsischer Leistungsmotivation durch Flow-Erleben in einer Unterrichtsreihe Fußball, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/288215