Abenteuerpädagogik im Sportunterricht. Erlebnis- und handlungsorientierte Methoden als Interventionsmaßnahmen in pädagogischen Handlungsfeldern


Masterarbeit, 2013

172 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Der Autor

Vorwort

Einleitung

1. Konzepte der Erlebnispädagogik
1.1 Kurt Hahn und die Geschichte der Erlebnispädagogik
1.1.1 Das Menschenbild Kurt Hahns
1.1.2 Gesellschafts- und Konsumkritik Kurt Hahns
1.1.3 Die vier Elemente der „Erlebnistherapie“ Kurt Hahns
1.1.4 Kommentare zum Erziehungskonzept Kurt Hahns
1.2 Von der Erlebnispädagogik zur Abenteuerpädagogik
1.2.1 Erlebnispädagogik – eine Modeerscheinung?
1.2.2 Mögliche erlebnis- und handlungsorientierte Ansätze im schulischen Kontext
1.2.3 Grundlagen des Konzepts der Abenteuerpädagogik - Project Adventure
1.2.4 Schlüsselkompetenzen für ein erfolgreiches Leben
1.2.5 Ziele der Abenteuerpädagogik
1.2.6 Das Lernzonenmodell der Abenteuerpädagogik
1.2.7 Der Prozess des Lernens im Lernzonenmodell der Abenteuerpädagogik
1.3 Handlungs- und erlebnisorientiertes Lernen im pädagogischen Handlungsfeld Schule
1.3.1 Der Einsatz von erlebnis- und handlungsorientierten Methoden im Unterricht – im Bewusstsein der Bedeutung des Menschenbildes für die Erlebnispädagogik

2. Die Erkenntnisse und Postulate der humanistischen Psychologie im Diskurs mit den Zielen der Erlebnispädagogik
2.1 Carl R. Rogers als bedeutender Vertreter der Humanistischen Psychologie
2.1.1 Das Menschenbild Carl R. Rogers`
2.1.2 Die Persönlichkeitstheorie von Carl R. Rogers
2.1.3 Die Bedeutung des Menschenbildes in der Erlebnispädagogik - in Verbindung mit der der Theorie von Carl R. Rogers
2.1.4 Die vier „Basisvariablen“ - therapeutische Grundhaltungen von Carl Rogers - als mögliche Kernkompetenzen bei der Arbeit im erlebnispädagogischen Setting
2.1.5 Kommentar zu Carl R. Rogers Persönlichkeitstheorie von Cornelius Fiedler unter dem Aspekt einer konstruktivistischen Betrachtung
2.2 Wolfgang Mutzeck (1946 – 2009) und sein handlungstheoretisches Modell
2.2.1 Das Menschenbild von Wolfgang Mutzeck
2.2.2 Mutzecks Wirklichkeitskonzeption des Menschen als ein konstruktivistisches Denkmodell
2.2.3 Mutzecks Bild vom Menschen und die daraus entstehenden möglichen Einflussfaktoren auf erlebnispädagogische Maßnahmen

3. Soziometrische Untersuchung
3.1 Stichprobenbeschreibung
3.2 Inhalt der Untersuchung
3.3 Zielsetzung der Untersuchung
3.4 Durchführung der Untersuchung
3.5 Eingesetzte Befragungsinstrumente zur Datenerhebung
3.6 Aufstellung der Soziogramme
3.7 Interpretation der soziometrischen Analyse vor dem Einsatz von erlebnis- und handlungsorientierten Methoden
3.8 Interpretation der empirischen Daten nach dem Einsatz von erlebnis- und handlungsorientierten Methoden
3.9 Auswertung der empirischen Daten drei Monate nach dem Einsatz von erlebnis- und handlungsorientierten Methoden
3.10 Fragestellungen und Hypothesen
3.11 Qualitative Untersuchung des Projektes „Abenteuer im Turnsaal“
3.11.1 Interpretation der Ergebnisse
3.11.2 Darstellung der Beobachtungen über das Sozialverhalten der Schülerinnen und Schüler der 4* Klasse als Diagramm und in Tabellenform

4. Fazit:

5. Abbildungsverzeichnis und Tabellenverzeichnis

6. Literaturverzeichnis

7. Anhang

Abstract

Ich möchte mit der vorliegenden Arbeit zeigen, dass der Einsatz von erlebnis- und handlungsorientierten Methoden im Unterricht, einen Einfluss auf die Beziehungsstruktur einer Gruppe von Schülern der Sekundarstufe hat. Die darüber aufgestellten Hypothesen habe ich mit Hilfe der Soziometrie, als wissenschaftliche Untersuchungsmethode analysiert und anschließend in Form von Soziogrammen dargestellt. Beobachtungen von Studierenden ergänzen den qualitativen Forschungsteil der vorliegenden Arbeit.

Im pädagogischen Diskurs steht neben dem „klassischen“ erlebnispädagogischen Konzept von Kurt Hahn das Lernmodel der Abenteuerpädagogik, welches als Ziel die kontinuierliche Arbeit mit Schülerinnen und Schülern hat (vgl. Michl 2009, S. 62). Ich werde das Konzept der Abenteuerpädagogik (Project Adventure) in der vorliegenden Arbeit in Theorie und Praxis vorstellen.

Heckmair und Michl (2008) beschreiben die Erlebnispädagogik als einen Beitrag zur zwischenmenschlichen Beziehung, da sie durch die oft notwendige persönliche Nähe neue Sichtweisen der Fremd- und Selbstwahrnehmung eröffnet, weil bisher feste Einstellungen und Urteile ins Wanken kommen können.

Die Bedeutung des Menschenbildes soll für Lehrerinnen und Lehrer handlungsleitend in ihrer pädagogischen Arbeit sein. Theoretische Konzepte zur Menschenbildtheorie beschreiben in der vorliegenden Arbeit mögliche Verknüpfungen mit erlebnis- und handlungsorientierten Interventionsmaßnahmen.

Abstract

The present master thesis seeks to demonstrate that the use of experiential and action-oriented methods in the teaching setting affect the relationship structure within a group of secondary school pupils. Sociometry is the method of scientific investigation chosen to analyse the hypotheses; these will then be visualized as sociograms. Observations of students´ behaviour round off the qualitative research component of the paper submitted.

Alongside Kurt Hahn´s ´classic´ experiential learning concept, the education studies discourse also comprises the outdoor educational model, which aims to work with the pupils in a continuous manner (cf. Michl 2009, p 62). The concept of outdoor education (Project Adventure) will be presented in theory and practice in the following.

Heckmair and Michl (2008) describe experiential learning as a contribution to interpersonal relationships, as the personal intimacy often required allows new insights in self- and personal exception, since previously established attitudes and preconceptions are able to be drawn into question.

The importance of the personal construct ought to guide teachers´ actions in their work as education practitioners. The personal construct theories detailed in this paper describe potential correlations with experiential and action-oriented intervention measures.

Der Autor

Ich bin seit 1994 Hauptschullehrer (zweiter Bildungsweg) und unterrichte die Fächer Mathematik und Bewegung und Sport. Nach 12 Jahren an einer Sport- und Musikhauptschule erfolgte der Wechsel an eine Praxisschule der Pädagogischen Hochschule, an der ich seit 6 Jahren als Praxisschullehrer unterrichte und zur Zeit im Team mit meiner Kollegin (Lehramt für Sonderschulen) als Klassenvorstand für eine 4. Integrationsklasse verantwortlich bin.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vorwort

Sind erlebnispädagogische Konzepte im schulischen Kontext „zeitgemäß“?

Die Anforderungen und Erwartungen, die an das Schulsystem von der Gesellschaft gestellt werden, sind sehr umfangreich und vielfältig. Das Erfüllen der Bildungsstandards und das Lösen von sozialen Konflikten prägen den Alltag von Pädagoginnen und Pädagogen als auch von Schülerinnen und Schülern. Das Auftreten von psychischen Problemen bei Kindern und Jugendlichen zeigt sich nicht nur am Individuum, sondern hat auch Auswirkungen auf das Verhalten von Gruppen.

Den Lehrerinnen und Lehrern werden laufend viele „gute Ratschläge“ erteilt und vonseiten der Politik werden neue gesetzliche Regelungen diskutiert, geschaffen und auch wieder verworfen. Diese auch meiner persönlichen Einschätzung nach - laufend überarbeiteten, zu wenig auf Nachhaltigkeit ausgerichteten - pädagogischen Konzepte und Interventionsmaßnahmen prägen unsere „pädagogische Landschaft“. Infolge dessen habe ich mir die zentrale und aktuelle Frage gestellt, ob

durch den Einsatz von erlebnis- und handlungsorientierten Methoden, als ein pädagogisches Konzept, eine positive Veränderung im Zusammenleben einer Gruppe und für den Einzelnen bewirkt werden kann?

Aufgrund meiner bisherigen positiven Erfahrungen beim Einsatz von erlebnis- und handlungsorientierten Methoden im Unterricht, war für mich die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Konzepten aus dem Bereich Erlebnispädagogik motivierend. Herkeerens (2006) meint, dass Diskussionen über Wirkfaktoren, Wirkungsmodelle und Transferkonzepte unter den Erlebnispädagogen ohne gesichertes Wissen über die Wirksamkeit von erlebnispädagogischen Maßnahmen auf die Dauer fruchtlos wirken. Um dies noch mehr zu verdeutlichen, formuliert Herkeerens (2006, S. 34): „Erlebnispädagogik wird nicht einfach „verabreicht“ – so wie man etwa Aspirin verabreichen kann. Es gibt bei allen wirksamen psychosozialen Interventionen „ein Etwas“ jenseits einzelner Techniken“. Menschen, die an erlebnispädagogischen Programmen teilgenommen haben, wissen um oder haben eine Vermutung über die Bedeutung der Beziehung zwischen Leiterinnen bzw. Leitern zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Über diese „hilfreiche Beziehung“ wird in der Wirksamkeitsforschung zur Erlebnispädagogik nahezu überhaupt nicht gesprochen (vgl. Herkeerens 2006, S. 34f.). Die vorliegende Arbeit handelt auch von der Beziehung zwischen der Lehrerin bzw. dem Lehrer zu der Schülerin bzw. dem Schüler. Während meines Literaturstudiums wurde mir vor allem die Bedeutung des Menschenbildes in der Erlebnispädagogik bewusster. Carl R. Rogers, ein Vertreter der humanistischen Psychologie, beschreibt in seinen Theorien den Menschen als ein Wesen, dem ein Bestreben „sich konstruktiv in Richtung auf Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit hin zu entwickeln“ angeboren ist und der sich dabei am individuell angeborenen Wertesystem orientiert (1991, S. 48). Beim Einsatz von erlebnis- und handlungsorientierten Methoden während der Interventionsphasen versuchte ich mir immer darüber bewusst zu sein, dass Wertvorstellungen, die nicht durch Reflexion eigener Erfahrung entstanden sind, als „sollte“ oder „müsste“ erfahren werden können. (Weinberger 1998, S. 98). Um meinen persönlichen Einfluss als Übungsleiter bzw. Lehrer auf den Verlauf der gruppendynamischen Prozesse und letztendlich auf die Untersuchungsergebnisse so gering wie möglich zu halten, versuchte ich, für mein pädagogisches Handeln eine möglichst hohe reflexive Haltung zu bewahren.

Kurt Hahn, ein bedeutender Erlebnispädagoge, beschreibt sein erlebnispädagogisches Konzept als ganzheitlich, welches die Menschen auf kognitiver, emotionaler und aktionaler Ebene anspreche (vgl. Reiners 2007, S. 10). Aus Lehrerinnen- bzw. Lehrersicht stellte sich für mich die Frage nach der praktischen Umsetzung eines solchen Konzepts im Schulalltag. Das Schaffen von Settings, um dem Individuum und der Gruppe Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten und um Beziehungsstrukturen, sowie die Position des Einzelnen positiv verändern zu können, bildeten meinen pädagogischen Schwerpunkt im Schuljahr 2011/2012.

Der Aufbau einer von gegenseitigem Vertrauen geprägten Beziehung zwischen Schülerinnen bzw. Schülern und ihren Lehrerinnen bzw. Lehrern erscheint mir, insbesondere beim Einsatz von erlebnis- und handlungsorientierten Methoden, als wesentlicher Wirksamkeitsimpuls. Vertrauensförderndes Lehrerinnen- bzw. Lehrerverhalten bedingt aber das Vorhandensein von Einfühlungsvermögen der Pädagogin und des Pädagogen, sowie die Fähigkeit der Wahrnehmung von Interessen und Anliegen von Schülerinnen und Schülern (vgl. Seyfried 2009, S. 127).

Ist für mich Erlebnispädagogik in der Schule „zeitgemäß“?

Interagieren in heterogenen Gruppen, autonomes Handeln und Entscheiden als auch kommunikative Fähigkeiten sind Schlüsselkompetenzen, die Schülerinnen und Schüler im schulischen Kontext entwickeln sollten (vgl. OECD 2005, S. 7). Der Erwerb und die Weiterentwicklung dieser Kompetenzen, verbunden mit erlebnisreichen und naturnahen Erfahrungen, wird mit Hilfe von erlebnis- und handlungsorientierten Methoden - vom Autor der vorliegenden Arbeit - im Lern- und Arbeitsfeld Schule zu realisieren versucht.

„Das Erlebnis kann man nicht rational vermitteln, es muss emotional erfahren werden. Man kann es nicht lehren, man muss es bisweilen inszenieren.“ (Kurt Hahn)

Einleitung

Der erste Teil dieser Arbeit stellt erlebnispädagogische Konzepte vor und versucht anhand von konkreten Beispielen zu beschreiben, wie es gelingen kann, erlebnis- und handlungsorientierte Methoden als Interventionsmaßnahmen im Unterricht einzusetzen.

Im Zuge dessen werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie Schülerinnen und Schüler sicher und autonom, in einer vertrauensvollen Atmosphäre, handeln können. Als Mittel zur Entwicklung von Problemlösungskompetenzen werden das ressourcenorientierte Handeln und das Entscheiden in Gruppen näher vorgestellt.

Die Persönlichkeitstheorie von Carl R. Rogers (1982) und Wolfgang Mutzecks (2000) handlungstheoretischem Modell, sowie deren Menschenbilddefinitionen bilden das theoretische Fundament dieser Arbeit.

Im empirischen Teil werden mit Hilfe soziometrischer Analysen aktuelle Istzustände von Beziehungsstrukturen in Schülergruppen im Alltag von Bildungseinrichtungen erhoben und miteinander verglichen. Ein späterer Vergleich - nach dem Einsatz von Interventionsmaßnahmen mit erlebnis- und handlungsorientierten Methoden in pädagogischen Handlungsfeldern - soll auf eventuelle Wirkungsimpulse dieser, hinweisen.

Weil man auch als Pädagogin und Pädagoge ein bestimmtes Menschenbild hat, meint Fiedler, dass Grundannahmen zu potentiellen menschlichen Fähigkeiten, in der Reflexionsarbeit nach erlebnispädagogischen Interventionen unbedingt berücksichtigt werden sollten (2000, S. 80).

„Es scheint also nicht die Frage ausschlaggebend zu sein, ob und wie Erfahrungen direkt in den Alltag übertragbar sind. Wichtiger ist die Frage, wie es den Pädagoginnen und Pädagogen möglich ist, das eigene und das fremde Empfinden und Erleben des reflexiven Subjektes Mensch in einem geschützten Rahmen bewusst zu machen.“ (Fiedler 2000, S. 80f.).

1. Konzepte der Erlebnispädagogik

Der Autor der vorliegenden Arbeit stellt sich die Frage, auf welche Weise die Menschenbilder, welche Pädagoginnen und Pädagogen entwickelt haben, einen prägenden Einfluss auf die Gestaltung ihrer (Erlebnis-) Pädagogik nehmen. Fiedler resümiert, dass sich das jeweilige Menschenbild durch eine bestimmte Grundhaltung dem Menschen gegenüber äußert. Diese Grundhaltung ist somit in jeder pädagogischen Beziehung von zentraler Bedeutung (2009, S. 7).

Im folgenden ersten Teil der Arbeit werden Konzepte der Erlebnispädagogik vorgestellt.

1.1 Kurt Hahn und die Geschichte der Erlebnispädagogik

„Es ist die Aufgabe der Erlebnispädagogik dem Leben das Geheimnis, das in der Moderne zu verschwinden droht, wieder zurück zu geben.“ (Kurt Hahn)

Kurt Hahn (1886 – 1974) gilt als einer der Gründerväter der Erlebnispädagogik. Als sein historischer Verdienst kann gelten, dass durch seine Theorie der Erlebnistherapie die verschiedenen Fäden einer Pädagogik des Erlebens eher unbewusst als beabsichtigt verknüpft wurden (vgl. Heckmair et al. 2008, S. 32). Der Begriff des Erlebens ist in den meisten reformpädagogischen Bewegungen von zentraler Bedeutung. Für Hahn bestand die Hauptaufgabe einer jeden Schulerziehung in der Entwicklung des Charakters. Annette Reiners (2007, S. 11) formuliert dieses Ziel von Kurt Hahn als, „[…] die Charakterförderung des Menschen zum einen und zum anderen die Erziehung des Menschen zum verantwortungsvollen Denken und Handeln […]“. Hahn gründete 1920 im Landerziehungsheim Schloss Salem am Bodensee seine erste Kurzschule und in späterer Folge noch weitere Zweigschulen. Nachdem er sich gegen den Nationalsozialismus gestellt hatte und wegen seiner jüdischen Abstammung nach Großbritannien emigriert war, gründete er dort ab 1934 drei Schulen. In Aberdovey (Wales) entstand die erste Outward Bound School. Nach seinem Wirken in Großbritannien kehrte er 1953 an seine Salemer Zweigschule Hermannsberg nach Deutschland zurück. Hahn war ursprünglich Politiker und erst aufgrund seiner gesellschaftspolitischen und historischen Erfahrungen wurde er auch Pädagoge (vgl. Stüdemann 2008, S. 4f.).

1.1.1 Das Menschenbild Kurt Hahns

Die Philosophie Platos und die christliche Position Hahns hatten wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der Sichtweise des Menschen für Kurt Hahn (vgl. Fiedler 2008, S. 49). Hahn hat, wie fast alle Reformpädagogen, ein humanistisch geprägtes Menschenbild (vgl. Stüdemann 2008, S. 6). Hahn geht davon aus, dass jeder Mensch die Würde der Mitmenschen achtet – oder zumindest ein Gefühl dafür hat, sie achten zu können. Mit der „Stimme des Gewissens“, bzw. der „Stimme der Vernunft“, bezeichnet Hahn (1958) das Empfinden für die Würde des Mitmenschen (zit. nach Weber, Ziegenspeck 1983, S. 51). Kurt Hahn (1958) meint, dass es ein Ziel der Erziehung sein müsse, das Kräftespiel der verschiedenen Neigungen des Menschen in ein ausgeglichenes Kräftespiel zu bringen, sodass die Neigungen den Menschen nicht zwingen sondern nur raten (nach Weber, Ziegenspeck 1983, S. 52). Dieses Ziel formuliert Stüdemann (2008; nach Ziegenspeck 1987, S. 74f.) als die Entwicklung von „Selbstständigkeit“. Hahn (1958) sieht als eine Aufgabe der Pädagogik, die Neigungen, die den „guten Willen“ unterliegen lassen, „so zu schwächen, dass die Achtung vor dem Gesetz der Sittlichkeit sie überwinden kann“ (zit. nach Weber, Ziegenspeck 1983, S. 52). Mit Hilfe von Beispielen, die zu Nachahmung einladen, sollen seelische Kräfte, die sich im Menschen lebhaft regen, verkümmern oder aufblühen, je nachdem ob ihnen zur Betätigung verholfen oder die Betätigung versagt wird. Als erfolgreiche Erziehung bezeichnet Hahn (1958) es, „wenn die Kinder zugleich sanft und kühn, schnellfüßig, stark und klug sind“ (zit. in Weber, Ziegenspeck 1983, S. 55). Das Sich-selbst-Entdecken in Situationen des Sieges oder der Niederlage sind für Hahn (1934) notwendige Erfahrungen, die junge Menschen machen sollen, um neue Kräfte wachsen zu lassen. Dabei ist es bedeutsam, dass die Schwächen des Kindes erst angesprochen werden, wenn zuvor die Stärken sichtbar gemacht wurden (nach Ziegenspeck, Weber, S. 59). Nach Ansicht Kurt Hahns hat jeder Mensch unterschiedliche Potenziale und Fähigkeiten, die durch Umwelteinflüsse gestärkt oder geschwächt werden. Mit der inneren Stimme der Vernunft und des Gewissens soll der Mensch zu sittlichem Handeln angeleitet werden. Die ganzheitliche Charakterbildung im Rahmen der Sittlichkeit und das Entwickeln der Bereitschaft, Verantwortung für sich und die Gesellschaft zu übernehmen, stehen im Mittelpunkt des Erziehungskonzeptes Hahns. Dass sich der Einzelne in Gerechtigkeit in die Gemeinschaft einordnen soll, ist eine Grundhaltung, die die meisten Reformpädagogen einnehmen (vgl. Fiedler 2008, S. 54). Zein (2001; nach Reiners 1997, S. 10) beschreibt das pädagogische Erziehungskonzept Kurt Hahns als ganzheitliches Konzept, welches das Kind auf kognitiver, emotionaler und aktionaler Ebene anspricht. Fiedler (2008) schreibt von der Möglichkeit der „Selbstentdeckung“ und meint damit, dass jedes Kind und jeder Jugendliche besondere Fähigkeiten hat, deren Entdeckung die Aufgabe der Erzieher und Erzieherinnen ist (nach Hahn 1934; zit. in Weber, Ziegenspeck 1983, S. 58). Findet ein Kind seine verborgene Begabung nicht, haben die Erzieher und Erzieherinnen versagt. Das Fördern und entdecken des individuellen Potenzials soll auf behutsame Weise geschehen. Verschiedene Aktivitäten sollen dem Kind bzw. dem Jugendlichen Möglichkeiten zur Selbstfindung geben.

1.1.2 Gesellschafts- und Konsumkritik Kurt Hahns

„Nach Ansicht Hahns litt die Jugend der damaligen Zeit an modernen Verfallserscheinungen, die sich im Verfall der körperlichen Tauglichkeit, der Selbstinitiative, der Geschicklichkeit und Sorgfalt, und der Fähigkeit der Empathie äußerte“ (Reiners 2007, S. 11). Hahn (1958) hebt von den eben zitierten Verfallserscheinungen den „Verfall des Mitgefühls“ (zit. in Weber, Ziegenspeck 1983, S. 49), der hauptsächlich durch die Hast des modernen Lebens bedingt ist, hervor und meint damit, dass man in diesem Sinne nicht dazu komme, ein Gefühl zu Ende zu fühlen. Der „Verfall der körperlichen Tauglichkeit“ und der „Verfall der Initiative“ (Fiedler 2008, S. 55) erscheinen dem Autor, auch im Hinblick auf die immer wieder in den Medien veröffentlichten Untersuchungen über den schlechten Gesundheitszustand vieler österreichischer Jugendlicher, besonders erwähnenswert. Nach Hahn stehen der „Verfall der körperlichen Tauglichkeit“ mit dem „Verfall der Initiative“ in enger Wechselwirkung (vgl Fiedler 2008, S. 55). Hahn (1962b) bezeichnet mit „spectatoritis“ (zit. in Weber, Ziegenspeck 1983, S. 49) die Krankheit des Zuschauens, durch die negative körperliche Reaktionen durch das passive Erleben ausgelöst werden (vgl. Fiedler 2008, S. 55) und folgert daraus, dass der Mensch „zum teilnahmslos Beteiligten, im körperlichen wie im geistigen Bereich“ wird (zit. in Weber, Ziegenspeck 1983, S. 50). Diskussionen über mögliche Vergleiche mit ähnlichen Situationen in unserer Zeit sind grundsätzlich möglich, einen wissenschaftlich belegten Nachweis über mögliche Zusammenhänge konnte der Autor der vorliegenden Arbeit bei seinen Recherchen nicht finden. Hahn entwickelte vier Gegenmaßnahmen zu den von ihm definierten Verfallserscheinungen der Jugendlichen, die im folgenden Kapitel vorgestellt werden (vgl. Fiedler 2008, S. 54f.).

1.1.3 Die vier Elemente der „Erlebnistherapie“ Kurt Hahns

Mit Erlebnis meint Hahn die „Einpflanzung von Eindrücken, um dem Guten Nahrung zu bieten“ (Skidelsky 1975; zit. nach Weber, Ziegenspeck 1983, S. 65). Ein Erlebnis ist im Sinne Hahns eine pädagogische Aufgabe (vgl. Weber und Ziegenspeck 1983, S. 65). Er stellt jedem Verfallsmerkmal eine adäquate `therapeutische Lösung` gegenüber – eine kompensatorische Erziehungsmaßnahme (vgl. Zein 2001, S. 9).

Körperliches Training dient dazu, dem Verfall der körperlichen Tauglichkeit entgegen zu wirken. Hier können die Schülerinnen und Schüler die Erfahrung der Selbstüberwindung und Selbstentdeckung machen (vgl. Reiners 2007, S. 11). Fiedler (2008, S. 58) meint mit körperlichem Training das Betreiben von Sportarten wie Bergsteigen, Klettern, Kajak- und Schlauchbootsport und Mannschaftssportarten.

Expeditionen in der Natur (z.B. Wanderungen, Floßfahrten) und damit verbundene Herausforderungen sollen die schwindende Initiative bekämpfen und die Entschluss- und Überwindungskraft steigern (vgl. Reiners 2007, S. 11). Fiedler vertritt die Ansicht, dass durch eine zielgerichtete Planung und Vorbereitung der Forschertrieb in der konkreten Aktion angesprochen werde (2008, S. 58). Mit der Beschreibung des Projektes „Abenteuerturnen im Turnsaal“ soll dies sichtbar gemacht werden.

Projekte stellen eine Aufgabe im handwerklichen, technischen oder geistigen Bereich, wobei Sorgsamkeit, Geschicklichkeit und Geduld gefordert sind. Das selbstständige Tun und Handeln, die Kreativität und Musikalität sollen durch projektbezogene Handlungen besonders gefördert werden (vgl. Reiners 2007, S. 11). Im folgenden Projektbeispiel verdeutlicht Hahn (1958) seine pädagogischen Ziele. „Ein an Tierphotographie interessierter Junge wurde von einem Salemer Lehrer dazu ermutigt, die folgende Aufgabe zu lösen: wilde Turmfalken zu fotografieren von dem Tag an, an dem sie auskrochen, bis zu dem Tage, an dem sie flügge wurden. Es ist unschwer zu ermessen, welche Kräfte bei diesem Jungen während der Bewältigung dieser Aufgabe ins Spiel kamen: Erfinderkraft bei dem raffinierten Einbau des Fotoapparats, Voraussicht in der Überlistung der Vögel, scharfe Beobachtung und siegreiche Geduld, die ganze Zeit hindurch: man kann sich vorstellen, wie das Gelingen dieser mühseligen Unternehmung den jungen Menschen beseelt hat.“ (zit. nach Weber, Ziegenspeck 1983, S. 72).

Mit dem Rettungsdienst sollen der Mangel an menschlicher Anteilnahme, das Erbarmen und die Hilfsbereitschaft gefördert werden (vgl. Weber, Ziegenspeck 1983, S. 59). Durch den Einsatz seiner eigenen Existenz für das Wohl eines Nächsten wird ein ganz neues Lebensverständnis vermittelt (vgl. Reiners 2007, S. 11).

Hahn geht von einer bewussten Wirkung des Erlebnisses auf das Verhalten, die Einstellung und das Wertesystems des Betroffenen bzw. der Betroffenen aus. Nicht die Dauer eines Erlebnisses ist für den Lernerfolg entscheidend sondern der Grad der Intensität und das Ausmaß des persönlichen Engagements und Handelns. Aus diesen ursprünglichen Überlegungen Hahns heraus entstand eine Methode, in der physische und psychische Extremsituationen simuliert und trainiert werden, um mithilfe dieser außergewöhnlichen Erfahrungen junge Menschen für die Anforderungen und Krisen des Lebens vorzubereiten (vgl. Reiners 2007, S. 12).

Die Umsetzung der vier Elemente der „Erlebnistherapie“ Kurt Hahns erfolgte in den bereits erwähnten Kurzschulen. Kinder aus sozial unterschiedlichen Schichten sollten vier Wochen lang, nach den Ideen von Kurt Hahn, mit- und voneinander lernen.

1.1.4 Kommentare zum Erziehungskonzept Kurt Hahns

Zur Phase der Pubertät bei Jugendlichen vertritt Hahn eine sehr rigide, aber selten klarer begründete, Position (vgl. Fiedler 2008, S. 57). Hahn (1958) spricht von der „Deformität der Pubertätsjahre“, womit er den „Verfall der Menschenkraft in den Entwicklungsjahren“ meint (zit. nach Weber, Ziegenspeck 1983, S. 62). Hahn (1956) ist davon überzeugt, dass mit der Hingabe, die gesammelte Kraft sich einer Aufgabe zu widmen, die über das persönliche Interesse hinausgeht, eine Möglichkeit besteht, diesen Verfall zu bremsen (nach Weber, Ziegenspeck 1983, S. 62). Fiedler (2008, S. 57) interpretiert dies als einseitige Betrachtungsweise, die am Erleben des betroffenen Menschen vorbeigeht und einem Verständnis für den Entwicklungsprozess zum Erwachsenen entgegenzustehen scheint. Hahn sieht und bewertet die Welt und folgert daraus was sich verändern muss, um mit seinem Bewusstsein von Sittlichkeit übereinzustimmen (vgl. Fiedler, 2008, S. 57). Fiedler (2008, S. 60) sieht es auch als nicht ausreichend an, die von Hahn und der damaligen Zeit üblichen sittlichen Gesellschaftskonventionen zur Grundlage der Legitimation von Erziehung und die damit verbundene Veränderung von Menschen zu machen.

Hartmut von Hentig kritisiert besonders die Charakter- und Gewissensbildung, die eine tragende Säule der `Erlebnistherapie` von Kurt Hahn darstellen. Hentig (1966) beschreibt den Charakter und das Gewissen als „wandelnde Produkte eines Lebensschicksals“ (zit. nach Heckmair et al. 2008, S. 40). Er vermisst das Moment der kritischen Einsicht als Korrektiv von Erfahrung. Nach Hentig gerät Hahns „Erlebnistherapie“ in die Nähe behavioristischer Konditionierung (vgl. Hentig 1966; nach Heckmair et al. 2008, S. 40).

1.2 Von der Erlebnispädagogik zur Abenteuerpädagogik

„Non scolae, sed vitae discimus“. (dt.: „Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir.) (Seneca 1 bis 65 n. Chr.)

Nach den in Deutschland installierten Kurzschulen gründete Kurt Hahn im Jahre 1951 den Verein Outward Bound (Deutsche Gesellschaft für Europäische Erziehung e.V.), der auch ab 1961 in den USA (Outward Bound U.S.A.) Fuß fasste (vgl. Heckmair et al. 2008, S. 62). Project Adventure, eine Organisation, die sich 1971 von Outward Bound U.S.A. abspaltete, entwickelte das Konzept der Abenteuerpädagogik, welches nun näher beschrieben werden soll.

1.2.1 Erlebnispädagogik – eine Modeerscheinung?

Tom Senninger versteht unter dem Begriff Erlebnispädagogik das „Sich-bewusst-vom-Nervenkitzel-Aktionismus-und-der-Sucht-nach-dem Kick-nach-immer-mehr-und-mehr-Abgrenzen“ (2000, S. 7). Um Erkenntnisse gewinnen und Erfahrung sammeln zu können, ist die Reflexion des Erlebten notwendig. Erkenntnisse für das Individuum und die Gruppe lassen sich dadurch gewinnen, dass das Erlebte mit der eigenen Lebenssituation in Verbindung gebracht wird und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der erlebnispädagogischen Übung daraus neue Ziele formulieren können (vgl. Senninger 2000, S. 7). Dies macht auch den wesentlichen Unterschied zum Erlebniskonsum in Abenteuerparks und zu Fun- und Trendsportarten (z.B. Bungeejumping, Skateboarden usw.) aus, die sehr wohl, nur eben in einem anderen Kontext, bedeutsam sind.

Senninger (2000 S. 8) sieht als eine wesentliche Aufgabe der Erlebnispädagogik die Steuerung zwischen Aktions- und Reflexionsprozess bzw. Erlebnis- und Erfahrungsprozess. Im folgenden Abschnitt werden vom Autor bedeutsame Begriffe für die Erlebnispädagogik beschrieben.

Ein „Erlebnis“ ist ein unerwartetes Ereignis, das zu einer persönlichen Auseinandersetzung mit der Umwelt führt. Erlebnisse werden mit verschiedenen Sinnen wahrgenommen. Absichtsvoll eingesetzt und reflektiert, können Erlebnisse im schulischen Kontext als Ausgangslage für das Lernen genutzt werden. Das Erlebnis lässt sich als eine Wertung ausmachen, die das Erleben voraussetzt. Schenz (2006, S. 47) erkennt im Erlebnis, zum Unterschied vom Erleben, eine emotionale Komponente, die oftmals als „sehr intensiv“ umschrieben wird.

„Erfahrung“ entsteht aus der verinnerlichten Verarbeitung des Erlebten und setzt einen Bewusstseins- und Lernprozess voraus. Eine Uminter-pretation und Umwertung kann aus eigener Erkenntnis erfolgen. Selbstregulationsmechanismen können dadurch aktiviert werden (vgl. Senninger 2000, S. 8). Für Popper (1995, S. 95) sind Erfahrungen aus wissenschaftlicher Sicht von negativem Charakter. Sie dienen der Berichtigung des bisherigen Wissens bzw. des bisher Erlebten. Diese Erfahrungen sind selbst wiederum nur so lange gültig, bis weitere Fakten sie widerlegen.

Michl (2009, S. 11) beschreibt die „Erlebnispädagogik“ als eine hand-lungsorientierte Methode. Durch exemplarische Lernprozesse, in denen junge Menschen vor psychische und physische Herausforderungen gestellt werden, wird deren Persönlichkeitsentwicklung gefördert. Das eigene Handeln und Verhalten sowie die Reaktionen auf die Umwelt können während der Lernprozesse verdeutlicht werden. Der Bewusstseinsprozess wird ebenfalls dabei gefördert, um zu eigenständigen Entscheidungen gelangen zu können (vgl. Senninger 2000, S. 8).

1.2.2 Mögliche erlebnis- und handlungsorientierte Ansätze im schulischen Kontext

„Lernen durch Reflexion“: Dieser Ansatz basiert auf der Hoffnung, dass ein Erlebnis eine nachhaltige Wirkung zeigt, wenn es durch eine strukturierte Diskussion reflektiert wird. Das Erlebte wird dabei von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der erlebnispädagogischen Aktivität mit der eigenen Lebenssituation in Verbindung gebracht und es können in Folge neue Visionen und Ziele entstehen. Die Lehrerin oder der Lehrer begleitet den Prozess, gibt keine Lösungen vor und vermeidet eigene Interpretationen. Senninger resümiert, dass beim „Lernen durch Reflexion“ die Menschen am ehesten dazu bereit sind, an sich zu arbeiten und an Veränderungsprozessen mitzuwirken, wenn sie diesen Prozess aktiv mitbestimmen und beeinflussen können (2000, S. 11). Carl Rogers (2009, S. 43) Theorie zur Folge werden übernommene Werte, die nicht durch die Reflexion eigener Erfahrungen entstanden sind, als „sollte“ oder „müsste“ erfahren. Die Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter sollen deshalb nicht nur in Gesprächsführung und Moderation kompetent sein, sondern sie sollen auch die Bereitschaft zeigen, sich in die Teilnehmerinnen und Teilnehmer „hineinzufühlen“ und nicht aus der eigenen, scheinbar objektiven, Perspektive zu empfinden und zu handeln. Das Wissen über gruppendynamische Prozesse ist für eine professionelle Gruppenleitung ebenfalls notwendig (vgl. Heckmair et al. 2008, S. 114). Michl (2009, S. 5f.) beschreibt Reflexionsmethoden, die den Schülerinnen und Schülern die Lerninhalte, Lernziele und den Erkenntnisgewinn bewusst machen sollen. Mit dem „Brief an mich selbst“ wird auch auf das Problem des Transfers bzw. der Nachhaltigkeit verwiesen. „Denn selbst wenn die Teilnehmer nach eigener Einschätzung viel gelernt haben, ist dies noch kein Grund zu der Annahme, dass das Gelernte im privaten oder beruflichen Alltag umgesetzt wird“ (Michl 2009, S. 53f.). Um die Wahrscheinlichkeit eines Transfers zu erhöhen, hat der Autor die selbst entwickelte „Methode“ des „Anlegens von Fotoprotokollen“ in der Arbeit mit der Versuchsgruppe angewandt. Ausgewählte Fotos sollen Schlüsselsituationen abbilden und dazu beitragen, Erlebtes besser zu verankern. Das regelmäßige Verschicken von Fotos per E-Mail an die Schülerinnen und Schüler wurde ebenfalls als Möglichkeit zur Steigerung der Nachhaltigkeit bzw. als Wirkungsimpuls eingesetzt (vgl. Michl 2009, S. 54).

Exemplarisch werden im folgenden Abschnitt Methoden beschrieben, die der Autor im Rahmen der erlebnispädagogischen Interventionen mit der Versuchsgruppe eingesetzt hat.

Die Methode der „antizipierten Lernerfahrung“ wird auch als „Frontloading“ bezeichnet. Die Schülerinnen und Schüler werden zunächst auf das anstehende Erlebnis vorbereitet. Der Erlebnisprozess wird mit Hilfe gezielter Fragen antizipiert, um damit Haltungen, Meinungen und Verlaufsprognosen „sichtbar“ zu machen. Die Lernerwartungen der Gruppe bzw. der einzelnen Gruppenmitglieder sollen auf diese Weise gesteigert werden. Eine Reflexion nach dem Erlebnis dient zum Vergleich mit den anfangs geäußerten Ideen. Die Lehrerin bzw. der Lehrer hat die Aufgabe, die Schülerinnen und Schüler durch das Lernszenario, das eng an die Ziele und Bedürfnisse der einzelnen Gruppenmitglieder angelehnt ist, zu begleiten (vgl. Senninger 2000, S. 12).

Bei der „metaphorischen Methode“ werden die erlebnispädagogischen Aktivitäten möglichst genau auf die Ziele und Alltagssituationen der Schülerinnen und Schüler abgestimmt. Die Auswahl der Aktivität erfolgt entsprechend den Zielen und den Ausgangssituationen: gleichsam als Isomorphie ( Strukturgleichheit) zur Alltagssituation. Die erlebnispädagogischen Aktivitäten werden, mit Hilfe von Metaphern beschrieben, zur realen Lebenswelt. Das damit initiierte Erlebnis wirkt wie ein Spiegelbild der kindlichen Alltagsrealität. Die „metaphorische Methode“ ist für die Durchführung in der Schule, also vor Ort, in der gewohnten Umgebung, gut geeignet. Die verantwortliche Leitung benötigt allerdings für den Einsatz dieser Methode Qualifikationen im Bereich Tiefenpsychologie oder Psychodrama (Heckmair et al. 2008, S. 120f.)

1.2.3 Grundlagen des Konzepts der Abenteuerpädagogik - Project Adventure

Im alltäglichen Schulunterricht kann die Natur nicht mehr nur alleine - wie im ursprünglichen Ansatz der Erlebnispädagogik - als Quelle für Erlebnisse dienen. Um Kinder und Jugendliche vor Herausforderungen zu stellen, entwickelte man in den U.S.A. Anfang der 1970iger Jahre das Project Adventure Konzept. Ab 1974 wurde dieses Modell, unter Förderung des amerikanischen Erziehungsministeriums, an einer Schule in Hamilton im Bundesstaat Massachusetts erprobt. Mittlerweile wird das Konzept von Adventure Project nicht nur in Schulen und der Jugendarbeit angewandt, sondern hat auch in der Erwachsenenbildung, Erlebnistherapie, betrieblichen Personalentwicklung, interkulturellen Arbeit, Rehabilitation und Gesundheitsvorsorge Einzug gehalten. Abenteuerpädagogik ist ein spezieller Ansatz in der Erlebnispädagogik, der Herausforderungen, wie z.B. Problemlösungsaufgaben und Interaktionsspiele vor Ort, initiiert (vgl. Senninger 2000, S.14f.). Tom Senninger (2000, S. 15) hat „Wähle deine Herausforderung“ zu einem Schlüsselbegriff definiert. Abenteuer helfen Körper und Geist in Einklang zu bringen. Die Schülerinnen und Schüler lernen ihre Gefühlswelt besser kennen und nehmen Gefühle wie Betroffenheit, Erfolg, Ehrgeiz und Neid bewusster wahr. Mutzeck (2000, S. 56) unterscheidet den Menschen vom Tier auch durch sein emotionales Verhalten. Unter Emotion versteht Mutzeck Aspekte wie Selbstbetroffenheit, Erleben von Lust und Unlust, Stimmungen und Gefühle wie Freude, Ärger, Angst und Mitleid. Durch die Fähigkeit zur Reflexion ist der Mensch dazu in der Lage, sich auf innere Prozesse und vergangene Wahrnehmungsinhalte zurück zu besinnen. Fiedler (2008, S. 74 ff.) interpretiert Mutzecks Erkenntnisse als für die erlebnisorientierte Arbeit bedeutsam, da eine prinzipielle Wechselwirkung zwischen den emotionalen und reflexiven Prozessen beim Menschen vorhanden ist.

Die erlebnispädagogischen Aktivitäten sind so konzipiert, dass sich die Gruppenmitglieder gegenseitig helfen, um ihre Ziele zu erreichen. Die Schülerinnen und Schüler beginnen so den Wert von Unterschiedlichkeit im Team und Grundlagen der Kooperation zu begreifen. Gleichzeitig wird die Erfahrung von gegenseitiger Unterstützung gemacht (vgl. Senninger 2000, S. 15). Die Kompetenz, mit anderen aktiv zu werden, ist ein Qualifikationsmerkmal der heutigen Gesellschaft. Liest man eine Stellenanzeige in einer Zeitung, fällt auf, dass sehr häufig die Teamfähigkeit für die Bewerbung vorausgesetzt wird. Bei der Abenteuerpädagogik handelt es sich um ein pädagogisches Konzept, mit dem Eigenerfahrung gefördert wird. Die Kinder und Jugendlichen übernehmen selbst Verantwortung für ihr Handeln und Lernen. Sowohl der Prozess der Zielfindung als auch die Wahl der eigenen Herausforderung stehen unter der Maxime der individuellen Entscheidungsfreiheit (vgl. Senninger 2000, S. 15). Dies erklärt vielleicht auch, dass erlebnispädagogische Konzepte noch in geringem Ausmaß in schulischen Bereichen zur Anwendung kommen. Lehrpläne und schulische Strukturen sollten in Zukunft mehr Umsetzungsmöglichkeiten schaffen, so der Wunsch des Autors.

1.2.4 Schlüsselkompetenzen für ein erfolgreiches Leben

Laut dem OECD Projekt DeSeCo (Definition and Selection of Competencies) sind das „Interaktive Anwenden von Medien und Mitteln“, das „Interagieren in heterogenen Gruppen“ und die „autonome Handlungsfähigkeit“ drei Kategorien über die ein Mensch verfügen sollte (http://www.deseco.admin.ch/bfs/deseco/en/index/03/04.parsys.97111.downloadList.89603.DownloadFile.tmp/2005.dskcexecutivesummary. ge.pdf. S. 7). Die Bildungseinrichtung Schule ist deshalb gefordert, dass Inhalt und Formen des Lernens darauf ausgerichtet sein sollten, die Schülerinnen und Schüler auf die Situationen im privaten, beruflichen und öffentlichen Leben vorzubereiten. „Die Neue Mittelschule hat im Sinne des § 2 des (österr. [Anm. d. Autors]) Schulorganisationsgesetzes an der Heranbildung der jungen Menschen mitzuwirken, nämlich beim Erwerb von Wissen, bei der Entwicklung von Kompetenzen und bei der Vermittlung von Werten. Dabei ist die Bereitschaft zum selbstständigen Denken und zur kritischen Reflexion besonders zu fördern.“ (www.bmukk.gv.at/medienpool/22513/bgbla_2012_ii_185_anl1.pdf, S. 1). Die Kompetenzen, die wir heute benötigen, um unsere Ziele zu erreichen, sind komplexer geworden und erfordern mehr als nur die Beherrschung einiger eng definierter Fähigkeiten und Fertigkeiten. Wie die verschiedenen Kompetenzen gezielt vermittelt und standardisiert gemessen werden können, ist allerdings noch nicht geklärt, denn viele der Schlüsselkompetenzen "lassen sich weder theoretisch exakt umgrenzen noch operationalisieren" (Baumert 2003; zit. nach Hildmann 2009, S. 34). Es könnte daher ratsam sein, sich einen pädagogischen Ansatz zu Nutze zu machen, der bereits hinreichend Erprobung und Popularität aufweist und sich gänzlich der Förderung von sozialen und personalen Kompetenzen verschrieben hat: die Erlebnispädagogik.

1.2.5 Ziele der Abenteuerpädagogik

Damit die Abenteuerpädagogik in der Schule nicht zu einer bloßen Modewelle verkommt, ist eine theoretische Fundierung notwendig. Denn wenn die Abenteuerpädagogik sich auf Aktionismus und Spieleifer reduziert, werden die wesentlichen Aspekte nicht mehr vermittelt (vgl. Senninger 2000, S. 7).

Es folgt nun eine Beschreibung möglicher Ziele in der Abenteuerpädagogik:

Persönlichkeitsentwicklung : Senninger (2000, S. 15) formuliert, dass durch die Offenlegung persönlicher Grenzen, der Klärung von Zielen und Bedürfnissen die Selbstwahrnehmung und Reflexionsfähigkeit gefördert wird. Durch Selbsterfahrung und Selbstbeurteilung kann der junge Mensch etwas über sich selbst und über sein Verhalten in der Gruppe lernen. Schenz (2006, S. 31) formuliert, dass „Erfahrung durch die Reflexion des eigenen Seins erworben wird, wobei keine neuen Gegenstände erkannt werden, sondern das eigene Ich betrachtet und in seinen Möglichkeiten und Grenzen in der Welt erfahren wird“. Selbstwert entsteht, wenn sich Schülerinnen und Schüler etwas zutrauen und schaffen, was sie sich vorher nicht unbedingt zugetraut haben. An dieser Stelle sei das „Prinzip der Freiwilligkeit“ in der Erlebnispädagogik erwähnt. Mutzeck (2000, S. 58) beschreibt eine Einschränkung und Bevormundung in der Entscheidungsfreiheit des Menschen als eine Leugnung und Reduzierung seiner Fähigkeiten, die Misstrauen und Enttäuschung bei der Betroffenen bzw. beim Betroffenen hervorruft.

Soziale Kompetenz: Demokratisch festgelegte Vereinbarungen, konstruktives Feedback und Einfühlungsvermögen sollen die kommunikative Kompetenz weiterentwickeln helfen. Der Vergleich zwischen Fremd- und Selbstbild durch Selbst- und Fremdeinschätzung unterstützt die Identitätsentwicklung. Eine Atmosphäre des Wohlfühlens, die durch Wertschätzung und emotionale Wärme geschaffen wird, bedeutet für die Schülerinnen und Schüler, dass sie sich angenommen fühlen. Vor allem durch nonverbale Kommunikation haben die Pädagoginnen und Pädagogen die Möglichkeit, ihre positive innere Einstellung zu den Schülerinnen und Schülern permanent zum Ausdruck zu bringen (vgl. Fiedler 2008, S. 71).

Lernbereitschaft: Die Abenteuerpädagogik fördert die individuelle Zielfindung für die Schülerinnen und Schüler und ermöglicht diesen dadurch sich zu ´riskieren´. „Bei Rogers ist der Mensch von Natur aus gut, ausgestattet mit einer angeborenen Tendenz – der sogenannten Aktualisierungstendenz – sich konstruktiv in Richtung Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit zu entwickeln (Weinberger 1998, S. 97). Die Schülerinnen und Schüler sollen Herausforderungen im Rahmen von erlebnis- und handlungsorientierten Lernsettings als Motivation zur Selbstverwirklichung und zum Wachstum erkennen (vgl. Senninger 2000, S. 16)

Werthaltungen: In der Abenteuerpädagogik werden durch das Definieren gemeinsamer Ziele grundlegende Haltungen und Einstellungen innerhalb der Gruppe gebildet (vgl. Senninger 2000, S. 16).

Problemlösungsfähigkeit: Interaktionsübungen haben in der Abenteuerpädagogik die Funktion eines Paradigmenwechsels, weg von der Problemorientierung hin zur Lösungsorientierung (vgl. Senninger 2000, S. 16). Anstatt einer Orientierung an den Defiziten und Problemen der Schülerinnen und Schüler bei der Unterrichtsplanung und individuellen Förderung, ist ein Hin zur „Schülerinnen- bzw. Schülerorientierung“ angemessen. Erlebnis- und handlungsorientierte Problemlösungsspiele, auch Initiativspiele genannt, schaffen für das Gruppenmitglied die Möglichkeit, seine individuellen Stärken und Kompetenzen innerhalb einer Gruppe einbringen zu können. Die Umsetzung der individuellen Handlungskompetenz steht im Rahmen von kollektiven Aktionen im Mittelpunkt (vgl. Reiners 2007, S. 32).

Vertrauen: Senninger (2000, S. 16) meint, dass der Einflussfaktor Vertrauen der Schlüssel für „die Tür zu Experimentierfreude und Risikobereitschaft“ ist. Eine Atmosphäre, die von gegenseitiger Unterstützung und Anerkennung geprägt ist, trägt entscheidend dazu bei, dass man sich angenommen, akzeptiert und geliebt fühlt (vgl. Senninger 2000, S. 16). Bei der vertrauensbasierten Arbeit mit TBL (Trust-Based-Learning) beschreibt Seyfried (2009, S. 130) Vertrauen als eine konstituierende Variable für Lernprozesse. „Das Konstrukt Vertrauen mit seiner Vielschichtigkeit wird für den Lernprozess als Angelpunkt beschrieben.“ (Seyfried 2009, S. 130). Für Mutzeck (2000, S. 66) ist ein prinzipielles Vertrauen in die Fähigkeiten, Potentiale und Ressourcen eines Individuums ein sehr bedeutsamer Aspekt in der Beziehungsgestaltung zwischen Menschen. Senninger ist der Ansicht, dass das Aussprechen von Lob und Wertschätzung in einer Leistungsgesellschaft eher in Vergessenheit geraten ist (2000, S. 16). Fiedler (2008, S. 70) beschreibt mit bedingungsfreier Wertschätzung und emotionaler Wärme, als eine der „vier Basisvariablen“, eine Haltung der Leiterin bzw. des Leiters (im schulischen Kontext ist die Lehrerin bzw. der Lehrer gemeint) von erlebnispädagogischen Aktivitäten gegenüber der Teilnehmerin bzw. dem Teilnehmer (im schulischen Kontext ist die Schülerin bzw. der Schüler gemeint) und bezieht sich dabei auf die Persönlichkeitstheorie von Carl Rogers (2008, S. 70 ff.). „Lob und Anerkennung zu geben und anzunehmen, ist ein Schwerpunkt aller abenteuerpädagogischen Projekte“ (Senninger 2008, S. 16).

Bei erlebnis- und handlungsorientierten Aktivitäten entstehen gruppendynamische Prozesse. Das gemeinsame Festlegen von Regeln für die Kommunikation bildet eine Grundlage für die Zusammenarbeit innerhalb der Gruppe. Demokratisch festgelegte Vereinbarungen sollen beim Lösen von auftretenden Konflikten unterstützend wirken. In der Abenteuerpädagogik können solche Regeln in Form eines Arbeitskontraktes während der Orientierungsphase (erste Gruppenphase) bestimmt werden (Senninger 2000, S. 17).

Das gemeinsame Gruppenziel zu erreichen, ist ein wesentliches Merkmal von erlebnispädagogischen Gruppenaktivitäten. Die dafür erforderliche Kooperationsbereitschaft der Gruppenmitglieder zeigt sich in der Abenteuerpädagogik dadurch, dass sich die einzelnen Gruppenmitglieder wechselseitig unterstützen und fördern. Das Erreichen einer „win/win“ - Situation steht dabei im Vordergrund. Für Senninger (2000, S. 17) ist ressourcenorientiertes Planen und Handeln ein wesentliches Merkmal eines funktionierenden Teams.

Spaß ist ein bedeutender Motivationsfaktor in der Abenteuerpädagogik. Mit Spaß sind Lehrerinnen und Lehrer als auch Schülerinnen und Schüler stärker motiviert, aufmerksamer und ihr Energiepotential ist größer. Humor und Spaß sind ansteckend und vermitteln ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und das ist wesentlich für einen positiven Gruppenprozess. Spaß auf Kosten anderer ist destruktiv, zerstört Vertrauen und damit die Bereitschaft, sich offen zu begegnen, und muss deshalb in dieser Form von erlebnispädagogischen Aktivitäten ferngehalten werden (Senninger 2000, S.17). Für Fiedler (2008) sollen sich eine Leiterin oder ein Leiter in einem erlebnispädagogischen Setting nicht „hinter einer Fassade oder Maske“ (Rogers 2002, S. 107) verbergen. Mit Echtheit und Selbstkongruenz meint Rogers (1977) „Authentizität“ (zit. nach Weinberger 1998, S. 39ff.). Die Übereinstimmung zwischen dem inneren Empfinden und dem äußeren Ausdruck zeigt sich durch authentisches Verhalten, auch in Form von losgelöster Freude und Lachen (vgl. Senninger 2000, S. 17).

1.2.6 Das Lernzonenmodell der Abenteuerpädagogik

„Wenn du dich sicher fühlen willst, dann tu, was du schon immer konntest. Aber wenn du wachsen willst, dann gehe bis zum äußersten Ende deiner Kompetenz: Und das heißt, dass du für kurze Zeit deine Sicherheit verlierst. Wann immer du also nicht genau weißt, was du gerade tust, weißt du, dass du wächst.“ (Project Adventure, 1995)

Das Ziel jeder lernpädagogischen Aktion ist es, den Schülerinnen und Schülern mit Hilfe geeigneter Methoden Möglichkeiten zu schaffen, etwas lernen zu können. Ein gezieltes Erfassen von Zusammenhängen kann hilfreich sein, sich in der Wirklichkeit besser zurecht zu finden, bzw. die eigene Wirklichkeit bewusst mitzugestalten (Senninger 2000, S. 18).

Um in einen Lernprozess gehen zu können, müssen drei Vorbedingungen gegeben sein:

Lernvoraussetzungen in der Abenteuerpädagogik:

Notwendigkeit: Erste Vorbedingung für das Lernen ist ein gewisses Maß an Unzufriedenheit, Problembewusstsein, Irritation oder Chaos. Gerade die Unzufriedenheit wird von Senninger als Motivationsgrundlage zur Veränderung gesehen (2000, S. 19). Um neue Erfahrungen machen zu können und zu wollen, bedarf es somit des Zweifels an bisher Erlebtem und Erfahrenem. Dadurch wird ein „Vergleich zwischen Begriff und Gegenstand“ angestellt und aus dieser Differenz eine Kritik gegenüber dem selbst Erlebten aufgebaut (Schenz 2006; nach Kessler et al. 1973, S. 381). Für Mutzeck erlangt der Mensch ein subjektives Wohlbefinden durch Handlungen, die Bedürfnisse befriedigen. Diese Handlungen entwickeln sich aus dem Erleben eines Mangels und der daraus resultierenden Intention und aus dem Wollen, an diesem Zustand etwas zu ändern (2000, S. 55). „Lernen findet an dem Punkt statt, wo das Individuum seinen „Komfortbereich“ gerade verlässt und in unerforschtes Territorium vordringt. In diesem Moment wagt sich die Person an die eigenen Grenzen: Sie kommt an den - kritischen Moment -“ (Senninger 2000, S. 19).

Das Ziel der Abenteuerpädagogik ist es, diese Möglichkeiten zu schaffen. In Lernsettings werden für die Schülerinnen und Schüler Situationen geschaffen, in denen sie etwas versuchen können, was sie normalerweise im Alltag nicht würden. Damit verlassen sie ihre gewohnten und sicheren Verhaltensmuster und begeben sich auf fremdes, ungewohntes „Verhaltensterritorium“. Wird man mit einer ungewohnten Situation konfrontiert, kann es auf der emotionalen Ebene zu Angst und Unsicherheit kommen. Genau an diesem Punkt wird Lernen und Erproben von Neuem möglich. Herausgefordert wird man nur dann, wenn man sich nicht ganz sicher ist, ob man eine Aufgabe schaffen kann oder nicht. Nimmt man jedoch eine solche Herausforderung an und schafft sie, dann kann sich dies positiv auf das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl auswirken (vgl. Senninger 2000, S. 19). Die Abenteuerpädagogik sieht im - „Grenzerfahrungen-Erleben“ - eine Lernchance, die sich auch im schulischen Kontext gut realisieren lässt. Für Herkeerens (2006, S. 45) enthalten typische Abenteuerpädagogik-Programme viele Situationen mit mehr oder minder hohem Herausforderungscharakter. Aus solchen Situationen könnten Schülerinnen und Schüler mit Erfolgs- aber auch mit Misserfolgserfahrungen herausgehen, „und dieser Unterschied macht einen großen Unterschied – nicht zuletzt hinsichtlich der Kontrollüberzeugung“ (Herkeerens 2006, S. 43). Um eine hohe Maßnahmenintegrität zu gewährleisten, legt der Autor besonderes Augenmerk auf eine möglichst optimale Gestaltung der erlebnispädagogischen Settings.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.: 1

Zielorientiertheit: Ein sinnvolles Ziel oder eine lohnende Vision zu haben, ist ebenfalls eine Vorbedingung für das Lernen in der Abenteuerpädagogik. „Der Bewusstseinsprozess hat neue Perspektiven erschlossen, für die es sich lohnt, an sich zu arbeiten. Idealerweise formulieren die Schülerinnen und Schüler diese Hoffnung in eigenen Zielen“ (Senninger 2000, S. 19). Neben dem „Erreichen-Wollen“ des selbstgewählten Zieles, steht in der Abenteuerpädagogik der Prozessverlauf im Vordergrund.

Der Satz Der Weg ist das Ziel“ (J. W. v. Goethe) sollte bei jeder Reflexion besondere Berücksichtigung finden.

Lernklima: Eine weitere Voraussetzung für das Lernen ist eine von Vertrauen erfüllte Atmosphäre und kooperatives Gruppenverhalten. Aus pädagogischer Sicht setzt effektives Lernen ein Umfeld voraus, in dem angstfrei ausprobiert werden kann und die Lernenden positives Feedback bekommen (vgl. Senninger 2000, S. 20). Für Senninger zeigt sich genau in dieser Phase die „Kunst der pädagogischen Begleitung.“ (2000, S. 20). Die Wahl der Herausforderung ist eine selbstständige und freiwillige Entscheidung des Schülers. Durch entsprechende Unterstützung seitens der Gruppe und der Pädagoginnen und Pädagogen lassen sich neue Situationen jedoch erheblich leichter bewältigen. Unterstützung – und dies ist ein wesentlicher Aspekt in der Abenteuerpädagogik – ist „nur" auf der Beziehungsebene möglich (vgl. Senninger 2000, S. 20).

Faktoren, die das Lernklima in einer Gruppe positiv beeinflussen :

Zugehörigkeit: Um sich einer Gruppe zugehörig fühlen zu können, ist ein Mindestmaß an gegenseitigem Vertrauen notwendig. Übungen, wie die Reflexionsübung „Standbild“ oder soziometrische Erhebungen, können die Zugehörigkeit einzelner Gruppenmitglieder zu und innerhalb einer Gruppe abbilden (vgl. Senninger 2000, S. 20). Das Streben nach Zugehörigkeit zu einer Gruppe könnte für das Individuum die Gefahr bergen, Werte der Gruppe zu übernehmen, die als „sollte“ oder „müsste“ erfahren werden. Wird der Mensch mit solchen Konstrukten konfrontiert, so neigt er dazu, das Selbst zu sein, das andere von ihm erwarten, anstelle das Selbst zu sein, welches er eigentlich ist (vgl. Weinberger 1998, S. 98). Rogers (2009, S. 25) nennt diesen Zustand „Inkongruenz“. Damit zusammenhängende Konstrukte sind Angst, Verletzlichkeit, Bedrohung und psychische Fehlanpassungen.

Akzeptanz in der Gruppe zeigt sich dadurch, wie frei sich die einzelnen Gruppenmitglieder mitteilen können und ob unterschiedliche Meinungen ausgedrückt werden dürfen (vgl. Senninger 2000, S. 20).

Verantwortung zu übernehmen wird im Konzept der Abenteuerpädagogik durch autonomes Handeln und Entscheiden innerhalb der Gruppe ermöglicht. Durch das selbstständige Definieren der eigenen Ziele wird die Verantwortung an das jeweilige Gruppenmitglied zurückgegeben (vgl. Senninger 2000, S. 20). Mutzeck (2000, S. 58) beschreibt eine Einschränkung und Bevormundung in der Entscheidungsfreiheit des Menschen als eine Leugnung bzw. Reduzierung seiner Fähigkeiten, was wiederum Misstrauen und Enttäuschung hervorruft. Autonomes Handeln und Entscheiden erfordert eine Atmosphäre des „Sich-in-seinen-Fähigkeiten-ernst-genommen-Fühlens“. Für autonomes Handeln sind Vereinbarungen für das Miteinander-Umgehen förderlich (vgl. Mutzeck 2000, S. 58). In der Abenteuerpädagogik stellt der Gruppen- oder Arbeitsvertrag das eigentliche Mittel dar, um aus einer beliebigen Lerngruppe eine kooperative Lerngemeinschaft entstehen zu lassen (vgl. Senninger 2000, S. 55).

Wertschätzung: Wenn das Fehler-Machen erlaubt ist, trauen sich die Schülerinnen und Schüler eher zu, eine Herausforderung anzunehmen und etwas Neues auszuprobieren (vgl. Senninger 2000, S. 20). Wertfreies Feedback und konstruktive Kritik helfen, den Lernerfolg zu überprüfen und neue Ziele zu setzen. Wertschätzung für einen anderen empfinden, bedeutet, ihn „zu schätzen“. Rogers (2009, S. 41) beschreibt damit die Wertschätzung gegenüber einer Person, ungeachtet der verschiedenen Bewertungen, die man selbst ihren verschiedenen Verhaltensweisen gegenüber hat . In einer Atmosphäre des Wohlfühlens fühlt sich der Mensch angenommen.

Sicherheit: Sich auf etwas Neues einlassen, ein Risiko eingehen, setzt das Vorhandensein sowohl einer körperlichen als auch emotionalen Sicherheit voraus. Wird das Risiko zu groß, ist es nicht mehr kalkulierbar, entsteht folglich zu große Angst oder unter Umständen sogar Panik. Leiterinnen und Leiter von erlebnispädagogischen Aktivitäten müssen bei der Auswahl der Übungen professionelles Fachwissen besitzen und bei der Begleitung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Einfühlungsvermögen zeigen. Ist die Anleiterin bzw. der Anleiter eine Lehrerin bzw. ein Lehrer, so sollte sich diese bzw. dieser in „ihre“ bzw. „seine“ Schülerinnen und Schüler versuchen „hineinzuversetzen“, damit es zu keiner Über- bzw. Unterforderung kommt. Die Methoden der Abenteuerpädagogik können effektive Lernatmosphären schaffen (vgl. Heckmair et al. 2008, S. 273ff.)

1.2.7 Der Prozess des Lernens im Lernzonenmodell der Abenteuerpädagogik

Unter der Voraussetzung, dass die bereits unter 1.2.6 angeführten förderlichen Bedingungen für die Initiierung von Lernprozessen vorhanden sind, wird nun im Folgenden der Prozessverlauf beim Lernzonenmodell der Abenteuerpädagogik beschrieben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.: 2

- Komfortzone: Im vertrauten Bereich handeln.

„Die Komfortzone heißt so, weil wir uns darin komfortabel und sicher fühlen. In diesem Bereich, in dem wir schon alles können und wissen, verhält sich der Mensch selbstsicher und routiniert. Das Individuum ist sich seiner Stärken und Fähigkeiten bewusst“ (Senninger 2000, S. 26).

Je näher die Grenze dem Übertritt in die Wachstumszone rückt, desto größer werden Unsicherheit und Gefühle der Angst. Senninger (2000, S. 22) bezeichnet diese Übertrittsphase in die Wachstumszone (auch Lernzone genannt) als den kritischen Moment. Die an der Übung teilnehmenden Gruppenmitglieder beschreiben diesen Moment mit einem Gefühl des „Kribbelns im Bauch“. Es fallen auch Aussagen wie: „Ich schaff das nicht“, „Ich glaub, mich trifft der Schlag“ etc.

- Wachstums- oder Lernzone: Im persönlichen Grenzbereich handeln

In diesem Bereich liegt alles, was wir noch nicht so recht wissen und mit dem wir noch keine Erfahrungen haben. Etwas also, das wir noch besser können wollen und demnach noch lernen möchten. Etwas, das einem auch Mut und Überwindung abverlangt, weil man sich eben nicht mehr so komfortabel und sicher fühlt. Ein Gefühl der Unsicherheit und Angst auszuhalten, ist für viele Menschen unangenehm, deshalb zeigen sie unbewusst Abwehrmechanischen, um ihre Situation kontrollieren zu können (vgl. Senninger 2000, S. 21). Rogers (1996) beschreibt den Menschen als ein Wesen, das danach strebt, aus seiner Existenz das Beste herauszuholen. Die Motivation, die eigenen Potentiale auszuschöpfen, ist seiner Ansicht nach im Menschen verinnerlicht. Ein Scheitern bedeutet nicht, dass dem Menschen das Sich-Sehnen nach dem Ausschöpfen seiner Potentiale gefehlt hätte (vgl. Boeree 2006, S. 4). Es ist deshalb bedeutsam, dass die Lehrerin und der Lehrer über psychische Abwehrmechanismen, die sich während der Übergangsphase von der Komfort- in die Wachstumsphase bei den Schülerinnen und Schülern zeigen können, Bescheid weiß, um eine entsprechend professionelle Unterstützung geben zu können (vgl. Senninger 2000, S. 21).

Mögliche Einflussfaktoren beim Prozessverlauf:

Die „Ganzheit“ der Pädagoginnen und Pädagogen in der Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern ist eine erforderliche Bedingung. Man kann jedoch nicht erwarten, dass bedingungslose Wertschätzung und empathisches Verstehen ständig gegeben sind. Für Fiedler (2008) reicht es aus, wenn die Lehrerin und der Lehrer im besonderen Augenblick der „unmittelbaren Beziehung mit seinem spezifischen Gegenüber ganz und gar sie bzw. er selbst ist“ (Rogers 2009, S. 49). Inwieweit die Beziehung zwischen Lehrerinnen und Lehrern zu ihren Schülerinnen und Schülern über den Grad des Erfolges bzw. Misserfolges einer erlebnispädagogischen Maßnahme entscheidet, bleibt aufgrund der bisher noch nicht ausreichend vorhandenen Forschungsergebnisse im Dunkeln (vgl. Heekerens 2012, S. 54). Auch für den Autor der vorliegenden Arbeit bleibt diese Frage nach der Auswertung der empirischen Untersuchung noch offen. Der Einfluss der Variablen „Beziehung“ und „Menschenbild“ von Pädagoginnen und Pädagogen auf den Erfolg oder Misserfolg erlebnispädagogischer Interventionen bedarf noch einer weiteren wissenschaftlichen Überprüfung.

Folgende Faktoren könnten das Verhalten im kritischen Moment beeinflussen:

Hoffnung entsteht, wenn Menschen sich darüber bewusst sind, dass sie an einem Problem arbeiten und sich daraus eine Lösung ergibt. Das Eingehen auf die Ziele und zu erwartenden Perspektiven kann für das Individuum unterstützend sein. Ebenso kann es sich positiv auswirken, wenn Hilfe beim Differenzieren von persönlichen Zielen in angemessenen Teilschritten geleistet wird (vgl. Senninger 2000, S. 23).

In einer Atmosphäre des Vertrauens lassen sich Spannungen leichter aushalten. Vertrauensbildende Übungen unterstützen die Entwicklung einer vertrauensvollen Atmosphäre (vgl. Senninger 2000, S. 23).

Wertvorstellungen sind die persönlichen Landkarten und Wegweiser, die der Mensch benutzt, um auf „sicherem Boden zu bleiben“ (vgl. Senninger 2000, S. 24). Wertevorstellungen entstehen durch die Auswertung von eigenen Erfahrungen. Diesen Wertevorstellungen stehen die „introjizierten Werte“ anderer gegenüber, die ebenfalls zum Selbstkonzept des Menschen gehören (Rogers 1977; nach Weinberger 1998, S. 98). Der Mensch schafft sich, durch die Auseinandersetzung mit z.B. einer Gruppe von Menschen und den Rückmeldungen der Gruppenmitglieder, ein Bild von sich selber. In der Abenteuerpädagogik kann die Gruppe eine wesentliche Hilfsquelle sein, um alte Wertevorstellungen zu überprüfen bzw. neue Werte auszuprobieren (vgl. Senninger 2000, S. 24).

Um eine neue Lernerfahrung machen zu können, ist das Betreten von anderen bisher unbekannten Pfaden der Unterstützung (individuell verschieden) erforderlich. Die Reflexion von erlebnispädagogischen Aktivitäten bietet eine gute Gelegenheit, Muster zu erkennen, die sonst Wachstum verhindern. Im schulischen Kontext ist z.B. der Methodenwechsel eine mögliche unterstützende Maßnahme, um neue Möglichkeiten für die Gruppe bzw. für die Schülerinnen und Schüler zu schaffen.

- Panikzone oder „alles, was eine oder mehrere Nummern zu groß für den Menschen ist“

In diesem Bereich ist Lernen nicht möglich. Gefühle der Frustration und Angst überwiegen. In der Panikzone liegt alles, was der Persönlichkeit zu fern, zu fremd und nicht zu bewältigen ist. Es liegt vor allem auch in der Verantwortung der Leiterinnen und Leiter von erlebnispädagogischen Aktivitäten, bei der Schaffung von Lernarrangements die richtige Wahl der Übungen bzw. Herausforderungen zu treffen, damit es zu keiner Überforderung der Teilnehmerinnen und Teilnehmern kommen kann (vgl. Senninger 2000, S. 26). Der Vergleich mit Differenzierungsmaßnahmen im schulischen Kontext erscheint mir an dieser Stelle angebracht.

1.3 Handlungs- und erlebnisorientiertes Lernen im
pädagogischen Handlungsfeld Schule

In den folgenden Abschnitten werden erlebnis- und handlungsorientierte Aktivitäten beschrieben, die mit einer Gruppe von 13 Schülern der 7. und 8. Schulstufe in den Schuljahren 2010/2011 und 2011/2012 in einer Neuen Mittelschule durchgeführt wurden.

Ausgehend von den Fragestellungen…

- Sinkt die Zahl von Ablehnungen innerhalb einer Schülergruppe nach dem Einsatz von erlebnispädagogischen Maßnahmen?
- Erhöht der Einsatz von erlebnis- und handlungsorientierten Methoden die soziale Anerkennung - mehr positive, weniger negative Wahlen – einzelner, bisher eher abgelehnter Gruppenmitglieder?
- Verbessert sich die Kooperationsbereitschaft der Gruppenmitglieder durch den Einsatz von erlebnis- und handlungsorientierten Methoden?
- Zeigen sich die durch die Interventionen erzielten Veränderungen auch noch drei Monate nach Beendigung der Interventionen?

…leitet der Autor der vorliegenden Arbeit folgende Hypothesen ab:

- Die Zahl der Ablehnungen innerhalb der Gruppe nimmt durch den Einsatz von erlebnis- und handlungsorientierten Methoden ab.
- Einzelne, bisher stark abgelehnte Gruppenmitglieder, erhalten aufgrund erlebnispädagogischer Interventionen mehr positive und weniger negative Wahlen und verbessern dadurch ihren sozialen Status (Rang) innerhalb der Gruppe.
- Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Einsatz von erlebnis- und handlungsorientierten Methoden im Unterricht und der Bereitschaft zur Zusammenarbeit innerhalb einer Gruppe.
- Die Nachhaltigkeit der erlebnispädagogischen Interventionsmaßnahmen zeigt sich auch drei Monate nach Beendigung der Intervention.

Die wissenschaftliche Untersuchung und die Beschreibungen eventueller Wirkungen erlebnispädagogischer Interventionen werden im empirischen Teil der Arbeit dargestellt.

1.3.1 Der Einsatz von erlebnis- und handlungsorientierten Methoden im Unterricht – im Bewusstsein der Bedeutung des Menschenbildes für die Erlebnispädagogik

Ein Grundprinzip bei erlebnispädagogischen Aktivitäten ist das handlungsgeleitete Bewältigen von Herausforderungen. Nicht nur das Einhalten von korrekten technischen Schritten oder das Anwenden von Strategien bei der Lösung von erlebnisorientierten Aufgaben sind für den Autor dieser Arbeit bedeutsam. Es sollen vor allem in der nun folgenden Beschreibung von erlebnis- und handlungsorientierten Aufgabenstellungen Möglichkeiten aufgezeigt werden, durch die Schülerinnen und Schüler ein zufriedenstellendes subjektives Gefühl erlangen können. Bei der Planung und Organisation der Aufgaben und Projekte orientierte sich der Autor am Konzept und an den Zielen der Abenteuerpädagogik nach Senninger (2000). Eine Tabelle soll den Verlauf der Vorgehensweise übersichtlich darstellen.

Zeitstrahl:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Projektstart 1.Erhebung 1.Intervention 2.Intervention 2.Erhebung 3.Erhebung

Ende

Intervention

Zeitplan:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle: 1

Damit die vorliegende Arbeit überschaubar bleibt, beschreibt der Autor die seiner Einschätzung nach bedeutendsten erlebnis- und handlungsorientierten Interventionsmaßnahmen im folgenden Abschnitt.

- Projekt: „Wir bauen ein Floß“

Das fächerübergreifende Projekt „Wir bauen ein Floß“ entwickelte sich aus dem Wunsch der Schüler heraus, im technischen Werkunterricht nicht nur Floßmodelle, sondern auch tragfähige Wassergefährte zu bauen. Maßstabgetreue Floßmodelle wurden in vier Kleingruppen im Werkunterricht hergestellt und dienten als Vorarbeit für zwei tragfähige Floße, welche die gesamte Gruppe in Teamarbeit herstellte. Der endgültige Zusammenbau und das Ausprobieren der Floße in der Großgruppe erfolgten während der drei Projekttage in einer Sportschule vom 30.5. – 1.6.2011.

Sinngemäß steht im Österreichischen Lehrplan für technisches Werken:

In den Bildungs- und Lehraufgaben wird auf die Entwicklung und Anwendung von Strategien zum Erkennen und Lösen von technischen und gestalterischen Problemen hingewiesen. Die Entwicklung kritischer Selbsteinschätzung, Frustrationstoleranz und Kritikfähigkeit sollen durch die Erfahrung in der praktischen Arbeit gefördert werden. Der Lehrplan sieht auch vor, dass im Rahmen des Unterrichts die Teamfähigkeit bei Planungs- und Herstellungsprozessen und die Kooperationsbereitschaft bei den Schülern aufgebaut werden soll.

In den didaktischen Grundsätzen wird Werken als ein kreativer Prozess beschrieben, in dem die Eigenständigkeit bei der Entwicklung von Problemlösungsstrategien gefördert wird. Bei der Auswahl und Vermittlung der Inhalte ist auf den Motivationscharakter und auch auf den unmittelbaren Lebensraum der Schülerinnen und Schüler Bezug zu nehmen. Wichtigstes Ziel der Unterrichtsarbeit ist wegen seines starken Motivationscharakters das Herstellen eines konkreten Produkts (z.B. ein Floßmodell).

Der Kernbereich des Lehrstoffes, welcher im Floß-Modellbau Anwendung findet, beinhaltet den technischen Teilbereich der Strömungstechnik. Die Schüler sollen laut Lehrplan durch experimentelle Verfahren kreative Lösungsansätze suchen, Entscheidungen treffen und so zu einer Problemlösung finden können (vgl. http://www.bmukk.gv.at/medi enpool/884/hs20.pdf).

Gruppeneinteilung für die Herstellung von Floßmodellen:

Die Einteilung erfolgte aufgrund einer soziometrischen Analyse so, dass möglichst keine Ablehnungen von Gruppenmitgliedern von vornherein erfolgen. Mit den bereits im Vorfeld erhobenen Daten, die die Beziehungsstruktur der 3* Knabengruppe darstellen, ergab sich die Gruppeneinteilung für den Bau der Floßmodelle. Folgende Frage tat sich dabei für den Autor der vorliegenden Arbeit auf. „Kooperieren die Kleingruppen (zusammengestellt aufgrund von Wahlen bzw. keiner Ablehnungen) problemlösungs- und zielorientiert ?“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle: 2

Durchführung und Verlauf des Projektes „Floßbau“:

Ein gewisses Maß an Unzufriedenheit und Irritation, sowie ein sinnvolles Ziel zu haben, sind Vorbedingungen für das Lernen in der Abenteuerpädagogik. Erlebnispädagogische Lernsettings und ein von gegenseitigem Vertrauen geprägtes Lernklima ermöglichten den jeweiligen Gruppenmitgliedern ihre individuellen Vorschläge und Kompetenzen beim Bau der Floßmodelle einzubringen. Senninger (2000, S. 20) meint, dass sich genau in dieser Phase die „Kunst der pädagogischen Begleitung“ zeigt. Die Möglichkeit bei der Wahl der Materialien als auch bei der Planung der Arbeitsschritte autonom handeln zu dürfen und dass die Anforderungen dem Leistungspotenzial entsprachen, waren für die Schüler motivierend und steigerten ihr Interesse. Um sich der Arbeitsgruppe zugehörig fühlen zu können (sozial eingebunden zu sein), war ein Mindestmaß an gegenseitigem Vertrauen notwendig und wurde für den Autor durch die spürbare gegenseitige Akzeptanz und wechselseitige Wertschätzung der Gruppenmitglieder immer wieder sicht- und erlebbar. Der Werkunterricht fand im vierzehntätigen Rhythmus mit je zwei geblockten Unterrichtseinheiten statt. Zu Beginn und gegen Ende der Unterrichtsblöcke hielten die Arbeitsteams kurze Vor- bzw. Nachbesprechungen ab. Eine Reflexionsrunde (vgl. „Lernen durch Reflexion“) mit der Großgruppe unter der Leitung des Autors bildete einen ritualisierten gemeinsamen Unterrichtsabschluss. Die Beteiligung daran erfolgte nach dem Prinzip der Freiwilligkeit. Regeln für die Kommunikation während der Arbeitsprozesse und Reflexionsrunden wurden von den Schülern festgelegt und in Form eines Vertrages dokumentiert. Dies trägt laut Senninger (2000, S. 55) dazu bei, dass aus einer beliebigen Lerngruppe eine kooperative Lerngemeinschaft entstehen kann.

Beispiele für Reflexionsfragen:

Wie war die Zusammenarbeit in der Gruppe?

Wie wurden in der Gruppe Entscheidungen getroffen?

Welche Schwierigkeiten und Hindernisse tauchten auf?

Wie wurde mit Frust, Fehlern und Misserfolgen umgegangen?

Was hat zum Erfolg des Gruppenergebnisses beigetragen?

Prozessbeobachtungen beim Projekt „Floßbau“:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.: 3

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.: 4

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.: 5

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.: 6

Das Ziel der Großgruppe, zwei schwimmende, tragfähige Floße zu bauen, wurde von den Gruppemitgliedern durch ressourcenorientiertes Planen und Handeln während der Projekttage erreicht. Das Ziel, Floßmodelle innerhalb der Kleingruppe - im Rahmen des regulären Werkunterrichts - zu bauen, wurde ebenfalls erreicht. Die vom Autor gestellte Frage „Arbeitet die Gruppe (zusammengestellt aufgrund von Wahlen bzw. keiner Ablehnungen problemlösungs- und zielorientiert ?“, konnte aufgrund der von ihm gemachten Beobachtungen und mit Hilfe geeigneter Reflexionsmethoden (z.B. Fingerzeig, Einflussreihe, Standbild etc.) ebenfalls mit „Ja“ beantwortet werden. Die vom Autor gemachten Beobachtungen wurden von zwei Studierenden, die freiwillig an den Projekttagen teilnahmen, bestätigt. Auch der Spaß, ein bedeutender Motivationsfaktor in der Abenteuerpädagogik, kam nicht zu kurz.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.: 7

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.: 8

- Erlebnispädagogische Interventionen

Kooperationsaufgaben, Grenzerfahrungen, Vertrauen in sich und andere aufbauen als auch Spiele mit Wettbewerbscharakter bildeten thematische Schwerpunkte während der Projekttage. Die erlebnispädagogischen Aktivitäten wurden den Schülern der 3* zum Teil gemeinsam mit ihren Mitschülerinnen angeboten. Eventuelle Auswirkungen und Einflüsse auf die Mitglieder der Versuchsgruppe durch die Teilnahme der Mädchen (13) der 3* wurden im Rahmen dieser Arbeit nicht untersucht. Die Teilnahme der Mädchengruppe erforderte eine gendergerechte Planung und Differenzierung bei den erlebnispädagogischen Angeboten.

Organisationsplan:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle: 3

[...]

Ende der Leseprobe aus 172 Seiten

Details

Titel
Abenteuerpädagogik im Sportunterricht. Erlebnis- und handlungsorientierte Methoden als Interventionsmaßnahmen in pädagogischen Handlungsfeldern
Hochschule
Private Pädagogische Hochschule der Diözese Linz  (Aus- und Fortbildung)
Veranstaltung
Hochschullehrgang mit Masterabschluss: Verhaltensauffälligkeiten und Schule - professionelle Analyse und Beratung und Betreuung
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2013
Seiten
172
Katalognummer
V292940
ISBN (eBook)
9783668278981
ISBN (Buch)
9783668278998
Dateigröße
8720 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
"Der Autor stellt mit hoher Sachkompetenz seine Arbeit vor. Er bietet dabei einen ausgezeichneten Überblick zum Theorierahmen und verbindet ihn mit Beispielen aus eigener pädagogischer Arbeit. Die Studie ist nachvollziehbar beschrieben und aus der Gesamtarbeit werden Konsequenzen für weitere Schritte abgeleitet." "Der Autor setzt sich differenziert mit dem Bereich Erlebnispädagogik auseinander, der Zusammenhang zu Erkenntnissen und Postulaten der humanistischen Psychologie zeigt von einer hohen und elaborierten Eigenleistung, [...]
Schlagworte
abenteuerpädagogik, sportunterricht, erlebnis-, methoden, interventionsmaßnahmen, handlungsfeldern
Arbeit zitieren
Norbert Zauner (Autor:in), 2013, Abenteuerpädagogik im Sportunterricht. Erlebnis- und handlungsorientierte Methoden als Interventionsmaßnahmen in pädagogischen Handlungsfeldern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/292940

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