Die Freiheit und das Böse bei Kant


Magisterarbeit, 2004

97 Seiten, Note: Gut


Leseprobe


Inhalt

Abkürzungsverzeichnis

I. Problemstellung

II. Die Freiheit und das Gute
1. Transzendentale Freiheit
1.1 Das Freiheitsproblem in der Antinomie und ihre Auflösung
1.2 Die Monade
2. Transzendentale Freiheit und Moralphilosophie
2.1 Antithesis
2.2 Thesis
3. Freiheit und Sittengesetz
3.1 Das Verhältnis von Freiheit und Sittengesetz
3.2 Faktum der Vernunft
4. Zusammenfassende These

III. Die Freiheit und das Böse
1. Maximen
1.1 Die Maxime als die Gesetzgebung der Vernunft
1.2 Die Maxime als das Tätigsein der Willkür
2. Die Natur des Menschen
2.1. Die Anlage zum Guten
2.1.1 Das Interesse der Vernunft
2.1.2 Das heteronome Handeln
2.2 Der Hang zum Bösen
3. peccatum originarium
3.1 Die Schwäche des menschlichen Herzens
3.2 Die Unlauterkeit
3.3 Das radikal Böse
3.3.1 Die Grenze der praktischen Vernunft
3.3.2 Die Verkehrtheit des Willens
3.4 Die Würde des Menschen und das Böse
4. Der Ursprung des Bösen
4.1 Die Freiheit und das Böse
4.2 Das Selbstsein und das Böse
5. Zusammenfassende These

IV. Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

I. Problemstellung

Das Problem, mit dem ich mich hier beschäftigen will, ist in Kants Wesensbestimmung des Menschen als freies Wesens die Dissoziation aufzugreifen, denn das Freiheitsgeschehen impliziert für ihn nicht nur die Möglichkeit des Guten, sondern auch die des Bösen. Kant führt den Versuch der Auflösung dieser Aporie nicht in theoretischer Geschlossenheit seiner Freiheitslehre durch, sondern es bleibt ihm vielmehr unerforschlich, wie das Böse seine transzendentale Bedeutung in der Wesensbestimmung des Menschen gewinnen kann. Diese lockere Verbindung des Begriffs des Bösen mit dem System der Wissenschaft steht aber mit Kants religiös-anthropologischem Verständnis des Menschen selbst in Verbindung, wonach er die Grundbedingungen, in denen die menschliche Person sich jeweils befindet, nicht aus dem Blick verlieren und die menschliche Existenz im polaren Spannungsgefüge der seelischen Elemente erblicken möchte. Das Verhältnis der Freiheit zum Bösen ist darum eines jener Probleme, die in der Interpretation Kants heftige philosophische Kontroversen ausgelöst haben. Der schon von Goethe im Brief an Herder vom 7.6.1793 erhobene Vorwurf[1] wird von A. Schweizer dadurch auf äußerste verschärft, indem er die Differenz betont, die für ihn zwischen der kritischen Ethik und der Religionsschrift Kants besteht.[2] Der Vorwurf bezieht sich hauptsächlich auf den Gesichtspunkt, Kants wahren Verdienst darin zu erblicken, dass die Freiheit, als die natürliche Ausstattung des von Gott geschaffenen Menschen, für Kant ursprünglich nur die Freiheit zum Guten sei: Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht die Auffassung, dass sich das radikal Böse in der menschlichen Natur mit der Freiheit nur schwer vereinbaren lasse. Wenn dem freien Willen das moralische Böse zugeschrieben werden kann,[3] dann könne er nicht mit Autonomie gleichbedeutend sein, weil Autonomie Selbstbestimmung zur Moralität ist. Und Kants These über das moralische Böse widerspricht scheinbar seinem früheren Argument über das Verhältnis des freien Willens zur Sittlichkeit, zu dessen Klärung er in der GMS die "Identitätsthese" heranzieht: "Also ist ein freier Wille und ein Wille unter sittlichen Gesetzen einerlei." (GMS, IV 447) Diese scheinbar unüberbrückbare Kluft zwischen der Freiheit und dem Bösen veranlasst Kantinterpreten wie z.B. G. Prauss und C. Schulte dazu, sich intensiv mit den logischen Schwierigkeiten der Freiheitslehre Kants auseinander zusetzen. Gegen die Grundposition Kants, welche die menschliche Freiheit als das Vermögen zum Guten und Bösen charakterisiert (KpV, V 58f.), erhebt G. Prauss den schwerwiegenden Einwand, dass Kant selbst die Konzeption, wonach sich der Mensch mittels praktischer Vernunft aus Freiheit autonom das Moralgesetz auferlege, am Ende wieder preisgebe. Nicht zuletzt durch die Radikalität, welche in Kants Deutung des Guten und Bösen enthalten ist, gerate er in unlösbare Schwierigkeiten.[4] Das gleiche ist auch bei C. Schulte intendiert, wenn die Frage nach der Beziehung von Freiheit und dem Bösen, diesen wesensverschiedenen Urgründen, zu einem unlösbaren Problem wird. Unter der Voraussetzung, dass der Zusammenhang der Freiheit mit dem Sittengesetz den wesentlichen Charakter der kritischen Ethik Kants ausmacht, hält C. Schulte daran fest, dass Kant in der Abhandlung über das radikale Böse eine Selbstkorrektur gegenüber der "Identitätsthese" durchführe, in der die Freiheit in einem Begründungs-zusammenhang mit dem Sittengesetz steht.[5] Die Unterscheidung von Willen und Willkür, die Kant schließlich in der Einleitung zur MdS geltend gemacht hat (MSR, VI 226ff.), um die Willkürfreiheit zum Bösen als Bedingung der Zurechenbarkeit und Verantwortlichkeit moralischen Handelns zu bedenken, ist für ihn nur dann verständlich, wenn Kant darauf verzichtete, Freiheit und selbständige moralische Selbstbestimmung des Menschen als Wechselbegriffe für Autonomie zu identifizieren.[6]

Aus dieser logischen Schwierigkeit versucht man sich mit Hilfe der setzenden Kraft der transzendentalen Freiheit zu befreien, die mit der transzendentalen Rekonstruktion derselben zusammenfällt. Demzufolge begreift sich das Böse wie das Gute als ein Moment der absoluten Aktualität der transzendentalen Freiheit, wonach Vernunft in der Selbstsetzung transzendentaler Freiheit zu sich selbst kommt.[7] Hier fungiert die Freiheit, welche die Lücke zwischen theoretischer und praktischer Vernunft schließen soll, als Schlussstein zur Vollendung des Systems. (KpV, V 3f.) Dabei wird die ursprüngliche Praktizität der Vernunft nicht als transzendentale Freiheit reflektiert, sondern letztere wird lediglich für eine praktische Vernunft in Anspruch genommen, der es allein um die Begründung von Moralität geht.[8] Eine solche Lösung führt schließlich zur Annahme, dass das Problem des Bösen als Produkt menschlicher Freiheit allein durch das Festhalten an der Unbedingtheit transzendentaler Freiheit möglich sei.[9] D.h. die Realisierung des Bösen kann darin gesehen werden, dass sich die transzendentale Freiheit als Autonomie des Willens selbst verwirkt.[10] Allerdings gibt dieser Lösungsversuch keine konkrete Antwort auf die Aporie, sondern bietet allenfalls einen Ansatz, in dem eine vom Widerspruch in Spannung gehaltene Struktur der Freiheit ausgewiesen wird.[11]

Der Grundgedanke dieser beiden Positionen hat trotz ihrer konträren Stellungnahmen darin eine gemeinsame Wurzel, bewusst oder unbewusst vorauszusetzen, dass Kant durch die methodische Vorgehensweise der Deduktion - durch eine bloße Zergliederung der Begriffe - das apriorische Element des Guten und Bösen in der menschlichen Freiheit freilegen möchte. Dieses Verfahren beruht allerdings auf der Umstellung der Methode gegenüber der KrV, die Kant selbst in der KpV als das "Paradoxon der Methode" bezeichnet. (KpV, V 62) Kant vollzieht diesen Methodenwechsel allerdings auch schon in der GMS in der konsequenten Annahme, "daß mithin der Grund der Verbindlichkeit hier nicht in der Natur des Menschen, oder den Umständen in der Welt, darin er gesetzt ist, gesucht werden müsse, sondern a priori lediglich in Begriffen der reinen Vernunft, [...]". (GMS, IV 389) Die Struktur des Gutseins enthält nach Kant in sich die grundlegende Entdeckung der transzendentalen Philosophie, dass die sittlichen Prinzipien nicht auf die Eigenheiten der menschlichen Natur gegründet sein dürfen, sondern für sich a priori bestehen können müssen. Aus diesen Prinzipien sind dann also auch für die menschliche Natur praktische Regeln abzuleiten.[12] Der reine Vernunftgrund scheint nun unentbehrlich zu sein, um die unbedingte Verbindlichkeit für die menschliche Sittlichkeit finden zu können. Die bloße Behauptung aber, dass in der Vernunft selbst die Prinzipien der Sittlichkeit existieren, löst scheinbar nichts in bezug auf die Eigenheiten der menschlichen Natur als endliches Wesen, die Kant in der RGV durch die Unterscheidung der Anlage zum Guten und dem Hang zum Bösen, genauer zu bestimmen versucht. Kants anthropologisches Verständnis, dass der Mensch im Unterschied zum Tier in seinem Verhalten nicht festgelegt ist, sondern als Zwischenwesen das Vermögen besitzt, sich für das Gute oder das Böse zu entscheiden, ist kein Resultat seines Deduktionsverfahrens durch die Vernunft selbst, sondern ein unmittelbares Wissen seiner Lebenswelt. Die transzendentale Philosophie und seine Anthropologie stehen vor der Religionsschrift unverbunden nebeneinander, weil Kants kritische Philosophie zwar das menschliche Vernunftvermögen sowohl nach seinem Ursprung und Inhalt als auch nach seinen Grenzen behandelt, wobei die Kritik ihre Aufgabe allerdings nur darin sieht, die Prinzipien ihrer Möglichkeit und Grenzen ohne besondere Beziehung auf die Eigenheiten der menschlichen Natur zu bestimmen: Kritische Philosophie als transzendentale Philosophie betrifft somit das Formale des Verfahrens der reinen Vernunft.[13] Dagegen rekurrieren die RGV, die das als synthetisches Urteil begriffene anthropologische Verständnis des Menschen impliziert, und die MdS überhaupt als Wissenschaft auch noch auf das Materiale als Gegenstand der freien Willkür des Menschen, nicht zuletzt auf die menschliche Natur.[14] Eben in dieser Spannung findet sich die Diskrepanz in Kants praktischer Philosophie, wenn sie überhaupt existierte.

Die Absicht der Arbeit ist es, das Verhältnis der Freiheit zum Bösen in Kants Hauptschriften zu rekonstruieren. Dem Ansatz der Arbeit liegt methodisch die Einsicht zugrunde, dass es beim "Gut-" oder "Bösesein" des Menschen nicht um die Deduktion aus den Vernunftprinzipien geht, sondern um das unmittelbare Faktum, dessen Apriorität Kant in seiner kritischen Philosophie zu beweisen versucht. Zurückgreifend auf die gewöhnliche menschliche Erkenntnis ist es also schwer einzusehen, dass Kant in seiner Hauptanregung aus der Deduktion aufgrund der reinen Vernunftprinzipien das Gutsein des Menschen als Resultat abzuleiten versuche. Vielmehr ist es sinnvoll, so zu interpretieren, dass Kant, ausgehend vom sittlichen Faktum aus der Stimme des Gewissens, die Apriorität aufgrund der Vernunftprinzipien zu rechtfertigen versucht. Zu fragen, ob diese Rechtfertigungsmaßnahme so verläuft, wie es Kant gewollt oder geplant hat, d.h. ob sie ihm überhaupt gelingt oder scheitert, wäre von daher in dieser Arbeit nicht sinnvoll. Denn man fragt heutzutage z.B. nicht mehr, ob die Beweisführung Platons gelungen ist, wenn er sagt, dass das seelische Sein überhaupt die Fähigkeit ist, die Ideen zu schauen, etwas Anfängliches, das in uns wohnt, der Zugang zum Unwandelbaren in der Flut der Erscheinungen. Es wäre auch nicht philosophisch fruchtbar, Leibniz mangelhafte Beweisführung vorzuwerfen, wenn er in seiner "Monadologie" das Ganze des Seienden als eine Fülle von individuellen Einheiten auffasst, von denen jede das Universum, gemäß ihrem Standort, in einer einzigartigen Perspektive wiederspiegelt. Der Pflichtbegriff Kants, dem der heutige Ausdruck "Verantwortung" noch am ehesten korrespondiert, könnte hier ein gutes Beispiel sein. In seinen Hauptschriften zur Ethik versucht Kant immer wieder aufzuweisen, dass das moralische Gesetz selbst eine direkte Motivationskraft zu sittlichen Handlungen darstellt. Dieses praktische Grundgesetz zeigt sich dem moralischen Bewusstsein nicht nur als ein kritisches Prinzip der Beurteilung von Gut und Böse, sondern es manifestiert sich auch als Imperativ, nämlich als die Pflicht. Den eigentlichen Ausdruck der Würde des Menschen erblickt Kant nirgends leuchtender als in der "Pflicht". Das Denken Kants bewegt sich hier ausschließlich im Kontext des Faktums als des Bezugszentrums für die sittliche Ordnung, das für ihn schon der Deduktion der reinen Vernunftprinzipien vorangestellt ist. Der Pflicht sind wir uns für Kant a priori bewusst, weil sie apodiktisch gewiss ist. Dies deutet Kant in der KpV durch die Vergeblichkeit der Deduktion des sittlichen Bewusstseins an, die hauptsächlich in der GMS ausgeführt wird: "Mit der Deduktion, d.i. der Rechtfertigung seiner objektiven und allgemeinen Gültigkeit und der Einsicht der Möglichkeit eines solchen synthetischen Satzes a priori, darf man nicht so gut fortzukommen hoffen, als es mit den Grundsätzen des reinen theoretischen Verstandes anging." (KpV, V 46) Aus diesem Grund wählt diese Arbeit den faktischen Satz Kants, dass die alleinigen Objekte einer praktischen Vernunft die von Gut und Böse sind, zum Ausgangspunkt. Dabei wird die Idee der Freiheit als notwendige Voraussetzung in praktischer Hinsicht postuliert, um die Apriorität der Sittlichkeit des Menschen und die Zurechenbarkeit der bösen Tat sicherzustellen. Der Versuch, die ganze Diskussion über das Gute und Böse vom Vollzug transzendentaler Freiheit her aufzuschließen, hat hier nur im Deduktionsverfahren Kants Bedeutung, mittels der intelligiblen Welt den Sinn der menschlichen Sittlichkeit konstituieren zu wollen. Der Mensch versetzt sich demzufolge in eine neue Perspektive, die über die Sinnenwelt hinausgeht, indem er sich mittels der reinen Vernunft ein Gesetz gibt, das ihn moralisch absolut bindet: Der Mensch verschafft sich mit dem Sittengesetz als einer Art von Notwendigkeit und Verknüpfung mit Gründen, die in der ganzen Natur sonst nicht vorkommen (KrV, B 575), eine eigene Ordnung nach Ideen, die nun als mundus intelligibilis bzw. als ein Reich der Zwecke als eine systematische Verbindung vernünftiger Wesen durch gemeinschaftliche objektive Gesetze gefasst wird. (GMS, IV 438) Als vernünftiges Wesen bzw. als Subjekt des Sittengesetzes muss der Mensch für Kant nun jederzeit als gesetzgebend in einem durch Freiheit des Willens möglichen Reich der Zwecke betrachtet werden. Aber dieses methodische Vorgehen wäre verfehlt, wenn es darüber hinaus das Wesen des menschlichen Bösen im Willen als unbedingte Aktualität suchen will, ebenso wie der gleiche Wille auf unbedingte Weise gut sein kann. Denn wie Kant schreibt, ist die Freiheit, in Beziehung auf die innere Gesetzgebung der Vernunft, eigentlich allein ein Vermögen; die Möglichkeit, von ihr abzuweichen, ein Unvermögen. (MSR, VI 227) Die Freiheit, die meine Arbeit thematisiert, hat ihren "Sitz im Leben" allein in den Eigenheiten der menschlichen Natur, welche der Mensch in der Wesensbestimmung von "Endlich- und Unendlichkeit" in sich trägt. Der Mensch kann unendlich sein, solange er bestrebt ist, das Freisein zum Guten zu erreichen, er muss aber zugleich als endlich bestimmt werden, weil er durch dieselbe Willenstätigkeit seine wesentliche Bestimmung radikal verderben kann. Dies Widersprüchliche seines Wesens, das schon seit Paulus und Augustin die christliche Anthropologie bestimmt hat, im Wesen der menschlichen Vernunft zusammenzudenken, soll als der faktische Ausgangspunkt der Freiheitslehre Kants gewählt werden.

Ähnlich versucht H. Allison zu zeigen, that Kant’s doctrine of radical evil is not only in accord with but also a consequence of the basic principles of his moral philosophy.[15] Dies tut er unter der Annahme, dass die Zweideutigkeit des guten Willens in der RGV, der für Kant vom radikal Bösen verdorben werden kann, schon in seinen kritischen Hauptwerken zu finden sei.[16] Die Spannung zwischen der Apriorität der menschlichen Sittlichkeit aus Freiheit und Zurechenbarkeit der bösen Tat des Menschen, die Kant schließlich zur Unbegreifbarkeit der Freiheit führt, lässt sich aber in dieser Arbeit weiterhin aushalten, ohne sie durch einen Deduktionsvorgang aufzulösen. Diese Spannung soll sich m.E. aus der Aporie zwischen der transzendentalen Reflexion Kants auf die Bedingung der Möglichkeit der menschlichen Sittlichkeit und seinem präreflexiven Menschen-verständnis ergeben, das eo ipso vom Christentum gefärbt wird.

Aufgrund der Aushaltung der Aporie soll hier aber eine Zugangsmöglichkeit zum Aufschluss über das Verhältnis der Freiheit zum Bösen gesucht werden im Nachvollzug des Denkens Kants, wobei die Möglichkeit des Guten an sich als der Selbstgesetzgebung nun eine neue Fragestellung nach der inneren Möglichkeit der praktischen Vernunft als der menschlichen Willkür erfordert. Wichtig ist dabei zu berücksichtigen, dass es Kant nicht nur um die Freiheit als die Gesetzgebung der reinen Vernunft überhaupt, die nur durch das Sittengesetz erkannt werden kann, sondern um die menschliche Freiheit geht, deren Zugang Kant nicht im Bereich der Erkenntnis aus dem Ableitungsverfahren und des erkennenden Bewusstseins findet, sondern er findet ihn nur dort, wo uns die Pflicht bewusst sind, unser Wollen und Tun nach dem Gesetz zu bestimmen, das in uns wohnt und das uns mit einem zwingenden Imperativ anspricht. Die Endlichkeit des Menschen aber verlegt, so Kant, die Erfüllung dieser Pflicht jenseits des Vermögens der menschlichen praktischen Vernunft. In dieser Differenz der Wesensbestimmungen des Menschen besteht das Hauptinteresse meiner Untersuchung, das dabei nicht nur der Frage gilt, was Kant inhaltlich zur Bestimmung der Freiheit zum Bösen zu sagen hat, sondern es richtet sich mit gleicher Intensität auf die Frage, wie Kant die menschliche Freiheit und das Böse denkt. Mit den Begriffen Gut und Böse sind daher stichwortartig die Pole benannt, zwischen denen sich die menschliche Freiheit als praktische Vernunft bewegen wird. Dabei kommt es entscheidend darauf an, die Integrierbarkeit der Problematik des Bösen in den Kontext der menschlichen Freiheit in ein kantisches Moralkonzept nicht außer acht zu lassen.

II. Die Freiheit und das Gute

1. Transzendentale Freiheit

Es liegt auf der Hand, dass Kant die ausreichende Begründung für die Sollenswelt des Menschen als das Zentrum seiner Freiheitslehre ansieht. Hier deutet sich ein Grundzug seiner Freiheitslehre an, der im von Naturkausalität bestimmten Gesamtgeschehen in unserer Erscheinungswelt über Einstellungen und Orientierung des Menschen spricht und die Entfaltung des angelegten vernünftigen Potentials fordert. Zuerst erlaubt der Rekurs auf Kants Auflösung in der Freiheitsantinomie die Möglichkeit des Zugangs zur neben der Naturkausalität stehenden kosmologischen Spontaneität, die für ihn letztlich die subjektorientierte Tiefendimension des Seins, d.h. der Monade darstellt. Damit glaubt Kant, die moralische Freiheit des Menschen sicherzustellen.

1.1 Das Freiheitsproblem in der Antinomie und ihre Auflösung

Die Antinomie der Freiheit und ihre Auflösung ist der kürzeste Weg zum Verständnis des vom transzendentalen Idealismus Kants erstrebten Fazits. Es ist die Antwort auf die Frage, wie Freiheit und Naturnotwendigkeit in der menschlichen Handlung zusammenfallen können. Sie lautet: "Die Freiheit wird hier nur als transzendentale Idee behandelt, wodurch die Vernunft die Reihe der Bedingungen in der Erscheinung durch das Sinnlichunbedingte schlechthin anzuheben denkt, dabei sich aber in eine Antinomie mit ihren eigenen Gesetzen, welche sie dem empirischen Gebrauche des Verstandes vorschreibt, verwickelt. Daß nun diese Antinomie auf einem bloßen Scheine beruhe, und daß Natur der Kausalität aus Freiheit wenigstens nicht widerstreite, das war das einzige, was wir leisten konnten, und woran es uns auch einzig und allein gelegen war." (KrV, B 586f.) Kants Ausgangspunkt ist die Unterscheidung des empirischen vom intelligibelen Charakter als Grund unserer Handlungen. (KrV, B 565) Einen empirischen Charakter zu haben bedeutet, dass unsere Handlungen als Erscheinungen mit anderen Erscheinungen durch die Naturkausalität in Zusammenhang stehen, und aus ihnen als ihren Bedingungen abgeleitet werden könnten. Mit seinem empirischen Charakter ist der Mensch wie auch die anderen Naturwesen ein Teil des totalen Naturprozesses von Ursache und Wirkung. Im Zentrum des menschlichen Wesens als handelnden Subjekts steht aber die intelligibele Welt, die für Kant nicht in der Reihe der empirischen Bedingungen steht, welche die Begebenheiten in der Sinnenwelt notwendig machen. Vielmehr ist unser intelligibeler Charakter, der aber selbst unter keinen Bedingungen der Sinnlichkeit steht und selbst nicht Erscheinung ist, die Ursache jener Handlungen in der Erscheinungswelt. (KrV, B 586) Um die Besonderheit seines Denkens über die intelligibele Welt zu verstehen, muss man sicherlich davon ausgehen, dass sie mit der vernünftigen Subjektivität, die zugleich frei und autonom ist, als dem Prinzip der Philosophie verbunden bleibt. Für Kant bedeutet die Subjektivität in transzendentaler Bedeutung mehr, als nur Vorstellungen zu empfangen, d.h. die Rezeptivität der Eindrücke. Sie bedeutet: "das Vermögen, durch diese Vorstellungen einen Gegenstand zu erkennen ;Spontaneität der Begriffe." (KrV, B 74) Das Wesen dieser Spontaneität des Subjekts liegt eben in seinem intelligibelen Charakter, der die transzendentale Synthesis des Mannigfaltigen der Vorstellungen überhaupt ermöglicht. Sie ist eine innere Haltung sich selbst als die einfache Vorstellung des Ich, der Sinnlichkeit gegenüber, durch die das Mannigfaltige im Subjekt gegeben ist. (KrV, B 68f.) Aber die Begreifbarkeit dieses Ichbewusstseins bleibt für Kant eigentlich problematisch. Für Kant bin ich mir meiner selbst in der transzendentalen Synthesis des Mannigfaltigen der Vorstellungen überhaupt bewusst, d.h. in der transzendentalen Apperzeption, aber nicht wie ich an sich bin, sondern nur dass ich bin: Ich habe also keine Erkenntnis darüber, wie ich bin, sondern bloß wie ich mir selbst erscheine. (KrV, B 158) Durch die Erscheinung der Welt im Naturprozess, zu der ich in Beziehung trete, erhält das Ichbewusstsein nun seine volle Konkretheit und damit seine Individualität. Für den transzendentalen Idealismus ist es aber wichtig, zu betrachten, dass meine Subjektivität dieser Erscheinung das Gesetz für ihre Erkenntnis verleiht, und dadurch der Sinn der Erscheinungen in der Natur zu meiner eigenen Schöpfung wird. Dieses schöpferische Bewusstsein nennt Kant das transzendentale Bewusstsein, das immer die Fülle aller einzelnen Erfahrungen überschreitet und ihnen einen Bereich und Horizont erschließt, in dem sie geschehen können. Der äußerste Punkt dieses Geschehens der Erscheinungen wird nämlich in der Gesetzgebung der Vernunft selbst erreicht.[17] Dieses transzendentale Bewusstsein als das handelnde Subjekt, das ständig vom Prädikat "intelligibel"begleitet wird, ist aber nur als das Urbild der Erscheinungswelt postuliert, ohne unmittelbar erkannt werden zu können. (KrV, B 568) Eben in diesem Punkt unterscheidet sich Kant von der alten rationalistischen Metaphysik, die in seinen Augen vergeblich versucht hat, im menschlichen Erkenntnisprozess diese Ideenwelt ergreifen zu können. Für Kant wird sie zum unerkennbaren Ding an sich und steht lediglich noch im Kontext einer regulativen Funktion, bis ihm klar wird, dass dieses Intelligible doch noch in der Sphäre des Ethischen zu entdecken ist. Das Bewusstsein meiner selbst in der Vorstellung, in dem sich die transzendentale Freiheit ereignet, ist aber für Kant gar keine Anschauungssache, sondern eine bloße intellektuelle Vorstellung der reinen Selbsttätigkeit eines denkenden Subjekts, welche die Selbstreferenz in der Identität andeutet. (KpV, A 226f.) Das Selbstbewusstsein erlaubt also gar kein Prädikat außer sich selbst, welches die Differenz der Identität hervorgehen lassen könnte. Selbst der Versuch Kants, aus dem im kategorischen Imperativ formulierten Sittengesetz den Seinsgrund der Freiheit ausfindig zu machen, entzieht sich nicht dieser formalistischen Identität der Deutung der Freiheit. Den letzten Grund für die Annahme der Freiheit findet Kant gewiss nicht im Sittengesetz selbst, sondern in der reinen Selbsttätigkeit und Spontaneität des reinen Ichs, nämlich der Vernunft selbst. (GMS, IV 452f.)

Nun kehren wir zur Frage zurück, mit der Kant die Antinomie auflösen will: Widerstreitet Freiheit der Naturnotwendigkeit in ein und derselben Handlung? Es ist durchaus möglich, dass es in den uns erscheinenden Erscheinungen des Gegenstandes nur die absolute Spontaneität des transzendentalen Bewusstseins gibt, wie Kant mit einem transzendentalen Argument behauptet: "daß alles, was im Raume oder der Zeit angeschauet wird, mithin alle Gegenstände einer uns möglichen Erfahrung nichts als Erscheinungen, d.i. bloße Vorstellungen, sind, die so, wie sie vorgestellt werden, als ausgedehnte Wesen oder Reihen von Veränderungen, außer unseren Gedanken keine an sich gegründete Existenz haben." (KrV, 518f.) Da die Naturkausalität eine Beschaffenheit der Dinge nur insofern ist, als sie schon auf unseren, diese Kausalität der Erscheinungen benötigenden Verstand bezogen sind, bleibt die Möglichkeit, diese Dinge an sich als nichtdeterminiert zu betrachten.

Wichtig ist nun, zu fixieren, dass der Mensch mit der Beurteilung freier Handlungen, in Ansehung ihrer Kausalität, nur bis an die intelligibele Ursache, nicht aber über dieselbe hinaus gelangen kann. Darum schreibt Kant: "wir können erkennen, daß sie [die intelligibele Ursache] frei, d.i. von der Sinnlichkeit unabhängig bestimmt, und auf solche Art die sinnlich unbedingte Bedingung der Erscheinungen sein könne. Warum aber der intelligibele Charakter gerade diese Erscheinungen und diesen empirischen Charakter unter vorliegenden Umständen gebe, das überschreitet so weit alles Vermögen unserer Vernunft es zu beantworten, ja alle Befugnis derselben nur zu fragen, als ob man frage: woher der transzendentale Gegenstand unserer äußeren sinnlichen Anschauung gerade nur Anschauung im Raume und nicht irgend eine andere gebe." (KrV, B 585) Kant verzichtet damit im weiteren sowohl auf die Suche nach der Wirklichkeit der Freiheit als auch nach ihrer Möglichkeit. Denn weil dieser Suche der Boden der Erfahrung entzogen ist, kann sie für ihn nicht gelingen. (KrV, B 587) Für Kant liegt das Kernstück der transzendentalen Freiheit also darin, dass die Freiheit nur als transzendentale Idee der Vernunft verstanden wird, in der die Vernunft die Reihe der Bedingungen in der Erscheinung durch das sinnlich schlechthin Unbedingte anzuheben denkt. Allerdings verwickelt die Vernunft sich dabei in eine Antinomie zu ihren eigenen Gesetzen, die ihr den empirischen Gebrauch des Verstandes vorschreiben. Kant zieht nun die Konsequenz, dass diese Antinomie auf einem bloßen Schein beruhe, und dass Naturkausalität der Kausalität aus Freiheit wenigstens nicht widerstreite. (KrV, B 587) Der Beweggrund, Kant eine solche Aussage zuzuschreiben, liegt auf der Hand. Wenn Kant die Denkbarkeit der transzendentalen Freiheit behauptet, zielt er implizit darauf ab, dem menschlichen Handlungsvermögen über den empirischen Charakter hinaus, der den sinnlichen Naturbedingungen unterliegt, das Metaphysische des intelligiblen Charakters zu verleihen. Als eine unentbehrliche Voraussetzung dafür, dass die menschliche Handlung nicht ausschließlich der Naturnotwendigkeit unterliegt, ist dieses metaphysische Postulat für Kant notwendig. Unter diesem Blickpunkt erhält zumindest die von der intelligibelen Ursache geprägte Idee der Freiheit eine völlig andere Bedeutung als die der Naturkausalität, denn sie wird zum Hinweis auf das über alle Natur erhabene Subjekt als absolute Tätigkeit. Für Kant muss diese transzendentale Idee der Freiheit nun unentbehrlich konstitutiv für das allgemeine Prinzip der Sittlichkeit sein, weil mit der Idee der Freiheit der Begriff der Autonomie unzertrennlich verbunden ist, mit dem die Apriorität des Sittengesetzes zusammenfällt. Damit ist aber nicht behauptet, dass die Freiheit aus ihrer Aktivität das Sittengesetz hervorbringt, sondern vielmehr dass die reine Selbsttätigkeit der Vernunft in unserem sittlichen Leben geglaubt werden soll. Denn sonst wäre alles sittliche Verhalten des Menschen abhängig von den bestimmenden Ursachen der Sinnenwelt. In der intelligiblen Welt herrscht aber Spontaneität, die gleichbedeutend mit Selbstbestimmung ist. Aufgrund dieses Vernunftgesetzes aus Freiheit als grundlegendem Postulat kann der Mensch in praktischer Hinsicht das Leben nach dem Gesetz der intelligiblen Kausalität gestalten, allein indem der Mensch sittlich sein kann.

Dieser kritische Punkt soll aber in dieser Arbeit als die schwache Grundposition der transzendentalen Philosophie Kants herausgestellt werden. Denn die transzendentale Freiheit als der Grund, die als Unentbehrlichkeit im vollständigen Gebrauch der spekulativen Vernunft, aber zugleich als völlige Unbegreiflichkeit angesehen wird, muss an Inhalt gänzlich negativ betrachtet werden. Ihm bleibt deswegen immer noch schwer zu begreifen, wie der Übergang von der kosmologischen zur moralischen Freiheit geschieht, obwohl er behauptet, dass sich auf diese transzendentale Idee der Freiheit der praktische Begriff derselben gründe. (KrV, B 562) Das hängt nämlich nicht direkt mit den Textstellen in der KpV zusammen: "Der Begriff der Freiheit, so fern dessen Realität durch ein apodiktisches Gesetz der praktischen Vernunft bewiesen ist, macht nun den Schlußstein von dem ganzen Gebäude eines Systems der reinen, selbst der spekulativen Vernunft aus." (KpV, A 4) Auf Grund der bislang dargelegten Gründe - und es gibt noch weitere - ist es nicht mehr verwunderlich, dass Kant selbst in der Methodenlehre der KrV schreibt, dass "die zweite Frage [Was soll ich tun?] bloß praktisch ist. Sie kann als eine solche zwar der reinen Vernunft angehören, ist aber alsdann doch nicht transzendental, sondern moralisch, mithin kann sie unsere Kritik an sich selbst nicht beschäftigen." (KrV, B 833) Hier wird die transzendentale Philosophie hauptsächlich als eine Weltweisheit der reinen -bloß spekulativen - Vernunft behandelt. (KrV, B 29)

Das Paradoxe dabei ist, dass die menschliche Vernunft bei der Erkenntnis dieser Weltweisheit nicht mehr den Anspruch der Wahrheit in der praktischen Hinsicht erhebt, weil nun in der KrV der Status der Subjektivität zumindest so schwach gefasst ist, dass sie wohl kaum mehr die Aufgabe lösen kann, für die sie eigentlich konzipiert wurde, nämlich die Beantwortung der Frage "Was soll ich tun?" Um eine befriedigende Antwort auf seine letzte Entscheidung dafür, ob und wie die transzendentale Freiheit als eine unbedingte Aktualität durch die Selbstentfaltung das Sittengesetz hervorgehen kann,[18] zu geben, muss Kant nun von der stärkeren philosophischen Denkleistung in seiner transzendental reflektierten Theorie der Subjektivität ausgehen. Eine dramatische Ausformulierung dafür liefert Kant selbst mit der Andeutung des Übergangs von der Denkmöglichkeit der Freiheit zum Sein, das man, seiner Beschreibung nach, in einem wirklichen Fall, gleichsam durch ein moralisches Faktum, beweisen könne.[19] (KpV, A 187) Dieses Konzept der menschlichen Freiheit kann als eine "moralische Ontologie"[20] verstanden werden, die in der transzendentalen Identität des Selbstseins das Gute ergründen will.

1.2 Die Monade

Der transzendentale Idealismus Kants und die spezifische Eigenart seiner Moralphilosophie stimmen darin überein, dass sie mit der vernünftigen Subjektivität, die zugleich frei und autonom ist, als dem Prinzip der Philosophie verbunden bleiben. Um die Besonderheit seines Denkens aufzuzeigen, muss man sicherlich davon ausgehen, dass Kant das Wesen der Substanz in irgendeiner seelischen Welt aufspürt, die im Wollen und Handeln des Menschen das vom Naturgesetz beherrschten Naturprozess und zugleich den davon unabhängigen Freiheitsprozess widerspiegelt. Im Anschluss an die Monadologie von Leibniz entwickelt Kant seinen Begriff der Substanz: Es geht von der Kausalität aus, bleibt in der Reflexion an die Handlung als die Lebenskraft gebunden und kehrt zum Begriff der Substanz zurück, um für die Frage nach der Möglichkeit von Moralität wie für die nach der Möglichkeit der Freiheit verfügbar zu sein. (KrV, B 249) Es liegt auf der Hand, dass die transzendentale Idee der Freiheit, wenn sie als der Beweggrund aller Erscheinungen verstanden wird, für Kant auf den Begriff der Substanz als bewegende Kraft zurückzuführen ist. Kants Darstellung des transzendentalen Idealismus in der Einleitung der KrV drückt ebenfalls ein subjektbezogenes und praxisorientiertes Denken aus, in dessen Zentrum diese Kraftvorstellung steht: "Ich nenne alle Erkenntnis transzendental, die sich nicht sowohl mit Gegenständen, sondern mit unserer Erkenntnisart von Gegenständen, so fern diese a priori möglich sein soll, überhaupt beschäftigt." (KrV, B 26) Diese Position wird in der Weiterentwicklung seiner Denkweise dadurch radikalisiert, indem das Naturgesetz, durch welches Erscheinungen [in uns] allererst eine Natur ausmachen und Gegenstände einer Erfahrung abgeben können, als ein Verstandesgesetz bestimmt wird. (KrV, B 571) An diesem Punkt ist für Kants Freiheitsverständnis auch sein ontologischer Kontext mit zu berücksichtigen. Für Kant muss die Substanz etwas Inneres haben, was von allen äußeren Verhältnissen, folglich auch von der Zusammensetzung frei ist. Er fährt fort: "Das Einfache ist also die Grundlage des Inneren der Dinge an sich selbst. Das Innere aber ihres Zustandes kann auch nicht in Ort, Gestalt, Berührung oder Bewegung (welche Bestimmungen alle äußere Verhältnisse sind) bestehen, und wir können daher den Substanzen keinen andern innern Zustand als denjenigen, wodurch wir unsern Sinn selbst innerlich bestimmen, nämlich den Zustand der Vorstellungen, beilegen. So wurden denn die Monaden fertig, welche den Grundstoff des ganzen Universum ausmachen sollen, deren tätige Kraft aber nur in Vorstellungen besteht, wodurch sie eigentlich bloß in sich selbst wirksam sind." (KrV, II 295) Kant will durch die beiden Begriffe "das Innere und das Äußere" darauf aufmerksam machen, dass die Erleuchtung, dass jede Änderung, jeder Wechsel von Bestimmungen in der Erscheinungswelt nur als Wirken der bestimmten inneren Kraft zu verstehen ist, die das Wesen der Substanz bestimmt. Auf den ersten Blick scheint dieser Gedanke einfach gefasst zu sein. Es geht darum, die metaphysischen Anfangsgründe der Natur herauszufinden, wie und warum etwas überhaupt in der Welt sein kann. Die Materie als substantia phaenomenon (KrV, B 333) erfüllt ja einen Raum, nicht durch ihre bloße Existenz, sondern durch eine besondere bewegende Kraft. (KrV, B 322) Dies ist die dynamische Erklärung des Begriffs der Materie, wobei für ihn die Kraft entweder als die Anziehungskraft, andere zu sich zu bewegen, oder als Zurückstoßungskraft, vom Eindringen in ihn abzuhalten, gedacht werden muss. Aber hier erhebt sich ein großes Problem, wodurch wir wissen, dass dieser Materie die Kraft als das transzendentale Objekt zugrunde liegt. Wir kennen in der Tat nichts als die Zeitfolge, die das einzige empirische Kriterium der Wirkung in Beziehung auf die Kausalität der Ursache ist, die vorhergeht. (KrV, B 250) Das bedeutet, dass wir das Innere der Dinge durch den reinen Verstand gar nicht erkennen können. Aber die eigentliche Bedeutung dieser bewegenden Kraft scheint klar zu sein: Kant erwartet, dass sich seine These, die synthetischen Urteile gelten a priori, auf das sichere Subjekt stützen können. Folglich meint Kant, dass das Ichbewusstsein alle menschlichen Vorstellungen begleiten können muss, weil "sonst würde etwas in mir vorgestellt werden, was gar nicht gedacht werden könnte, welches eben so viel heißt als: die Vorstellung würde entweder unmöglich, oder wenigstens für mich nichts sein. Diejenige Vorstellung, die vor allem Denken gegeben sein kann, heißt Anschauung. Also hat alles Mannigfaltige der Anschauung eine notwendige Beziehung auf das: Ich denke, in demselben Subjekt, darin dieses Mannigfaltige angetroffen wird. Diese Vorstellung aber ist ein Aktus der Spontaneität, d.i. sie kann nicht als zur Sinnlichkeit gehörig angesehen werden." (KrV, B 132) Aufgrund seiner leidenschaftlichen Überzeugung ist er nun bereit, das Wesen des Menschen als alle Gegenständlichkeit konstituierende Subjektivität zu betrachten, die nicht nur von selbst anfängt, sondern auch in sich selbst den Zweck und das Gesetz hat. Ziel der Freiheit als des Schlusssteins des Systems könnte tatsächlich auf das zurückgehen, was Kant selbst die sittliche Ordnung nennt, wenn er schreibt: "Die Gesetzgebung der menschlichen Vernunft (Philosophie) hat nun zwei Gegenstände, Natur und Freiheit, und enthält also sowohl das Naturgesetz, als auch das Sittengesetz, anfangs in zwei besonderen, zuletzt aber in einem einzigen philosophischen System. Die Philosophie der Natur geht auf alles, was da ist, die der Sitten nur auf das, was da sein soll." (KrV, B 868) Allerdings besagt dies nicht, dass aus dem denkenden Subjekt im theoretischen Sinne das Sittengesetz unmittelbar abzuleiten sei. Dies weist Kant im Paralogismus durch die Kritik am kartesianischen Subjektbegriff auf, der vom identischen Selbst auf die Existenz selbst schließt. Der Ausgangspunkt ist hier nicht die numerische Identität einer Substanz, sondern das zweckorientierte Menschenverständnis, dass der Mensch und überhaupt jedes vernünftige Wesen als Zweck an sich selbst, nicht bloß als Mittel zum beliebigen Gebrauche für diesen oder jenen Willen existiert, sondern in allen seinen sowohl auf sich selbst, als auch auf andere vernünftige Wesen gerichteten Handlungen jederzeit zugleich als Zweck betrachtet werden muss. (KpV, IV, 428) Dadurch lässt sich hier zuerst festhalten, dass die Freiheit ein positiver Begriff ist, der nur mit dem Sittengesetz, aber nicht mit dem Bösen zusammenhängt.

Das Freiheitsproblem als liberum arbitrium, sich für Gut oder Böse entscheiden zu können, hat seinen Ursprung hingegen in Kants Anthropologie und seiner religiösen Weltanschauung, ohne die auch seine Ethik nicht zu denken wäre. Dieser Punkt wird uns große Schwierigkeiten bereiten und in schwierige Debatten verwickeln.

2. Transzendentale Freiheit und Moralphilosophie

Der Mensch als Subjekt der Moralität ist gerade der Endzweck, ihm ist es auferlegt, das moralische Gesetz zu verwirklichen, und alles, worin wir den Endzweck setzen, gründet aufs Moralische. So ist es möglich, die menschliche Freiheit nur als ein Vermögen zum Guten zu bestimmen, ohne das Problem des Bösen einzubeziehen. Aus dieser Argumentation erwächst nun eine Schwierigkeit: Was ist die Bedingung der Möglichkeit dafür, dass ein Wesen überhaupt jenes Vermögen zum guten Willen haben kann, der notwendig und allgemeingültig ist? Diese Frage ist aber nicht mehr eine Frage der Ethik, sondern sie ist eine Frage der Metaphysik, denn sie sucht nach der transzendentalen Wesensbestimmung des Willens, die der kategorische Imperativ aufweist.[21] Das Verlangen nach dem transzendentalen Möglichkeitsgrund der menschlichen Sittlichkeit, das m.E. die Wurzel der ganzen Kantischen Moralphilosophie darstellt, führt Kant dazu, einen neuen Begriff vom Subjekt der Vernunft zu denken, das sich allein aus der praktischen Freiheit des Menschen manifestieren kann. Praktische Freiheit weist aber zunächst nicht auf die Freiheit der moralischen Handlung des Menschen, sondern auf diese menschliche Moralität begründende Instanz hin.[22] Die das moralische Gesetz begründende Freiheit als praktische Tätigkeit setzt also in ihrem Begriff schon das transzendentale Moment voraus, das unabhängig von Naturkausalität von sich aus anfangen kann. Ohne transzendentale Freiheit wäre praktische Freiheit also überhaupt unmöglich. Denn: "Denn diese setzt voraus, daß, obgleich etwas nicht geschehen ist, es doch habe geschehen sollen, und seine Ursache in der Erscheinung also nicht so bestimmend war, daß nicht in unserer Willkür eine Kausalität liege, unabhängig von jenen Naturursachen und selbst wider ihre Gewalt und Einfluss etwas hervorzubringen, was in der Zeitordnung nach empirischen Gesetzen bestimmt ist, mithin eine Reihe von Begebenheiten ganz von selbst anzufangen." (KrV, B 561f.) Die Freiheit überhaupt ist also praktisch, aber sie hat ihren Grund in der transzendentalen Freiheit. Der Übergang von der transzendentalen Freiheit zur Moralphilosophie wird aber in der KrV nicht deutlich entwickelt, er scheint eher unmittelbar zu erfolgen. Im systematischen Beziehungsgeflecht beider Faktoren implizieren einige Textstellen seiner kritischen Schriften sogar widersprüchlichen Aspekte. Diese Problematik hängt sehr eng mit den zwei Arten der Bestimmung der Freiheit zusammen, nämlich einer negativen und einer positiven. Sie sind in der KrV in doppelter Form als die regulative und konstitutive Funktion der Freiheitsidee als solche nebeneinander gestellt, in der KpV aber unvermittelt zusammengestellt worden.

2.1 Antithesis

In der Methodenlehre der KrV stellt Kant der transzendentalen Philosophie als einer Weltweisheit der reinen bloßen spekulativen Vernunft die Moralphilosophie gegenüber, wenn er schreibt: "Die zweite Frage [was soll ich tun?] ist bloß praktisch. Sie kann als eine solche zwar der reinen Vernunft angehören, ist aber alsdenn doch nicht transzendental, sondern moralisch, mithin kann sie unsere Kritik an sich selbst nicht beschäftigen." (KrV, B 833) Grundlage dieser These ist für Kant der Gedanke, dass die Moralphilosophie in sich die Grundsätze und Grundbegriffe enthält, die insgesamt empirischen Ursprungs sind, wie z.B. Lust und Unlust, Begierde und Neigung. (KrV, B 29) Demgegenüber fragt die transzendentale Philosophie als Vernunftkritik nach der Gültigkeit des Wissens, welche die apriorische Dimension allein in der Form der Vernunft selbst sucht. Das bedeutet, dass sie aus sich keine empirischen Begriffe hervorgehen lässt. Ein weiteres Argument für den Ausschluss der Moralphilosophie aus der transzendentalen Philosophie bezieht sich auf die Verbindlichkeit der moralischen Handlung, die Kant in der Rezension zu J. H. Schulz (1783) verteidigt hat. Aus der für Kant philosophisch falschen Spekulation von Schulz würde folgen, dass die Vernunft nicht irren könne, nämlich dass Weisheit und Torheit, Wissenschaft und Unwissenschaftlichkeit gar keine unterschiedliche ontologische Dimension haben, sondern nichts anderes als die graduelle Entwicklung der inneren Kräfte darstellen, welche die Vernunft in ihrer Natur hat. (Schulz, VIII 11) Das heißt, dass die Natur keine andere Absicht habe, als den Zweck der Besserung, wobei moralisch gut und böse nichts anderes als einen höheren oder niedrigern Grad von Vollkommenheit bedeutet. (Schulz, VIII 12) Hier spielt sicherlich die Notwendigkeit der Natur eine große Rolle, die unbedingt gut sein muss. Im Gegensatz zu Schulz behauptet Kant nun, dass der praktische Begriff der Freiheit in der Tat mit dem spekulativen gar nichts zu tun habe, indem er zunächst von der Unbedingtheit der Verbindlichkeit der moralischen Handlung spricht und die Freiheit als eine notwendige praktische Voraussetzung ansieht, unter der man allein Gebote der Vernunft als gültig ansehen kann. (Schulz, VIII 13) In diesen Textstellen geht es für Kant um die Gewissheit der Verbindlichkeit der moralischen Handlung und um ihre Unableitbarkeit aus der transzendentalen Freiheit. Jedoch ist festzustellen, dass dieselbe transzendentale Freiheit als die Instanz der moralischen Gesetzgebung trotz inhaltlicher und formaler Verschiedenheiten durchgehalten ist und diese auch die Anlage des obersten Grundsatzes der praktischen Vernunft als kategorischen Imperativ bestimmt.

Aus diesem Gedankengang Kants entwickelt K. Cramer die These, dass Kants Aussage über die Unvereinbarkeit der Moralphilosophie mit der transzendentalen Freiheit - besonders KrV, B 29 - unhaltbar sei.[23] Neben der transzendental subjektorientierten Analyse der empirischen Kausalität wendet sich K. Cramer vor allem dem Problem des Pflichtbegriffes Kants zu, um zu zeigen, dass die Moralphilosophie mit der Transzendentalphilosophie reibungslos verknüpft werden kann. Grundlegend für sein Argument ist die Unterscheidung zwischen dem nicht auf der apriorischen Dimension beruhenden Pflichtbegriff und dem Grundbegriff einer reinen Moralphilosophie im von Kant geforderten Sinne. Durch diese Unterscheidung behauptet K. Cramer nun, dass der Pflichtbegriff für das Analyseverfahren der GMS und für Kants gesamte Ethik im Sinne des reinen moralischen Gesetz überhaupt keine Rolle spiele.[24] Es wäre aber verfehlt, zu behaupten, dass Kant unabhängig vom Pflichtbewusstsein zur allgemein-verbindlichen moralischen Handlung das reine Moralgesetz aus der transzendentalen Philosophie beweisen wollte. Denn für Kant gäbe es kein Moralgesetz außer dem Pflichtbegriff als kategorischem Imperativ. Vielmehr wäre bei den Textstellen in der Einleitung der KrV und in der Rezension der Vollzug der transzendentalen Freiheit als unbedingter Selbsttätigkeit nicht ganz erwogen.[25] Bereits im §53 der Prolegomena (1783) versucht Kant also ein zusammenhängendes Verhältnis zu rekonstruieren, in dem die Freiheit überhaupt als das Vermögen bezeichnet wird, das "nicht blos mit seinen subjectiv bestimmenden Gründen, welche die Naturursachen seiner Handlungen sind, in Verknüpfung steht und so fern das Vermögen eines Wesens ist, das selbst zu den Erscheinungen gehört, sondern auch auf objective Gründe, die blos Ideen sind, bezogen wird, so fern sie dieses Vermögen bestimmen können, welche Verknüpfung durch Sollen ausgedrückt wird. Dieses Vermögen heißt Vernunft." (Prolegomena, IV 344f.) Solange die Freiheit als das transzendental konzipierte Vermögen des vernünftigen Subjekts verstanden wird, liegt sie also nicht nur dem Naturgesetz der Erscheinungen zum Grund, sondern auch der Freiheit des praktischen Vernunftgebrauchs, der mit Dingen an sich selbst, als bestimmenden Gründen, in Verbindung steht. (Prolegomena, IV 346) Diesbezüglich scheint auch Allisons These plausibel zu sein, dass die Zweideutigkeit Kants in Ansehung des Verhältnisses von transzendentaler und praktischer Freiheit grundsätzlich auf der Ungewissheit der praktischen Freiheit beruhe.[26] Trotz dieser schwankenden theoretischen Stellungnahme aber intendiert Kant letztlich von der transzendentalen Freiheit als das Vermögen zur Gesetzgebung her die Bedeutung der praktischen Freiheit.

2.2 Thesis

Der Begriff der Freiheit, so Kant in der Vorrede der KpV, bildet nun "den Schlussstein des ganzen Gebäudes eines Systems"[27] der reinen, selbst der spekulativen Vernunft aus. In der KrV versteht Kant unter einem System die Einheit der mannigfaltigen Erkenntnisse unter einer Idee. Diese Idee ist der Vernunftbegriff von der Form des Ganzen, sofern durch denselben sowohl der Umfang des Mannigfaltigen, als auch die Stellung der Teile untereinander, a priori bestimmt wird. (KrV, B 861) Das System wird bestimmt als das Seinsgefüge selbst,[28] das es ermöglicht, alle Elemente und Momente eines bestimmten Seinsganzen in einem notwendigen Zusammenhang zu denken, d.h. sie also aus einem einzigen Prinzip abzuleiten. Insofern Vernunft aber ihrem Wesen nach darauf abzielt, sei sie theoretisch oder praktisch, alles zu erkennen und es in einen bestimmten, ihr sinnvoll erscheinenden Zusammenhang zu bringen, ist sie mit Notwendigkeit systembildend. Zur Deutung dieses unvermeidlichen Strebens der Vernunft zum System zieht Kant die Begriffe heran, mit deren Hilfe er im Bereich des Erkenntnisvermögens das unmittelbare Wissen beschrieben hat. Er beruft sich auf die Ideen als das unvermeidliche Bedürfnis der menschlichen Vernunft. Wesentlicher noch ist, dass Kant dabei ein epochenmachendes Beispiel liefert, indem er angibt, dass die reine Vernunft nicht Teil des Systems sei, sondern sogar die Idee desselben allererst entwirft und prüft (KdU, H 1). Er kann dies zur Geltung bringen, weil nach seiner Auffassung die Idee als das Produkt der Vernunft nichts anders ist als das mit sich selbst Beschäftigtsein der Vernunft.[29] Darum ist die Tätigkeit der reinen Vernunft, die diese Idee hervorgehen lässt, für Krings die Manifestation der Freiheit:[30] Das Interesse der praktischen Vernunft, welche die transzendentale Freiheit zum Inbegriff hat, bestrebt sich nun um die Vollständigkeit der Freiheit, nämlich um das System. Sie verschafft sich durch das Sittengesetz die Realität der Freiheit und mit ihr wird sogar das Gesetz einer intelligiblen Welt dargelegt, worauf die spekulative Vernunft nur hinweisen, dessen Begriff aber nicht bestimmen konnte. Durch den Begriff der Freiheit, dessen Realität durch das Sittengesetz bewiesen ist, bekommen für Kant also die beiden anderen Vernunftideen, d.h. die von Gott und Unsterblichkeit, die als bloße Ideen in der spekulativen Vernunft ohne Wirklichkeit blieben, objektive Realität, d.h. die Möglichkeit derselben wird durch die Idee der Freiheit, dass Freiheit wirklich ist, bewiesen. (KpV, V 3f.) Im praktischen Gebrauch ist nun die Idee der Freiheit konstitutiv. Sie richtet sich auf einen Zweck, der gut sein muss, worin H.J. Paton zurecht die Wurzel von Kants und auch fast der ganzen westlichen Moralphilosophie sieht.[31] Was Freiheit in ihrem Wesen und in ihrer Wirklichkeit nun ist, wird in Kants Verständnis entscheidend durch den Begriff des Guten bestimmt.[32] Denn Freiheit als die absolute spontane Aktivität des Subjekts ist geprägt durch die Grundzüge der praktischen Vernunft, nämlich des Willens,[33] der als Selbstgesetzgebung, Autonomie zum Inbegriff hat. Darum ist das Gute Ziel und Endgestalt der Freiheit. In dem Maße, in dem sich klären lässt, was das Gute ist, wird auch sichtbar, was die erfüllte Gestalt der Freiheit ist. Diese Freiheit als sich im Guten schlechthin verwirklichende Existenz wird nun als etwas begriffen, das ursprünglicher ist als alle anderen Begriffe, die für das moralischen Handeln auch in den Vordergrund rücken könnten: "[...] alle andere Begriffe (die von Gott und Unsterblichkeit), welche, als bloße Ideen, in dieser ohne Haltung bleiben, schließen sich nun an ihn an, und bekommen mit ihm und durch ihn Bestand und objektive Realität, d.i. die Möglichkeit derselben wird dadurch bewiesen, daß Freiheit wirklich ist." (KpV, V 3f.) Darüber hinaus ist Freiheit aber auch die einzige Idee der spekulativen Vernunft, um deren Möglichkeit wir a priori wissen, aber ohne sie doch einzusehen, weil sie die Bedingung des moralischen Gesetzes ist, welches wir wissen. (KpV, V 4)

[...]


[1] In seinem Brief vom 7.6.1793 schreibt er: "Dagegen hat aber auch Kant seinen philosophischen Mantel, nachdem er ein langes Menschenleben gebraucht hat, ihn von mancherlei sudelhaften Vorurteilen zu reinigen, freventlich mit dem Schandefleck des radikalen Bösen beschlabbert, damit doch auch Christen herbeigelockt werden, den Saum zu küssen." In: Goethe-Briefe, ed. Stein, Berlin 1924 Bd. IV, 37

[2] Diese Differenz bildet aber für Schweizer kein systemsprengendes Moment, sondern stellt einen entscheidenden Entwicklungsschritt dar. Er versteht diese Entwicklung als Folge der sich immer weiter vertiefenden Auffassung des Sittengesetzes bei Kant. (vgl. A. Schweizer: Die Religionsphilosophie Kants von der Kritik der reinen Vernunft bis zur Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft. Hildesheim/Zürich/New York 1990, 325) Eine Forschungsübersicht bietet der Aufsatz von K. Konhardt: Die Unbegreiflichkeit der Freiheit, in: ZpF Bd. 42 1988, 398.

[3] RGV, VI 39ff. In dieser Schrift ist Kant offenbar davon überzeugt, dass die Ursache des moralischen Bösen des Menschen nicht einen zeitlichen Ursprung als Naturwirkung hat, sondern nur in dem Vernunftursprung des Menschen als ein frei handelndes Wesen zu suchen sei.

Kants Schriften werden nach der Ausgabe der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 1902ff., unter Angabe von Bandzahl in römischen und Seitenzahl in arabischen Ziffern zitiert, mit Ausnahme der KrV, die nach der Seitenzählung der 1.(A) und 2.(B) Auflage zitiert wird.

[4] Vgl. G. Prauss: Kant über Freiheit als Autonomie. F.a.M. 1983, 99.

[5] Vgl. C. Schulte: Radikal Böse. Die Karriere des Bösen von Kant bis Nietzsche. München 1988, 53.

[6] Vgl. C. Schulte: Radikal Böse, a.a.O., 55.

[7] Vgl. H. Meyer: Kants transzendentale Freiheitslehre. Freiburg/München 1996, 56.

[8] Vgl. H. Meyer: Kants transzendentale Freiheitslehre, a.a.O., 57.

[9] Ebd., 173.

[10] Ebd., 162.

[11] Vgl. H. Krings: System und Freiheit. Freiburg/München 1980, 34.

[12] Ebd., 38.

[13] Zum Verhältnis zwischen kritischer Philosophie und transzendentaler Philosophie innerhalb der drei Kritiken siehe KrV, B 27ff. und auch B 829.

[14] Kant schreibt in der Einleitung der MST: "Die Rechtslehre hatte es blos mit der formalen Bedingung der äußeren Freiheit (durch die Zusammenstimmung mit sich selbst, wenn ihre Maxime zum allgemeinen Gesetz gemacht wurde), d.i. mit dem Recht, zu thun. Die Ethik dagegen giebt noch eine Materie (einen Gegenstand der freien Willkür), einen Zweck der reinen Vernunft, der zugleich als objectiv-nothwendiger Zweck, d.i. für den Menschen als Pflicht, vorgestellt wird, an die Hand." (MST, VI 380) Im Rahmen der Zweckvorstellung spricht Kant nun von der moralischen Beschaffenheit des Menschen, nämlich dem moralischen Gefühl, dem Gewissen, der Liebe zum Nächsten und der Achtung für sich selbst. Sie gehören nicht zu einem Teil der Tugend, sondern sollen für Kant als das sie überhaupt ermöglichende Fundament fungieren. Denn "sie liegen als subjective Bedingungen der Empfänglichkeit für den Pflichtbegriff, nicht als objective Bedingungen der Moralität zum Grunde. Sie sind insgesammt ästhetisch und vorhergehende, aber natürliche Gemüthsanlagen (praedispositio) durch Pflichtbegriffe afficirt zu werden; welche Anlagen zu haben nicht als Pflicht angesehen werden kann, sondern die jeder Mensch hat und kraft deren er verpflichtet werden kann." (MST, VI 399)

[15] H.E. Allison: Kant’s theory of freedom. Cambridge University press 1990, 147.

[16] ebd., 146-161.

[17] Die Aufgabe der Philosophie als der Gesetzgebung der Vernunft selbst wird deswegen von Kant nach zwei verschiedenen Prinzipien eingeteilt: in die theoretische als Naturphilosophie und die praktische als Moralphilosophie. (KdU, V 171.)

[18] Hierfür sei H. Meyer angeführt, der schreibt, "Nicht die ursprüngliche Praktizität der Vernunft wird als transzendentale Freiheit reflektiert, sondern letztere wird lediglich für eine praktische Vernunft in Anspruch genommen, der es allein um die Begründung von Moralität zu tun ist." (vgl. H. Meyer: Kants transzendentale Freiheitslehre. Freiburg/München 1996, 57)

[19] Vgl. W. Schweidler: Das Unantastbare. Beiträge zur Philosophie der Menschenrechte. Münster 2002, 43. Er hält diese Artikulation und Selbstrepräsentation der Vernunft als Freiheit für ihre reale Verankerung, die sich im Handeln eines realen Menschen nach dem Grundsatz darstellt, der die Perspektive aller anderen vernünftigen Wesen zum Prinzip hat. Er versucht die Ermöglichung der realen Verankerung als Funktion zu beschreiben, durch welche die Denkleistung der theoretischen Philosophie mit der wirklichen Welt verbunden ist.

[20] Vgl. C. Taylor: Quellen des Selbst. Die Entstehung der neuzeitlichen Identität. F.a.M. 1999, 25.

[21] Vgl. G. Picht: Kants Religionsphilosophie, a.a.O., 523.

[22] Vgl. H. Krings: System und Freiheit, a.a.O., 53.

[23] Vgl. K. Cramer: Kants Bestimmung des Verhältnisses von Transzendentalphilosophie und Moralphilosophie in den Einleitungen in die KrV. In: Architektonik und System in der Philosophie Kants. Hrsg. v. H.F. Fulda und J. Stolzenberg. Hamburg 2001, 273-286, 285.

[24] Ebd., 280f.

[25] Zum Vollzug der transzendentalen Freiheit als Unbedingtheit vgl. H. Meyer: Kants transzendentale Freiheitslehre, a.a.O.

[26] Vgl. H. E. Allison: Kant's Theory of freedom, a.a.O., 54-70.

[27] Das Besondere der Freiheitsidee im praktischen Gebrauch ist aber, dass durch diese eine mit der praktischen, moralischen Gesetzgebung ausgestattete Zweckwelt konstituiert wird. (vgl. I. Kant : KdU, V 521; vgl. auch. H. J. Paton : Der kategorische Imperativ. Eine Untersuchung über Kants Moralphilosophie. Berlin 1962, 125f.; auch L.W. Beck: Kants Kritik der praktischen Vernunft, a.a.O., 57ff.) Konsequent weitergedacht wird der Mensch als das einzige moralische Wesen zum Zweck der Schöpfung. (KdU, V 569) Solange er von der Idee der Vernunft geführt wird, wird ihm die Aufgabe zugeschrieben, das praktische System herauszubilden. In diesem Sinne ist die menschliche Fähigkeit, sowohl das theoretische als auch praktische System konstituieren zu können, Krings Beschreibung nach, nichts anderes als eine Manifestation der Freiheit: Freisein bedeutet aus eigener Kraft der Vernunft eine ganze Welt hervorgehen zu lassen, die nicht auf Naturprozesse zurückführbar ist und die der Mensch darum in besonderer Weise als sein Werk betrachtet. (vgl. H. Krings: System und Freiheit, a.a.O., bes. 18ff.)

[28] Vgl. dazu: M. Heidegger: Schelling, Vom Wesen der menschlichen Freiheit (1809). F a. M. 1971, 55; bes. zur Ursprungsbedeutung des Systems, 45; zu Kants Systemverständnis, bes. 61-73.

[29] Vgl. H. Krings: System und Freiheit, a.a.O., bes. 18ff.

[30] Ebd., 19. Aus diesem Grund fährt er fort: Das System ist ein Produkt der Freiheit, und zwar jenes, durch das sie die Bedingung ihrer Existenz setzt. System und Freiheit schließen sich für den transzendentalen Ansatz nicht aus, sondern stehen im Verhältnis von Setzendem und Gesetztem zueinander. (23)

[31] Vgl. H. J. Paton: Der kategorische Imperativ, a.a.O., 126.

[32] Vgl. zum Zusammenhang von Ontologie und Ethik: D. Henrich, Der Begriff der sittlichen Einsicht und Kants Lehre vom Faktum der Vernunft. In: Kant. Zur Deutung seiner Theorie von Erkennen und Handeln. Hrsg. v. G. Prauss. Köln 1973, 223-228.

[33] Kant identifiziert den Willen mit der praktischen Vernunft. (vgl. dazu: L.W. Beck: Kants Kritik der praktischen Vernunft, a.a.O., 49f.)

Ende der Leseprobe aus 97 Seiten

Details

Titel
Die Freiheit und das Böse bei Kant
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Note
Gut
Autor
Jahr
2004
Seiten
97
Katalognummer
V29143
ISBN (eBook)
9783638307338
ISBN (Buch)
9783638702935
Dateigröße
859 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Das Problem, mit dem ich mich hier beschäftigen will, ist in Kants Wesensbestimmung des Menschen als freies Wesens die Dissoziation aufzugreifen, denn das Freiheitsgeschehen impliziert für ihn nicht nur die Möglichkeit des Guten, sondern auch die des Bösen.
Schlagworte
Freiheit, Böse, Kant, Thema Kant
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Jong Yop Kim (Autor:in), 2004, Die Freiheit und das Böse bei Kant, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29143

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