Arbeit und Müßiggang in der romantischen Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts" von Joseph von Eichendorff


Hausarbeit, 2014

18 Seiten


Leseprobe

INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1 Darstellung der Romantiker
2.2 Darstellung der Philister

3. Schluss

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ von Joseph von Eichendorff entstand in den Jahren 1822/23 in Danzig[1], wurde jedoch erst 1826 veröffentlicht.

Eichendorff beschreibt darin das Leben eines jungen Mannes, der durch seine Umwelt zum Taugenichts abgestempelt wird und sich durch sein Verhalten und seine Lebensauffassung von der Gruppe der Philister abhebt. „[Sein] Werk [weist] von seiner Entwicklung her auf den Beginn der bürgerlichen Gesellschaft [hin], deren Entstehung und Ausprägung es begleitet,...“[2]

„Joseph von Eichendorff wehrt sich zeitlebens erbittert, von der Welt der Philister verschlungen zu werden. Aufgewachsen in einer traumhaften Idylle, führt er als tüchtiger Beamter und musterhafter Familienvater ein Leben, das von drückenden Pflichten und bürokratischer Starrheit nicht frei ist.“[3]

Die Novelle thematisiert so auch Eichendorffs eigenen Kampf mit der bürgerlichen Welt und seine eigenen Erlebnisse spiegeln sich darin wider. [4] Er war in seinem Leben immer Widersprüchen ausgesetzt: Seine Zeit im preußischen Staatdienst kontrastierte mit „seinen dichterischen Intentionen.“ [5] Ihm war diese Welt, in der alles auf Profit und Nutzen bedacht ist, ein Dorn im Auge und er stellte ihr seine „Sehnsucht [...] in die Weite, in ein sorgloses Leben des zwecklosen Betrachtens und des heiteren Anschauens.“[6] gegenüber. So schickt er seinen Taugenichts, die Hauptfigur in der romantischen Novelle, auf die Reise, in welcher dieser mit den bürgerlichen Normen zu kämpfen hat, jedoch am Ende nicht als Sieger, aber als seine Wünsche erfüllender und seiner Lebensauffassung treu bleibender Held hervorgeht. „Nicht um Kunst geht es bei Eichendorff in erster Linie, sondern um Leben überhaupt, um den einzelnen, seine Freiheit, seinen Platz im größeren Ganzen der Gesellschaft in ihrer geschichtlichen Entwicklung.“[7]

Eichendorff teilt seine Figurenwelt im „Taugenichts“ in zwei Gruppen ein:

Zum einen in die der „trägen Philister“, welche „kleinmütig“ und bequem das Haus und die Familie an erster Stelle sehen und zum anderen in die der „jugendlich-naiven Märchenhelden“[8].

In der vorliegenden Hausarbeit soll die Fragestellung erörtert werden, wie Eichendorff in seiner Novelle den Müßiggang besonders durch die Figur des Taugenichts charakterisiert und wie er im Gegensatz dazu die Spießbürgerlichkeit oder Philisterhaftigkeit durch die arbeitende Gesellschaft darstellt. Dabei soll erklärt werden, inwiefern Eichendorff die beiden Aspekte „Arbeit“ und „Müßiggang“ in seiner Novelle verarbeitet.

Um diese Frage zu klären, wird im Folgenden zunächst auf die Darstellung des Taugenichts eingegangen, um genauer darzustellen, was Eichendorff unter Müßiggang versteht. Daraufhin sollen die Philister beschrieben werden, zu deren Gruppe in der Novelle mehrere Personen gehören. Im Zuge dessen werden Vergleiche der beiden Gruppen vorgenommen, die am Schluss in einem Fazit zusammengefasst werden.

2. Hauptteil

2.1 Darstellung der Romantiker

Die Handlung der Novelle lässt sich in unterschiedliche Abschnitte gliedern. Zum besseren Verständnis soll chronologisch vorgegangen werden.

Zu Beginn der Handlung befindet sich der Taugenichts noch in der Mühle seines Vaters. Dort sitzt er in der Sonne und genießt das Leben, wobei er eigentlich dem Vater bei der Arbeit helfen müsste. Dieser registriert den faulen Sohn und ermahnt ihn sogleich: „Du Taugenichts! da sonnst du dich schon wieder und dehnst und reckst dir die Knochen müde, und lässt mich alle Arbeit allein tun.“[9]

Im Anschluss wirft der Vater den seiner Meinung nach nutzlosen Sohn hinaus und überlässt ihn der großen, weiten Welt. Dieser nimmt „sowohl die Bezeichnung unbefragt an [...] als auch den Hinauswurf durch den Vater.“[10] Er widersetzt sich nicht und äußert sich lediglich dahingehend, dass es ihm schon vor längerer Zeit in den Sinn gekommen sei, auf eine Reise zu gehen.[11] So steht sein Entschluss fest, „zu nichts zu taugen und in die Welt hinauszugehen.“

Bereits zu Anfang wird also deutlich, dass der Taugenichts eine völlig andere Lebensauffassung hat, als sein Vater. Er lässt sich lieber freiwillig aus der elterlichen Wohnung hinauswerfen, anstatt bei der anfallenden Arbeit mitzuhelfen. „Der Taugenichts verweigert sich also zunächst einmal dieser Arbeitswelt, und da er als Müßiggänger nicht geduldet wird, wird er elixiert.“[12]

Als er auf dem Weg und im Begriff ist, sein Dorf zu verlassen, sieht er seine „alten Bekannten und Kameraden rechts und links“ bei der Arbeit und verabschiedet sich von diesen, wobei sich keiner darum kümmerte.[13] Auch erfreut sich der Taugenichts daran, dass alle anderen arbeiten, während er sich auf eine Reise begibt. Damit distanziert er sich bereits am Anfang von vorgegebenen Verhaltensmustern.[14] Mit einem „ewige[n] Sonntag im Gemüte“ spielt er ein Lied auf der Geige und vertraut im Folgenden ganz auf Gott: „Den lieben Gott lass ich nur walten“[15].

Seine gute Laune wird noch besser, als er unterwegs einem Reisewagen begegnet, welcher mit zwei Damen besetzt ist, die ihn sogleich in Richtung W. mitnehmen. Auf dem Reisewagen tanzt er vor Freude, weil „Dörfer, Schlösser und Berge“, „Saaten, Büsche und Wiesen bunt [an ihm] vorüberfliegen[...]“.[16] [D]er jugendliche Enthusiasmus zu Aufbruch und Wanderschaft sind Antworten des Naturgemüts auf das Grüßen und Rufen der Natur, auf das Rauschen der Bäume, auf das Zwitschern der Vögel, auf das Funkeln der Sonnenstrahlen.“[17] Das Wander- und Reisemotiv zieht sich durch die gesamte Novelle. Es stellt ein wichtiges „Unterscheidungskriterium zu den seßhaften Philistern dar, auf die der Taugenichts im Sinne der romantischen Tradition stolz herabsieht.“ Wandern ist für den Taugenichts die „Metapher für das Menschsein überhaupt“[18].

Trotz all dem fällt es ihm sehr schwer, die Heimat zu vergessen: „da fiel mir erst wieder mein Dorf ein und mein Vater und unsere Mühle, [...], und dass nun alles so weit, weit hinter mir lag. Mir war dabei so kurios zumute, als müsst ich wieder umkehren;“[19].

Auf dem Schloss angekommen „kristallisiert sich heraus, „daß die Gestalt [des Taugenichts] beim Nähertreten eigentümlich zu flimmern beginnt.“[20]

Zunächst bekommt er einen Job als Gärtner angeboten, den er sogleich annimmt. Dies sichert ihm ein tägliches „warmes Essen“ und genug Geld, um über die Runden zu kommen.[21] Obgleich er von sich selbst behauptet, viel zu arbeiten, raucht er seine Pfeife, legt sich in die schwüle Nachmittagssonne und träumt von der schönen Dame, die zu Anfang mit im Reisewagen saß.

„Der Taugenichts ist auch Künstler“, aber „weniger aufgrund seiner musikalischen Fähigkeiten“, „als vielmehr aufgrund der Tatsache, daß er liebt...“[22]. Die augenscheinliche Gräfin Aurelie, die in Wahrheit die „verwaiste Nichte des Portiers“ ist, „steht [aufgrund dessen] mit dem Taugenichts auf einer gesellschaftlichen Stufe“ und „mit [ihrem] keuschen und passiven Verhalten den Burschen gegenüber in Kontrast zu dem heiratslustigen Bauernmädchen, der schnippischen Kammerjungfer und der frivolen Gräfin.“[23]

Anstatt zu arbeiten, schwärmt er von seiner „Gräfin“, pflückt ihr Blumen oder singt für sie. „Seine romantische Liebe macht den Taugenichts gegen alles philisterhafte gefeit; allen Versuchen gegenüber, ihn in einem philisterhaften Lebensbezirk zu domestizieren, bleibt der Taugenichts heiter-überlegen, wodurch er an Liebeswürdigkeit gewinnt.“[24]

Um sie seiner Geliebten zu schenken, pflanzt er in dem kleinen angrenzenden Garten Blumen an. Er „[wirft] aus seinem Garten alles nützliche Gemüse hinaus[...] und [pflanzt] stattdessen nur schöne Blumen...“[25]. Seine romantische, nicht auf Nutzen bedachte Lebensauffassung und Weltsicht wird damit sehr deutlich.

Als der Taugenichts in seinem Kahn auf dem Wasser schaukelt, „kommt ein heller lichter Haufen von jungen Herren und Damen vom Schlosse über die Wiese“[26]. Er fährt sie ans andere Ufer und lässt sich überreden, ihnen währenddessen ein Lied vorzusingen.

„Doch die Differenz zwischen dieser Gesellschaft und dem Taugenichts enthüllt sich nach dem Vortrag des Liedes, wenn der Sänger [...] einsam zurückbleibt. Mit der Einsamkeit des Taugenichts kennzeichnet Eichendorff die Ablehnung bürgerlichen Lebens, jedoch ebenso die strikte Distanz zur alten ständischen Gesellschaft...“[27].

Er fühlt sich in dieser Welt nicht wohl und isoliert von Seinesgleichen. Auch fühlt er sich von der schönen Dame verlassen: „ich warf mich in das Gras hin und weinte bitterlich.“[28]

Der Taugenichts ist einerseits von Fernweh, andererseits von Heimweh geplagt. So vermisst er die „heimatliche Mühle“ ebenso wie das „Schloß als Ort der Geborgenheit“, nachdem er es verlässt, ist aber trotzdem nicht in der Lage, an einem Ort sesshaft zu bleiben.[29] Seine melancholischen Anfälle kommen dadurch, dass er ständig das Gefühl hat, am falschen Ort zu sein. „Mir ist’s nirgends recht. Es ist, als wäre ich überall eben zu spät gekommen, als hätte die ganze Welt gar nicht auf mich gerechnet.“[30] Seine Stimmungswechsel und die Widersprüchlichkeit in seiner Natur machen dem Taugenichts schwer zu schaffen; er leidet sehr darunter.[31]

Gesellschaftlich steigt er kurze Zeit später auf und wird Zolleinnehmer am Schloss, was die philisterhafte Lebensweise schlechthin darstellt. Zu seiner Ausrüstung gehören „ein prächtige[r] rote[r] Schlafrock mit gelben Punkten, grüne Pantoffeln, eine Schlafmütze und einige Pfeifen mitlangen Röhren.“[32] Die Schlafmütze kennzeichnet nach Bormann „den Schlaf des Geistes, den Eichendorff als Unwißenheit in göttlichen Dingen bestimmt [...]“[33]. So muss der Taugenichts aufpassen, dass er sich nicht zu sehr an diese Attribute gewöhnt und sie schnell wieder los wird.

Durch das Einnehmerdasein nimmt er Züge eines Philisters an. Anstatt sich jedoch seiner Arbeit zu widmen, träumt er wiederum lieber vor sich hin und genießt die Natur. Seine Situation gefällt ihm so gut, dass er „die Vorteile einer gesicherten Existenz“[34] reflektiert. Er ist „ständig von der Versuchung umstellt, in einem Leben der praktischen Nützlichkeit zu versinken.“[35] und seine Bequemlichkeit reizt ihn, nichts dagegen zu unternehmen. „Der Entschluß, Geld zu sparen und etwas Großes zu werden, ist [jedoch] ebenso schnell gefaßt wie vergessen. Seinem Leichtsinn entspricht ein Defizit an Strebsamkeit und beharrlichem Fleiß.“[36]

Im weiteren Verlauf überkommt ihn immer mehr „verzweifelte Langeweile, die der Taugenichts empfindet, weil er kein Denker ist, sondern ein einfältiger Charakter, aber auch kein Bürger, sondern ein romantischer Held...“[37].

Er verbringt seinen Tag nur damit, Pfeife zu rauchen auf seiner Bank zu sitzen und den vorbeikommenden Menschen auf der Straße zuzuschauen.

[...]


[1] Karl Brinkmann / Gerd Eversberg: Erläuterungen zu Eichendorffs Aus dem Leben eines Taugenichts. Hollfeld 1984, S. 9.

[2] Hermann Korte: Das Ende der Morgenröte. Eichendorffs bürgerliche Welt, Frankfurt am Main u.a. 1987, S. 16.

[3] Peter Leiser/ Martin Thunich: Joseph von Eichendorff, Aus dem Leben eines Taugenichts: Interpretation und unterrichtspraktische Vorschläge. Hollfeld 1985, S. 66.

[4] Brinkmann, S. 11.

[5] Walter Zimorski: Eichendorffs ‚Taugenichts’ – Eine Apologie des Anti-Philisters?, in: Aurora 39 (1979), S. 164.

[6] Brinkmann, S. 12.

[7] Gerhard Schulz: „Die Zeit fliegt heut entsetzlich.“ Der Erzähler in der Geschichte, in: Eichendorffs Modernität, hrsg. Von Michael Kessler und Helmut Koopmann, Tübingen 1989, S. 161

[8] Zimorski, S. 163.

[9] Hartwig Schulz (Hrsg.): Joseph von Eichendorff. Aus dem Leben eines Taugenichts. Stuttgart 2001. Philipp Reclam jun. GmbH Co; S. 5.

[10] Leonhard Fuest: Poetik des Nicht(s)tuns: Verweigerungsstrategien in der Literatur seit 1800. Paderborn 2008, S. 60.

[11] Schultz, S. 5.

[12] Fuest, S. 60/61.

[13] Schultz, S. 5.

[14] Brinkmann, S. 14.

[15] Schultz, S. 5.

[16] Schultz, S. 7.

[17] Zimorski, S. 165.

[18] Leiser/Thunich, S. 50.

[19] Schultz, S. 7.

[20] Leiser/Thunich, S. 47.

[21] Schultz, S. 8.

[22] Leiser/Thunich, S. 51.

[23] Leiser /Thunich, S. 54f.

[24] Zimorski, S. 166.

[25] Fuest, S. 64.

[26] Schultz, S. 12.

[27] Franz Xaver Ries: Zeitkritik bei Joseph von Eichendorff, Berlin 1997, S. 140.

[28] Schultz, S. 14.

[29] Leiser/Thunich, S. 49.

[30] Schultz, S. 22.

[31] Zimorski, S. 171.

[32] Schultz, S. 15.

[33] Alexander von Bormann: Philister und Taugenichts. Zur Tragweite des romantischen Antikapitalismus, in: Aurora 30/31 (1970/1971), S. 99

[34] Leiser/Thunich, S. 50.

[35] Leiser/Thunich, S. 67.

[36] Leiser/Thunich, S. 49.

[37] Fuest, S. 64.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Arbeit und Müßiggang in der romantischen Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts" von Joseph von Eichendorff
Veranstaltung
Arbeit und Müßiggang in der Romantik
Autor
Jahr
2014
Seiten
18
Katalognummer
V292882
ISBN (eBook)
9783656900191
ISBN (Buch)
9783656900207
Dateigröße
456 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
arbeit, müßiggang, novelle, leben, taugenichts, joseph, eichendorff
Arbeit zitieren
Maja Büttner (Autor:in), 2014, Arbeit und Müßiggang in der romantischen Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts" von Joseph von Eichendorff, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/292882

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