Jede Persönlichkeitstheorie basiert auf einem bestimmten philosophischen Menschenbild. In mancher Theorie stehen entweder die Instinkte oder soziale Fähigkeiten, aber auch der freie Wille des Menschen oder dessen Determiniertheit durch die Umwelt im Vordergrund der Betrachtung. Dabei kommt dem hinter der jeweiligen Theorie stehenden philosophischen Menschenbild besondere Bedeutung zu, da sich bestimmte Schwerpunkte und spezielle Forschungsrichtungen aus diesem ergeben.
Neben objektiv- wissenschaftlichen Fakten wird die Theoriebildung auch von den persönlichen Faktoren des jeweiligen Theoretikers, vom Zeitgeist sowie von philosophischen Strömungen, die für die entsprechende Kultur kennzeichnend sind, geprägt bzw. beeinflusst ( vgl. Pervin 1993, S.28). Damit wäre auch ein Erklärungsansatz hinsichtlich der Vielfalt theoretischen Modelle gegeben, welche sicherlich in der heterogenen und langen Denk- und Theorietradition begründet ist. Bisher stand in unserer Lehrveranstaltung zu den personenbezogenen
Kommunikationsstörungen die Darstellung speziell entwickelter Symptomkataloge im Vordergrund, die Verhaltensmuster klassifizieren und Rückschlüsse auf die zugrunde liegenden Persönlichkeitsanomalien zulassen sollen. Es handelt sich dabei also um ein „rein“ deskriptives Vorgehen. Ätiologische Überlegungen als auch die psychologischen Prozesse, die dem Verhalten oder auch Handeln inhärent sind, werden ausgeschlossen bzw. unzureichend zusammenhängend the matisiert. So gesehen, ist mit den uns bisher bekannten reinen Verhaltensklassifizierungen kein hinreichendes Verständnis für
Persönlichkeitsstörungen zu erreichen, da diese aus keiner umfassend integrierten Theorie abgeleitet sind.
Mit Kuhls Theorie der Persönlichkeits-System-Interaktionen (PSI- Theorie) liegt uns nun ein umfassender, allerdings ebenfalls personenbezogener Versuch vor, dieses Defizit zu überwinden. Verschiedene Begrifflichkeiten, theoretische Erklärungen anderer
(psychologischer) Theorien, Befunde aus der experimentalpsychologischen Forschung und neurophysiologische Erkenntnisse werden miteinander verknüpft. Damit soll das Nebeneinander einzelner Funktionskomponenten der Persönlichkeit überwunden und zur theoretischen Integration und deren Ü berprüfbarkeit beigetragen werden (vgl. Kuhl, 2001,
S.139). Wesentlich dabei ist, dass Persönlichkeitsphänomene nicht durch kognitive Inhalte, Intentionen o.ä. erklärt werden, sondern aus der Interaktion psychischer Systeme .
Inhalt
1 Einleitung
2 Modell der willentlichen Handlungssteuerung
2.1 Vier kognitive Makrosysteme
2.2 Der KUHLsche Willensbegriff- ein fragmentarischer Versuch
2.3 Sechs Funktionskomponenten der willentlichen Handlungssteuerung
2.3.1 Erste Funktionskomponente des Absichtsgedächtnis: Aufrechterhaltung
2.3.2 Zweite und dritte Funktionskomponente des Absichtsgedächtnis: Ausführungshemmungen und ihre Aufhebung
2.3.3 Vierte Funktionskomponente des Extensionsgedächtnisses: Selbstrepräsentation
2.3.4 Fünfte und sechste Funktionskomponente: Selbsthemmung und Objekterkennung
3 Affektregulierung und Modulationsannahmen
3.1 Erste Modulationsannahme- Willensbahnungsannahme
3.2 Zweite Modulationsannahme- Selbstbahnungsannahme
3.3 Die zwei Modulationsannahmen und die Funktionskomponenten
3.3.1 Zusammenhang zwischen Ausführungshemmung und positivem Affekt
3.3.2 Zusammenhang zwischen Selbsthemmung und negativem Affekt
3.3.3 Selbststeuerungskompetenz und Selbststeuerungseffizienz
3.4 Basismodulationsannahmen
3.5 Abschließende Betrachtung (Willenseffizienz und Selbstentwicklung)
4 Persönlichkeitsstile
4.1 Neurobiologische Basis
4.2 Persönlichkeitsstile als bevorzugte Systemkonfigurationen
4.2.1 Selbstregulation und selbstbestimmter Stil [A {+}] & [A (-)]
4.2.2 Selbstrevision: Selbstkritisches Denken [A (+)] & [A -]
5 Persönlichkeitsstörungen
5.1 Vorüberlegungen
5.2 Persönlichkeitsstörungen als chronifizierte Systemzustände
5.3 Das STAR-Modell
5.4 Die aggressive Persönlichkeitsstörung A{+} & A(-)
6 Zur Diskussion stehende Überlegungen
7 Literatur
1 Einleitung
Jede Persönlichkeitstheorie basiert auf einem bestimmten philosophischen Menschenbild. In mancher Theorie stehen entweder die Instinkte oder soziale Fähigkeiten, aber auch der freie Wille des Menschen oder dessen Determiniertheit durch die Umwelt im Vordergrund der Betrachtung. Dabei kommt dem hinter der jeweiligen Theorie stehenden philosophischen Menschenbild besondere Bedeutung zu, da sich bestimmte Schwerpunkte und spezielle Forschungsrichtungen aus diesem ergeben.
Neben objektiv-wissenschaftlichen Fakten wird die Theoriebildung auch von den persönlichen Faktoren des jeweiligen Theoretikers, vom Zeitgeist sowie von philosophischen Strömungen, die für die entsprechende Kultur kennzeichnend sind, geprägt bzw. beeinflusst ( vgl. Pervin 1993, S.28). Damit wäre auch ein Erklärungsansatz hinsichtlich der Vielfalt theoretischen Modelle gegeben, welche sicherlich in der heterogenen und langen Denk- und Theorietradition begründet ist.
Bisher stand in unserer Lehrveranstaltung zu den personenbezogenen Kommunikationsstörungen die Darstellung speziell entwickelter Symptomkataloge im Vordergrund, die Verhaltensmuster klassifizieren und Rückschlüsse auf die zugrunde liegenden Persönlichkeitsanomalien zulassen sollen. Es handelt sich dabei also um ein „rein“ deskriptives Vorgehen. Ätiologische Überlegungen als auch die psychologischen Prozesse, die dem Verhalten oder auch Handeln inhärent sind, werden ausgeschlossen bzw. unzureichend zusammenhängend thematisiert. So gesehen, ist mit den uns bisher bekannten reinen Verhaltensklassifizierungen kein hinreichendes Verständnis für Persönlichkeitsstörungen zu erreichen, da diese aus keiner umfassend integrierten Theorie abgeleitet sind.
Mit Kuhls Theorie der Persönlichkeits-System-Interaktionen (PSI-Theorie) liegt uns nun ein umfassender, allerdings ebenfalls personenbezogener Versuch vor, dieses Defizit zu überwinden. Verschiedene Begrifflichkeiten, theoretische Erklärungen anderer (psychologischer) Theorien, Befunde aus der experimentalpsychologischen Forschung und neurophysiologische Erkenntnisse werden miteinander verknüpft. Damit soll das Nebeneinander einzelner Funktionskomponenten der Persönlichkeit überwunden und zur theoretischen Integration und deren Überprüfbarkeit beigetragen werden (vgl. Kuhl, 2001, S.139). Wesentlich dabei ist, dass Persönlichkeitsphänomene nicht durch kognitive Inhalte, Intentionen o.ä. erklärt werden, sondern aus der Interaktion psychischer Systeme.
Im Folgenden werden die grundlegenden psychischen Systeme und deren Interaktion vorgestellt. Die Erklärung unterschiedlicher Persönlichkeitstypen und psychischer Prozesse werden im KUHLschen Verständnis so veranschaulicht. Im Anschluss werden dann anhand dieses Modells ausgewählte Persönlichkeitsstile und Persönlichkeitsstörungen erläutern.
Die beigefügte Abbildung 1 ist als globale Orientierungshilfe zu verstehen, da alle Erläuterungen damit veranschaulicht werden können.
2 Modell der willentlichen Handlungssteuerung
2.1 Vier kognitive Makrosysteme
Zu Anfang wollen wir die wesentlichen Komponenten der willentlichen Handlungssteuerung, also die oben erwähnten psychischen Systeme darstellen. Es handelt sich dabei zuvorderst um vier Makrosysteme, welche neuroanatomischen und neurochemischen Systeme des Gehirns sind, d.h. von Kuhl als real existent angenommen werden (s.u.):
a) das explizite Intentionsgedächtnis (auch Absichtsgedächtnis), welches mit einem Aufmerksamkeitssystem verknüpft ist, das absichtsrelevante Objekte verstärkt;
b) ein intuitives Ausführungssystem (intuitives Verhaltenssteuerungssystem), welches spezialisiert ist auf die Übersetzung des abstrakten Intentionscodes in konkrete Verhaltenroutinen und welches mit einer Aufmerksamkeitsvariante verknüpft ist, die für das anstehende Verhalten relevante räumliche Orientierung hervorhebt;
c) weiterhin das Extensionsgedächtnis (einschließlich der integrierten Selbstrepräsentationen), welches Interpretationen der Erlebniswelt verstärkt, die zu den aktuellen Repräsentationen (bspw. dem allgemeinen Ziel oder dem aktiven Netzwerk handlungsrelevanter Auslösungsbedingungen- s.u.) passen (kongruenzorientierte Aufmerksamkeit, oder auch Vigilanz);
d) sowie ein Wahrnehmungssystem, welchem eine Vermittlungsfunktion der elementaren Empfindungen aus verschiedenen Sinnesmodalitäten zukommt und diese zu wiedererkennbaren Objekten verbindet (Objektwahrnehmung). Dieses System betont besonders solche Objekte, die von den Erwartungen oder Wünschen abweichen, welche in den aktiven Anteilen des Extensionsgedächtnisses definiert sind (inkongruenzorientierte Aufmerksamkeit, vorstellbar als „Orientierungsreaktion“ auf Unerwünschtes oder Unerwartetes) (vgl. a.a.O. , S157 ff).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wie kann man sich aber nun das Zusammenspiel (die Interaktion) dieser vier Makrosysteme verdeutlichen?
Bevor wir uns an der Beantwortung dieser Fragestellung versuchen, werden wir die Systeme und deren Funktionen (schlagwortartig) noch näher charakterisieren. Es gibt zwei sequentiell-analytisch arbeitende Systeme, die linkshemisphärisch verortbar sind und zwei parallel-holistisch arbeitende Systeme, welche rechtshemisphärisch angenommen werden (vgl. a.a.O., S. 162,Tabelle 5.1):
Linkshemisphärisch (Analytisch):
1) System der Objekterkennung (Empfindung):
Funktionsprofil:
Figur- Grund- Differenzierung, Dekontextualisierung, separieren der verschiedenen Sinne, vergangenheitszentrierte Wiedererkennung, kategorial, bewusst, unstimmigkeitsbetonte Aufmerksamkeit und reduzierte Rückmeldungsverwertung
Wiedererkennen von Objekten (hierbei sind Phänomene wie die Formkonstanz, Größenkonstanz, Helligkeitskonstanz u.ä. Abstraktionsleistungen angesprochen, die es ermöglichen, Objekte unabhängig von dem jeweiligen Kontext identifizieren zu können; das Wiedererkennen, Kategorisieren und Benennen schon einmal erlebter Gefühle ist auch zu den durch das Objekterkennungssystem unterstützten Prozessen zu zählen.) (vgl. a.a.O., S 161)
2) Intentionsgedächtnis ( Denken):
Funktionsprofil:
Langsame Anwendung, schnelles Lernen, explizites Wissen (wie Pläne, allgemeine Absichten), entweder- oder Charakteristik, Reduktionismus, Emotionsentkopplung (Ich- Bezug), Vulnerabilität (Verletzlichkeit) bei unvollständiger Information, bewusst, zielfokussierte Aufmerksamkeit und eine intensive kognitiv-analytische Rückmeldungsverwertung
Rechtshemisphärisch (Holistisch)
3) Extensionsgedächtnis ( Fühlen):
Funktionsprofil:
schnelle Anwendung, langsames Lernen, implizites Konfigurationswissen, wie Erwartungen und allgemeine Ziele, Integration von Gegensätzen, Unterschiedssensitivität, Emotionswahrnehmung und Emotionsregulation (Selbstbezug), Robustheit bei unvollständiger Information, nicht bewusst, kongruenzbetonte, verteilte Aufmerksamkeit (Vigilanz) und eine extensive kognitiv-emotionale Rückmeldungsverwertung
4) System zur intuitiven Verhaltenssteuerung:
Funktionsprofil:
intuitive, nicht bewusste Programme- bspw. für soziale Interaktionen, kontextualisiert, multimodale Verschmelzung, prototypisch, gegenwarts- und zukunftsorientiert, nicht bewusst, räumliche Aufmerksamkeit, unmittelbare Rückmeldungsverwertung
Um auf unsere Fragestellung nach dem Zusammenspiel der einzelnen Makrosysteme zurückzukommen, lässt sich nun sagen, dass das System für Objekterkennung/ Empfinden Wiedererkennbares aus dem Kontext (und unter Umständen dann auch Kategorisierbares und Benennbares) separiert, indem es den Kontrast zum Kontext erhöht. Rückmeldungsverwertung findet nur in Bezug auf die Übereinstimmung mit dem an einer Ereigniskategorie definierten Ziel statt. Weiterhin ist es mit einer Aufmerksamkeitsform vernetzt, welche Abweichungen von den Wünschen oder Erwartungen des Extensionsgedächtnisses betont.
Das System zur intuitiven Verhaltensteuerung verbindet Informationen aus verschiedenen Sinnesmodalitäten und gebraucht diese simultan bei der Steuerung intuitiv einsetzbarer Verhaltensprogramme. Dabei sind die Bestandteile dieser Programme nicht bewusst.
Das Extensionsgedächtnis zeichnet sich durch die Integration ausgedehnter Konfigurationen von Einzelobjekten und selbstrelevanten autobiographischen Episoden zu ganzheitlichen “Erlebnislandschaften“ aus, inklusive der Emotionen und Körperempfindungen, die in diesen autobiographischen Episoden erlebt wurden. Somit stellt es eine gute Basis für die Emotionssteuerung (Emotionsbewältigung und Selbstmotivierung) dar. Dieses System ist mit einer breiten Aufmerksamkeitsform vernetzt, welche aus dem `Hintergrund des Bewusstseins´ die innere und äußere Umgebung überwacht und diejenigen Wahrnehmungen verstärkt, welche zu den `relevanten, implizit repräsentierten Netzwerken` von Selbststrukturen (wie Ziele, erwünschte Ereignisse, Erwartungen) passen.
Das Intensionsgedächtnis, welches mit dem analytischen Denken eng vernetzt ist, speichert schwierige Absichten, das bedeutet, allgemeine, noch nicht voll spezifizierte Handlungsvorhaben, in einem expliziten Format (bspw. sprachliche Formulierungen). Kuhl geht weiterhin davon aus, dass das Intentionsgedächtnis von dem Erleben und von der Steuerung emotionaler Prozesse weitgehend abgekoppelt ist. Die dieses System unterstützende Aufmerksamkeitsform zeichnet sich durch eine Informationsverstärkung aus, durch die Informationen verstärkt werden, die möglichst exakt zu dem passen, was relevant für das aktuell bewusste Ziel oder den aktuellen Handlungsplan ist (vgl. a.a.O., S. 161ff).
Unsere Fragestellung lässt sich nun wie folgend präzisieren:
Welche Einflüsse hat die Aktivierungsstärke eines der beschriebenen Systeme auf die Energetisierung bzw. Hemmung der anderen Systeme; dabei berücksichtigend, welche Art von dynamischer Beziehung zwischen den Systemen vorherrscht, d.h. ein reziproker Austausch zwischen allen Systemen wird als vorrausgesetzt angenommen ( vgl. a.a.O., S.163)? Um eine Antwort auf diese Frage zu erhalten, führen wir nun den Willensbegriff ein.
2.2 Der KUHLsche Willensbegriff- ein fragmentarischer Versuch
Was ist nun unter Wille, welcher Handlungen steuert, zu verstehen? Persönlichkeit stellt sich nach Kuhl durch individuell charakteristische Konfigurationen von psychischen Systemen dar; dabei ist der Wille eine Systemebene, welche einen besonders großen Einfluss auf solche Konfigurationen hat. Der Wille ist nach Kuhl die höchste von 7 Systemebenen. Der Vollständigkeit Tribut zollend, seien die 6 verbleibenden Systemebenen hier aufgezählt, werden jedoch keiner intensiveren Betrachtung unterzogen (s. S. 102-135):
- Kognitive und motorische Operationen (Lernen)
- Temperament (Erregung und Aktivierung)
- Affekt und Anreizmotivation
- Progression und Regression
- Basismotive
- Kognition
Den Willen kann man sich als eine Art Koordinationszentrale verdeutlichen, die ausgehend von der höchsten Repräsentationsebene eigener Bedürfnisse, Gefühle, Ziele usw. quasi vertikal, also “von oben nach unten“, elementare Systeme (welche bspw. für das Temperament, Affekte, Verhaltensroutine, Objekterkennung „zuständig“ sind- s.u.) so koordiniert, dass eine optimierte Umsetzung selbstgewollter Ziele ermöglicht wird (vgl. a.a.O., S.140).
Kuhl definiert den Begriff des Willens wie folgt:
„Mit dem enger gefaßten Willensbegriff wird eine Anzahl von zentralen Koordinationsfunktionen zusammengefaßt, die darauf ausgerichtet sind, im Falle auftretender Realisierungsschwierigkeiten die Prozesse auf sämtlichen Funktionsebenen der Persönlichkeit so aufeinander abzustimmen, daß das Beibehalten und Erreichen eines aktuellen Zieles optimiert wird (Zielverwirklichung).
Die erweiterte Bestimmung des Willensbegriffs schließt die Prozesse der Bildung und Anwendung hochintegrierter, impliziter Selbstrepräsentationen einschließlich nicht bewusstseinspflichtiger allgemeiner Zielrepräsentationen mit ein (Selbstwahrnehmung und Selbstbestimmung)“ (vgl. a.a.O., S. 133).
Zunächst müssen wir klären, was die Funktionskomponenten der Willenstätigkeit sind, durch welche Gemeinsamkeiten sie sich auszeichnen. Die allen Willensprozessen gemeinsame Funktion sieht Kuhl (unter Rückgriff auf Ach) darin, „dass sie die mit einem Vorsatz kompatiblen Reaktionstendenzen so deutlich verstärken, dass sie an Stelle der zunächst stärkeren gewohnheitsmäßigen oder impulsiven Reaktion ausgeführt werden können“(a.a.O., S.145). Diesen Prozess nennt Kuhl Amplifikation und fasst darunter „eine von der Absichtsrepräsentation ausgehende, top- down wirksame Verstärkung der Aktivierungsstärke absichtsrelevanter Verhaltens- und Wahrnehmungsschemata (...), damit sie sich gegen stärkere Verhaltenstendenzen durchsetzen können(...)“(a.a.O., S.145).
Der Wille des Gesamtsystems lässt sich innerhalb der vier kognitiven Makrosysteme in den Strukturen der aktiven selbstrepräsentierenden Anteile des Extensionsgedächtnisses und dem Inhalt des Absichtsgedächtnisses (hochinferente Strukturen) verorten, während das Objekterkennungssystem und das System zur intuitiven Verhaltensteuerung den elementaren Strukturen zuzuordnen sind (vgl. a.a.O., S157).
2.3 Sechs Funktionskomponenten der willentlichen Handlungssteuerung
Wir nähern uns jetzt einer etwas genaueren (konkreteren) Beschreibung der oben, zugegebenermaßen, noch etwas undifferenzierten (abstrakten) Darstellung an, um es mit Kuhl zu sagen: der Beschreibung der „kognitiven und affektiven Minimalarchitektur, die notwendig erscheint, um willentliches Handeln zu erklären“ (a.a.O., S.145).
Was ist nun aber unter der Koordinationszentrale des Willens genauer zu verstehen, wenn wir (mit Kuhl) davon ausgehen, dass mit der willentlichen Verstärkung bestimmter Verhaltensprogramme der Begriff des Willens noch nicht geklärt ist, da es noch mehr erfordert als nur die Verstärkung gewollter Reaktionen, um gelingen zu können?
Kuhl reichert den Begriff durch die folgenden Komponenten an:
a) Aufrechterhaltung
b) Ausführungshemmung und ihre Aufhebung
c) Selbstrepräsentation
d) Selbsthemmung und Objekterkennung
2.3.1 Erste Funktionskomponente des Absichtsgedächtnis: Aufrechterhaltung
Die durch die Absichtsrepräsentation vermittelte Verstärkung der gewollten Reaktion macht es zunächst erforderlich, die Absicht bis zu einem Zeitpunkt, bei welchem eine zur Realisierung notwendige Gelegenheit angetroffen wird, aufrecht zu erhalten und/oder die erforderlichen Verhaltensroutinen einen ausreichende Aktivierungsstärke haben.
Beispiel: Stelle dir jetzt vor, du säßest im Hörsaal der Hochschule Görlitz, wo du gerade aktiv dieses Referat rezipierst. Nun bildest du die Absicht eine Frage zu stellen, weil du ein kleines Detail nicht richtig verstanden hast. Zunächst musst du nun diese Absicht aufrechterhalten, bis sich eine geeignete Gelegenheit ergibt, den Referenten zu unterbrechen.
Hierbei ist also ein zukunftsorientiertes Gedächtnissystem angeschrieben, das Kuhl als eine Komponente des Absichtsystems (auch Intentionsgedächtnis) auffasst. Der Begriff der Absicht ist hierbei aber nicht durch jede Antizipation zukünftiger Zustände veranlasste Handlung charakterisiert (also nicht wie beim Schalten während des Autofahrens). Bei ausreichender Automatisierung käme diese Aufgabe dem System für die intuitive Verhaltenssteuerung zu; die Handlungsregulationstheorie spricht bei hinreichend automatisierten (vorherigen) Handlungen von Operationen (Anm. d. Verf.). Der Begriff der Absicht bezieht sich vielmehr auf die `abstrakt- symbolische` Repräsentation schwieriger Handlungen. Die Schwierigkeit der Handlung ist hierbei auf die Realisierung bezogen, die darin besteht, dass eine beabsichtigte Handlung nicht sofort ausführbar ist und auch noch nicht in ihrer ganzen Komplexität spezifiziert werden kann (die Frage, wann und wo ich die Handlung realisieren kann, also zunächst „offen“ ist). Bei dem geübten Autofahrer, der über automatische Reaktionen (durch Übung) schaltet, ist keine bewusste, `abstrakt-symbolische` repräsentierte Absicht erforderlich, also auch keine Aktivierung des Gedächtnisses für explizite Absichten.
Kurze Erwähnung soll auch die Annahme von Kuhl finden, dass sich von dem zukunftsorientiertem Gedächtnis für auszuführende Reaktionen (Komponente des Absichtsgedächtnis) ein rückwärtsgewandtes Arbeitgedächtnis, welches wahrgenommene Stimuli kurzzeitig aufrechterhält (Kurzzeitgedächtnis), trennen lässt, welcher später noch größere Bedeutung zukommen wird. Für die Sinnfälligkeit dieser Trennung „sprechen“ Befunde auf der Einzelneuronenebene, auf diese wir aber hier nicht eingehen wollen/können. Wir haben es also mit zwei eng vernetzten, aber getrennten Arten von Gedächtnissystemen zu tun: Einem vergangenheitsorientierten, welches die sensorischen Informationen aufrechterhält und einem zukunftsorientierten System, welches für das Aufrechterhalten der auszuführenden Handlungen zuständig ist und den Organismus in die Bereitschaft versetzt, anstehende Handlungen auszuüben (Fuster, 1995) (vgl. a.a.O., S.146 f).
2.3.2 Zweite und dritte Funktionskomponente des Absichtsgedächtnis: Ausführungshemmungen und ihre Aufhebung
Die unter der ersten Funktionskomponente (als eine notwendige Voraussetzung) der Koordinationszentrale Willen dargestellten Überlegungen, führen nun Kuhl zu der Annahme, „(..) dass das Absichtsgedächtnis mit einer partiellen Voraktivierung anstehender motorischer Programme assoziiert ist“ (a.a.O., S.148). Diese voraktivierten Komponenten einer anstehenden beabsichtigten Handlung müssen nun aber an der Ausführung gehindert werden; somit stellt die Ausführungshemmung, neben der Aufrechterhaltung der geplanten Handlungen, das zweite Funktionsmerkmal des Absichtsgedächtnisses dar. Die bestehende Verbindung zwischen dem die Absicht repräsentierenden System und den entsprechenden Ausführungssystemen (intuitives Verhaltensteuerungssystem) müssen unterbrochen werden, bis die notwendigen Parameter adäquater und gewollter Verhaltensroutinen spezifiziert sind und bis eine geeignete Ausführungsgelegenheit angetroffen wird. Wenn dies gegeben ist, muss die dritte Funktionskomponente des Absichtsgedächtnisses greifen, indem die Ausführungshemmung wieder aufgehoben wird i.S. einer Initiative.
Beispiel: Ist deine Ausführungshemmung als Funktion des Intentionsgedächtnisses relativ schwach ausgeprägt, so wird deine Frage auf Grundlage der intuitiven Verhaltenssteuerung einfach herausplatzen. Würde im Gegensatz dazu die Hemmung zu gut funktionieren, kämst du gar nicht dazu, deine Frage zu stellen.
Kuhl nimmt weiterhin an, dass Handlungen, welche einer Bereithaltung expliziter Absichtsrepräsentationen nicht bedürfen, in anderen Repräsentationssystemen (die sich zum Teil durch andere Funktionsmerkmale, gegenüber dem expliziten Absichtsgedächtnis auszeichnen) aufrecht erhalten werden. Die explizite Aufrechterhaltung wäre in Situationen, die eine Ausführungsmöglichkeit nicht erwarten lassen, überflüssig oder störend.
Ebenfalls ist eine explizite Aufrechterhaltung („ich muss an der roten Ampel halten“) entbehrlich, wenn, wie oben angerissen, es sich um automatisierte Verhaltensweisen handelt, die mit spezifischen Auslösern fest gekoppelt sind, so dass sich die Person darauf verlassen kann, dass sie die beabsichtigte Reaktion (Halten), bei Gegebenheit der relevanten Auslösereize (rote Ampel), automatisch ausführt (siehe intuitives Verhaltenssteuerungssystem). Bei Handlungen allerdings, die nicht sofort ausgeführt werden können (z.B. weil sie zu schwierig sind oder weil sie erst später, eingebettet in eine Sequenz mehrerer Handlungsschritte, an der richtigen Stelle ausgeführt werden sollen) scheint die Aufrechterhaltung einer expliziten Repräsentation einer Absicht besonderst wichtig zu sein (vgl. a.a.O., S.148f).
[...]
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