Dementsprechend gilt es, die Auswirkungen gesellschaftlicher Deregulierungen und Beschleunigungen auf das Soziale und das Individuum herauszuarbeiten; dazu werde ich Thesen gegenwärtiger Soziologie heranziehen. Sie geben Auskunft über Charakteristika heutiger Gesellschaft, wie diese sich auf die Befindlichkeit des Individuums auswirkt, und sie versuchen die Entwicklung von Individualität zu prognostizieren. Allerdings benutzen die einzelnen soziologischen Texte unterschiedliche Begriffe, um die Befindlichkeit unserer Gegenwart zu benennen: Post-, Spät- oder Übermoderne sind nur einige von ihnen. Um im weiteren Verlauf keine Unklarheiten zu verursachen, werde ich im Abschnitt 2 zum Problem der zeitlichen Zuordnung Stellung nehmen. Erst mit dieser Klärung ist es möglich die Eigenart herauszuarbeiten, ein Individuum in heutiger – westindustrieller – Gesellschaft zu sein. Dabei geht es um die soziologischen Beobachtungen eines elementaren Wandels von Individualität und der damit verbundenen Problemfelder des Einzeldaseins. Anschließend stelle ich eine Verbindung her zwischen dem soziologischen und dem dramatischen Diskurs. Beide versuchen durch das Allgemeine das Konkrete zu fassen, in dem sie Phänomene des Einzeldaseins typologisieren. Mit Hilfe der besonders fruchtbaren Vorarbeit des Soziologen Zygmunt Bauman und eigener Typenentwürfe, verdeutliche ich, wie aktuelle Theaterautoren Ausprägungen des Individuellen wahrnehmen. Die theatralen Figuren werden sich auf die dramatischen Texte von Dea Loher, Jon Fosse, Mark Ravenhill und Botho Strauß beschränken. Alle vier Autoren leben, schreiben und beziehen sich auf genau jene Gesellschaft, deren Zustand ich beschreibe. Ihre Relevanz kennzeichnet sich dadurch, dass sie auf den Bühnen durchaus präsent sind und ihre Texte diskutiert werden. Und schließlich äußern sie sich auf eine Art und Weise, die für den hiesigen Kontext sehr nachvollziehbar und für meinen Ansatz besonders gut anwendbar ist. Der Schlussteil der Arbeit wird die Arbeitsergebnisse kurz zusammenfassen und zurückführen auf die hier formulierten Fragen zu den Spielarten von Individualität. Dort wird es auch darum gehen, inwiefern die Ansätze der Gesellschaftswissenschaft und der Dramatik vergleichbare Deutungen anbieten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Theater als Membran gesellschaftlicher Phänomene
- Zur Vorgehensweise der Arbeit
- Begriffserklärungen: Moderne/Postmoderne
- Merkmale heutiger Gesellschaft
- Individualisierung
- Die Ehe. Ein veraltetes System?
- Paralyse durch Wahlüberangebot
- Die Kehrseite des erfolgreichen Lebens: das Problem von Sucht und Abhängigkeit
- Vom Identitätswechsel zur Identitätskrise
- Orientierungsproblematik
- Religionssubstitution
- Konsum
- Der gefühlesammelnde Konsument
- Liebe
- Wertewandel: Von der Stabilität zur Mobilität
- Aspekte der Singlegesellschaft
- Von der Gesellschaft zur Dramatik
- Typologisierung des Individuums. Problematik von Typen
- Baumans Typen
- Mobilität und Involviertsein als Kategorien der Typisierung
- Eine Entwicklung: vom Pilger zum postmodernen Typ
- Drei postmoderne Typen
- Tourist
- Vagabund
- Flaneur
- Entwicklung weiterer Typen
- Die glücklichen Single: Pioniere der Spätmoderne?
- Die gelangweilten Spaßtypen
- Der konsumgesteuerte Typ
- Die reflektierten Orientierungslosen
- Die Einsamen: Verlierer der Spätmoderne?
- Fosses Typen, die Paralysierten
- Schlussteil
- Anything goes?
- Zwei Diskurse, eine Ansicht
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Spielarten der Individualität in der zeitgenössischen Dramatik. Sie zielt darauf ab, die Auswirkungen gesellschaftlicher Veränderungen und Deregulierungen auf das Soziale und das Individuum zu beleuchten. Dabei werden Thesen aus der gegenwärtigen Soziologie herangezogen, die Charakteristika der heutigen Gesellschaft, ihre Auswirkungen auf die Befindlichkeit des Individuums und die Entwicklung von Individualität prognostizieren.
- Das Verhältnis von Theater und Gesellschaft und die Funktion des Theaters als Reflexionsfläche gesellschaftlicher Phänomene
- Die Merkmale der modernen Gesellschaft, wie Individualisierung, Identitätskrise und Orientierungsproblematik
- Typologisierung von Individuen in der zeitgenössischen Dramatik und deren Vergleich mit soziologischen Beobachtungen
- Die Auswirkungen von gesellschaftlichen Veränderungen auf das Individuum in der Spätmoderne
- Die Darstellung von Individualität in ausgewählten Werken zeitgenössischer Dramatik
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt den Zusammenhang zwischen Theater und Gesellschaft her und beleuchtet die gesellschaftlichen Veränderungen, die sich auf das Individuum auswirken. Sie führt den Fokus auf die Spielarten der Individualität in der zeitgenössischen Dramatik und auf die Verwendung soziologischer Thesen für die Analyse.
- Begriffserklärungen: Moderne/Postmoderne: Dieses Kapitel definiert die Begriffe "Moderne" und "Postmoderne" und setzt sie in den Kontext der gesellschaftlichen Veränderungen.
- Merkmale heutiger Gesellschaft: Dieses Kapitel analysiert wichtige Merkmale der heutigen Gesellschaft, wie Individualisierung, Identitätskrise, Orientierungsproblematik und Aspekte der Singlegesellschaft.
- Von der Gesellschaft zur Dramatik: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Typologisierung des Individuums in der zeitgenössischen Dramatik und stellt verschiedene Typen vor, die von soziologischen Beobachtern beschrieben werden.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Individualität, Gesellschaft, Dramatik, Postmoderne, Spätmoderne, Typologisierung, Orientierung, Identitätskrise, Konsum und Singlegesellschaft. Sie analysiert die Spielarten der Individualität in der zeitgenössischen Dramatik und setzt diese in Beziehung zu soziologischen Thesen und Beobachtungen.
- Quote paper
- M.A. Caroline Buyken (Author), 2002, Spielarten der Individualität in der zeitgenössischen Dramatik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29276